Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 642
Wappen der
Weser-Renaissance-Bauten
Pyrmont: Wappen am Festungswall
Die
Festung Pyrmont
Pyrmont besitzt eine
Inselfestung von unregelmäßig viereckigem Zuschnitt, die von
einem breiten Wassergraben ringsum umgeben ist. Einzig eine
Brücke führt gerade von Süden auf die sich direkt aus dem
Wasser erhebenden Festungswälle zu. Die Insel ist nicht ganz
regelmäßig, an der Nordostecke ist eine kleine dreieckige
Schanze angebaut, und im Norden bereichert eine kleine
natürlich-unregelmäßige Insel die ansonsten reichlich
abweisenden mauergesäumten Wassergräben. Direkt hinter der
Brücke führt der Weg durch den steinernen Wall ins Innere der
Festung. Im Innenhof steht das schmucklose Kommandantenhaus und
trennt den Bereich als Querriegel in einen südlichen und einen
nördlichen Innenhof. Und auf dem vorderen Wall, von außen über
der Mauerbrüstung sichtbar, steht das Schloß von Pyrmont.
Rechts und links des Schlosses befinden sich zwei zierliche
Kavaliershäuser auf den Wällen. Ansonsten ist die Festung
reichlich zweckdienlich militärisch, voller Kasematten und
ungemütlicher Gelasse für Soldaten und Wachpersonal. Es besteht
ein krasser Gegensatz zwischen der lustvollen Schloßarchitektur
hoch oben auf den Wällen und der brutalen Militärarchitektur
der Wälle und Kasematten, allenfalls gemildert durch den
parkartigen Gesamteindruck.
Schloß und Festung stammen auch nicht aus der selben Zeit. Die Grafen von Spiegelberg ließen zwischen 1526 und 1536 nahe der Pyrmonter Hauptquelle die Festungsanlage nach dem fortifikatorischen Stand der Renaissance anlegen, Bauherr war Graf Friedrich VI. von Spiegelberg, der 1525 zugleich Eigentümer der Grafschaft Pyrmont wurde. Im südwestlichen Bereich wurde ein repräsentatives, dreigeschossiges Schloß im Stile der Weser-Renaissance erbaut. Von diesem ist nicht mehr viel übrig, denn es wurde während des 30jährigen Krieges stark in Mitleidenschaft gezogen und zu Beginn des 18. Jh. abgetragen. Auf dessen Fundamenten wurde das neue Schloß erbaut im Stile des Barocks, knapp 200 Jahre Geschichte liegen also zwischen den Festungswällen und dem Schloß obendrüber. Zurück zu Graf Friedrich: 1536 konnte er seine Residenz von Lügde in das neue Schloß Pyrmont verlegen. Die Grafschaft Pyrmont war damals winzig, sie bestand ansonsten nur noch aus der Stadt Lügde und einigen Orten, und Pyrmont war weit entfernt von dem, was es heute ist, eigentlich nur eine Festung.
Große
Wappentafeln verkünden neue Besitzer
Schreitet man über die
niedrige Bogenbrücke über den Wassergraben, fallen schon von
weitem zwei riesige Wappentafeln rechts und links des dunklen
Walltores auf. Sie sind auf 1562 datiert, also über 30 Jahre
nach dem Bau der Wälle wurden sie nachträglich dort angebracht.
Linke Abb.: Zur Linken der Brücke, also heraldisch rechts (Seite des Ehemannes) ist die Wappentafel der Grafen zur Lippe-Spiegelberg. Die Inschrift lautet: HERMAN.SIMON.GRAVE.VND EDLER HE / ZVR LIPPE GRAVE.ZV.SPIEGELBERG / VND PIRMONT ANNO 1562. Obendrüber die allegorischen Figuren der Temperantia, der Justitia und der Fortitudo.
