Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 87
Wiesentheid
(Landkreis Kitzingen, Unterfranken)
Das Schloß von Wiesentheid
Schloß Wiesentheid ist eine großzügig dimensionierte ländliche Schloßanlage der Grafen von Schönborn an der Ecke Schloßplatz / Balthasar-Neumann-Straße und das Hauptelement des historischen Residenzensembles. Die Gebäude bilden ein Rechteck von 60 m x 80 m und umschließen einen Innenhof. An allen vier Ecken der über Kellergeschoß zweistöckigen Flügel befindet sich ein Rundturm mit welscher Haube. Das dreistöckige Haupthaus befindet sich in der Südwest-Ecke und besteht aus einem langen Längs- und einem senkrecht daran anstoßenden Querflügel. Auch im Südosten verrät das hier höher ansteigende Dach eine größere Gebäudetiefe als bei den anderen Flügeln. Dass Hauptportal liegt in der Mitte der Ostseite. Das Schloß wird privat bewohnt und kann nicht besichtigt werden. Nördlich des Schlosses erstreckt sich ein weitläufiger Schloßpark, dessen südliche Hälfte privat und dessen nördliche Hälfte öffentlich zugänglich ist. Früher war das einmal einer der schönsten Barockgärten Frankens, doch er wurde 1841 in einen englischen Landschaftspark umgewandelt.
Abb.: südliche Hälfte der Ostseite, Zustand 2014
Bevor dieses Schloß in der heutigen Form entstand, ging der Besitz durch viele Hände. Zuerst gab es hier eine Wasserburg der Grafen von Castell, dann wurde diese 1547 von Konrad Graf von Castell an Valentin Fuchs von Dornheim verkauft. Hans Fuichs von Dornheim erbaute 1576 ein Schloß im Stil der Renaissance anstelle der alten Burg; dieser Bau bildet die älteste Bausubstanz und den Kern des Haupthauses im Südwesten (sog. Fuchs-Bau). Die Fuchs von Dornheim erloschen 1673 mit Georg Adolf Fuchs von Dornheim. Die Erbin war seine Witwe, Anna Maria Voit von Rieneck, die daraufhin in zweiter Ehe 1678 Johann Otto von Dernbach heiratete. Mangels Nachkommen erbte dessen dritte Ehefrau den Besitz, das war Eleonore Charlotte Gräfin von Hatzfeld-Gleichen, und diese heiratete zwei Jahre nach dem Ableben ihres ersten Ehemannes am 14.11.1701 Graf Rudolf Franz Erwein von Schönborn, und so kam die Herrschaft an die von Schönborn. Das Schloß Wiesentheid wurde in den Jahren 1711-1720 durch Rudolf Franz Erwein von Schönborn vollständig umgebaut. Aus dieser Zeit stammt auch das große Doppelwappen über dem Hauptportal mit Tordurchfahrt zum Innenhof im Osten. Das Wappen ist fast das gleiche wie an der Kirche St. Mauritius, nämlich das Ehewappen von Rudolph Franz Erwein von Schönborn (23.10.1677-22.9.1754) und seiner Frau, Maria Eleonore Gräfin von Hatzfeld-Gleichen, verwitwete von dernbach. Zu diesem Zeitpunkt lebte seine 1704 verstorbene Ehefrau schon nicht mehr.
Abb.: Zustand 2014
Das Familienwappen der Grafen von Schönborn besitzt 9 heraldische Inhalte. Im Gegensatz zum Wappen an der Pfarrkirche St. Mauritius sehen wir hier eine andere Anordnung und Felderaufteilung, nämlich mit zwei Bögen schräggeviert und dann weiter unterteilt:
Abb.: Zustand 2006
Das komplette Wappen der Grafen von Hatzfeld-Gleichen hat 6 Felder:
Abb.: Zustand 2014
Bei der neuen Farbfassung, die an sich ja ein lobenswerter Akt ist, wurden bei der Tingierung mehrere schwere Fehler gemacht. Vermutlich hatte der Maler den Auftrag, "es genau wie an der Kirche" anzustreichen. Erstens war dort schon nicht alles optimal, zweitens haben insbesondere die silbernen Felder an der Kirche unter Nachdunkelung gelitten. Und so schaffte es dieser Maler, mit wenigen Ausnahmen alle silbernen Flächen falsch anzupinseln, entweder schwarz oder braun. Auch einige goldene Flächen wurden gedankenlos braun gepinselt, schade ums Geld, denn so ist es schlechter als vorher. Immerhin glänzt der vorher von Grünspan überzogene Orden vom Goldenen Vlies wieder korrekt golden.
An der nordöstlichen Ecke des Haupthauses ist an einem kunstvollen schmiedeeisernen Ausleger ein nächstes Wappenpaar angebracht. Dieses Ehewappen zeigt heraldisch rechts das Schönborn-Wappen und heraldisch links in Gold ein blaues, pfahlweise gestelltes Mühleisen mit vier Schenkeln (Zuordnung offen, Hinweise willkommen).
