Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3113
Oberdischingen (Alb-Donau-Kreis)

Wallfahrtskirche zur heiligen Dreifaltigkeit

Etwas außerhalb am Ortsrand steht im Südwesten auf einer Anhöhe an der Durchgangsstraße namens Kapellenberg die Wallfahrtskapelle, die mit ihrer frühklassizistischen Architektur und pastellfarbenen Fassadengestaltung überrascht. Die Giebelfassade mit dem rechteckigen Spiegel oben erinnert fast ein bißchen an den Kolonialstil. Der weite Innenraum mit an drei Seiten angebrachten hufeisenförmigen Emporen, die mit Medaillons und Festons geschmückt sind, wird von einer Flachdecke überspannt. Die Geschichte dieser Kapelle geht auf das Jahr 1675 zurück, als Christian Stetter, ein im Ort ansässiger Bauer, im Traum eine göttliche Weisung erhielt und daraufhin hier einen Bildstock errichtete. Die wundergläubige Barockzeit ließ bald darauf eine Wallfahrtsbewegung entstehen, denn die Hoffnung der Menschen ließ zur geglaubten Wahrheit werden, daß hier am Bildstock Gebete erhört werden und Wünsche in Erfüllung gehen. 1713 ließ Marquard Willibald Anton Graf Schenk von Castell d. Ä. eine Wallfahrtskapelle errichten, um dem Zustrom frommer Menschen gerecht zu werden. Und um das Notwendige mit dem Nützlichen zu verbinden, bestimmte er sie zur Gruftkapelle für seine Familie. Insgesamt fanden hier 7 Bestattungen statt, unter anderem er selber und sein Enkel, der sog. Malefizschenk Franz Ludwig Schenk von Castell (1736-1821), samt seiner Frau Maria Philippina Amalia Freiin von Hutten zu Stolzenberg (1747-1813). 1730-1733 baute man im Chorscheitel eine Sakristei an.

Doch die barocke Wundergläubigkeit nahm ihren Lauf, angeblich wurden hier etliche Gebete der Wallfahrer erhört, und all das publizierte man in einem Mirakelbuch, wodurch es größere Bekanntheit bekam. Also kamen noch mehr Bittsteller zu Gott. Schon wieder war die Kapelle zu klein, so daß Franz Ludwig Schenk von Castell 1793 das Langhaus abbrechen ließ, nur den eingezogenen, halbrund geschlossenen Chor behielt und daran bis 1798 ein neues Langhaus im Stil von Pierre Michel d’Ixnard anbaute. Mittlerweile hatte der Stil gewechselt, und der Geschmack hatte sich gewandelt, somit steht ein frühklassizistisches Langhaus vor einem barocken Chor. Die Wallfahrt zur "Wunderwirkenden Allerheiligsten Dreifaltigkeit zu Oberdischingen"  blühte jedenfalls. Heute ist es hingegen still geworden um diese Kapelle. Aber sie ist nach wie vor eine Andachtsstätte für Pilger, denn im ehemaligen Paterhaus gegenüber befindet sich heute das 1794 erbaute Cursillo-Haus St. Jakobus als Pilgerherberge und geistliche Bildungsstätte, und hier kehren Pilger auf dem oberschwäbischen Jakobsweg auf der Reise von oder nach Santiago de Compostela ein, und diese suchen natürlich die lokale Wallfahrtskirche auf.

Der Zustand der Kirche ist im Langhaus überall von aufsteigender Feuchtigkeit geprägt, obwohl die Kirche auf dem höchsten Punkt der Gemeinde steht. Ringsum ist bis in Brusthöhe der Putz abgeschlagen, so daß das bloße Ziegelmauerwerk offenliegt und den maroden Zustand von Wand und Verputz offenlegt. Das Furnier der Seitenaltäre ist ebenfalls beschädigt. Die Sanierung wird auf 600000 € geschätzt, Hilfe von der Diözese ist nicht in Sicht. Eine einzige Epitaphienplatte ist an der Wand angebracht, und auch diese ist ein Opfer der Feuchtigkeit: Der gesamte untere Teil, wo man auf eine Inschrift hoffen könnte, ist verloren gegangen, ebenso fehlen die beiden untersten Wappenschilde der 8er-Ahnenprobe komplett, und der dritte der heraldisch rechten Reihe ist auch schon von substantiellem Verlust gezeichnet. Das Hauptwappen und fünf der einst acht Ahnenprobenwappen sind jedoch noch gut erhalten.