Rechts Abb.: Zur Rechten der Brücke, also heraldisch links (Seite der Ehefrau) ist die Wappentafel der Grafen von Spiegelberg-Pyrmont. Die Inschrift lautet: VRSVLA.GEBORNE GRÄFIN.ZV.SPIEGELBE / GRAFFI.VND.EDLE.FROW.ZVR.LIPPE./GRÄFFIN.ZV SPIEGELBERG.VN.PIRMO / NT. Obendrüber die allegorischen Figuren der Fides, der Prudentia und der Spes.
(Photohinweis: Die Wappentafeln liegen fast ganztägig gut im Licht. Einzig der ganz frühe Morgen ist ungünstig wegen der Schatten des geöffneten Gitters. Ideal später Vormittag.)
1562, über 30 Jahre nach dem Bau der Wälle, hat man es für nötig befunden, in riesigen Reliefplatten plakatgleich neu zu verkünden, wer auf dieser Festung und in dem damaligen Schloß residiert und herrscht. Warum? Zunächst muß erwähnt werden, daß die Grafen von Spiegelberg noch gar nicht so lange Besitzer von Pyrmont waren. 1494 erst kam Pyrmont im Erbgang an die Spiegelberger Grafen. Nicht lange konnten sie sich an den gewaltig vergrößerten Territorium erfreuen, denn 1557 starben die Grafen von Spiegelberg-Pyrmont in männlicher Linie aus. Hermann Simon Graf von Lippe-Sternberg, Sohn von Graf Simon V zur Lippe und Bruder des die Erbfolge fortsetzenden Bernhard VIII Graf zur Lippe, war vermählt mit Gräfin Ursula von Spiegelberg-Pyrmont. Als 1557 Graf Philipp von Spiegelberg und Pyrmont, der letzte Spiegelberger und Vater der besagten Ursula, in der Schlacht bei Saint-Quentin fiel, erbte seine Tochter die Grafschaft und brachte sie in die Seitenlinie der Grafen zur Lippe ein. Hermann Simon Graf von Lippe-Sternberg nannte sich jetzt Hermann Simon Graf von Lippe-Spiegelberg-Pyrmont. Um genau zu sein, eigentlich fiel das Lehen an Braunschweig-Calenberg heim und wurde unter Vorbehalt der Landeshoheit wieder an Hermann Simon zur Lippe vergeben. Diese großen Wappentafeln verkünden also, daß der neue Besitzer dank seiner Frau nun Graf Hermann Simon zur Lippe ist, und das konnte man architektonisch nicht auffällig genug betonen.
Kurzlebige
Herrschaft Lippe-Spiegelberg
Aber auch dieser neue
Herrscher über die Inselfestung konnte keine dauerhafte
Herrschaft begründen, denn nach dem Tode von Philipp Graf zu
Lippe-Spiegelberg (einziger Sohn von Hermann Simon (gest. 1576)
