Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 3077
Wilfersdorf
(Bezirk Mistelbach, Niederösterreich)
Das Schloß Wilfersdorf
Schloß Wilfersdorf liegt in der östlichen Ortsmitte an der Hauptstraße südlich des Marktplatzes. Eine Brücke überspannt den ehemaligen Schloßgraben und führt auf einen symmetrisch umbauten, rechteckigen Platz von ca. 100 m Breite und 30 m Tiefe. Das eigentliche Schloß besteht aus einem einzigen, ca. 42 m breiten Gebäudeflügel im nüchtern-strengen barocken Erscheinungsbild mit flachem Walmdach in der Mitte der östlichen Längsseite des Platzes. Von den neun Fensterachsen des zweistöckigen Gebäudes sind die mittleren drei durch eine aufgelegte Gliederung mit Doppelpilasterstellungen risalitartig hervorgehoben und durch einen Dreiecksgiebel mit eingebogenen Seiten akzentuiert. Der Giebel trägt an der Spitze ein Wappen und darunter eine große Uhr, für die das Abschlußgesims halbrund nach unten ausgebogen ist. Die flankierenden Figuren stellen Allegorien des Ruhms und der Tapferkeit dar. Die starke Vertikalisierung der Fassade durch die Pilaster wird durch die Horizontale des vorkragenden Balkons mit schmiedeeisernem Geländer abgefangen. Vor dem Eingang ist das Terrain aufgeschüttet, so daß die beiderseitige, mit Balustraden gesicherte Auffahrt die Höhendistanz des Kellergeschosses überwindet und die Treppe zum Portal nur wenige Stufen besitzen muß.
Die eingeschossigen, traufständigen Wirtschafts- und Remisenbauten an den anderen Seiten des Platzes sind streng symmetrisch angeordnet; die ca. 46 m langen Seitenbauten ragen nach Westen weit vor und besitzen jeweils am Westende noch einen parallelen, außen angesetzten Anbau. Die Westseite des Wirtschaftshofs ist mit zwei symmetrischen, jeweils ca. 26 m langen Gebäuden bebaut, zwischen sich eine 41 m breite Lücke lassend, wo die Zufahrt am Pfeilerportal mündet. Gemeinsam erzeugen die Wirtschaftsbauten einen ehrenhofgleichen Kontext. Im Osten des Schloßflügels verraten Geländemarken eine ehemals größere Ausdehnung des Schlosses nach Osten, nachgezeichnet von der Vertiefung des ehemaligen, heute trockenen Schloßgrabens, an dessen Außenkante der Wald beginnt, Rest einer ehemaligen Parkanlage, die früher vermutlich noch größer war.
Das 2001-2002 sanierte Schloß ist nach wie vor in Privatbesitz, kann aber vom 1. April bis zum 1. November immer außer montags 10:00-16:00 Uhr besichtigt werden. Jeden ersten Sonntag im Monat wird um 14:00 Uhr eine Führung angeboten. Im Erdgeschoß gibt es den Festsaal zu sehen, der auch ohne Museumsbesuch zugänglich ist. Dort finden wechselnde Ausstellungen zeitgenössischer Künstler der Region statt. Die übrigen Räume des Erdgeschosses werden von der Liechtensteiner Gutsverwaltung genutzt. Im Obergeschoß befinden sich die musealen Räume, wobei sich das Wort "museal" weniger auf die stark veränderten Räume, sondern mehr auf die Exponate der Dauerausstellung über die Geschichte der fürstlichen Familie Liechtenstein und deren Verbindungen zum Weinviertel bezieht. In den Wirtschaftsgebäuden befindet sich eine heimatkundliche Sammlung. Im Sommer wird das Schloß als Hintergrund-Kulisse für das musikalische Schloß-Festival genutzt.