Mangels Inschrift ist die Platte mit Hilfe der Ahnenprobe theoretisch nur einer Geschwister-Generation, aber nicht sicher einer einzigen Person zuzuordnen. Der Kontext legt aber nahe, daß es sich um Marquard Willibald Anton Graf Schenk von Castell d. Ä. handelt, welcher 1697 die Nachfolge der Herrschaft antrat und 1713 die Wallfahrtskapelle zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit durch den Maurer- und Gipsermeister Christian Wiedemann aus Oberelchingen errichten ließ. Die Genealogie nach Damian Hartard von Hattstein, Die Hoheit des Teutschen Reichs-Adels, Band 3, listet zudem keine weiteren Geschwister. Das Hauptwappen in der oberen Mitte der Epitaphienplatte ist als Vollwappen ausgeführt. Der Schild ist geviert mit einem gevierten Herzschild, Hauptschild: Feld 1 und 4: rot-silbern fünfmal schräglinks geteilt (für die Herrschaft Schelklingen), Feld 2 und 3: gespalten, rechts blau-golden gerautet, links rot und ledig (für die Herrschaft Berg), Herzschild: geviert, Feld 1 und 4: in Silber ein rotes Hirschgeweih mit Grind (Stammwappen der Schenk von Castell), Feld 2 und 3: in Silber zwei rote Löwen übereinander, einwärtsschreitend dargestellt (Schenk von Landeck).

Dazu werden vier Helme geführt, Helm 1 (rechts innen): auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken ein rotes Hirschgeweih mit Grind (Stammkleinod Schenk von Castell), Helm 2 (links innen): auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken ein wachsender Mannesrumpf in roter Gewandung mit silbernem Kragen (Schenk von Landeck), Helm 3 (rechts außen): auf dem ungekrönten Helm mit rot-silbernen Decken ein offener Flug, sparrenförmig rot mit je drei silbernen Schrägbalken belegt (für die Herrschaft Schelklingen), Helm 4 (links außen): auf dem Helm mit blau-goldenen Decken ein gekrönter wachsender Mannesrumpf in gespaltenem Gewand, rechts blau oder blau-golden gerautet, links rot mit drei silbernen Knöpfen oder ledig (für die Herrschaft Berg). Über den vier Kleinoden schwebt in heraldisch ganz schlechtem Stil die Grafenkrone, und zwei Palmwedel rahmen seitlich das Wappen ein. Das Wappen der Schenk von Castell wird beschrieben im Siebmacher Band: Bad Seite: 37 Tafel: 23 und Band: Wü Seite: 4 Tafel: 4. Weitere Nachweise insbesondere des einfachen Wappens gibt es im Berliner Wappenbuch, im Alten Siebmacher, im Alberti S. 109, im Schöler S. 95, T. 81, bei Kneschke D 2 (234), in der Züricher Wappenrolle (70), in Conrad Grünenberg's Wappenbuch (1797), im Wappenbuch St. Gallen (1588), in Ulrich Richentals Chronik des Konzils zu Konstanz (938) und im Donaueschinger Wappenbuch (880).

