Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 86
Wiesentheid (Landkreis Kitzingen, Unterfranken)

Die Pfarrkirche St. Mauritius in Wiesentheid

Die kath. Pfarrkirche St. Mauritius, vis-à-vis vom Schloß, wurde 1727-1732 nach Plänen von Balthasar Neumann im barocken Stil erbaut. Mit der Ausführung war Johann Georg Seitz beauftragt. Natürlich gab es Vorgängerbauten, denn Wiesentheid war seit 1364 eigenständige Pfarrei. Die gotische Vorläuferkirche wurde 1681-1684 im Zuge der Gegenreformation im Auftrag des Bamberger und Würzburger Fürstbischofs Peter Philipp von Dernbach durch einen frühbarocken Neubau nach Plänen von Antonio Petrini ersetzt, um ein sichtbares Zeichen des wiedererstarkten Katholizismus zu setzen. Der damaligen Größe Wiesentheids angemessen handelte es sich um einen relativ schlichten Bau. Die Herrschaft Wiesentheid war erst 1681 von besagtem Fürstbischof als eigenständige reichsunmittelbare Territorialherrschaft geschaffen worden, und mit dieser hatte er seinen Neffen begünstigt, Johann Otto von Dernbach (-1697), den Sohn seines Bruders Otto Wilhelm Graf von Dernbach (-1681). Dieser Neffe war dreimal verheiratet, doch seine ersten beiden Ehefrauen starben, die Kinder wurden nicht groß. Auch mit der dritten Ehefrau, damals erst 17 Jahre alt, klappte es nicht mit überlebenden Nachkommen. Da er selbst schon ziemlich betagt war, wollte er Erbstreit vermeiden und setzte besagte Ehefrau zur Erbin ein. Das war Eleonore Charlotte Gräfin von Hatzfeld-Gleichen, und diese heiratete zwei Jahre nach dem Ableben ihres ersten Ehemannes Graf Rudolf Franz Erwein von Schönborn, und so kam die Herrschaft an die Schönborn.

Als Graf Rudolf Franz Erwein von Schönborn seine Residenz weiter ausbaute, paßte die Petrini-Kirche nicht mehr so recht in den Ort, und 1726 trug er sich mit dem Gedanken eines radikalen Umbaus, zumal der Petrini-Bau geschmacklich in die Jahre gekommen war. 1728 wurde der alte Turm abgebrochen, 1729 stand der neue Turm, 1732 konnte der vergrößerte Kirchenraum durch Fürstbischof Friedrich Carl von Schönborn und die Äbte der Klöster Ebrach und Münsterschwarzach geweiht werden. Seidem ist die Kirche mit ihrer hoch aufragenden Einturmfassade ein ortsbildprägender Bestandteil des Ensembles Schloß Wiesentheid. Renovierungen fanden 1958 und 1977-1980 statt. Die Pfarrei wird heute von der Pfarreiengemeinschaft Wiesentheid zusammen mit den Orten Abtswind, Bodenmühle, Castell, Dinkelsmühle, Eselsmühle, Fallmeisterei, Feuerbach, Forsthaus, Friedrichsberg, Geiersmühle, Greuth, Gründleinsmühle, Kratzermühle, Pulvermühle, Rüdenhausen, Trautberg, Untersambach, Untersambacher Mühle und Wüstenfelden betreut.

Abb. links: Zustand 2006, Abb. rechts: Zustand 2014

Die Datierung läßt sich als Chrogramm erkennen: Über dem Türsturz ist nämlich zu lesen: "EXSTRVOR, EXISTO & ORNOR PRO HONORE DEI / SVM CONSECRATA" - ich bin erbaut worden, ich existiere und ich wurde zur Ehre Gottes geschmückt, ich bin geweiht. Aus X + V + X + I + D + I + V + M + C + C = 10 + 5 + 10 + 1 + 500 + 1 + 5 + 1000 + 100 + 100 = 1732 ergibt sich die Jahreszahl der Vollendung. Die Mittelachse der Einturmfassade enthält das Portal am oberen Ende einer Freitreppe, um dieses herum sind drei (1:2) Figurennischen mit den Statuen der Heiligen Franz von Assisi (wegen Graf Rudolf Franz), Eleonora (wegen Eleonore Charlotte) und Mauritius (eigentliches Patrozinium der Kirche) angeordnet. Das Material der Schaufassade ist honiggelber Sandstein. Den Turm krönt ein Prälatenkreuz mit zwei Querbalken, dort oben befindet sich die Datierung auf das Jahr 1729, außerdem sind dort die Initialen des Bauherrenpaares verewigt. An der Fassade befindet sich ein gewaltiges Doppelwappen Schönborn/Hatzfeld, mit zwei gewaltigen gekrönten Löwen als Schildhaltern.