Abb. links: NO-Ecke des Haupthauses, Abb. rechts: Schönborn und Lovatelli, beide Abb.: Zustand 2014
Am Torgitter zum Innenhof des Schlosses ist ein weiteres Wappen angebracht, dieses Ehewappen steht für Paul Anton Graf von Schönborn-Wiesentheid (geb. 15.5.1962), Bankkaufmann, derzeitiger Chef des Hauses Schönborn, und seine Frau, Contessa Damiana Lovatelli (geb. 31.3.1961). Das Wappen der Grafen von Lovatelli zeigt in Gold einen rot-blau nach der Figur geteilten Schrägrechtsbalken, auf dem eine silberne, rot bewehrte Taube sitzt. Diese italienische Grafenfamilie entstammt dem Patriziat von Ravenna (seit dem 11. Jh. dort ansässig, Palazzo Lovatelli Dal Corno, Palazzo Lovatelli, dann seit 1891 Brandolini, zahlreiche Politiker) und Rimimi; der italienische Blason wäre: D'oro alla banda partita (oder besser: trinciata) di rosso e d'azzurro sostenente una colomba d'argento membrata e beccata di rosso. Die Familie hieß ursprünglich Colombi, daher das Motiv der Taube.
Die Verwaltungsgebäude gegenüber dem Schloßpark
Die Bebauung der Ostseite von Schloßplatz und Kanzleistraße wurde schon 1704 in Angriff genommen, um die Residenz mit allen notwendigen Funktionsbauten zu versehen. Früher waren all diese Funktionen auf dem Schloßareal untergebracht, und durch dessen großzügigen Ausbau waren die entsprechenden Bau- und Räumlichkeiten nicht mehr vorhanden und mußten neu geschaffen werden. Den Anfang machte das Brauhaus in der Kanzleistraße. 1712 wurde das Pfarrhaus südlich der Kirche fertiggestellt, ein stattlicher Bau von Leonhard Dientzenhofer. Danach folgten 1723-1729 die Beamtenhäuser nach einheitlichem Schema: zweistöckig, Mansarddach, Portal in der Mittelachse mit Freitreppe davor, strenge Achsensymmetrie. Von der Pfarrkirche nach Norden kommt zuerst der Fasanenhof mit zwei großen Blöcken und einem einstöckigen Mittelbau dazwischen (Abb. unten) sowie zwei Hofportalen mit Vasenaufsätzen. Seinen Namen hat er entweder wegen der Nähe zum Fasanenbach, oder weil hier der Verwalter einer Fasanerie wohnte. Den nördlichen Abschluß bildet der Seehof. Der Baumeister dieses Ensembles war Johann Georg Seitz. Leider verschwanden seit den 1960er Jahren durch den Ausbau der nach Norden führenden Verkehrsader viele Details aus dem Vorbereich vor den Häusern.
Abb.: Blick von der Pfarrkirche entlang der Kanzleistraße mit Beamtenwohnungen, Fasanenhof, Zustand 2014.
Abb.: Am nördlichsten Gebäude der Reihe, dem Seehof, gibt es einen vierachsigen Mittelteil mit Tordurchfahrt und Dreiecksgiebel. Zustand 2014.
Abb.: Über der Tordurchfahrt des gegenüber dem Schloßpark liegenden Verwaltungsgebäudes (Seehof) prangt das Schönborn-Wappen alleine, von zwei mächtigen kauernden Löwen ungleicher Größe flankiert. Es verweist auf den Bauherrn, Rudolph Franz Erwein von Schönborn (23.10.1677-22.9.1754). Zustand 2014.
Abb.: Die heraldischen Inhalte sind die gleichen wie am Schloß und an der Kirche und entsprechen der oben gegebenen Beschreibung, die Anordnung und Aufteilung der Felder entspricht derjenigen an der Kirche. Man beachte ferner die Ordenskette mit Elementen aus Feuerstählen, den Orden vom Goldenen Vlies, dazu unten mehr. Zustand 2014.
Das Rathaus von Wiesentheid
Das historische Rathaus von Wiesentheit steht am Süden des Schloßplatzes und bildet den optischen Abschluß der vom Schloß einerseits und den Kanzleien und der Kirche andererseits flankierten Straße. Das zweistöckige Gebäude besitzt 8 Fensterachsen und trägt ein Mansarddach.
Über dem Rathauseingang sehen wir über dem Segmentbogengiebel zwischen den beiden mittleren Fenstern des Obergeschosses das Schönborn-Stammwappen, in Rot auf drei silbernen Spitzen schreitenden goldenen Löwen mit blauer Zunge und eigentlich blauer Krone, hier mitvergoldet.