und Ursula) im Jahre 1583 fiel Spiegelberg zuerst an den Grafen
Georg von Gleichen-Tonna und später im Jahre 1631 an
Nassau-Oranien. Erst 1819 verkaufte Nassau die Grafschaft
Spiegelberg an das Königreich Hannover und mit diesem wurde sie
1866 preußisch. Pyrmont kam schließlich 1625 an das Haus
Waldeck, als Graf Hans Ludwig zu Gleichen seinen Vettern
Christian und Wolrad zu Waldeck die Herrschaft über Waldeck
übertrug. So wurde aus der Grafschaft Waldeck die Grafschaft
Waldeck und Pyrmont, die später im Jahre 1712 zum Fürstentum
erhoben wurde. Die Stammburg Waldeck liegt eigentlich an der Eder
in Hessen, und diese Erbschaft bescherte der neuen Herrschaft
Waldeck-Pyrmont zwei durch relativ große Distanz getrennte
Territorien. Residenz war 11801655 Burg Waldeck,
16551918 Schloß Arolsen.
Das
Wappen der Ursula Gräfin von Spiegelberg-Pyrmont
Das Wappen ist geviert aus
Spiegelberg und Pyrmont:
Das Wappen hat zwei Helme:
Die
Grafen von Spiegelberg
Das Geschlecht der Grafen von
Spiegelberg hieß ursprünglich von Poppenburg und stammt aus dem
Weserbergland. Sie besaßen dort eine winzige Grafschaft aus nur
fünf Dörfern. Graf Bernhard von Poppenburg erbaute am Hellweg
um 1200 die Burg Spiegelberg, und fortan nannte sich die Familie
"von Poppenburg und Spiegelberg" und ab 1217 nur noch
"von Spiegelberg". Durch Vergleich nach einer Fehde mit
Bodo von Homburg mußte Bernhard von Spiegelberg das Land
verlassen. Später (1281) kaufte sich Graf Moritz von Spiegelberg
wieder in der Gegend an, als die Edelherren von Brünninghausen
ausstarben. Coppenbrügge wurde neuer Hauptort der Grafschaft
Spiegelberg. Während des 14. Jh. wurde der Besitz neu aufgebaut
und erweitert. Durch die sog. Spiegelberger Fehde verlor die
Familie fast alles, sie verarmte und zog sich auf Burg Ohsen an
der Weser zurück. 1494 schlug den Grafen von Spiegelberg ein
günstiges Schicksal die Grafschaft Pyrmont im Erbgang zu. Doch
erst 1525 wurde Graf Friedrich von Spiegelberg vom Bistum
Paderborn mit der Grafschaft Pyrmont belehnt, vorangegangen waren
31 Jahre Erbfolgestreit.
Das
Wappen des Hermann Simon Graf zur Lippe-Spiegelberg-Pyrmont
Das Wappen setzt sich aus
Lippe-Schwalenberg und den neuen Besitztümern, also aus zwei aus
je zwei Bestandteilen gevierten Wappen zusammen und enthält
jetzt vier verschiedene Komponenten:
Geviert:
Das Wappen hat drei Helme:
Zum
Vergleich ein Siegel des Hermann Simon Graf zur
Lippe-Spiegelberg-Pyrmont
Von besagtem Graf Hermann
Simon zur Lippe-Spiegelberg-Pyrmont existiert ein
Vergleichswappen auf einem Wappensiegel vom 23.4.1572 im
Hessischen Staatsarchiv Darmstadt (HStAD), auf dem man die
Details wesentlich besser erkennen kann, weshalb es hier
wiedergegeben wird:
Gesamtaufnahme des Wappensiegels. Abbildungsnachweis: HStAD, B 1 Nr. 141 (Aufnahme Dr. Lars Adler).
Ausschnittsvergrößerung mit dem Schildbild. Abbildungsnachweis: HStAD, B 1 Nr. 141 (Aufnahme Dr. Lars Adler, Detail).
Ausschnittsvergrößerung mit dem Oberwappen. Abbildungsnachweis: HStAD, B 1 Nr. 141 (Aufnahme Dr. Lars Adler, Detail).
Literatur
und Quellen:
Informationstafeln an der
Festung
Siebmachers Wappenbücher
Hartmut Platte: Das Haus Lippe in Vergangenheit und Gegenwart,
Börde-Verlag Werl 2006, ISBN 3-980-6221-4-2
Hartmut Platte: Waldeck und Pyrmont, Geschichte eines
Fürstenhauses, Heft 3 der Reihe Deutsche Fürstenhäuser,
Börde-Verlag Werl 2006, ISBN 3-980-6221-8-5
Hugo Gerard Ströhl, Deutsche Wappenrolle, Reprint von 1897,
Komet Verlag Köln, ISBN 3-89836-545-X
Veröffentlichung der Photos vom Wappensiegel (HStAD, B 1 Nr. 141)
mit freundlicher Genehmigung von Archivoberrat Dr. Lars Adler,
Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, vom 7.6.2016, wofür ihm an
dieser Stelle herzlich gedankt sei.
Pyrmont (Weserbergland): Festungswälle - Kaminsturz - Neues Schloß, Vorderseite - Neues Schloß, Hofseite
Die Entwicklung des Wappens der Herren, Grafen und Fürsten zur Lippe
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