Eine gotische Burg stand zuerst anstelle des heutigen Schlosses. Die erste Erwähnung einer solchen Burg datiert auf 1328, als Wilfersdorf in die Hände des Königs Johann von Böhmen gefallen war. Bei Grabungen wurden 2001 Fundamente aus dem Spätmittelalter freigelegt. Das Aussehen dieser Burg ist nicht überliefert. Wilfersdorf ist seit 1436 bis heute durchgehend Besitz der Liechtensteiner, nachdem es zuvor den Edelfreien von Asparn, den Herren von Mistelbach und den Kuenringern und den Maissauern gehört hatte. Leutold von Kuenring hatte im 14. Jh. Wilfersdorf seiner Tochter Anna als Heimsteuer übergeben, wodurch es an Heidenreich von Maissau gelangte. Otto von Maissau vermachte 1436 dann mit Zustimmung des Herzogs Albrecht von Österreich als Lehensherrn das landesfürstliche Lehen Wilfersdorf an seinen Oheim Christoph von Liechtenstein. Wilfersdorf ist damit der Stammsitz der Fürsten von Liechtenstein und wurde zum Zentrum eines auch Mistelbach und Poysdorf umfassenden Herrschaftsgebiets. Hier liegen die Wurzeln der Familie, während sie ihren jetzigen Hauptsitz Vaduz erst später bekam. Die Grafschaft Vaduz entstand durch Teilung des Besitzes der Grafen von Werdenberg-Sargans, kam 1507 durch Heirat an die Grafen von Sulz, dann durch Verkauf 1613 an die Grafen von Hohenems, dann erst 1712 durch Verkauf an die Liechtensteiner, die 1699 schon die Herrschaft Schellenberg erworben hatten. 1719 wurden beide zum Reichsfürstentum Liechtenstein vereinigt.
Hoch oben am Giebel ist das Wappen der Fürsten von Liechtenstein angebracht; der Schild geviert mit eingepfropfter Spitze und Herzschild, Feld 1: in Gold ein gekrönter und goldenbewehrter schwarzer Adler mit silberner, mit einem Kreuzchen in der Höhlung besteckter Mondsichel auf der Brust (Schlesien), Feld 2: von Gold und Schwarz siebenmal geteilt, überdeckt von einem grünen, schrägrechten, gebogenen Rautenkranz (Chuenring, Kuenring, seit 1620), Feld 3: rot-silbern gespalten (Herzogtum Troppau in Schlesien, seit 1614, Fürst Karl I. von Liechtenstein hatte 1614 vom Kaiser das Herzogtum Troppau verliehen bekommen), Feld 4: in Gold ein gekrönter, golden bewehrter, schwarzer Jungfernadler mit silbernem Kopf (für Ostfriesland bzw. Rietberg, Verbindung 1604), eingepfropfte Spitze: in Blau ein goldenes Jagdhorn (Hifthorn) mit goldenem Band (Herzogtum Jägerndorf in Schlesien, seit 1623, war ein Geschenk des Kaisers an Karl I. von Liechtenstein), Herzschild: golden-rot geteilt (Stammwappen der Fürsten von Liechtenstein). Das Wappen der Fürsten von Liechtenstein wird beschrieben im Siebmacher Band: Salz Seite: 36 Tafel: 14, Band: Mä Seite: 224 Tafel: 156-157, Band: OÖ Seite: 181 Tafel: 54, Band: Bö Seite: 195 Tafel: 84, ferner im Band Fürsten und im Band Schlesien. Einige Felder sind erklärungsbedürftig:
Auch wenn Feld 2 im Siebmacher mehrfach als "Herzogtum Sachsen" angesprochen wird, entstammt dieses Feld dem Wappen der mit Johann VI. Ladislaus von Kuenring (-9.12.1594) erloschenen Kuenringer oder Chuenringer. Kaiser Ferdinand II. gestattete Karl von und zu Liechtenstein, dem ersten Reichsfürsten des Geschlechts, mit Diplom vom 7.4.1620, das Feld so zu führen. Die beiden Familien sind verwandt, so existiert z. B. eine Heirat zwischen Otto III. von Liechtenstein-Murau (-24.11.1311) mit Adelheid von Pottendorf, Tochter von Rudolf von Pottendorf und Euphemia von Chuenring, damit Enkelin von Heinrich I. von Chuenring. Ferner hatte im frühen 15. Jh. Johann von Liechtenstein Agnes von Chuenring geehelicht. Ebenso im 14. Jh. Andreas von Liechtenstein und Agnes von Chuenring. Man beachte: Dieses Feld ist von Gold und Schwarz siebenmal geteilt, hat also acht Streifen und beginnt mit Gold. Das korrekte herzoglich-sächsische Wappen ist hingegen von Schwarz und Gold neunmal geteilt, hat also zehn Streifen und beginnt mit Schwarz.