Die Wappenkartusche ist noch innerhalb des Rokoko-Rollwerks eingefaßt von der goldfarbenen Ordenskette des Ordens vom Goldenen Vlies, mit sich abwechselnden Kettenelemente aus doppelten Feuerstählen und flammenbesetzten Elementen, unten das "Vlies", das Schafsfell. Insgesamt gab es drei Familienmitglieder, denen diese Ehre zuteil wurde, eine der höchsten Ehren im alten Reich. Der erste Schönborn wurde 1731 in den Orden aufgenommen, das war Rudolph Franz Erwein von Schönborn (23.10.1677-22.9.1754, Regierungszeit 1701/1704-1754), der Erbauer des Schlosses, und dieser trifft auch als Bauherr zu. Das Rathaus in schönstem mainfränkischen Rokoko wurde 1742 vollendet, was in die mögliche Zeit 1731-1754 paßt, in der das Wappen so geführt werden konnte. Der Vollständig wegen wollen wir aber auch die beiden anderen Familienmitglieder erwähnen, die in den Orden aufgenommen wurden, das war im Jahre 1790 Graf Eugen Franz Erwein von Schönborn (27.1.1727-25.7.1801) aus dem österreichischen Zweig, der die Familienherrschaft Schönborn führte und dazu noch von seinem Onkel die Herrschaft Weyerburg und die Herrschaft Mautern an der Donau erbte. Außerdem kaufte er 1766 die Herrschaft Rossatz bei Mautern, weiterhin Heußenstamm und die ungarische Herrschaft Munkács. Rudolf Franz Erwein war sein Onkel. Und das dritte Familienmitglied wurde 1917 in den Orden aufgenommen, kurz vor Toresschluß des Feudalismus, das war Friedrich Karl Erwein Graf von Schönborn-Buchheim (23.2.1869-2.3.1932), ebenfalls aus der österreichischen Linie.
Wiesentheider Gemeindewappen, Zustand 2006
Das Kommunalwappen von Wiesentheid, seit 1682 Markt, zeigt ursprünglich in Rot auf grünem Boden einen linkshin schreitenden, golden gekrönten goldenen Löwen, der von drei aus dem Boden wachsenden, beblätterten grünen Rohrstengeln überdeckt wird. In manchen Abbildungen fehlt die Krone des Löwen, so auch hier. In seiner heutigen, seit der Mitte der 1970er Jahre benutzten Form zeigt das Kommunalwappen über grünem Schildfuß, darin ein silberner Hügel, aus dem drei rote Heidekrautstengel wachsen, in Blau einen linkshin schreitenden, doppelschwänzigen, blau gekrönter und bewehrten goldenen Löwen. Die historische Darstellung weicht in einigen Details von der offiziellen Blasonierung ab. Klar erkennbar ist aber die Herkunft des Löwen aus dem Schönborn-Stammwappen. Wiese und Heidekraut bilden nach heutiger Wappeninterpretation den Ortsnamen redend ab.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf
Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.7947694,10.3427848,19z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@49.7947694,10.3427848,162m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Siebmachers Wappenbuch, Aschaffenburger Wappenbuch
Eugen Schöler, Fränkische Wappen erzählen Geschichte und
Geschichten. Verlag Degener 1992.
Siebmachers Wappenbuch, Die Fürsten des Heiligen Römischen
Reiches A-L, Fürsten A 1,3,3A, s. 94 ff.
Schlösser und Burgen in Unterfranken,
von Anton Rahrbach, Jörg Schöffl, Otto Schramm. Hofmann Verlag
Nürnberg 2002, ISBN 3-87191-309-X
Siebmachers Wappenbücher,
insbesondere, Die Fürsten des Heiligen Römischen Reiches A-L,
Fürsten A 1,3,3A, s. 94 ff.
Stephan Mauelshagen, Ordensritter -
Landesherr - Kirchenfürst: Damian Hugo von Schönborn,
Veröffentlichungen der Historischen Kommission der Stadt
Bruchsal, Band 18, Verlag Regionalkultur, 2001, ISBN
3-89735-173-0
Hartmut Platte: Das Haus Schönborn, Grafen, Fürstbischöfe und
Mäzene, Börde-Verlag Werl, 2006, Reihe Deutsche Fürstenhäuser
Heft 13, ISBN 3-980 9107-3-3
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf
CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Ausstellungskatalog "Die Grafen von Schönborn.
Kirchenfürsten, Sammler, Mäzene", Verlag des Germanischen
Nationalmuseums, Nürnberg 1989
Das Haus Schönborn: https://www.schoenborn.de/
Gemeinde Wiesentheid: https://wiesentheid.de/
Wiesentheid auf Kulturpfad Castell: http://www.kulturpfad-grafen-castell.de/html/wiesentheid.html
Schloß Wiesentheid auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Wiesentheid
Ensemble Schloß Wiesentheid auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Ensemble_Schloss_Wiesentheid
Liste der Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Ritter_des_Ordens_vom_Goldenen_Vlies
Kommunalwappen: Haus der bayerischen
Geschichte https://hdbg.eu/gemeinden/index.php/detail/photos?rschl=9675178&id=2130 - https://hdbg.eu/gemeinden/index.php/detail?rschl=9675178
Fasanenhof: https://de.wikipedia.org/wiki/Fasanenhof_(Wiesentheid)
Seehof: https://de.wikipedia.org/wiki/Seehof_(Wiesentheid)
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