Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 194
Castell
(Landkreis Kitzingen, Unterfranken)
Castell, Schloß der Fürstenfamilie Castell-Castell
Castell - das ist der Stammsitz der hier seit über 900 Jahren ansässigen Herren (seit 1091 bekannt), Grafen (seit 1202) und Fürsten (ab 1901) von Castell. Die Familie Castell hat derzeit drei Linien: Castell-Castell (protestantisch), Castell-Rüdenhausen (protestantisch und katholisch), dazu hat Castell-Rüdenhausen drittens seit 1898 eine Nebenlinie namens Faber-Castell. Die Familie geht auf den Edelfreien Rupert de Castello (1057) zurück und ist eines der ältesten und für die fränkische Geschichte wichtigsten Geschlechter. Erster Familiensitz war auf dem Herrenberg, 1258 als Alt-Castell erwähnt, 1525 aber restlos zerstört, so daß ein Wiederaufbau nicht in Betracht kam (Eigentümer waren die Burggrafen von Nürnberg). Der zweite Familiensitz ist oben auf dem Schloßberg, 1258 als "obere Burg" erwähnt, der ebenfalls im Bauernkrieg zerstört wurde, trotz seiner starken Befestigung mit vier Abschnittsgräben, der aber im Gegensatz zu Alt-Castell sofort im Stile der Renaissance wiederaufgebaut wurde. Der Grund für die Aufgabe der oberen Burg war die militärische Sinnlosigkeit gepaart mit zunehmender Sehnsucht nach bequemer Wohnlichkeit und Repräsentation.
Das barocke Schloß in Castell wurde 1686-1691 im Dorf Castell erbaut und ersetzt die alte Anlage oben auf dem Schloßberg. Bauherr des neuen Schlosses war Wolfgang Dietrich Graf und Herr zu Castell-Remlingen (1641-1709), Großhofmeister in pfälzischen Diensten. Errichtet wurde der wegweisende Bau vom Künzelsauer Landbaumeister Peter Sommer. Das Besondere an dem schön an einem Hang über dem angrenzenden Schloßgarten gelegenen Bau mit mächtigem Mansarddach ist, daß es sich um die erste Dreiflügelanlage Frankens handelt. Eine größere Umbauphase fand 1863-1869 unter Graf Friedrich Ludwig (1791-1875) statt, sie betraf vor allem den Torbau, den östlichen Seitenflügel und die Eckpavillons, die im neobarocken Stil aufgestockt wurden, allerdings sehr zurückhaltend und ohne die alte Bausubstanz zu beeinträchtigen. Auch heute noch ist das Schloß in Familienbesitz der Fürsten von Castell-Castell und kann nicht besichtigt werden. Über dem Eingangsportal ist ein Allianzwappen des Bauherrn und seiner vorzeitig verstorbenen Gemahlin angebracht.
Der Dreiecksgiebel trägt die Datierung MDCC CLXIV = 1864. Heraldisch rechts befindet sich das Wappen von Graf Friedrich Ludwig Heinrich Adolph Wilhelm Theodor Franz von Castell (2.11.1791-121.4.875) aus der Linie Castell-Castell, es ist rot-silbern geviert. Er war der Sohn von Albrecht Friedrich Carl Graf und Herr zu Castell-Castell (2.5.1766-11.4.1810) und Sophia Amalia Charlotte Henriette Prinzessin zu Löwenstein-Wertheim-Virneburg (2.4.1771-25.5.1823). Weil sein Vater starb, als er erst 18 Jahre alt war, stand er zunächst unter der Vormundschaft von seiner Mutter und Graf Friedrich Reinhard von Rechteren-Limpurg. Er studierte in Erlangen, Würzburg und Heidelberg. 1814 wurde er Leutnant im würzburgischen freiwilligen Jägerbataillon, und mit diesem nahm er am Feldzug gegen Frankreich teil. Im Jahre 1814 wurde er Mitregierer der Grafschaft. Er nahm am Wiener Kongreß zur Neuordnung Europas teil und wurde 1819 königlich-bayerischer Reichsrat.
Heraldisch links befindet sich das Wappen seiner Gemahlin Emilie (Friederica Christiana Aemilia) Prinzessin zu Hohenlohe-Langenburg (27.1.1793-20.7.1859), in Silber zwei schwarze Leoparden. Sie war die Tochter von Carl Ludwig Fürst zu Hohenlohe-Langenburg (10.9.1762-4.4.1825) und Amalie Henriette Charlotte Gräfin zu Solms-Baruth (30.1.1768-1847). Die beiden hatten am 25.6.1816 in Langenburg geheiratet.
