Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 917
Dieburg (Hessen, Landkreis Darmstadt-Dieburg)

Dieburg: Fechenbach-Schloß

Hier wohnte einst eines der bedeutendsten Adelsgeschlechter Dieburgs, die Ullner von Dieburg. Der Name "Fechenbach-Schloß" bezieht sich nur auf den letzten Besitzer und tut der langen Geschichte der Ullner an diesem Ort Unrecht. Das sog. Fechenbach-Schloß in Dieburg hat verschiedenste Bauphasen erlebt. Im Kern ist es ein barockes Gebäude auf Renaissance-Fundamenten, das im Klassizismus umgebaut wurde. Das dreiflügelige, zweigeschossige Schloß, das sich U-förmig nach Süden öffnet, ist also in drei Entwicklungsphasen entstanden. Die älteste Anlage wurde von Hartmann von Ullner errichtet, ein Renaissance-Anwesen, von dem nur noch Kellergewölbe vorhanden sind, und über dessen tatsächlichen Baubestand man mangels Überbleibsel nur spekulieren kann. Ein eingeschossiger Barockbau mit Mansarddach und zentralem Zwerchhaus entstand 1717 (Jahreszahl am Schlußstein des Portals) für Johann Pleickard Ullner von Diepurg. 1771 starben die Ullner im Mannesstamme aus, und der Besitz ging durch Heirat an die Dalberg. Die Tochter von Friedrich Wilhelm von Dalberg verkaufte das Schloß 1842. 1842-1939 gehörte das Schloß den Freiherren von Fechenbach, nach denen es seinen Namen hat. Freiherr Friedrich Karl Joseph von Fechenbach ließ es für seinen Sohn Hugo umbauen. Seine heutige Gestalt mit dem zweiten Stockwerk in der hinteren Hälfte, den Sattendächern auf den gekürzten Seitenflügeln und der Gestaltung der vorderen Abschnitte der Seitenflügel als Balkone bekam das Schloß 1860/61 nach Plänen des Kreisbaumeisters Krauß. Der Ehrenhof ist heute aufgeschüttet, die Treppe vorverlagert. Durch diesen Stilmix hat das unlängst hervorragend sanierte Gebäude heute von weitem den Charme eines Bahnhofsgebäudes aus dem 19. Jh., und nur im Detail erkennt man ein schönes Zahnschnittgesims, geohrte Sandsteinfenstergewände und -pilaster und weitere nette Details, die es eben doch zum Schloß machen. Kaum zu glauben, daß früher, zu Zeiten des ersten Baus, die Anlage einmal Teil der Stadtbefestigung war, eine Ecke derselben. 1939 verkaufte Karoline Freifrau von Fechenbach das Schloß an die Stadt Dieburg, die heute hier ein Museum eingerichtet hat.

Über dem Hauptportal befindet sich im gesprengten Dreiecksgiebel ein auf 1717 datiertes Allianzwappen der Ullner von Dieburg und der Freiherren von Haxthausen. Das Wappenpaar läßt sich Franz Pleickard Ulner von Dieburg (1677-1748), Sohn von Franz Joseph Gernand Ulner von Dieburg, sowie seiner Gattin Maria Susanna Zobel von Giebelstadt, und seiner am 12.6.1713 geehelichten Frau Maria Theresia Josepha von Haxthausen (15.10.1692-30.6.1731), Tochter von Johann Raab von Haxthausen (1659-21.11.1733) und Margaretha Concordia von Syrgenstein, zuordnen. Ein inhaltlich identisches Wappenpaar aus dem Jahr 1725 ist am Weinheimer Schloß über einer Portalrahmung zu finden. In der Weinheimer Kirche St. Laurentius befindet sich ein Epitaph für Maria Theresia Josepha von Haxthausen mit der gleichen Wappenkombination.

Die Ullner (Ulner) von Dieburg (Diepurg) führen hier in Blau eine goldene Burg mit rotem Tor und drei Zinnentürmen, wovon der mittlere rot bedacht ist. Helmzier auf einem golden bequasteten, roten Kissen ein goldener, mit einem Pfauenstoß besteckter Topf (Vase). Helmdecken blau-golden (Farbgebung nach Humpracht, vgl. Siebmacher Oberösterreich, 1831). Gruber gibt in Gold eine rote Burg an, auch zu finden im Siebmacher OstN, desgleichen im Alten Siebmacher sowie im Rietstap, der mittlere Turm mit blauem Dach, Helmdecken rot-golden. Hier ist bei der Restaurierung der ersten Version der Vorzug gegeben worden.

Bezüglich der Helmzier handelt es sich um ein redendes Wappen, denn der Name Ullner leitet sich von lat. "olla" - Topf, Gefäß ab, und ein Ullner war ein Töpfer. ein Hersteller von Gefäßen. Auch die Eulengasse in Dieburg leitet ihren Namen von diesem Geschlecht der Ullner her. Die Ullner sind übrigens eng mit Weinheim verbunden.