Abb. links: Zustand 2014, Abb. rechts: Zustand 2006

Heraldisch rechts ist das Wappen von Rudolph Franz Erwein von Schönborn (23.10.1677-22.9.1754), mit dem in Rot auf drei silbernen Spitzen schreitenden goldenen Löwen mit blauer Krone der Grafen von Schönborn im Herzschild inmitten seiner Titel und Besitztümer. Er heiratete am 14.11.1701 Maria Eleonore Gräfin von Hatzfeld-Gleichen, verwitwete von Dernbach, deren Wappen wir heraldisch links sehen. Deren Ehegeschichte illustriert, durch wieviele Hände Wiesentheid ging, ehe es in den Besitz der Grafen von Schönborn kam: Georg Adolf Fuchs von Dornheim heiratete Anna Maria Voit von Rieneck. Die verwitwete Anna Maria Fuchs von Dornheim ehelichte 1676 den Freiherren und späteren Grafen Johann Otto von Dernbach (1658-1697). So kam Wiesentheid in den Besitz derer von Dernbach. Dessen dritte Gattin, Maria Eleonore Gräfin von Dernbach, geborene von Hatzfeld-Gleichen, heiratete als Witwe schließlich Rudolph Franz Erwein von Schönborn.

Abb.: Zustand 2006

Wappen der Grafen von Schönborn
Das Wappen der Grafen von Schönborn hat insgesamt 9 Elemente. Begonnen haben die Grafen von Schönborn mit einem Wappen, das dem hiesigen Herzschild entspricht, dem Stammwappen. Aus späterer Zeit kennen wir aus den Schönborn-Städten wie Mainz oder Würzburg die Kombination mit ihren Amtswappen, z. B. mit dem Bamberger Löwen, dem Fränkischen Rechen, der Würzburger Standarte oder dem Mainzer Rad etc. Dieses Schönborn-Wappen hier ist ein relativ spätes, das nur Titel und Ansprüche, aber keine Ämter zeigt. Es handelt sich um das reine Familienwappen, deswegen finden wir es auch übergreifend an vielen Schlössern der von Schönborn. Viele der Besitztümer, Ansprüche und Titel in den übrigen Feldern kamen erst im späten 17. und frühen 18. Jh. zur Familie. Im einzelnen sind das:

Die Anordnung der einzelnen Felder kann variieren. Die Felder 4 und 6 sind in anderen Darstellungen (Aschaffenburger Wappenbuch) vertauscht. Interessant ist, auf welche Weise das Schönborn-Wappen der heraldischen Coutoisie entspricht: Der Schönborn-Löwe im Herzschild ist nicht gewendet, wohl aber der Wolf in Feld 7. Das heißt, daß sich die Courtoisue nur auf das Schönbornwappen ihn sich selbst, nicht aber auf das Ehewappen erstreckt. Dazu passen nach der Literatur folgende sieben Helmzieren (hier nicht abgebildet):

Abb.: Zustand 2006, mit nicht optimalem, aber noch besserem Zustand aller silbernen und goldenen Flächen.

Wappen der Grafen von Hatzfeld-Gleichen:
Das ritterbürtige Geschlecht derer von Hatzfeld stammt aus Oberhessen. Das Stammhaus ist Hatzfeld bei Battenburg an der Eder. Sie sind alte hessische Landsassen und Vasallen. Der älteste bekannte Stammvater ist Craft von Hatzfeld, 1301 urkundlich erwähnt. Durch Heirat des Johann von Hatzfeld (1354-1407) mit der Schwester des letzten Edelherrn von Wildenberg an der Sieg (auch Wildenburg, gest. 1420), Jutta, kam die Familie Hatzfeld in den Besitz dieser reichsunmittelbaren Herrschaft. Das Wappen derer von Hatzfeld ist nun geviert, Feld 1 und 4: in Gold ein schwarzer Maueranker (altes Stammwappen von Hatzfeld, auch als doppeltes Wolfseisen bezeichnet). Felder 2 und 3: in Silber 3 (2:1) rote Mispelblüten mit goldenem Butzen und grünen Kelchblättern. Die Mispelblüten sind das Stammwappen derer von Wildenberg/Wildenburg. Ihr gemeinsamer Sohn, Godhard von Hatzfeld (gest. 1420) ist der erste, der die beiden Bestandteile im Schild führen kann. Diese beiden Elemente sind hier im rechten Wappen in den Feldern 3 und 5 zu sehen. Dazu gehört als Helmzier zwischen einem goldenen und jeweils mit einem schwarzen Maueranker belegten Flug (Stammkleinod) ein wachsender schwarz gewandeter graubärtiger Männerrumpf ohne Arme, mit goldenem Kragen und 8 goldenen Knöpfen, mit einem schwarzen niederen Hut mit silbernem Aufschlag.

