Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 786
Im Banne der Weser-Renaissance: Barntrup

Schloß Barntrup (2), Auslucht

Eines der typischsten Elemente der Weserrenaissance, die Auslucht (Utlucht), finden wir ebenfalls auf der Südseite des im Schatten großer alter Bäume liegenden Schlosses Barntrup. Typisch für diese Ausluchten ist die leichte Konstruktion, die enge Reihung schmalrechteckiger Fenster, die von stark verzierten Säulchen oder - wie hier - Pilastern voneinander abgegenzt sind, die Durchfensterung auch der seitlichen schmalen Teile, und die überreiche Verzierung der wenigen notwendigen geschlossenen Mauerflächen, so daß vor dem Hintergrund des wuchtigen Baukörpers mit seinen kastellartigen Ecktürmen, die aber nie zur Verteidigung konzipiert waren, die Auslucht zu einer filigran und zerbrechlich wirkenden architektonischen Kostbarkeit wird.

Hier wird in der Zone zwischen beiden Geschossen die Fläche zwischen den figurengeschmückten senkrechten Elementen, die die Vertikale der Pilaster nach oben fortleiten, zur Darstellung einer Ahnenprobe von Anna von Canstein und ihrem verstorbenen Ehemann Franz von Kerssenbrock genutzt.

3 Doppelwappen befinden sich auf der Vorderseite, zwei weitere Doppelwappen an den beiden Schmalseiten, auf jeder Seite eines, so daß wir insgesamt auf die für Ahnenproben ungewöhnliche Anzahl zehn kommen. Zur optisch linken Seite befinden sich die Kerssenbrock-Vorfahren, optisch rechts die Canstein-Vorfahren.

Das erste Wappen von links auf der Vorderseite des Erkers ist das Wappen der von Weige (Weyhe). Geteilt, oben in Silber ein aus der Teilung wachsender roter Löwe, unten in Rot zwei silberne Balken. Helmzier ein Federstoß, wahrscheinlich Pfauenfedern. Helmdecken rot-silbern. In Lemgo finden wir weitere Beispiele des Wappens, am Kerssenbrock-Epitaph in der Nikolaikirche und an einem Haus in der Papenstraße.

Das zweite Wappen von links auf der Vorderseite des Erkers ist das Wappen der von Alten: In Silber 6-9, typischerweise 7, hier 8 schrägbalkenförmig aneinandergestellte, schräglinksgestellte, rote Wecken (Rauten), in der Mitte jeweils mit einer kleinen goldenen Kugel (Nagelkopf, Tropfen, hier nicht zu erkennen) belegt. Auf dem rot-silbern bewulsteten Helm sieben schwarze, linksgebogene Hahnenfedern, jede mit einem kleinen roten Schaft befestigt. Helmdecken rot-silbern. Anzahl der Wecken und der Hahnenfedern können variieren. Das spätere gräfliche Wappen ist identisch mit dem hier vorgestellten, lediglich ein Hannover'scher Garde-Jäger und ein Füsilier (Schütze vom 1. leichten Bataillon der englisch-deutschen Legion und ein kurhannoverscher Gardist zu Fuß) wurden zusätzlich als Schildhalter verwendet, zur Erinnerung an die Schlacht bei Waterloo, wo der General ebendiese Regimenter befehligte. Devise: Pro patria. Die Linien zu Goltern und zu Dünau verwenden als Schildhalter zwei schwarze Hähne, golden bewehrt, mit roten Zungen, Kämmen und Kehllappen. Devise: Sola nobilitat virtus. In Lemgo finden wir weitere Beispiele des Wappens, am Kerssenbrock-Epitaph in der Nikolaikirche und an einem Haus in der Papenstraße.

Das dritte Wappen von links auf der Vorderseite des Erkers ist das Wappen der von Kerssenbrock: In Gold ein blauer Schrägrechtsbalken, hier nicht gewendet, mit drei roten, golden besamten Rosen belegt. Helmzier ein offener Flug, beiderseits wie der Schild tingiert. Details zur Familie siehe Beschreibung des Portales. Hier sind wir im mittleren Feld der Vorderseite des Erkers, so daß beide Eheleute hier mit ihren wappen den Ehrenplatz bekommen.

Das vierte Wappen von links auf der Vorderseite des Erkers ist das Wappen der von Canstein. Der Schild zeigt in Silber einen golden gekrönten Raben. Auf gekröntem Helm ein schwarzer, golden gekrönter Rabe vor einer silbernen, oben mit schwarzen Hahnenfedern besteckten Säule (auch als Köcher oder Schaft angesprochen). Helmdecken schwarz-silbern. Details zur Familie siehe Beschreibung des Portales.