Das Wappen der Freiherren von Haxthausen zeigt in Rot eine schrägliegende Konstruktion aus miteinander verbundenen Holzbrettern (wie eine Brettertür mit drei ins Z gelegten schmalen Brettern benagelt, vermutlich Teil eines Wagenaufbaus, evtl. eine Wagenflechten-Lattentür). Auf dem Helm ein roter Flug, beiderseits mit einer schräg einwärts liegenden Konstruktion wie beschrieben belegt. Helmdecken rot-silbern. Die gemeine Figur im Wappen ist mit vielen verschiedenen Namen belegt worden, als Lattentür bezeichnet worden, als Gatter oder als Wagenflechte, sogar als Flachsmaß. Wie auch immer das Objekt verwendet wurde, es wird immer dargestellt als eine Reihe parallel nebeneinander gelegter Bretter oder Latten, die durch horizontale und diagonal angebrachte Verstrebungen zu einer Einheit verbunden sind. Das Objekt wird nie mit Scharnieren oder Griffen dargestellt. Vermutlich ist das Objekt Teil eines Schutzes, der nach Bedarf seitlich hinter die Seitenkonstruktion eines Wagens gesteckt wurde, um das Herabfallen kleinteiliger oder hoch aufgetürmter Ladung zu verhindern oder die Verunreinigung des Wageninhaltes mit hochspritzendem Schlamm. Insbesondere wird diese Interpretation dadurch gestützt, daß die Herren von Haxthausen aus den Herren von Vlechten hervorgegangen sind, die bereits im Jahre 1173 mit Alexander de Fleghten erwähnt werden und das gleiche Wappen führten, das ein redendes sein könnte. Andererseits ist eine Wagenflechte, wie der Name schon ausdrückt, meistens korbartig und aus Flechtwerk gefertigt, das hier nicht dargestellt ist. Möglicherweise handelt es sich um eine Wagenflechten-Lattentür und damit um einen Teil eines solchen Wagenaufbaus.

Dieses ist das Stammwappen. Später gab es noch andere Formen des Haxthausen-Wappens, die im Westfälischen Wappenbuch beschrieben werden:

Freiherren von Haxthausen-Carnitz (Diplom von 1812): Gespalten. Vorne in Rot eine schrägrechts gelegte, silberne Konstruktion aus miteinander verbundenen Holzbrettern (wie eine Brettertür mit drei ins Z gelegten schmalen Brettern benagelt, evtl. eine Wagenflechten-Lattentür). Hinten schräglinks geteilt, oben in Silber ein aus der Teilung hervorkommender halber roter Hirsch, unten von Blau und Silber gerautet. Zwei Helme: Helm 1 (vorne): Auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken ein roter Flug, beiderseits mit der silbernen, schräggestellten Konstruktion aus miteinander verbundenen Holzbrettern belegt. Helm 2 (hinten): Auf dem gekrönten Helm mit blau-silbernen Decken drei Straußenfedern, eine blaue zwischen zwei silbernen.

Freiherren von Haxthausen-Carnitz (Diplom von 1845): Geviert. Feld 1 und 4: In Rot eine schrägrechts gelegte, silberne Konstruktion aus miteinander verbundenen Holzbrettern (wie eine Brettertür mit drei ins Z gelegten schmalen Brettern benagelt, evtl. eine Wagenflechten-Lattentür). Feld 2 und 3: schräglinks geteilt, oben in Silber ein aus der Teilung hervorkommender halber roter Hirsch, unten von Blau und Silber gerautet. Zwei Helme: Helm 1 (vorne): Auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken ein roter Flug, beiderseits mit der silbernen, schräggestellten Konstruktion aus miteinander verbundenen Holzbrettern belegt. Helm 2 (hinten): Auf dem gekrönten Helm mit blau-silbernen Decken drei Straußenfedern, eine blaue zwischen zwei silbernen.

Grafen von Haxthausen (Bayerischer Grafenstand vom 20.9.1837. In Preußen anerkannt 6.6.1840. Erloschen 1842): Geviert mit Herzschild. Hauptschild: Feld 1 und 4: In Gold ein schwarzer Doppeladler. Feld 2 und 3: In Blau ein silbernes Pferd. Herzschild: In Rot eine schrägrechts gelegte, silberne Konstruktion aus miteinander verbundenen Holzbrettern (wie eine Brettertür mit drei ins Z gelegten schmalen Brettern benagelt, evtl. eine Wagenflechten-Lattentür). Drei Helme: Helm 1 (vorne): Auf dem gekrönten Helm mit schwarz-goldenen Decken ein schwarzer Doppeladler. Helm 2 (Mitte): Auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken ein roter Flug, beiderseits mit der silbernen, schräggestellten Konstruktion aus miteinander verbundenen Holzbrettern belegt. Helm 3 (hinten): Auf dem gekrönten Helm mit blau-silbernen Decken drei Straußenfedern, eine blaue zwischen zwei silbernen. Variante: wie oben, zusätzlich als Schildhalter zwei silberne Pferde und ein silbernes Inschriftenband mit den Worten: QUA PIA FATAK.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher
Baugeschichte und Restaurierung:
http://www.schloss-fechenbach.de, http://www.schloss-fechenbach.de/wissen/chronik/index.html, http://www.schloss-fechenbach.de/wissen/erstephasen/index.html, http://www.schloss-fechenbach.de/wissen/ulner/index.html, http://www.schloss-fechenbach.de/wissen/klassizistischerbau/index.html
Förderverein:
http://www.ffmsf.de/
Museum:
http://www.museum-schloss-fechenbach.de/
Max von Spießen (Hrsg.): Wappenbuch des Westfälischen Adels, mit Zeichnungen von Professor Ad. M. Hildebrandt, 1. Band, Görlitz 1901 - 1903.
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