Als Schildhalter dienen zwei kauernde Löwen, über allem ruht der Fürstenhut. Den bayerischen Fürstenstand erlangte erst am 7.3.1901 der Enkel des Bauherrn, Friedrich Carl zu Castell-Castell (22.7.1864-3.1.1923), königlich-bayerischer Reichsrat, 1918 königlich-bayerischer Kronoberstkämmerer, königlich-bayerischer Oberst à la suite der Armee, Dr. phil. h. c. der Universität Würzburg. Der Fürstenstand wurde in der Primogenitur weitergegeben. Der aktuelle Besitzer des Schlosses ist Ferdinand Friedrich Carl Fürst zu Castell-Castell (20.5.1965-), am 30.7.1999 in Schwäbisch Gmünd vermählt mit Marie-Gabrielle von Degenfeld-Schonburg (7.5.1971-).
Man beachte, daß auch die im ersten Bild sichtbare Wetterfahne auf der Dachspitze ein Castell-Wappen trägt. Auf der Hofseite (touristisch nicht zugänglich) befindet sich ein weiteres Allianzwappen, dort erinnert dieses an die Erbauer des Schlosses, Wolfgang Dietrich Graf und Herr zu Castell-Remlingen (1641-1709) und seine ersten Frau, Elisabeth Dorothea Schenkin von Limpurg. Ein weiteres Wappen befindet sich oben an der Gartenfront.
Weitere Wappen befinden sich an den Resten der alten Burg auf dem Schloßberg, nämlich am Treppenturm von 1617 (ohne Abbildung): Wolfgang Graf und Herr zu Castell und Juliana Gräfin und Frau zu Castell geborene Gräfin zu Hohenlohe-Langenburg, Graf Wolfgang I. von Castell und Martha Gräfin von Castell geborene Gräfin von Wertheim, zuletzt noch ein stark verwittertes Allianzwappen Castell-Hohenlohe aus dem 19. Jahrhundert.
Ein
kleiner Überblick über die verschiedenen Linien der Familie
Castell
Seit 1202 führt die Familie
den Grafentitel, in diesem Jahr taucht der Titel erstmalig in
einer Urkunde auf. Rupert IV. zu Castell war der erste, der sich
"comes" nannte. Das Wappen der Grafen von Castell
erscheint erstmalig 1224 in Form eines Siegels an einer Urkunde.
Die Grafschaft hatte eine komplizierte Stellung, einerseits war
sie ein Lehen des Hochstifts Würzburg (Graf Wilhelm hatte 1457
die ganze Grafschaft dem Hochstift Würzburg gegen Zusicherung
einer Leibrente zu Lehen aufgetragen), andererseits konnte sie
sich ihre Reichsstandschaft erhalten. Mit dem Hochstift Würzburg
war die Familie dadurch verbunden, daß sie das Oberschenkenamt
innehatte. Andererseits entfremdete sich die Familie vom
Hochstift wieder durch Anschluß an die Reformation, die hatten
die Grafen Konrad, Georg und Heinrich 1546-1561 eingeführt, und
in Castell war das Zentrum einer kleinen Landeskirche entstanden.
Zunächst spaltete sich die Familie ca. 1265/1267 in die von Heinrich II. begründete Linie Castell-Unterschloß und die von Hermann II. begründete Linie Castell-Oberschloß. Die Linie Unterschloß erlosch vor 1331 mit Hermann III. zu Castell; der Besitz fiel an die andere Linie, die sich fortan nur noch Castell nannte. Zum Stammsitz in Castell kam 1323 die Burg in Rüdenhausen durch Kauf hinzu und wurde zweiter Sitz.
Die Grafschaft Castell wurde 1546 zwischen mehreren Brüdern, den Grafen Konrad I. (10.7.1519-8.7.1577) und Georg II. (16.11.1527-11./12.11.1597), geteilt in Castell-Castell und Castell-Rüdenhausen, während Graf Heinrich IV. (13.2.1525-20.9.1595) im mütterlichen Erbe, dem ehemals wertheimischen Remlingen, eine dritte Linie etablierte, Castell-Remlingen. Dieses Schloß spielte seitdem als dritter Sitz eine Rolle. Die Linien in Castell und in Remlingen erloschen mit der Gründergeneration, und alles fiel wieder an die Hauptlinie Castell, der jetzt alle drei Burgen bzw. Schlösser gehörten. Rüdenhausen wurde 1662 Sitz des Centgerichts der Grafschaft.
Die Grafschaft Castell 1597 wurde erneut unter den Söhnen Georgs II. von Castell aufgeteilt, diesmal in zwei Teile: Alt-Castell-Rüdenhausen und Castell-Remlingen. Gottfried (16.1.1577-6.8.1635) gründete die Linie zu Rüdenhausen, und Wolfgang II. (20.7.1558-30.4.1631) gründete die Linie zu Remlingen. Zur Remlinger Linie gehörte der Besitz in Castell, also eigentlich Linie "Castell-Remlingen-Castell". Graf Wolfgang Dietrich ließ 1686-1691 das Untere Schloß in Castell errichten, bis heute Wohnsitz der Linie Castell-Castell. 1747 wurde Rüdenhausen durch Johann Friedrich von Castell-Rüdenhausen zum Markt erhoben.