Das fünfte Wappen von links auf der Vorderseite des Erkers ist das Wappen der von Wrede, niederrheinischer Uradel. Der Schild zeigt einen aus fünf mit Schnüren verbundenen Rosen bestehenden Kranz, laut Siebmacher Band Lippe in rot-silbern gespaltenem Schild in verwechselten Farben. Helmzier der Kranz aus dem Schild vor einem offenen Flug.

Das sechste Wappen von links, VER MVN DE bezeichnet, zeigt einen in zwei Reihen geschachten Schrägrechtsbalken. Helmzier ein beiderseits mit einem zur Mitte steigenden, geschachten Schrägbalken wie im Schild belegter Flug. Das entspricht dem Wappen der Familie Viermund (auch Virmont, Virmond, Virmund, Viermünden, Virmin, Vierminne oder Viermyn), diese führten nach dem Westfälischen Wappenbuch in Silber einen in drei (hier zwei) Reihen von Schwarz und Gold geschachten Schrägbalken (Schrägrechtsbalken) und auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken einen silbernen Flug, sparrenförmig belegt mit dem in drei Reihen von Schwarz und Gold geschachten Schrägbalken, dazwischen wird aber im Alten Siebmacher und im Westfälischen Wappenbuch noch ein wachsender Mohrenrumpf dargestellt. Ohne den Mohrenrumpf käme das gänzlich schwarz-silberne Wappen der von Velmede zwar in die heraldische Auswahl, das paßt aber nicht zur Genealogie. Im Alten Siebmacher wird das Wappen Viermund unter den Hessischen mit rotgekleidetem Mannesrumpf und schwarz-goldenen Decken dargestellt. Die Familie Viermund wurde 1621 in den Freiherrenstand und 1706 in den Grafenstand erhoben, ausführliche Diskussion siehe im Exlibris-Teil Nr. 83.

Auch die Seitenflächen der Auslucht tragen je zwei Wappen, so daß wir auf eine Gesamtzahl von 10 Wappen kommen. Auf der linken Seite (linke Abb. oben, sowie Abb. unten) sind dies die Wappen der Freiherren von Marenholz optisch rechts (von Rot und Schwarz geteilt und belegt mit einer silbernen Rose. Auf dem rot-silbern-schwarz bewulsteten Helm ein Busch roter, schwarzer und silberner Federn, große Variationsbreite hinsichtlich Art, Anzahl und Farbe der Federn des Busches. Helmdecken rot-silbern-schwarz) und Mollenbeck optisch links (in Blau ein silberner und rot gezäumter Pferdekopf. Helmzier ebenfalls der bez. Pferdekopf. Helmdecken blau-silbern). Auch diese beiden Wappen sind uns von Lemgo vertraut (Papenstraße).

Auf der rechten Seite (weiter oben rechte Abb., sowie Abb. unten) sind dies die Wappen der von Grafschaft (in Gold zwei rote Pfähle, auf dem Helm mit rot-goldenen Decken ein Paar goldener, außen mit Pfauenspiegeln besteckter Büffelhörner) und von Urff (in Gold zwei voneinander abgewendete schwarze Adlerhälse mit Kopf, auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ein goldener Flug, jeder Flügel belegt mit einem der Adlerhälse mit Kopf, voneinander abgewendet, dazwischen ein goldener Schaft mit grünen Pfauenfedern, hier Kleinod abweichend).

Abstammung des Franz von Kerssenbrock (ca. 1530 - 15.5.1576), Herr auf Wierborn, Barntrup, Helfta (* = mit Wappen):

Eltern:
Franz von Kerssenbrock, Herr auf Wierborn und Barntrup
Ermgard von Alten (-1579)

Großeltern:
Gerlach von Kerssenbrock (1461-20.2.1520), Herr auf Mönchshof, Barntrup und Wierborn
Pelika (Pellecke) von Weyhe (-1496)
Anton (Tönnies) von Alten, Drost zu Polle
Anna (Armgard) von Marenholtz

Urgroßeltern:
Riquin von Kerssenbrock, Herr zu Brinke und Varentrop, Herr auf Brüche *
Figge (Sophie) von Moellenbeck (-1472) *
Arnd von Weyhe (1418-1478), Herr auf Bötersheim *
Juliane von Klencke
Konrad III. von Alten, Stadthauptmann von Lüneburg *
Elisabeth von dem Bussche (-1467)
Cord von Marenholtz (1458-1503) *
Rixa von Alvensleben

Von den acht möglichen Wappen wurden nur fünf verwendet, die vier aus der Großeltern-Generation komplett und das wichtigste, also am nächsten am Namensstamm befindliche, der Urgroßeltern-Generation.

