Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 650
Wappen an
Bauten der Weser-Renaissance
Gemeinde Kalletal: Schloß Varenholz - Haupteingang
Schloß Varenholz liegt südlich der Weser auf einem Hügel über dem Fluß in der Gemeinde Kalletal. Ursprünglich lag das Schloss direkt an der Weser, wie eine alte Brücke von 1753 noch zeigt, mittlerweile hat sich der Lauf des Flusses allerdings mehr nach Norden verlagert, aber die Lage ist immer noch grandios zu nennen. Es ist eines der lohnendsten Ausflugsziele, weil es ein besonders schönes und typisches Beispiel der Schlösser der Weser-Renaissance darstellt.
Architektur
von Schloß Varenholz
Schloß Varenholz ist eine
Vierflügelanlage, harmonisch, aber bei näherem Hinsehen mit
sehr ungleicher Behandlung der einzelnen Flügel. Der älteste
Teil ist der westliche Teil des Nordflügels, der weit in den Hof
hineinragt und den hochmittelalterlichen Wohnturm enthält. Der
Westflügel hat die geringste Tiefe. Der Südflügel ist der,
durch den man den Schloßhof betritt. Der westliche Teil
desselben mit dem Tordurchgang wurde 1524-1543 von Simon de Wendt
errichtet. Zwar in der Renaissance entstanden, hat er noch
gotisierende Vorhangbogenfenster. Die anderen Flügel, also der
Ostflügel und die östlichen Teile von Süd- und Nordflügel,
bildet eine geschlossene bauliche und stilistische Einheit und
folgen einem einheitlichen Gestaltungskonzept. Sie stammen aus
der Zeit von 1591-1600. In dieser Zeit wurde der Bau zur
Vierflügelanlage um den fast quadratischen Hof geschlossen. In
den beiden Hofecken haben die neuen Flügel polygonale
Treppentürme. Ab 1591 ist der Baumeister Hans Rade aus Blomberg,
ab 1593 Johann Bierbaum. Ein dritter Treppenturm befindet sich
übrigens in der Nordwestecke des Hofes. Kostbarster Teil ist die
hofseitig mittig angesetzte Auslucht (bis zum Boden
herunterreichender und reich durchfensterter Stand-Erker) des
Ostflügels. Eine Eigenart dieses Schlosses sind die Gestaltungen
der beiden Türme der Nordost- und Südostecke: Die Ecken werden
unten durch Bastionen betont, unten pfeilförmig vorkragend und
mit Schießscharten versehen, darüber in einen rechteckigen
Grundriß übergehend und ganz oben von achteckigem Querschnitt.
Geschichte
von Schloß Varenholz
Im Kern ist dies einst eine
mittelalterliche Burg gewesen, deren Wohnturm noch heute im
baulichen Gefüge zu erkennen ist. Strategisch lag die Burg sehr
günstig, auf einem Hügel direkt über der Weser. Die örtlich
ansässigen Herren waren die Edelfreien von Varenholz. 1188 wird
die Burg als Besitz der Herren von "Vornholte" genannt.
1323 weiteten die Herren zur Lippe ihr Gebiet nach Norden in
Richtung Weser aus. Simon I.
zur Lippe kaufte in diesem Jahr Burg Varenholz und Langenholzhausen. Die Burg
wurde weiter ausgebaut und befestigt, aber zu Pfand
weitergegeben, u. a. an die Familie de Wendt. 1561 wurde die Burg
von Graf Bernhard VIII wieder aus dem Pfandbesitz der de Wendt
ausgelöst. Erbauer des
Renaissance-Schlosses ist Graf Simon VI zur Lippe. Dazu ließ er
die Teile der alten Burg bis auf den Wohnturm niederreißen; der
Neubau erfolgte im Stile der Weser-Renaissance. Hauptresidenz blieb für Simon VI aber Schloß Brake,
für seine Nachfolger Schloß Detmold. Schloß Varenholz wurde
als Witwensitz der Grafen zur Lippe genutzt, ansonsten weilte das
Herrscherhaus nur besuchsweise hier. Im 19. Jh. wurde das Schloß
vom Pächter der landwirtschaftlichen Domäne bewohnt. Das
Schloß ist heute Eigentum des Landesverbandes Lippe und wird als
Realschule und Internat (Privatschule) genutzt.