Die Linie Castell-Rüdenhausen erlosch 1803 mit Graf Friedrich Ludwig Carl Christian zu Castell-Rüdenhausen (17.2.1746-7.2.1803), der in geistiger Umnachtung starb; sein einziger Sohn, Johann Friedrich II. zu Castell-Rüdenhausen, war nur einen Monat alt geworden. Der Besitz fiel an die Linie "Castell-Remlingen-Castell". Übrig war nur noch diese Linie, jetzt quasi "Castell-Remlingen-Castell-Rüdenhausen".
Von dieser aus wurden die Linien (Neu-)Castell-Castell und Neu-Castell-Rüdenhausen durch durch zwei Brüder neu gegründet, so daß es wieder zwei Linien des Hauses Castell gab. Albrecht Friedrich Carl (2.5.1766-11.4.1810) gründete die Linie Castell-Castell. Diese Linie blüht bis heute; gegenwärtiges Haupt ist Ferdinand Friedrich Carl Fürst zu Castell-Castell (20.5.1965-). Albrecht Friedrich Carls Bruder Christian Friedrich zu Castell (21.4.1772-28.3.1850) gründete die Linie zu Rüdenhausen und Remlingen. Auch diese Linie blüht bis heute; gegenwärtiges Haupt ist Otto Friedrich Carl Fürst zu Castell-Rüdenhausen (31.5.1985-). Die Linie Castell-Remlingen ist eigentlich nicht erloschen, sondern blüht unter den Namen der beiden genannten Linien weiter, aber der Name Castell-Remlingen ist verschwunden. Auf Remlingen saß die Linie Neu-Castell-Rüdenhausen. Der Sitz Remlingen gehört nach Verkauf nicht mehr zur Familie, so daß es heute zwei Sitze und zwei Linien gibt und Namen und Sitz deckungsgleich sind.
Im Jahre 1806 wurde die Grafschaft Castell mediatisiert und dem Königreich Bayern eingegliedert. Die Grafen verloren damit ihre Reichsunmittelbarkeit. Der Trostpreis war die Ernennung zu erblichen Reichsräten der bayerischen Krone. 1848 wurden die Herrschaftsgerichte aufgehoben, die bislang in Rüdenhausen, Remlingen und Burghaslach bestanden hatten. Beide Linien erhielten 1901 den bayerischen Fürstenstand, in der Primogenitur vererbbar. Der jeweils Erstgeborene ist Erbgraf, alle anderen sind Grafen und Gräfinnen zu Castell.
1898 entstand die Nebenlinie Faber-Castell, beginnend mit Alexander Friedrich Lothar von Faber-Castell (6.7.1866-11.4.1928), ein Sohn von Wolfgang August Christian Friedrich Carl Erwein Fürst zu Castell-Rüdenhausen (21.4.1830-13.1.1913) und Emma zu Ysenburg und Büdingen. Die Namens- und Wappenvereinigung kam durch seine erste Frau, Ottilie von Faber (6.9.1877-28.9.1944), zustande, der "Bleistift-Erbin". Die Familie etablierte sich in Stein bei Nürnberg. Im kombinierten Wappen nimmt die Komponente Faber die höherrangigen Plätze 1 und 4 ein, das Castellsche Stammwappen die nachrangigen Plätze 2 und 3.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@49.7413912,10.3519504,19z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@49.7414443,10.3519263,72m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Siebmachers Wappenbücher
Kulturpfad Castell: http://www.kulturpfad-grafen-castell.de/html/castell.html
Gemeinde Castell: www.castell-gemeinde.de
Fürstlich Castellsches Domänenamt: https://castell.de/
Schloß Castell auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Castell_(Unterfranken)
Fürstenhaus Castell auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Castell_(Adelsgeschlecht) - Stammliste: https://de.wikipedia.org/wiki/Stammliste_von_Castell
Schlösser und Burgen in Unterfranken, von Anton Rahrbach, Jörg
Schöffl, Otto Schramm. Hofmann Verlag Nürnberg 2002, ISBN
3-87191-309-X
Territorialgeschichte: Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der
deutschen Länder - die deutschen Territorien vom Mittelalter bis
zur Gegenwart. C. H. Beck Verlag München 7. Auflage 2007, ISBN
978-3-406-54986-1
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf
CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Ursprung, gute Zeiten, schlechte Zeiten, in: Casteller
Nachrichten, Meinungen & Reportagen, 53. Jahrgang 2023, hrsg.
von der Fürstlich Castellschen Kanzlei, S. 19-22
Vom Wappen zum Logo, in: Casteller Nachrichten, Meinungen &
Reportagen, 53. Jahrgang 2023, hrsg. von der Fürstlich
Castellschen Kanzlei, S. 18 und 23
Casteller Nachrichten, Meinungen & Reportagen, 54. Jahrgang
2024, hrsg. von der Fürstlich Castellschen Kanzlei
ein herzliches Dankeschön an Herrn Jesko Graf zu Dohna für
wertvolle Hinweise zu den Casteller Linien
Die Wappen des Hauses Hohenlohe
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