Sebastian von Hatzfeld (gest. 1630) stieg in den Freiherrenstand auf. Sebastians Sohn, Melchior von Hatzfeld zu Wildenberg, wurde 1639 zusammen mit seinem Bruder von Kurmainz nach Aussterben der Grafen von Gleichen mit Graf Johann Ludwig 1631 mit der Burg Gleichen, dem Ort Wandersleben und der Herrschaft Blankenhain in Thüringen belehnt. 1632 wurde Melchior von Hatzfeld zu Wildenberg von den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach mit der Herrschaft Rosenberg (ebenfalls verwaist) in Franken belehnt. 1635 wurden zwei Linien der von Hatzfeld in den Reichsgrafenstand erhoben. Als Grafen von Hatzfeld-Gleichen ist das Wappen ab 1639 umfangreicher gestaltet. Das komplette Wappen der Grafen von Hatzfeld-Gleichen hat 6 Felder:

Zu diesem Wappen gehören nach der Literatur beispielsweise folgende drei Helmzieren (alternativ andere Auswahl aus dem Pool möglicher Helmkleinode) :

Abb.: Zustand 2014, mit deutlich sichtbarer Verschlechterung des Zustandes aller silbernen und einiger goldener Flächen.

Entwicklung des Hatzfelder Wappens:
nach dem Westfälischen Wappenbuch:

Es werden im Siebmacher noch weitere Varianten für andere Linien der reichverzweigten Familie beschrieben.

Die Stammfolge der Grafen von Schönborn - Teil 1: Der Aufstieg
Der Aufstieg der Familie Schönborn ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Einst ein reichsritterschaftliches Geschlecht aus dem Taunus und dem Westerwald, Burgleute und Amtmänner, schafften sie es in bedeutende Regierungspositionen und an die Spitzen bedeutender geistlicher Fürstentümer und prägten ihre Zeit nachhaltig. Man ist direkt geneigt, von einer Schönbornzeit zu sprechen, denn rund ein halbes Jahrhundert prägen die Schönborns die Geschichte des Reiches, der katholischen Kirche und der Kunst maßgeblich.

Die Stammfolge der Grafen von Schönborn - Teil 2: Das Schönborn-Zeitalter
Beginnen wir neu mit dem letzten der obigen Reihe, dem Stammvater der "mega-erfolgreichen" Schönborns. Faszinierend an diesen verwandtschaftlichen Verflechtungen ist nicht nur, daß hier sechs Kirchenfürsten aus der gleichen Familie engstens zusammenkommen, daß zeitweise Reichskanzler und Reichsvizekanzler aus der selben Familie kamen, sondern daß auch vier Brüder Kirchenfürsten wurden und drei deren Schwestern Mütter von drei weiteren Fürstbischöfen (Seinsheim, Ostein, Limburg-Styrum) wurden, abgesehen von weiteren hohen und höchsten Ämtern in der Familie:

Die Stammfolge der Grafen von Schönborn - Teil 3: Drei Linien
Beginnen wir neu mit Rudolf Franz Erwein Graf von Schönborn-Wiesentheid, dem Stammvater der drei Linien, die sich bildeten:

Literatur, Quellen und Links:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.7951867,10.3437182,19z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@49.7951867,10.3437182,162m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere, Die Fürsten des Heiligen Römischen Reiches A-L, Fürsten A 1,3,3A, s. 94 ff.
Stephan Mauelshagen, Ordensritter - Landesherr - Kirchenfürst: Damian Hugo von Schönborn, Veröffentlichungen der Historischen Kommission der Stadt Bruchsal, Band 18, Verlag Regionalkultur, 2001, ISBN 3-89735-173-0
Hartmut Platte: Das Haus Schönborn, Grafen, Fürstbischöfe und Mäzene, Börde-Verlag Werl, 2006, Reihe Deutsche Fürstenhäuser Heft 13, ISBN 3-980 9107-3-3
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Ausstellungskatalog "Die Grafen von Schönborn. Kirchenfürsten, Sammler, Mäzene", Verlag des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 1989
Das Haus Schönborn:
https://www.schoenborn.de/
Aschaffenburger Wappenbuch
Gemeinde Wiesentheid:
https://wiesentheid.de/
Eugen Schöler, Fränkische Wappen erzählen Geschichte und Geschichten. Verlag Degener 1992.
Max von Spießen (Hrsg.): Wappenbuch des Westfälischen Adels, mit Zeichnungen von Professor Ad. M. Hildebrandt, 1. Band, Görlitz 1901-1903.
Pfarrkirche St. Mauritius auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/St._Mauritius_(Wiesentheid)
Wiesentheid auf Kulturpfad Castell:
http://www.kulturpfad-grafen-castell.de/html/wiesentheid.html
Pastoraler Raum St. Benedikt:
https://www.sankt-benedikt.org/gemeinden/pfarrei-wiesentheid/

Die Entwicklung des Wappens der von Schönborn
Das Feld für die Grafschaft Gleichen und seine Verbreitung in deutschen Adelswappen

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