Bernhard Peter
Gestalten mit Zinnen in der Heraldik (Teil 3)

Spitzzinnen
Die Spitzzinne ist eine Zinne, die oben zu einer Spitze ausgezogen ist. Cave: Es ist nicht ein Spickel, das wäre nur das Dreieck, sondern die viereckige Zinnenform ist als Grundform erkennbar, und die Spitze ist der Oberkante aufgesetzt. Eine solche Teilung mit einer Spitzzinne wird im Französischen "coupé par un créneau sommé de pointe" genannt, im Englischen "per fess with one embattlement fitched". Sofern keine differenzierenden Angaben im Blason gemacht werden, ist eine Spitzzinne nach oben gerichtet. Ist sie dagegen nach unten gerichtet, handelt es sich um eine gestürzte Spitzzinne. Eine solche Teilung wird im Französischen "coupé par un créneau sommé de pointe renversé" genannt, im Englischen "per fess with with one embattlement fitched reversed".

Mehrere Spitzzinnen bilden eine Spitzzinnenteilung, und man spricht von "spitzgezinnt" oder "spitzzinnenförmig geteilt" oder von einer "Spitzzinnenteilung". Mehrere Spitzzinnen nebeneinander erfüllen aber nicht die Kriterien eines Spitzzinnenschnittes, denn für einen "Schnitt" in der Heraldik ist es ein typisches Merkmal, daß das gleiche Motiv von oben unten gespiegelt erscheint, daß man eben die Elemente durch Symmetrieoperationen ineinander überführen kann. Hier haben wir oben spitze Zinnen, unten aber gerade Zinnen, deshalb ist es eine Teilung, aber nicht zugleich ein Schnitt. Im Französischen hieße "spitzgezinnt geteilt" "coupé par créneaux sommés d'une pointe", im Englischen "per fess embattled and fitched".

Die folgende Schritt unserer exemplarischen Überlegungen ist, nicht eine Teilung mit Spitzzinnen zu modifizieren, sondern einen Balken an seinen äußeren Begrenzungslinien. Aus einem Balken wird so ein Spitzzinnenbalken. Um Mißverständnisse zu vermeiden, gibt man die Position der Spitzzinnen an. Hat der Balken also lediglich oben Spitzzinnen, ist es ein oben spitzgezinnter Balken (französisch: "fasce le bord supérieur crénelé sommé d'une pointe", englisch "fess, the upper edge embattled and fitched"). Befinden sich die Spitzzinnen nur unten, handelt es sich um einen unten spitzgezinnten Balken (französisch: "fasce le bord inférieur crénelé sommé d'une pointe", englisch "fess, the lower edge embattled and fiched"). Befinden sich die Spitzzinnen auf beiden Seiten, können die Zinnen an gleicher Position nach oben und respektive nach unten ausgezogen sein, so daß sich die beiden Begrenzungslinien des Balkens spiegelbildlich verhalten, dann spricht man von einem Gegenspitzzinnenbalken. Stehen die Zinnen aber versetzt, dann spricht man von einem Wechselspitzzinnenbalken.

Ganz analog zum vorher Ausgeführten kann man auch einen Spitzzinnenschnitt konstruieren, eine Teilung aus einer einzigen durchgezogenen Linie, die wechselseitig nach oben in eine Spitzzinne und nach unten in eine gestürzte Spitzzinne ausgezogen ist. Mehrere davon ergeben ein interessant rhythmisiertes Muster.

Kreuzzinnen
Die Kreuzzinne ist eine Zinne, die oben zu einem Kreuz ausgezogen ist. Cave: Es ist nicht ein Kreuz alleine, sondern eines mit einem kleinen Sockel. Ersteres würde man "besetzt/besteckt mit einem Kreuz" oder "ausgezogen zu einem Kreuz" nennen. Auch die Kreuzzinne kann sowohl nach oben als auch nach unten stehen, ersteres ist der Normalfall, letzteres bezeichnet man als "gestürzte Kreuzzinne". Eine solche Teilung mit einer Kreuzzinne wird im Französischen "coupé par un créneau en croisette" genannt, im Englischen "per fess with one embattlement terminating in a crosslet".

Wenn ein Balken nur oben Kreuzzinnen besitzt, ist es ein oben mit Kreuzzinnen besetzter Balken (französisch: "fasce le bord supérieur crénelé en croisette", englisch "fess, the upper edge embattled, the embattlements terminating in crosslets"). Befinden sich die Kreuzzinnen nur unten, handelt es sich um einen unten mit Kreuzzinnen besetzten Balken (französisch: "fasce le bord inférieur crénelé en croisette", englisch "fess, the lower edge embattled, the embattlements terminating in crosslets"). Wegen des doch ausgedehnten Platzbedarfes von Kreuzzinnen ist ihre Anwendung zu beiden Seiten eines Balkens oder Pfahles eher hypothetisch.

Gestalterisch viel spannender ist der Kreuzzinnenschnitt (französisch: coupé croisetté, englisch: per fess embattled, the embattlements terminating in crosslets). Das Motiv lädt geradezu dazu ein, die Kreuzzinnen wechselseitig ineinenandergreifen zu lassen, und das typische Element eines Schnittes, die Inverssymmetrie, entsteht wie von selbst. Der Kreuzzinnenschnitt läßt sich natürlich nicht nur auf eine mittige Teilung, sondern auch auf Schildhäupter, Spaltungen etc. anwenden. Man beachte, bei einem Kreuzzinnenschnitt läßt sich von jeder Seite aus eine (oder mehrere) vollständige Kreuzzinne erkennen.

