Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 304
Mainz - Erzbischöfe, Kurfürsten, Adelspaläste

Der Schönborner Hof in Mainz

Der Schönborner Hof reiht sich in die Abfolge edler Adelssitze in der Schillerstraße. Es handelt sich um den Familiensitz der Familie von Schönborn, die mit Johann Philipp von Schönborn (reg. 1647-1673) und Lothar Franz von Schönborn (reg. 1695-1729) gleich zwei Mainzer Erzbischöfe und Kurfürsten stellte. Es ist stilistisch eines der älteren Palais, der Stil ist Spätrenaissance; die Pläne stammen vom Baumeister Clemens Hinck. Man beachte die Ähnlichkeit der Fassaden von diesem Palais und dem "Römischen Kaiser" am Liebfrauenplatz, der Einfluß dieses Gebäudes auf den Schönborner Hof ist nicht zu übersehen - beide haben einen traufständigen Mittelbau zwischen zwei Seitenteilen, die ihre Herkunft aus dem mittelalterlichen Giebelhaus nicht verleugnen können. Früher bestand im Norden noch ein formaler Garten, der sich bis zur Neuen Universitätsstraße erstreckte. Clemens Hinck hatte vor Errichtung dieses Adelssitzes bereits 1665 ein zugehöriges Gartenhaus entworfen, das aber nicht mehr erhalten ist.

Der Dreiflügelbau mit seiner Hauptfassade entlang der Schillerstraße ist zweistöckig über einem Sockel mit Kellerfenstern. Der weiße Putzbau ist reichlich mit Sandsteingewänden gegliedert. Das hohe Dach ist geschiefert. Die seitlich angesetzten Querflügel sind risalitartig vorgezogen und tragen einen hohen Schweifgiebel. Die Eckkanten der Querflügel werden durch Eckpfeiler eingefaßt, die auf halber Höhe ein kleines Gesims zur Geschoßgrenzenmarkierung tragen. Die Querflügel besitzen je drei Fensterachsen, der Mittelbau elf. An diesem sind die drei mittleren Achsen besonders hervorgehoben: Seitliche Lisenen, die denen an den Querflügelecken gleichen, rahmen die Portalachse in der Mitte ein. Der Balkon mit schmiedeeisernem Geländer über dem Hauptportal ruht auf Konsolen mit Löwenmasken. Beiderseits des Portals tragen Wandsäulen die äußeren Balkonkonsolen, und in dieser Linie wird die architektonische Betonung der Mittelachse im ersten Obergeschoß durch ionische Pilaster fortgesetzt. Die Fenstergewände sind lt. Baukontrakt "nach welscher Manier" gestaltet mit getreppten Ohrungen. Im Erdgeschoß tragen sie Segmentbogengiebel. Im ersten Obergeschoß sind sie an ein horizontal durchlaufendes Traufgesims angehängt. An den beiden Eckrisaliten sind zusätzlich Dreiecksgiebel dem Kranzgesims vorgeblendet. Analog tragen auch die Giebelfenster Segmentbogengiebel, die mit einem Horizontalgesims verschmolzen sind.

Die Dreiflügelanlage wurde 1668-1670 für Philipp Erwein von Schönborn zu Freienfels-Eschbach (1607-4.11.1668) erbaut, Sohn von Georg von Schönborn (-16.4.1613) und Maria Barbara von der Leyen (-1631). Er war der Bruder des Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn (6.8.1605-12.2.1673) und der Vater des Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn (4.10.1655-1729). Mit ihm begann der beispiellose Aufstieg der Schönborn zu einer der wirtschaftlich erfolgreichsten und als Kunstmäzene wichtigsten Familien in Süddeutschland. Philipp Erwein von Schönborn war mainzischer Oberamtmann zu Steinheim, Erbschenk des Hochstiftes Mainz, kurmainzischer Geheimrat, Erbtruchseß des Hochstifts Würzburg. Aber nicht nur in kirchlichen Ämtern war er erfolgreich, sondern ihm und seinen Nachkommen wurde vom Kaiser der Titel eines Panierherren verliehen, ferner wurde die Familie unter ihm reichsfrei. Philipp Erwein von Schönborn erwarb wichtige Familiengüter wie Gaibach (1650) und Heusenstamm (1661 zu Lehen), in beiden Orten entstanden Schönborn-Schlösser. Weitere Zukäufe vergrößerten den schnell wachsenden Grundbesitz und bildeten eine solide wirtschaftliche Basis für den wirtschaftlichen Erfolg der Familie. Seit 1661 hatte er planmäßig Hausstellen an dieser Stelle erworben, um ein ausreichend großes Gelände für seinen Familiensitz zu bekommen. Der Bauherr erlebte die Fertigstellung nicht mehr. Vollendet wurde das Adelspalais unter seinem Sohn, Franz Georg von Schönborn (6.1.1639-16.7.1674), der Domkustos zu Mainz und Domherr zu Bamberg und Würzburg war.

