Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3112
Tigerfeld (zu Pfronstetten, Landkreis Reutlingen)

Pfarrhaus Tigerfeld (Pfarrgasse 3)

Der bis 1973 selbständige Ort Tigerfeld an der Bundesstraße 312 gehört heute verwaltungsmäßig zur Gemeinde Pfronstetten im Landkreis Reutlingen. Im Mittelalter gehörte Tigerfeld den Herren von Veringen. Graf Heinrich von Veringen begünstigte das Kloster Bebenhausen und verkaufte diesem erstmals 1287 ein Gut im Ort, weitere Güter folgten 10 Jahre später als Schenkung durch ihn und seinen Sohn Wolfrad von Veringen. Das gesamte Ortsgebiet kam im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit vom 42 km (Luftlinie) in nordwestlicher Richtung gelegenen Kloster Bebenhausen durch Verkauf an das Kloster Zwiefalten, das nur 6,4 km entfernt in südöstlicher Richtung liegt. Für Bebenhausen war der entlegene Besitz einfach unpraktisch. Die endgültige Inkorporation der Pfarrei in das Kloster Zwiefalten erfolgte 1422. In dessen Besitz blieb es bis zur Säkularisation 1803, dann kam Tigerfeld erst an das Kurfürstentum, dann 1806 an das Königreich Württemberg. Übrigens leitet sich der Name des Ortes von ahd. "tegar" ab, was soviel wie groß oder umfangreich bedeutet und sich vermutlich auf die Ausdehnung der Felder bezieht. Eine historische Form des Ortsnamens lautet "Tygirinvelt".

Hier geht es um das Pfarrhaus (Pfarrgasse 3), das südwestlich der in der heutigen Form 1698-1709 entstandenen katholischen Pfarrkirche St. Stephanus zu finden ist. Das trotz des einfachen Satteldachkonzepts äußerst repräsentative zweistöckige Gebäude, das als Sitz eines Zwiefaltener Konventualen und zeitweise auch als Sommerresidenz der Zwiefaltener Äbte gedient hat, ist 1737 erbaut worden. Das große Wappen über der Tür trägt die Initialen "AAZZ" für "Augustin Abt zu Zwiefalten". Es verweist auf den Zwiefaltener Abt Augustin Stegmüller (13.12.1666-22.5.1744), den großen Bauabt des Klosters Zwiefalten, der den Neubau der Klosterkirche Zwiefalten beschloß und begann. Augustin Stegmüller stammte aus Gundelfingen bei Freiburg i. Br. Er studierte Theologie in Dillingen und erhielt 1692 die Priesterweihe. 1709 erfolgte der Klostereintritt. Seine Profeß legte er 1710 ab. Er wurde am 27.9.1725 zum Abt der Reichsabtei Zwiefalten gewählt; die Benediktion bekam er am 29.9.1725Er blieb bis zu seiner Resignation am 9.4.1744 im Amt, und schon im Folgemonat verstarb er.

Das Wappen besteht aus zwei nach außen geneigten Ovalkartuschen, zwischen die von oben noch eine figürliche Darstellung einer Maria eingeschoben ist, und erst darüber sieht man die Mitra des Abtes und den schräglinks gestellten Krummstab. Das persönliche Wappen von Augustin Stegmüller in der heraldisch linken Kartusche zeigt in Blau oben einen goldenen Steg mit einem Geländer aus drei Stangen, unten ein goldenes Mühlrad mit einer langen Welle. In der Wahl der Motive ist das vollständig redend, der Steg über dem Symbol des Müllers, dem Mühlrad, Steg-Müller. Weitere Wappendarstellungen für diesen Abt sind zu finden a) hofseitig an Schloß Ehrenfels über dem Mittelportal, b.) am Epitaph in der Liebfrauenkapelle (Friedhofskapelle) Zwiefalten und c) an seinem Bildnis in der Äbtegalerie in Zwiefalten. Innen gibt es im Pfarrhaus eine sehenswerte spätbarocke Stuckdecke. Abt Augustin ist aber nicht der Bauherr der nach Plänen des Baumeisters Franz Beer (1660-1726) erbauten Tigerfelder Pfarrkirche, die entstand bereits unter seinen Vorgängern Ulrich V. Rothenheusler (amtierte 1692-1699) und Wolfgang Schmidt (amtierte 1699-1715). Und die Ausmalung der Tigerfelder Kirche erfolgte erst um 1767 unter seinem Nachfolger Nikolaus II. Schmidler (amtierte 1765-1787) durch den Andreas Meinrad von Au (1712.1792), und Schmidlers Wappen ist innen in der Kirche im Deckenfresko angebracht. Das Pfarrhaus wurde 1975-1976 restauriert.