Genauso wird das Feld 4 im Siebmacher manchmal fehlerhaft zugeordnet ("Schellenberg"). Dieses Feld ist eine Verballhornung des alten Cirksena-Wappens und steht für Rietberg und eigentlich für Ostfriesland. Ursprünglich war das mal in Schwarz ein goldener Jungfrauen-Adler, beseitet von vier goldenen Sternen. Daraus wurde in Gold ein gekrönter, golden bewehrter, schwarzer Jungfernadler mit silbernem Kopf. Hintergrund der Aufnahme dieses Feldes in das Liechtensteiner Wappen ist die erste Heirat von Gundacker Fürst von und zu Liechtenstein (30.1.1580-5.8.1658) 1604 mit Agnes von Ostfriesland (1.1.1584-24.1.1616), Tochter von Enno III. Graf von Ostfriesland (30.9.1563-1625) und Walpurgis Gräfin von Rietberg (-1586), die als Erbin von Rietberg/Ostfriesland gesehen wurde oder zumindest einen Anspruch darauf begründete. Die Nachkommen von Gundacker Fürst von und zu Liechtenstein durften fortan den Titel eines Grafen zu Rietberg führen. Dabei war Agnes nicht die einzige Erbin, einen weiteren Weg nahm das Wappen Rietberg/Ostfriesland in das der Kaunitz-Rietberg.
Korrekt hingegen wird Troppau (Feld 3) zugeordnet, ebenso Jägerndorf. Diese mährische Provinz wurde 1318 zu einem eigenständigen Herzogtum erhoben, dann 1377 geteilt, wobei die Teilherzogtümer Jägerndorf, Freudenthal und Leobschütz abgespalten wurden. Das zwischenzeitlich an die böhmische Krone heimgefallene Herzogtum wurde 1614 vom Kaiser an Fürst Karl I. von Liechtenstein verliehen. Kurzfristig verlor er die Kontrolle über das Herzogtum und das Eigentum an demselben während des Böhmischen Ständeaufstandes, bis er 1622 das Herzogtum Troppau wieder zurückbekam. Fast gleichzeitig bekam der katholische Fürst Karl I. 1623 das Herzogtum Jägerndorf in Schlesien als Lehen, das der protestantische Georg von Brandenburg während der religiösen Auseinandersetzungen verloren hatte.
Auf der Schildkartusche ruht ein Fürstenhut, und sie wird von einer Kette des Ordens vom Goldenen Vlies umgeben mit Gliedern aus funkenschlagenden Steinen und je zwei Rücken an Rücken kombinierten Feuerstählen und einem unten abhängenden goldenen Widdervlies. Diese Familie hat etliche Ordensmitglieder vorzuweisen:
1622 Aufnahme von Karl I. Fürst
von Liechtenstein-Nikolsburg zu Feldsberg (30.7.1569-12.2.1627)
1694 Aufnahme von Johann Adam Andreas von Liechtenstein
(1657-1712), 1684 Herzog von Schlesien-Troppau, am 23.1.1723
Errichtung des Fürstentums Liechtenstein
1697 Aufnahme von Anton Florian von Liechtenstein Principe
di Piombino (28.5.1656-11.10.1721), 1709 Fürst, kaiserlicher
Geheimrat, Kämmerer, Botschafter, Obersthof- und Stallmeister
Karls VI., 1712 Ererbung von Liechtenstein, Troppau und
Jägerndorf, Herzog von Schlesien-Troppau, Grande de Espana ->
Barockisierung des Schlosses, Wappen am Giebel
1721 Aufnahme von Joseph Johann Adam Fürst von Liechtenstein
(27.5.1690-17.12.1732), 1721 Fürst, Herzog von
Schlesien-Troppau, Grande de Espana, kaiserlicher wirklicher
geheimer Rat
1739 Aufnahme von Josef Wenzel I. Fürst von Liechtenstein
(1696-10.2.1772), 1748 Fürst
1749 Aufnahme von Emanuel Anton Joseph Johann Nepomuk Fürst von
Liechtenstein Herzog von Troppau und Jägerndorf (1700-15.1.1771)
1771 Aufnahme von Franz de Paula Joseph Johann Nepomuk Andreas
Fürst von Liechtenstein (29.11.1726-18.8.1781), 1772 Fürst