Dieses Palais ist einerseits ein steinerner Zeuge des Aufstiegs der Familie von Schönborn zu Macht und Reichtum und ein Auftakt zu der unglaublichen Bautätigkeit dieser Familie ("Bauwurmb") und andererseits ein Wegbereiter einer aus großvolumigen Adelspalais bestehenden urbanen Architektur in Mainz in Spätrenaissance und Barock.

Heute ist der Bauplatz durch die unmittelbare Nachbarschaft des brutal-wuchtigen Proviantmagazins von 1865 entstellt. Der Hof wurde nachträglich umgebaut, erst 1706, dann 1773 und 1798, zuletzt im 19. Jh. Zum Schönborner Hof gehörten einst ausgedehnte Gartenanlagen im Stile der Renaissance, die sich hinter dem Palais den Hang hochzogen, von denen aber als letzter Überrest nur eine Brunnenanlage ausgegraben wurde. Prinz-Karl-Kaserne und Proviantmagazin haben die Herrlichkeit im 19. Jh. zunichte gemacht. Als man nach dem Ende des Kurfürstentums das Gebäude in eine Kaserne umwandelte, riß man etliche Zwischenwände heraus und veränderte die Raumaufteilung bleibend.

Über der Portalachse setzt sich die Betonung der Mittelachse fort. Die Trauflinie wird durchbrochen von einem Sprenggiebel, und darüber befindet sich ein kugelbesetzter Aufsatz mit dem Stammwappen der von Schönborn, in Rot auf drei silbernen Spitzen ein schreitender, goldener, blaubewehrter Löwe mit blauer Krone. Die ovale Wappenkartusche wird von einer Krone bedeckt, und zwei gekrönte Löwen dienen als Schildhalter. Beiderseits schließt sich an diesen Aufsatz eine Balustrade an, diese wurde rekonstruiert. Das Wappen wiederholt sich in schlichterer Ausführung auf dem Türsturz im Erdgeschoß (Abb. unten).

Beim letzten Umbau wurde dem Schönborner Hof 1830-1840 ein weiteres Geschoß aufgesetzt, wodurch die charakteristischen Stufengiebel mit Rollwerk der Renaissance verlorengingen. Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg, in dessen Verlauf der Hof 1942 vollständig ausbrannte, wurde diese Verunstaltung beim Wiederaufbau beseitigt und der ursprüngliche Zustand 1952 wiederhergestellt. Mit gewissen Einschränkungen: Der nördliche Risalit, der einst weiter vorsprang als der linke Querflügel, wurde verkürzt; und die Tiefenerstreckung wurde vergrößert; weiterhin wurden die in den Ecken eingestellten Treppenanlagen abgerissen. Bei der Rekonstruktion der dreifach abgetreppten Giebel mit gekurvtem Rollwerk orientierte man sich am stilistisch verwandten Haus Zum Römischen Kaiser. Heute ist hier in der Schillerstraße 9 das Ministerium des Inneren und für Sport untergebracht, weiterhin wird der Bau vom Institut Français genutzt.

Ein weiteres Schönbornwappen ist über einem anderen Türsturz zu sehen (Abb. unten), der sich allerdings am Nachbarhaus zur Linken, dem sog. Wichernhaus in der Schillerstraße 9 (Abb. oben) befindet, das gegen Ende des 18. Jh. errichtet wurde. Dieses Wichernhaus gehörte ebenfalls zum Schönborner Hofkomplex und ist der zuletzt entstandene Teil des Ensembles. Zuvor waren hier einige private Häuser, die die Familie zur Arrondierung ihres städtischen Besitzes aufkaufen konnte. Stilistisch ist das Wappen bereits klassizistisch mit Festonschmuck. Das Wichernhaus ist seit 1933 nach Johann Heinrich Wichern benannt, dem Gründer der evangelischen Inneren Mission. Das Gebäude brannte 1945 aus und wurde 1951/52 wiederhergestellt. Dabei wurde der Haustürrahmen seitlich versetzt.

Literatur:
Baedeker: Mainz, Karl Baedeker-Verlag, 2004. ISBN 3-87954-074-8
Werner Schäfke: Der Rhein von Mainz bis Köln, eine Reise durch das romantische Rheintal, DuMont Kunstreiseführer, DuMont Verlag, Köln 2006, ISBN 978-3-7701-4799-1
Siebmachers Wappenbuch.
Otto Gruber: Wappen des mittelrheinisch-moselländischen Adels, Trier 1962-1965, incl. Nachtrag Trier 1967, ebenfalls veröffentlicht in verschiedenen Jahrgängen der "landeskundlichen Vierteljahresblätter".
http://de.wikipedia.org/wiki/Schönborner_Hof_(Mainz)
http://de.wikipedia.org/wiki/Philipp_Erwein_von_Schönborn
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz, Stadt Mainz, Band 2.2: Altstadt, bearb. von Ewald Wegner, hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz 1988, Wernersche Verlagsgesellschaft Worms, 3. Auflage 1997, ISBN 3-88462-139-4, S. 304-305

Die Entwicklung des Wappens der von Schönborn

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