Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3075
Zell an der Pram (Bezirk Schärding, Oberösterreich)

Das Schloß Zell an der Pram

Beschreibung des Schlosses Zell
Das Schloß befindet sich zwischen dem Ortskern und dem Fluß Pram, und seine in Nachbarschaft der imposanten Pfarrkirche zu findende Vierflügelanlage besteht aus dem eigentlichen Schloß als Südflügel und den niedrigeren Wirtschaftsbauten an den drei anderen Seiten rings um den ca. 25 m x 25 m messenden Innenhof. Das ca. 43 m breite und ca. 25 m tiefe Schloß ragt mit drei Fensterreihen auf, die Wirtschaftsbauten haben nur zwei Stockwerke. Eigentlich besitzt das ca. 1760-1771 erbaute Schloßgebäude nur drei Ebenen und einen drei Achsen breiten Mittelrisalit auf der Südseite, doch die Schmalseiten sind mit Blendmauern bis auf die Höhe des Krüppelwalmdachs hochgezogen, so daß von der Seite der Eindruck eines vierstöckigen Gebäudes entsteht. Dennoch sind die jeweils äußeren Fenster der obersten Reihe blinde Scheinfenster. Und der Festsaal geht über zwei Stockwerke. Insgesamt hat das Hauptgebäude elf Fensterachsen, von denen nur die Fenster des ersten Obergeschosses mit kleinen Giebelverdachungen versehen sind, abwechselnd dreieckig und segmentbogig. Nur im Bereich des Mittelrisalits tragen auch die drei Erdgeschoßfenster einen solchen Giebel. Das Erscheinungsbild ist trotz der spätbarocken Entstehungszeit klassisch-nüchtern und verweist bereits auf den Frühklassizismus. Der Risalit besitzt in der obersten Zone unter dem abschließenden Dreiecksgiebel drei Rundfenster, deren plastisch modellierte Einfassung oben jeweils wie eine wilde Raubtiermaske gestaltet ist, die scheinbar in die Fensterrahmung zu beißen scheint. Die 1709-1712 errichteten Wirtschaftsbauten messen 40 m in der Tiefe und sind insgesamt mit 50 m breiter als das Schloß und stehen somit an der Ansatzstelle auf beiden Seiten über. Der Eingang liegt im westlichen Wirtschaftsflügel, von dort gelangt man in den Innenhof. Dorthin öffnet sich der südliche Haupttrakt im Erdgeschoß mit sieben Korbbogenarkaden, und hier befindet sich auch das Hauptportal. Zwischen Schloß und dem renaturierten Fluß Pram ist ein kleiner formaler Park angelegt.

Geschichte des Schlosses Zell: Von der Burg zum Schloß
Die Wurzeln des Adelssitzes in Zell an der Pram bildete eine mittelalterliche Burg der um die Mitte des 12. Jh. erstmals in Urkunden des Klosters Vornbach erwähnten Herren von Zell ("de cella"); der damalige Ort der Burg ist der Burgstall jenseits des Flusses, die Reste der Fundamente wurden ein Opfer des Ausbaus der Innviertler Bundesstraße B137. Ein Neubau durch die Herren von Zell erfolgte um 1426; die neue Wasserburg stand nun an der Pram. Die Herren von Zell starben mit Christoph Zeller 1550 im Mannesstamm aus; seine Erbtöchter waren Susanne und Margarete Zeller. Hälftig kam der Besitz an ihre jeweiligen Ehemänner, Christoph Retschan und Leo von Hoheneck. Durch Heirat 1611 bzw. Erbschaft 1638 konnte Johann (Hans) Adolf von Tattenbach die gesamte Herrschaft Zell an sich bringen, und seitdem gehört Zell den von Tattenbach. Sie wohnten aber hauptsächlich in St. Martin im Südwesten von Graz; Zell war Jagdschloß.