1772 Aufnahme von Carl Borromäus Michael Joseph Prinz von
Liechtenstein (29.9.1730-21.2.1789), kaiserlicher Geheimrat,
Kämmerer, Feldmarschall
1790 Aufnahme von Alois I. Joseph Fürst von Liechtenstein (14.5.1759-24.3.1805),
1781 Fürst -> Umbau des Schlosses und Abriß vieler
Gebäudetrakte
1806 Aufnahme von Johann I. Josef Fürst von Liechtenstein
(1760-20.4.1836), 1805 Fürst, Feldmarschall
1830 Aufnahme von Aloys Gonzaga Joseph Prinz von Liechtenstein
(1.4.1780-4.11.1833)
1836 Aufnahme von Aloys II. Joseph Maria Johann Baptista Joachim
Philipp Nerus Fürst von Liechtenstein (1796-12.11.1858), 1836
Fürst
1852 Aufnahme von Karl Borromäus Franz Anton Prinz von
Liechtenstein (23.10.1790-7.4.1865)
1862 Aufnahme von Johann II. Maria Franz Placidus Fürst von
Liechtenstein (5.10.1840-11.2.1929)
1867 Aufnahme von Friedrich Prinz von und zu Liechtenstein
(21.9.1807-1.5.1885)
1892 Aufnahme von Rudolf Fürst von Liechtenstein
(18.4.1838-15.12.1908)
1903 Aufnahme von Alfred Aloys Eduard Prinz von und zu
Liechtenstein (11.6.1842-8.10.1907)
1911 Aufnahme von Aloys Gonzaga Maria Adolf Prinz von und zu
Liechtenstein (17.6.1869-16.3.1955), am 26.2.1923 Verzicht auf
Thronfolge
1917 Aufnahme von Franz de Paula Maria Karl August Fürst von und
zu Liechtenstein Herzog von Troppau und Jägerndorf
(28.8.1853-25.7.1938), 1929 Fürst
1921 Aufnahme von Johannes Prinz von und zu Liechtenstein
(6.1.1873-3.9.1959)
1948 Aufnahme von Franz Joseph II. Maria Aloys Alfred Karl
Johannes Heinrich Michael Georg Ignatius Benediktus Gerardus
Majella Fürst von und zu Liechtenstein Herzog von Troppau und
Jägerndorf Graf von Rietberg (16.8.1906-13.11.1989)
1951 Aufnahme von Heinrich Karl Vincenz Maria Benediktus
Justitius Prinz von und zu Liechtenstein (5.8.1916-17.4.1991)
1977 Aufnahme von Vincenz Karl Alfred Maria Michael et omnes
sancti Prinz von und zu Liechtenstein (30.7.1950-2008)
1981 Aufnahme von Johannes Adam II. Ferdinand Alois Josef Maria
Marko d'Aviano Pius Fürst von und zu Liechtenstein (14.2.1945-)
2008 Aufnahme von Michael Karl Alfred Maria Felix Moritz et omnes
sancti Prinz von und zu Liechtenstein (10.10.1951-)
2015 Aufnahme von Nikolaus Ferdinand Maria Josef Raphael Prinz
von und zu von Liechtenstein (24.10.1947-)
2022 Aufnahme von Alois Philipp Maria Erbprinz von und zu
Liechtenstein (12.6.1968-)
Tiefer an der Fassade sind zwei ältere Wappen angebracht, die genau die oben genannte Verbindung zwischen dem fürstlichen Hause Liechtenstein, vertreten durch das Stammwappen (golden-rot geteilt), und den Grafen von Ostfriesland und Rietberg herstellt. Diese beiden Wappen sind am Portal oben rechts und links des Oberlichts zu finden, das Wappen des Ehemannes in einer ovalen Kartusche, dasjenige der Ehefrau in einem Rautenschild. Das Wappen der Ehefrau ist zweimal gespalten, Feld 1: in Rot ein goldener Adler (Grafschaft Rietberg), Feld 2: in Schwarz ein goldener Jungfrauenadler oder Königsadler, begleitet von vier (2:2) goldenen Sternen (Circsena, Ostfriesland), Feld 3: geteilt, oben in Gold ein schwarzer, aufspringender Bär mit goldenem Halsband (Herrschaft Esens), unten in Blau zwei gekreuzte goldene Peitschen oder Geißeln (Herrschaft Stedesdorf-Wittmund). Darüber wird eine Zackenkrone mit insgesamt neun dreieckigen Zacken geführt.
