Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1204
Kirn (Landkreis Bad Kreuznach)

Kirn, ehem. Piaristenkloster

Das Gebäude
Das repräsentativste Gebäude an der Uferpromenade von Kirn, heute Sitz der Stadtverwaltung, ist ein ehemaliges Piaristenkloster, links neben der Pfarrkirche gelegen. Ein dreistöckiger Flügel mit Mansarddach bildet den repräsentativen Abschluß zum Fluß. Ein langer, in stumpfem Winkel anschließender, gleich hoher Seitenflügel mit Tordurchfahrt führt auf der rechten Seite nach hinten, wo der dritte, rechtwinklig angeschlossene Flügel quer abschließt, so daß sich insgesamt ein schief-trapezförmiger Grundriß mit aus dem Lot gedrehtem Frontbau ergibt. Die vierte Seite besteht aus einstöckigen Nebenbauten entlang der den Hof abschließenden Mauer. Das Gebäude wurde in mehreren Etappen gebaut. Zuerst entstand 1753 im Auftrag des Fürsten Johann XI. Dominic Albert Philipp Joseph Fürst v. Salm-Kyrburg (26.7.1708 - 2.6.1778), 17.5.1743 Reichsfürst zu Salm-Kyrburg, ein geräumiges Pfarr- und Schulhaus, das ist der heute an der Übergasse gelegene Flügel. 1762-1769 wurde das Gebäude zu einer Dreiflügelanlage ausgebaut. Der Fürst persönlich gab detaillierte Anweisungen, wie er sich das Gebäude wünschte: Mit einem schönen Altan vor dem mittleren Fenster und dem Turm auf dem Dach (1768 ausgeführt, mit welscher Haube). Der Baumeister war wiederum Johann Thomas Petri. Der zum Hahnenbach ausgerichtete Hauptbau hat einen dreiachsigen Mittelrisalit mit Pilastertür unter dem Balkon. Besonders elegant wirkt die geschweifte Verdachung der Fensterstürze. 1767 wurde der erste Flügel zur Übergasse wieder abgerissen und neu gebaut, so daß er besser zum Hauptbau paßte und vor allem innen mit ihm eine strukturelle Einheit bildete. Im Erdgeschoß dieses neuen Langflügels ist die Kapelle untergebracht.

Die Bestimmung des Bauwerks war ein Kloster des Schulordens der Piaristen. 1757 wurden erste Piaristenpatres an die Schule berufen. 1765 wurde das Gebäude gemäß Stiftungsurkunde des Fürsten in ein Kollegium von 12 Geistlichen verwandelt. Der Piaristen-Orden bzw. der Ordo Clericorum Regularium Pauperum Matris Dei Scholarum Piarum wurde von dem Spanier José de Calasanz (1557 - 1648) gegründet. Er begann mit einer kostenfreien Schule für das gemeine Volk in Rom, und 1617 wurde daraus die "Paulinische Kongregation der Armen der Mutter Gottes von den Frommen Schulen", die 1621 vom Papst zum Orden erhoben wurde. Daraus hat sich ein sehr stark in der Lehrtätigkeit engagierter Orden entwickelt, dessen Angehörige, vornehmlich Priester, in Erziehung und Schuldienst tätig waren, mit Höhepunkt im 18. Jh., als der Orden allein in Österreich 24 Gymnasien unterhielt. Seit 1870 kam es durch das 1869 erlassene Reichvolksschulgesetz zur Säkularisierung der Ordensschulen und Übernahme der Bildungsinfrastruktur durch den Staat. Der Orden existiert noch heute. Zurück zum ehemaligen Kloster in Kirn: 1798 wurde das Piaristenkolleg als religiöse Einrichtung aufgehoben. Die Patres waren vor den Revolutionstruppen geflohen; das Gebäude wurde säkularisiert. Es wurde an Privat verkauft, später an die Stadt, die 1821 wieder eine Schule einrichtete. Im 19. und 20. Jh. war hier ein Progymnasium eingerichtet, der alten schulischen Tradition folgend. Seit neuerer Zeit wird das Gebäude als Rathaus und Stadtverwaltung genutzt, und was heute Sitzungssaal ist, war früher die Klosterkapelle. Der barocke Pavillon, der einst in den inzwischen von der Stadt eroberten weitläufigen Gärten stand, ist versetzt worden und befindet sich heute schräg gegenüber auf dem anderen Hahnenbachufer am Marktplatz.

Das fürstliche Wappen Salm-Kyrburg
Das Wappen im Giebel ist im Gegensatz zu dem an der alten Kellerei nicht mehr original: Revolutionstruppen haben es 1798 abgeschlagen. Der heutige Zustand ist ein Werk der Restauratoren und stammt aus dem Jahre 2005. Der Wappenschild entspricht unverändert dem maximal vermehrten, dritten Wappen, mit den Ergänzung Salm und Vinstingen:

Aber statt eines Oberwappens mit Helmen und Helmkleinoden (vier wären möglich) wird das Wappen beim fürstlichen Wappen hier nur mit Prunkstücken kombiniert. Es ist unter einem roten, hermelingefütterten Wappenmantel angebracht, der aus einem hermelingestulpten, mit goldenen Bügeln und Reichsapfel geschmückten Fürstenhut herabfällt, und zwei um Stirn und Hüfte grünbekränzte Wilde Männer mit geschulterten Keulen dienen als Schildhalter.

Genealogie der 1742/1743 gefürsteten Linie Salm-Kyrburg

Wappen am hinteren Quertrakt:
Da der ehemals älteste Teil noch während der Bauzeit wieder abgerissen und durch einen Neubau ersetzt wurde, ist vom heutigen Bau der rückwärtige Quertrakt der älteste Flügel, dreigeschossig mit 7 x 4 Achsen. Er ist verhältnismäßig schlicht dekoriert bis auf das Säulenportal mit darüber befindlichem Balkon. Im Schlußstein des Portals befindet sich das Stadtwappen von Kirn:

Das Kirner Stadtwappen zeigt in Rot zwei einander zugewandte, blaugezungte und -bewehrte, goldene Löwen, die zwischen sich zwei schräggekreuzte silberne Doppelhaken (Wolfsangeln) halten. Über dem Schild eine dreitürmige, goldene Mauerkrone. Das Wappen geht auf ein Siegel aus dem 16. Jh. zurück, wobei der Bezug zu den Löwen der Wildgrafen naheliegt.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher
Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder - die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. C. H. Beck Verlag München 7. Auflage 2007, ISBN 978-3-406-54986-1
Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Stadtgeschichte Kirn:
http://www.kirn.de/pdf/stadt/kirn_geschichte.pdf
Stadtrundgang Kirn:
http://www.kirn.de/pdf/stadt/Stadtrundgang.pdf
Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Kreis Kreuznach, 1935, S. 200 ff

Die Entwicklung des Wappens der Rhein- und Wildgrafen und Fürsten zu Salm

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