 

Abstammung der Anna von Canstein (1536-10.10.1591):

Eltern:
Raban von Canstein (-23.5.1547), Herr auf Canstein
Margarethe von Wrede

Großeltern:
Raban von Canstein (-1512), Herr auf Canstein
Anna Catharina von Virmond / Viermund (-1529)
Jürgen von Wrede, Herr auf Mühlingen
Margarethe (Catharina) von Grafschaft

Urgroßeltern:
Raban von Canstein *
Elisabeth von Urff *
Kurt (Konrad) von Viermynne / Viermund zu Nordenbeck, Herr von Fürstenberg, Pfandherr und Amtmann zu Medebach *
Margarethe von Hatzfeldt zu Wildenburg
Dietrich von Wrede *
Elisabeth (Elsa) von (van) der Borch
Johann V. von Grafschaft (1447-1513) zu Obernse *
Katharina Wolff von Gudenberg (-23.4.1517)

Von den acht möglichen Wappen wurden also auch bei der Ehefrau nur fünf verwendet, die vier aus der Großeltern-Generation und das dem Namensstamm am nächsten stehende der Urgroßeltern-Generation.

Schloß Barntrup, weitere Wappensteine

Zwei weitere Wappensteine befinden sich am nordwärts zur Hagenstraße führenden Tor. Beide tragen das Vollwappen der von Kerssenbrock, und beide fallen künstlerisch gegenüber den bisher gezeigten Steinen deutlich ab. Der eine Reliefstein ist auf "A(nn)o 1623" datiert und mit den Initialen "FCVK" versehen, was vermutlich für Franz Christoph von Kerssenbrock steht, einem Enkel der Bauherrin.

Der andere Stein ist besonders interessant dadurch, daß das Kerssenbrock-Feld mit einem Malteserkreuz in den "besseren" Plätzen geviert ist. Der Stein ist auf 1822 datiert und mit der Inschrift "A. W. H. V. KERSSENBROCK" August Wilhelm Heinrich von Kerssenbrock zugewiesen, welcher Malteserritter der Ballei Brandenburg war. Und es gibt noch mehr Heraldik am Schloß: An der Fußgängerpforte in der südlichen Außenmauer befindet sich die gleiche Wappenkombination (ohne Abb.) wie am Treppenturm, von Kerssenbrock und von Canstein.

Literatur, Quellen und Links:
Position auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@51.9921877,9.1082997,18z - https://www.google.de/maps/@51.9922552,9.1085201,110m/data=!3m1!1e3
Siebmachers Wappenbücher (Lippe, Hannover, Braunschweig, Anhalt, Mecklenburg, Thüringen, Preußen etc. )
G. Ulrich Großmann, Renaissance entlang der Weser, Du Mont Buchverlag Köln, 1989, ISBN 3-7701-2226-7
Von Alvensleben:
http://www.von-alvensleben.com/
von Viermund:
https://de.wikipedia.org/wiki/Viermund
Kerßenbrock-Krosingk, Dedo von: Die Höfe des Franz von Kerssenbrock und der Anna von Canstein in Lemgo und Barntrup, in: Zweckverband Weserrenaissance-Museum Schloß Brake (Hrsg.): Der Adel in der Stadt des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Beiträge zum VII. Symposion des Weserrenaissance-Museum Schloß Brake vom 9. bis zum 11. Oktober 1995. Marburg 1996; S. 169-178;
Stöwer, Herbert: Heraldisch-genealogische Denkmäler der Familie von Kerssenbrock in Lippe, Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde, Band 25, Detmold 1959.
Stöwer, Herbert: Die Familie von Kerssenbrock. Mit besonderer Berücksichtigung der lippischen Linien, Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde, Band 27, Detmold 1958, S. 162-185.
Meiner Mutter Ursula Peter ein herzliches Dankeschön für umfangreiche Vorarbeit
Frhr. Philipp v. Hutten ein herzliches Dankeschön für wertvolle Hinweise
Geschichte von Barntrup
http://www.gymnasium-barntrup.de/stadt/history.htm und http://www.barntrup.de/informieren/index.asp?show=geschichte
Westfälische Geschichte:
http://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/
Schloßpark Barntrup:
http://www.lwl.org/ParkUndGartenanlagen/owl/Dokumente/146.pdf
http://www.burgen-und-schloesser.net/063/geschichte.htm
Max von Spießen (Hrsg.): Wappenbuch des Westfälischen Adels, mit Zeichnungen von Professor Ad. M. Hildebrandt, 1. Band, Görlitz 1901 - 1903.
Genealogische Datenbank des Christoph Graf von Polier:
https://gw.geneanet.org/cvpolier?lang=de&iz=0&p=raban+arnd+rabe+arndt+raben&n=von+kerssenbrock und abhängige Seiten
ein herzliches Dankeschön an Herrn Robert Krätschmar für die Aufklärung der Genealogie und für wertvolle Hinweise

Schloß Barntrup, Treppenturmportal

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