Nicht dargestellt sind die drei möglichen Helme, Helm 1 (Mitte): eine goldene Lilie vor einem schwarzen Straußenfederbusch, Decken schwarz-golden, Helm 2 (rechts): ein goldener Adlerkopf zwischen einem roten Flug (ein wachsender goldener Adler mit roten Flügeln), Decken rot-golden, Helm 3 (links): eine blaue Lilie (Herrschaft Esens) zwischen zwei schräg nach außen gestellten, goldenen Peitschen oder Geißeln (Herrschaft Stedesdorf-Wittmund), Helmdecken blau-golden.
Die zugehörige, schräg nach unten geneigte und fünfzeilige Inschrift auf dem Türsturzgewände lautet: "HOC CASTRVM VETVSTATE RVINOSVM ILLVSTRI(SSI)MVS D(OMINVS) GVND/AKHER(VS) BARO A LIECTHENSTEIN ET NICOLSP(VRG) COMES RITTBERGAE / & CAES(ARI) RVDOLPHI II. CAMERAE AVL(ICAE) CONSIL(IARIVS) ARCHID(VCI) MATTHIAE / A CVBICVLIS AVST(RIAE) INFER(IOR)IS DEPVTAT(VS) ORDINARIVS DEMOLITVS EST ET / AN(NO) MDCIIX FAELICITER RESTITVIT ET AMPLIAVIT". Diese Inschrift dokumentiert die Zerstörung ("demolitus est") des Schlosses und seine Wiederherstellung 1608. Nach der glücklichen Wiederherstellung ("feliciter restituit") blieb Wilfersdorf bis ca. 1625 der Hauptsitz von Gundacker Fürst von und zu Liechtenstein. 1916 erfolgte eine neuerliche Verwüstung und anschließende Wiederherstellung. Eine Grundriß-Skizze aus dem Jahr 1638 zeigt das neue Schloß samt umgebenden Bastionen.
Wie oben beschrieben, handelt es sich hier um die Schlüsselheirat zwischen Gundacker Fürst von und zu Liechtenstein (30.1.1580-5.8.1658), kaiserlicher Geheimrat, Obersthofmeister, Hofkammerpräsident, der am 23.6.1620 Fürst wurde und der 1623 Herzog von Troppau und Jägerndorf wurde, und seiner ersten Ehefrau, Agnes von Ostfriesland (1.1.1584-24.1.1616). Fürst Gundacker war der Sohn von Hartmann IV. Herr von Liechtenstein-Nikolsburg zu Feldsberg (1544-1585) und Anna Maria Gräfin von Ortenburg (1547-16.12.1601). Ehefrau Agnes war das eheliche "Ergebnis" einer weiteren Schlüsselheirat, nämlich der zwischen Enno III. Graf von Ostfriesland (30.9.1563-1625) und Erbin Walpurgis Gräfin von Rietberg (-1586), wodurch die Besitzungen und Wappen der Circsena und der von Rietberg kombiniert wurden. Gundacker und Agnes hatten mehrere gemeinsame Kinder, darunter Hartmann V. Fürst von und zu Liechtenstein (9.2.1613-1686). Auf ihn geht die einzige Familienlinie zurück, die heute das Fürstentum Liechtenstein regiert. Hartmann hatte 24 Kinder, von denen die meisten in Wilfersdorf geboren wurden. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Gundacker erneut, in zweiter Ehe Elisabeth Lucretia Herzogin von Schlesien-Teschen (1.6.1599-19.5.1653), und sie hatten zusammen drei Kinder, von denen eines jung verstarb.
Nach dem Wiederaufbau konnte das Schloß dennoch 1645 die Schweden nicht aufhalten, und die Besatzung mußte kapitulieren. Nach dem Abzug der Schweden erfolgte ab 1647 ein Umbau. 1661 wurden die Befestigungen noch einmal verstärkt. Das Ergebnis überliefert ein Kupferstich von Georg Matthäus Vischer von ca. 1670. Man sieht ein hohes, dreistöckiges Hauptgebäude mit mittig angeordnetem Turm mit welscher Haube; die drei rückwärtigen Trakte sind nur zweigeschossig. Die Schloßinsel besitzt an den Ecken wuchtige spitzwinklige Bastionen mit schrägen Außenmauern, vermutlich überhöht dargestellt. Alles wird von wassergefüllten Gräben umgeben. Die einfallenden Kuruzzen (ungarische Aufständische) verursachten 1703 schwere Schäden.