Anders ist das beim Kreuzschnitt, der hier nur gezeigt wird wegen der von ihm ausgehenden Verwechslungsgefahr. Das Wort ist zwar kürzer, doch das Motiv ist länger: Beim Kreuzschnitt (französisch coupé contre-croisetté, englisch: per fess crosslet-counter-crosslet) wird eine Linie abwechselnd nach oben und nach unten in Kreuze ausgezogen, die Kreuze sind ohne "Sockel".

Pfropfzinnen
Die Pfropfzinne ist eine Zinne, die oben zu einer kreisförmigen Ausstülpung ausgezogen ist. Sie besteht sowohl aus dem quadratischen Unterbau als auch der kugelförmigen Pfropfung. Auch die Pfropfzinne kann sowohl nach oben als auch nach unten stehen, ersteres ist der Normalfall, letzteres bezeichnet man als "gestürzte Pfropfzinne". Eine solche Teilung mit einer Pfropfzinne wird im Französischen "coupé par un créneau pommeté" genannt, im Englischen "per fess with one embattlement pommy".

Mit mehreren Pfropfzinnen entsteht die Pfropfzinnenteilung (französisch: coupé crénelé-pommeté, englisch: per fess embattled pommy), die auch zu mehreren übereinander gestaffelt gut aussehen kann.

Wenn ein Balken nur oben Pfropfzinnen besitzt, ist es ein oben pfropfgezinnter Balken (französisch: "fasce le bord supérieur à créneaux pommetés", englisch "fess the upper edge embattled pommy"). Befinden sich die Kreuzzinnen nur unten, handelt es sich um einen unten pfropfgezinnter Balken (französisch: "fasce le bord inférieur à créneaux pommetés", englisch "fess the lower edge embattled pommy")). Auch hier ist die Konstruktion eines Pfropfzinnenschnittes möglich, der jedoch gestalterisch wenig hergibt.

Andere Zinnen und sonstiges Gezinntes
Was in einem Motiv drinsteckt, erkennt man häufig erst bei dessen Rhythmisierung. Bislang wurde die Rhythmisierung mittels gleicher Elemente vollbracht. Es kann auch interessant sein, von der vertikalen Reihung gleicher Elemente Abstand zu nehmen und das Ganze gestalterisch dynamischer anzugehen, wie im ersten Beispiel an der rochförmigen Zinne gezeigt. Durch die 4 (1:2:1)-Anordnung oder die 2:3:2:3:2:1-Anordnung entstehen Konzepte auf Lücke, die den Schild gut ausfüllen.

Der obere Abschluß einer Zinne kann beliebig gestaltet werden, solange man es nur blasonieren kann. Eine noch so tolle Idee ist konzeptionell heraldisch wertlos, wenn man keine Worte findet, um sie in der Fachsprache zu bezeichnen. Eine Möglichkeit ist die Weiterentwicklung der Ghibellinenzinne, so etwas bezeichnet man als eine mit einer Spitze und zwei halben Spitzen gezähnte Zinne.

Eine beliebte Möglichkeit ist es ferner, mit den Begriffen "ausgezogen zu" oder "besteckt mit" zu arbeiten, so kann man eine normale mehr oder weniger quadratische Zinne mit beliebigen oberen Abschlüssen versehen, im Beispiel sind die Zinnen mit einem Kleeblatt besteckt.

Durch Präzisierung der exakten Anordnung ist es ferner möglich, übergeordnete Strukturen zu schaffen und die Zinnen nur in bestimmten Schildbereichen zu definieren, wie an der keilförmigen Anordnung mit welschen Zinnen gezeigt.

Eine weitere, bisher noch nicht besprochene Zinne ist die Doppelzinne. Sie ist eine beiderseits einmal gestufte Zinne. Durch das Aneinanderreihen dieses Generator-Elementes entsteht der Doppelzinnenschnitt, da die Doppelzinne von sich aus schon die benötigte Inverssymmetrie mitbringt. Auch hier gehen die Zinnen vom Rand aus gesehen erst nach oben. Ist das Umgekehrte der Fall, handelt es sich um einen Sturzdoppelzinnenschnitt. Ist ein Generatorelement nicht einmal, sondern zweimal gestuft, ergibt sich der Stufengiebelschnitt (gleich einer stufengiebelförmigen Teilung, französisch: coupé émanché-pignonné, englisch: per fess embattled grady) mit zuerst nach oben gehenden Stufen und invertiert der Sturzstufengiebelschnitt (gleich einer sturzstufengiebelförmigen Teilung, französisch: coupé émanché-pignonné renversé, englisch: per fess embattled grady reversed) mit zuerst vom Rand aus nach unten gehenden Stufen.

Zurück zu den Zinnen: Es gibt noch die Teilung mit einer beiderseits abgeschrägten Zinne, die auch als trapezförmige Teilung bezeichnet wird. Eine Teilung mit drei beiderseits abgeschrägten Zinnen kann auch als Trapezschnitt bezeichnet werden. Im dritten Beispiel wird die Abteilung mit beiderseits abgeschrägten Zinnen auf eine Doppelflanke angewandt.

Literatur und Quellen:
Walter Leonhard: Das große Buch der Wappenkunst, Bechtermünz Verlag 2000, Callwey Verlag 1978
Georg Scheibelreiter: Heraldik, Oldenbourg Verlag Wien/München 2006, ISBN 3-7029-0479-4 (Österreich) und 3-486-57751-4 (Deutschland)

Deutsche Wappenrolle, Band 1-71, Degener Verlag
Wappenbilderordnung, Symbolorum armoralium ordo, hrsg. vom HEROLD, bearbeitet von Jürgen Arndt und Werner Seeger, Skizzen von Lothar Müller-Westphal, Verlag Degener, 2. Auflage 1996, Band 1 und 2

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