Wappen außen über dem Haupteingang im Südflügel
Das
Wappen über dem Haupteingang
Das Wappen ist datiert ANNO
1582. Das Wappen hat einen von den anderen lippischen Wappen
abweichenden Aufbau:
3 Helme gehören zu diesem Wappen:
Eine
verzwickte Geschichte: Erklärung des Wappens
Esens? Wittmund? Ostfriesland?
Wie kommt das in das Wappen der Grafen zur Lippe??? Die Inschrift
unter dem Wappen lautet: "VON GOTTES GNADEN SIMON GRAVE VND
/ EDELLHER ZVR LIPPE VND RETHBERGH HERR / ZV ESENSZ STEDESTORFF
VND WITHMVNDEN". Simon VI, Sohn von Bernhard VIII, fühlte
sich tatsächlich als Herr über diese Gebiete, ein Irrtum bei
der Lesung der Felder wird durch die Inschrift ausgeschlossen.
Die genannten Gebiete befinden sich alle in Ostfriesland und gehören zum sog. Harlinger Land, welches sich seit dem 15. Jh. in einen westlichen Teil mit den Herrschaften Esens und Stedesdorf und einen östlichen mit der Herrschaft Wittmund teilte. 1456/61 konnte Häuptling Sibo von Esens, aus dem Geschlecht der Attena, deren Bärenwappen in dem unten beschriebenen Wappen für Esens steht, die Herrschaften wieder vereinigen. Mit Sibos Enkel, Junker Balthasar, starben die Attena 1540 aus, und das vereinte Harlingerland gelangte über seine Schwester Onna, die mit dem Grafen Otto III. von Rietberg verheiratet war, an diese Grafen. Bis 1600 blieb das Harlingerland in Personalunion mit Rietberg verbunden. Soweit zum Zusammenhang zwischen Ostfriesland und Rietberg.
Doch wie kommen jetzt diese Gebiete in das Wappen der Grafen zur Lippe? Graf Johann II von Rietberg griff gerne mal auf Nachbargebiet zu und hatte sich 1556 gewaltsam eines Landstrichs im Harlingerland bemächtigt und danach das Dorf Lipperode geplündert, was den Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreis zum Eingreifen brachte. Am 25.11.1556 fiel Graf Bernhard VIII zur Lippe in Rietberger Gebiet ein und belagerte Schloß Rietberg. Bei dieser Belagerung hatte er die Unterstützung von Bischof Rembert von Paderborn als Landesherr - auch dieser hatte die Nase gestrichen voll von den ständigen Überfällen des Rietberger Grafen. 1557 wurde Schloß Rietberg beschossen, Graf Johann II von Rietberg mußte schließlich kapitulieren. Er wurde verhaftet und nach Köln überstellt, wo er 1562 im Gefängnis verstarb. Damit starb die männliche Linie der Grafen von Rietberg aus.
Dies war der erste "Kontakt" zwischen dem Hause Lippe und den Grafen von Rietberg. Jetzt kommen die Töchter des letzten Grafen ins Spiel:
Der
Sohn heiratet die Tochter des Mannes, den der Vater des
Bräutigams ins Gefängnis brachte
Die Grafschaft Rietberg, im
Grenzgebiet zwischen Münster und Paderborn gelegen, zu der ja
jetzt auch die anderen in der Inschrift genannten Herrschaften
(Esens, Stedesdorf und Wittmund) gehörten, war seit 1456
hessisches Lehen. Der Landgraf von Hessen zog die Grafschaft nach
der Rietberger Fehde 1556 als erledigtes Lehen zunächst ein. Die
Grafschaft kam unter die Verwaltung des
Niederrheinisch-Westfälischen Kreises, ein Gremium des Heiligen
Römischen Reiches. Erst 1565 wurden die Töchter Walburgis und
Ermgard nach Protesten gegen den Einzug des Lehens erneut mit der
Grafschaft Rietberg belehnt.
In einer Erbteilung von 1576 wurde entschieden: Ermgard erhält
Rietberg, Walburgis das Harlingerland. Walburgis heiratete 1581
den Grafen Enno III. von Ostfriesland.