Die Herrschaft Berg lag in der Nähe von Ehingen. Der Herrschaftssitz war die nicht mehr vorhandene Burg Berg. Schelklingen war ursprünglich Besitz der Herren von Schelklingen. Um 1200 kam die Herrschaft an die Grafen von Berg, die sich jetzt Grafen von Berg-Schelklingen nannten. Mit deren Erlöschen im Jahre 1346 kam die kombinierte Herrschaft an Österreich (später Vorderösterreich zugeschlagen) und wurde verpfändet, z. B. an die von Stadion, an die von Freyberg, an die von Boineburg und eben 1680 an Marquard Schenk von Castell, damaliger Fürstbischof von Eichstätt. 1732 bekam die Familie der Schenk von Castell die Herrschaften Schelklingen und Berg als Mannlehen. Das Stammwappen der Grafen von Berg-Schelklingen (fünfmal rot-silbern schräggeteilt) wird beschrieben im Siebmacher Band: WüA Seite: 24 Tafel: 22 und ist abgebildet im Berliner Wappenbuch sowie in der Züricher Wappenrolle. Die Grafen von Berg sind jedoch eine andere Familie als die Herren von Berg. Letztere waren Lehensleute der ersteren, nannten sich nach deren Stammburg und hatten später ihren Sitz in Öpfingen bei Ehingen. Deshalb nannten sie sich auch Herren von Berg zu Öpfingen. Diese Familie erlosch auch nicht 1346, sondern blühte noch im 16. Jh. Das Stammwappen dieser Herren von Berg ist gemäß Berliner Wappenbuch gespalten, rechts ledig und rot, links golden-blau gerautet, auf dem Helm mit rechts rot-silbernen, links außen golden-blau gerauteten, innen roten Decken ein wachsender, golden gekrönter Mannesrumpf mit gespaltenem, rechts rotem und links golden-blau gerautetem Gewand. Weitere Nachweise: Scheiblersches Wappenbuch (Bayerische Staatsbibliothek Cod. icon. 312 c), Folio 124 (mit rot-goldenen Decken), Siebmacher Band: WüA Seite: 78 Tafel: 46, Alberti S. 47. Das heißt, hier wurde das Wappen der Grafen von Berg-Schelklingen für Schelklingen genommen und mit dem der nicht verwandten und eigentlich auch nicht für die Herrschaft Berg relevanten Herren von Berg-Öpfingen kombiniert und als solche als Rückschild dem Wappen der Schenk von Castell unterlegt.

 

Nun zur Ahnenprobe: Der Verstorbene, welcher mit Maria Rosina von Freyberg verheiratet war, war der Sohn von Johann Willibald Graf Schenk von Castell, eichstädtischer Erbmarschall, geheimer Rat, Landvogt, welcher am 1.3.1681 Reichsgraf wurde, und von dessen mit Heiratsbrief vom 20.6.1662 angeheirateter Ehefrau, Maria Johanna von Bernhausen, für welche es bereits die zweite Ehe war, denn in erster Ehe war sie zuvor mit Georg Benno von Leonrod (-1661) verheiratet gewesen. Ein Bruder des Johann Willibals war Johann Eucharius, Bischof von Eichstätt. Zu dieser Elterngeneration paßt das oberste Paar der Ahnenprobe, heraldisch rechts eine Wiederholung des Wappens der Stammlinie ("SHenck V Cast"), geviert, Feld 1 und 4: in Silber ein rotes Hirschgeweih mit Grind (Stammwappen der Schenk von Castell), Feld 2 und 3: in Silber zwei rote Löwen übereinander, einwärtsschreitend dargestellt (Schenk von Landeck), und gegenüber das Wappen der von Bernhausen ("V. BernHausen"), golden-grün fünfmal geteilt. Die hier nicht dargestellte Helmzier wäre auf dem Helm mit grün-goldenen Decken zwei goldene Büffelhörner mit je zwei grünen Balken belegt, mit silbernen, verschränkten Bändern (Scheiblersches Wappenbuch, Folio 350, Rolland, Rietstap, dort jedoch in Gold drei grüne Balken).

 

Gehen wir eine Generation weiter nach oben: Die Großelterngeneration bestand väterlicherseits aus Ulrich Christoph Schenk von Castell, Sankt Gallischer Rat und Pfleger in Romanshorn sowie Bruder des Fürstabts Johann Willibald von Kempten, und seiner Ehefrau Maria Cleopha von Wolfurt (Ehevertrag am 10.5.1622). Mütterlicherseits folgen als Vorfahren in der Großeltern-Generation Wolf Christoph von Bernhausen und Maria Susanna Schenk von Castell. Entsprechend sehen wir in der zweiten Reihe der Ahnenprobe heraldisch rechts das Wappen der von Wolfurt ("V. WolfurtH"), in schräglinks mit fünf Wellenteilungen geteiltem Schild, der oberste Platz golden, unten abwechselnd blau-silbern, ein blauer, rot gekrönter Wolf. Das Wappen wird so im Alten Siebmacher geführt, als Helmzier wird dort der blaue, rot gekrönte Wolf sitzend zu blau-goldenen Decken angegeben. Die Familie war in der Bregenzer Gegend beheimatet und erlosch um 1500-1530. Das Wappen führt heute der Markt Wolfurt. Das Kommunalwappen von Wolfurt hat den Wolf jedoch rot und golden gekrönt, was farblich sinnvoller ist. Gegenüber folgt auf gleicher Höhe das Wappen der Schenk von Castell ("SHenCK / V. Castell"), hier als einfaches Stammwappen, in Silber ein rotes Hirschgeweih mit Grind.