Das eigentliche Zwiefaltener Klosterwappen ist in der heraldisch rechten Kartusche zu sehen, in Gold drei grüne (nicht blaue wie in der gegenwärtigen Farbfassung) Schrägbalken (hier einwärts gewendet, also schräglinks), diese mit insgesamt sieben (2:3:2) goldenen, sechszackigen Sternen belegt. Es handelt sich dabei um das apokryphe Wappen der Grafen von Achalm als Stifter des Klosters. Tatsächlich haben sie dieses Wappen nie geführt, denn sie sind zu früh ausgestorben (1098), um am sich entwickelnden Wappenwesen teilzuhaben. Ihnen wurde aber posthum durch das Zwiefaltener Wappen eines zuteil. Dieses Wappen ist erstmals im "Stuttgarter Wappenbuch" aus dem 15. Jh. überliefert und steht seitdem für die Grafen von Achalm und für das Kloster Zwiefalten. Die Mariendarstellung in der obersten Kartusche verdient Vertiefung: Maria wird mit einem von einem Sternenkranz umgebenen Kopf und mit einem goldenen Zepter in der Linken dargestellt, und sie steht auf einer schmalen Mondsichel. Das erinnert an "Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt“ (Offb. 12,1). Sie ist ein typisches Beispiel der sich im Barock entfaltenden Marienverehrung, die Maria bevorzugt als Himmelskönigin hervorhob, über der Welt thronend mit dem Mond unter ihren Füßen, und dazu gekrönt mit Vollkommenheit, dem Kranz von zwölf Sternen hinter ihrem Haupt, wobei die Zahl zwölf die Vollendung bzw. Vollkommenheit symbolisiert, und das Zepter inszeniert sie als Herrscherin des Himmels. Schließlich ist das Zwiefaltener Münster Maria geweiht.

Liste der Äbte (Auszug, vom Ende des 14. Jh. bis zur Auflösung)
Äbte mit Amtszeiten, Äbte mit hier gezeigtem Wappen, Lebensdaten, Blasonierung des persönlichen Wappens und Wappen-Fundstellen. Nur wenige Äbte entstammen regionalen Adelsgeschlechtern und tragen echte Familienwappen ihres Geschlechts, so wie die Äbte aus den Familien von Ehrenfels oder von Stein. Die Mehrzahl der Äbte jedoch entstammt dem bürgerlichen städtischen oder ländlichen Milieu und nicht dem Adel, und deshalb konnte nicht auf ein echtes Familienwappen zurückgegriffen werden. Die gewählten persönlichen Wappen sind aus heraldischer Sicht keine große Kunst, sondern eher schlichte, bisweilen sogar seltsame inhaltliche und graphische Konzepte, die angesichts der klaren Form und Gestaltung adeliger Wappen als persönliche heraldische Zeichen befremden. Ferner sind die Abtswappen schlecht hinsichtlich der korrekten Tinkturen und sehr schlecht hinsichtlich möglicher Oberwappen dokumentiert, sofern diese überhaupt angelegt waren. Oft findet man redende Wappen, in denen der Familienname des Abtes bildlich umgesetzt wird, so wie bei Fischer, Sommerberger, Stegmüller, Rothheusler, Weinemer etc.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@48.2573061,9.3837685,20z - https://www.google.de/maps/@48.2573061,9.3837685,84m/data=!3m1!1e3
Tigerfeld auf "Unsere Orte":
https://www.unsere-orte.de/unsere-orte/pfronstetten-und-seine-teilorte/pfronstetten-tigerfeld
Seelsorgeeinheit Zwiefalten:
https://se-zwiefalter-alb.drs.de/kirchengemeinden/tigerfeld-st-stephanus.html - https://dekanat-reutlingen.drs.de/kirchengemeinden/pfronstetten.html
Herbert Rädle: Kirche und Pfarrhof Tigerfeld - ein Bauensemble aus der zwiefaltischen Zeit des Ortes, in: Hohenzollerische Heimat, 42 (1992), S. 13-14.
Tigerfeld auf Leo-BW:
https://www.leo-bw.de/fr/web/guest/detail-gis/-/Detail/details/ORT/labw_ortslexikon/15951/Tigerfeld+-+Altgemeinde%7ETeilort
Pius Bieri: Abt OSB Augustin Stegmüller (1666-1744) von Zwiefalten
https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Bauherr/s-z/Zwiefalten_Stegmueller.html
Kloster Zwiefalten, hrsg. von der Vereinigung von Freunden der Geschichte Zwiefaltens, seines Münsters und Klosters e. V., Süddeutsche Verlagsgesellschaft Ulm, 1986, ISBN: 3-88294-090-5

Ortsregister - Namensregister - Regional-Index
Zurück zur Übersicht Heraldik

Home

© Copyright / Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2024
Impressum