Danach ließ Anton Florian Fürst von Liechtenstein (1656-1721) seinen Hofarchitekten Anton Johann Ospel (2.6.1677-3.4.1756, baute auch am Liechtenstein-Schloß Valtice in Tschechien) 1713-1721 einen weiteren Umbau durchführen, der das Erscheinungsbild des Schlosses bis zum heutigen Tag prägt. Einerseits wurde das Schloß unter Verwendung älterer Bauteile wie dem auf 1608 datierten Portal barockisiert: Der Hauptflügel hatte danach über dem Kellergeschoß nur noch zwei Vollgeschosse, alle vier Flügel hatten die gleiche Höhe. Der Fassadenturm wurde abgebrochen, statt dessen bekam das Schloß den schmucken Giebel und den Mittelrisalit mit Balkon. Der Hauptflügel bekam seitlich Verlängerungsbauten, einstöckig über Kellergeschoß, mit mittigen Nebenportalen. Der Wirtschaftshof wurde komplett umbaut, wobei die äußeren Trakte bis in die Eckbastionen vorgezogen wurden, das erklärt ihre Überlänge. Bei diesem Umbau kam auch das Barock-Wappen in den Giebel der Hauptfassade. Andererseits errichtete man im Außenbereich Wasserspiele und mit der barocken Gartenkultur verbundene Bauten, denn der ganze rückwärtige Bereich bis in die Ecken mit ihren Bastionen wurde jetzt zum formalen Garten. Stiche von J. A. Delsenbach überliefern die Veränderungen. Mit dem Tod von Fürst Anton Florian 1721 verlor Wilfersdorf erst einmal seine Bedeutung, und die Bautätigkeit kam zum Erliegen; wenige Jahre später schon werden einige Zimmer zur Lagerung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen verwendet.
Über der zuvor beschriebenen Inschrift steht auf einer zweiten, lotrecht über dem Gewände angebrachten Schrifttafel eine neuere, zweizeilige Bauinschrift des Wortlautes: "ARX REMOTA VETVSTATE ALOYSII S S PRINCIPIS / JVSSV IN VSVS APTIORES REAEDIFICATA". Diese Inschrift birgt ein Chronogramm: X + M + V + V + L + II + I + I + I + C + I + I + J + V + V + I + V + V + I + D + I + I + C = 10 + 1000 + 5 + 5 + 50 + 2 + 1 + 1 + 1 + 100 + 1 + 1 + 1 + 5 + 5 + 1 + 5 + 5 + 1 + 500 + 1 + 1 + 100 = 1802. Aufgrund der Datierung handelt es sich hier um Alois Fürst von Liechtenstein (1759-1805).
Das dokumentiert einen tiefgreifenden Einschnitt in die Baugeschichte des Schlosses, denn bei der besagten Wiederherstellung stellte man von der Vierflügelanlage des Schlosses nur den Westflügel wieder her, und die anderen drei rückwärtigen Flügel brach man ab. Auch die seitlich angesetzten Verbindungsbauten zu den Wirtschaftsflügeln wurden abgebrochen. Seitdem hat das Schloß nur noch einen Bruchteil seiner einstigen Räume und ist im Grunde ein Torso der ursprünglichen Anlage. Ebenso wurden die Außenbastionen aufgegeben, so daß heute nur noch der Geländeverlauf die Position der alten Wassergräben verrät. Die höhenreduzierten Spitzbastionen sind noch unter den vorgezogenen Kopfenden der Wirtschaftsbauten nachzuvollziehen.