Graf Simon VI, geb. 1554, reg. 1563-1613, war aber in erster Ehe seit dem 26.6.1578 nun vermählt mit Ermgard von Rietberg! Erst in zweiter Ehe hatte er 1585 Elisabeth von Holstein-Schaumburg geehelicht. Dafür war es für Ermgard die zweite Ehe: Sie war nämlich in 1. Ehe seit dem 3.1.1568 mit Erich Graf von Hoya vermählt gewesen. Und damit schließt sich der Kreis zum zweiten Mal. Der Sohn erheiratet sozusagen die Ansprüche, die sein Vater erobert hatte, denn jene Ermgard von Rietberg ist die eine Tochter des glücklosen Johann II von Rietberg. Der Graf heiratet also die Tochter des Mannes, den sein eigener Vater ins Gefängnis gebracht hatte. Und Simon hat hier die Erbansprüche seiner Frau nach der Erbteilung 1576 als seine eigenen Ansprüche 1582 ins Wappen gestellt. Die Ehe war kinderlos, Ermgard starb 1584. Von 1578 bis 1584 war Rietberg also unter lippischer Verwaltung. Wohlgemerkt nur Rietberg - nicht die ostfrisischen Gebiete. Die ostfriesischen Gebiete waren also Anspruchswappen. Und danach fielen die Ansprüche zurück an die jüngere Schwester Walburgis, also an ihren Mann Graf Enno von Ostfriesland und wir sind beim Berumer Vergleich.
Mit der Heirat zwischen Walburgis und Enno kam das Harlingerland an Graf Enno von Ostfriesland. Mit dem Tod der älteren Schwester Ermgard (auch Armgard oder Irmgard genannt), die ohne Nachkommen verstarb, kam auch die Grafschaft Rietberg über Walpurgis an Ostfriesland. Graf Enno verzichtete im Berumer Vergleich zugunsten seiner Töchter auf die Grafschaft Rietberg und bekam dafür das Harlingerland für seinen Sohn aus erster Ehe, wodurch die Personalunion zwischen beiden Gebieten aufgelöst wurde.
Später fiel das ostfriesische Gebiet an Preußen. Der Titel "Herr von Esens, Stedesdorf und Wittmund" wurde als Anspruch von den Grafen von Kaunitz-Rietberg bis 1845 weitergeführt, die die preußische Besetzung des Landes nie anerkannt haben.
Wie wir sehen, höchst komplizierte Verwicklungen, die aber erklären, warum für wenige Jahre Rietberg, Wittmund und Esens im lippischen Wappen zu finden sind. Interessant ist, wie prominent diese Ansprüche im Wappen dargestellt werden - immerhin 2 von 3 Helmen sind die neuen Ansprüche, und Esens/Wittmund werden sogar als Herzschild verwendet, während man normalerweise eher das Stammwappen in den Herzschild stellt.
Literatur
und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher (bei
der Beschreibung der lippischen Wappen viele Ungereimtheiten!)
http://www.schloss-varenholz.de/
http://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Varenholz
http://www.burgen-und-schloesser.net/147/geschichte.htm
Ernst Maoro, Schloß Varenholz in Varenholz. In: Schlösser,
Burgen, Herrensitze in Ostwestfalen-Lippe. Bielefeld 1986, S.
241-243.
Burkhard Meier, Lippische Residenzen. Schlösser und Burgen
zwischen Teutoburger Wald und Weser. Detmold 1998, S. 80-91
http://www.lwl.org/ParkUndGartenanlagen/owl/Dokumente/143.pdf
G. Ulrich Großmann, Renaissance entlang der Weser, Du Mont
Buchverlag Köln, 1989, ISBN 3-7701-2226-7
Wolfgang Leesch: Die Grafen von Rietberg aus den Häusern
Arnsberg und Ostfriesland. In: Westfälische Zeitschrift, 113.
Bd., Münster 1963
Hartmut Platte: Das Haus Lippe in Vergangenheit und Gegenwart,
Börde-Verlag Werl 2006, ISBN 3-980-6221-4-2
Hugo Gerard Ströhl, Deutsche Wappenrolle, Reprint von 1897,
Komet Verlag Köln, ISBN 3-89836-545-X
Meiner Mutter Ursula Peter große Anerkennung exquisiter
Vorarbeit
Eine der umfangreichsten Quellen zur Rietberger Geschichte: www.kaunitz-rietberg.de
Schloß Varenholz, Innenhof - Schloß, Wirtschaftsgebäude
Die Entwicklung des Wappens der Herren, Grafen und Fürsten zur Lippe
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