 

Wechseln wir erneut eine Generation nach oben: In der Urgroßeltern-Generation haben wir als Vorfahren Johann Albert Schenk von Castell (ein Sohn von Johann Christoph Schenk von Castell und Beatrix von Bernhausen) und seine Ehefrau Anna Barbara von Breiten-Landenberg sowie je nach Quelle Balthasar oder Johann Georg von Wolfurt (ein Sohn von Johann Georg von Wolfurt und Maria Cleophe von Reischach) und seine Frau Maria Magdalena Schnewlin Bernlapp von Bollschweil (eine Tochter von Gabriel Schnewlin Bernlapp von Bollschweil und Veronica von Berckheim) väterlicherseits und Johann Wilhelm von Bernhausen und seine Frau Margarethe Blarer von Wartensee sowie Johann Eberhard Schenk von Castell und seine Frau Catharina Humpis von Waltrams. Nur die ersten beiden Wappen sind erhalten, heraldisch rechts das der von Breiten-Landenberg ("V. BreitenLandenb"), geviert: Feld 1 und 4: in Rot drei (2:1) silberne Ringe (Landenberg), Feld 2 und 3: golden-schwarz geviert (Greifensee), heraldisch links dasjenige der Blarer von Wartensee ("Blarer V. Wartnsee"), in Silber ein roter Hahn. Die hier nicht verwendete Helmzier zum letztgenannten Wappen wäre zu rot-silbernen Decken wachsend ein roter Hahnenrumpf. Die fehlenden Wappen der untersten und vierten Reihe wären also Schnewlin (Freiburger Patrizierfamilie, alles fehlt, erwartet würde ein golden-grün geteilter Schild) und Hundpiss/Humpis-Waltrams (ein Teil des Inschriftenbandes ist zu lesen: "Hun...", erwartet würden in Schwarz drei silberne Windspiele übereinander).

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@48.2988619,9.8267829,42m/data=!3m1!1e3 - https://www.google.de/maps/@48.2986649,9.8264513,141m/data=!3m1!1e3
Schenk von Castell:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schenk_von_Castell
Hinweistafeln am Gebäude und im Ort
Haus St. Jakobus:
https://www.haus-st-jakobus.de/de/2/Home.html
Dreifaltigkeitskapelle auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Heilige_Dreifaltigkeit_(Oberdischingen)
Seelsorgeeinheit Donau-Riß:
https://se-donau-riss.drs.de/oberdischingen/kirchen-und-kapellen.html
Simone Dürmuth: Die koloniale Kapelle in Oberdischingen, in: Schwäbische vom 12.8.2014
https://www.schwaebische.de/regional/ulm-alb-donau/oberdischingen/die-koloniale-kapelle-in-oberdischingen-766683
Blarer von Wartensee auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Blarer_von_Wartensee
Breiten-Landenberg auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Landenberg
von Bernhausen auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhausen_(Adelsgeschlecht)
von Wolfurt: auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfurt_(Adelsgeschlecht)
Schnewlin auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schnewlin
Hundpiss-Waltrams auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Humpis
Webseite von Oberdischingen:
https://www.oberdischingen.de/gemeinde-oberdischingen/rundgang-sehenswertes/dreifaltigkeitskapelle
Damian Hartard von Hattstein, Die Hoheit des Teutschen Reichs-Adels, Band 3,
http://books.google.de/books?id=y-A-AAAAcAAJ

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