1809 verwüsteten die Franzosen das Schloß. Bis 1848 wurde das Schloß als Sitz des Landgerichts und der Ortsverwaltung verwendet. Im Krieg des Jahres 1866 richteten die Preußen im Schloß ein Lazarett ein. Die Cholera raffte zahlreiche Kranke dahin. 1945 erlitt das Schloß schwere Schäden, die in der Nachkriegszeit behoben wurden. Danach wurde das Schloß bis 2001 allein von der fürstlichen Guts- und Forstverwaltung genutzt, die aber eigentlich nur 15% der vorhandenen Räume für ihre Zwecke benötigte; der Rest blieb ungenutzt. Erst 2001-2002 fand eine Komplettsanierung statt. In Zusammenarbeit zwischen der Fürst Liechtenstein-Stiftung als Eigentümerin und der die Räume langfristig pachtenden Gemeinde Wilfersdorf entstand ein neues, kombiniertes und vielseitiges Nutzungskonzept als Veranstaltungs- und Ausstellungszentrum mit Museum, Vinothek u. v. a. m. Der historische Festsaal kann auch für Seminare, private Feiern und Hochzeiten gemietet werden. Von der ursprünglichen Innenausstattung wie Mobiliar etc. ist nichts mehr vorhanden, die letzten Möbel nahm die Familie beim Auszug mit.
Vor dem Schloß weht die Flagge der Marktgemeinde Wilfersdorf: Das kommunale Wappen zeigt in Gold einen roten Schräglinksbalken, belegt mit einem schreitenden silbernen Wolf (hier von der Rückseite, Blasonierung immer vom Mast aus gesehen). Die Farben Rot und Gold sind diejenigen des Stammwappens der Fürsten von Liechtenstein. Dahinter wehen verdeckt die Flaggen des Bundeslandes Niederösterreich und der Republik Österreich.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@48.5852866,16.6460109,19z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@48.5852689,16.6457212,171m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Schloß Wilfersdorf auf NÖ-Burgen online, Webseite des Instituts
für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit: http://noeburgen.imareal.sbg.ac.at/result/burgid/1348
Schloß Wilfersdorf in Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Wilfersdorf
Wappen Liechtenstein: http://www.liechtenstein-schloss-wilfersdorf.at/fuerstenhaus.html - http://www.fuerstundvolk.li/fuv/fuv.do?site=421172b06f221000996d610c1957690b - amtliche Festlegung: http://www.fuerstundvolk.li/fuv/files/images/Unser_Staat/Die_Staatsform/manual_wappen.pdf - http://www.gesetze.li/Seite1.jsp?LGBl=1982058.xml&Searchstring=Wappengesetz&showLGBl=true
Auftauchen schlesischer Wappen in vermehrten Wappen: http://www.schwarzwaldau-niederschlesien.de/mediapool/79/795830/data/Wappen_Schlesien_1_.pdf
Fürstenhaus Liechtenstein: http://www.monarchie-noblesse.net/liechtenstein/liechtenstein.htm
Herzogtum Jägerndorf: http://de.wikipedia.org/wiki/Herzogtum_J%C3%A4gerndorf
Grafschaft Rietberg: http://de.wikipedia.org/wiki/Grafschaft_Rietberg
Herzogtum Troppau: http://de.wikipedia.org/wiki/Herzogtum_Troppau
Chuenringer: http://de.wikipedia.org/wiki/Kuenringer - http://www.rambow.de/die-herren-von-kuenring.html - Gottfried Edmund Friess, Die Herren von Kuenring:
ein Beitrag zur Adelsgeschichte des Erzherzogtums Oesterreich
unter der Enns, online: http://books.google.de/books?id=ioUJAAAAIAAJ (mit US-Proxy)
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf
CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Ritter im Orden vom Goldenen Vlies: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Ritter_des_Ordens_vom_Goldenen_Vlies
Anton Johann Ospel: https://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Ospel
Anton Johann Ospel: https://austria-forum.org/af/AEIOU/Ospel,_Anton_Johann
eigene Webseite des Schlosses Wilfersdorf: https://www.liechtenstein-schloss-wilfersdorf.at/ - Geschichtsdaten: https://www.liechtenstein-schloss-wilfersdorf.at/geschichte-schloss-wilfersdorf
Geschichte des Fürstentums Liechtenstein: https://de.wikipedia.org/wiki/Liechtenstein
Wappen von Wilfersdorf: https://www.heraldry-wiki.com/heraldrywiki/index.php?title=Wilfersdorf_(Niederösterreich)
Ortsregister - Namensregister - Regional-Index
Zurück zur Übersicht Heraldik
©
Copyright bzw. Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard
Peter 2023
Impressum