Die von Tattenbach bekamen am 10.2.1623 den Reichsfreiherrenstand; die Begünstigten waren die Brüder Johann Adolf und Johann Christoph sowie die Vettern Wolfgang Friedrich und Gotthard von Tattenbach (Intimation des Reichsaktes von 1623 am 20.6.1625, österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel HAA AR 981.23a). Die Brüder und Vettern Johann Adolf Freiherr von Tattenbach von Ganowitz, kurbayerischer Kämmerer, Wolfgang Friedrich Freiherr von Tattenbach, Gotthard Gottfried Freiherr von Tattenbach, Reichstagskommissär in Regensburg, Gottfried Freiherr von Tattenbach, Wilhelm Leopold Freiherr von Tattenbach und Georg Sigmund Freiherr von Tattenbach erhielten am 8.6.1637 eine Bestätigung des Reichsgrafenstandes für das Reich und die Erblande mit der Anrede "Wohlgeboren", mit einer Wappenbesserung durch Vereinigung mit jenem der ausgestorbenen Freiherren von Trennbach und desjenigen der Resch, weiterhin das privilegium denominandi und das Recht, Bergbau zu betreiben (österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 419.79 und AT-OeStA/AVA Adel HAA AR 981.23).

Schloß Zell lag ungünstig, weil früher der Grenzverlauf anders war: Bis 1779 lag es auf altbayerischem Boden, und die Grenze zu Österreich verlief in 2 km Entfernung bei Riedau, entsprechend war Zell von beiderseitigen Konflikten betroffen. Eine letzte große Verwüstung erfolgte im Spanischen Erbfolgekrieg. Der nun barocke Wiederaufbau erfolgte in zwei Phasen: Laut Inschrift außen beim Durchgang in den Innenhof ließ Ferdinand Josef von Rheinstein und Tattenbach (1659-2.10.1712, wurde von gedungenen Mördern erschossen), bayerischer Hofrat, Geheimrat, Pfleger zu Schongau, Gesandter am Reichstag und Obersthofmeister der Kurfürstin Therese Kunigunde, in seinen letzten Lebensjahren 1709-1712 das Schloß wiederherstellen; dabei wurden die alten Wassergräben bis auf einen verbleibenden Teich auf der Südseite verfüllt. Aus dieser Bauphase stammen die Wirtschaftsgebäude. Sein Enkel Josef Ferdinand Reichsgraf von Rheinstein und Tattenbach (10.3.1723-19.11.1802, ihm ist das Wappen im Giebel zuzuordnen) ließ ab 1760 bis ca. 1771 den Südtrakt durch den kurfürstlichen Hofbaumeister François de Cuvilliés d. J. (1731-1777) neu errichten, der auch die nahe Pfarrkirche schuf. Stilistisch ist die Weiterentwicklung zum Frühklassizismus zu erkennen. Die Bauaufsicht vor Ort hatte der Hofpolier Ignaz Prechtler.

Innenausstattung
Vom Erdgeschoß führt die kunstvolle und repräsentative Herrschaftsstiege nach oben ins Piano nobile. Die Wände zeigen einen Freskenzyklus von Josef Damian Stuber; das Thema ist die Heimkehr des Jägers´. Dargestellt ist u. a. die Jagdgöttin Diana (eine der beiden großen Grisaillemalereien entlang der Treppe zeigt eine Opferszene zu Ehren dieser Göttin), entsprechend der Nutzung als Jagdschloß, denn die Pramniederung war damals sehr reich an jagdbarem Wild. Die andere Grisaillemalerei zeigt den Tanz der Nymphen und Faune vor dem Götterbild der Kybele. Das schmiedeeiserne Stiegengitter stammt aus der Zeit um 1770-1775. Das Deckenfresko des Treppenhauses zeigt eine allegorische Darstellung des Reichtums, gemalt von Christian Wink (1739-1795).

 Am oberen Ende der Treppe gelangt man in den zweistöckigen, opulent geschmückten Festsaal mit von ionischen Säulen gestützten Emporen an den Schmalseiten, der 1771-1772 vom kurfürstlichen Hofmaler Christian Wink ausgemalt wurde. An der Decke sind die Freuden des Landlebens als durchgehend gemalter Zyklus zu sehen, ein beliebtes Rokoko-Thema. Das Zentrum des Gemäldes bildet der Gott Apollo auf dem Sonnenwagen, der das Dunkel der Nacht vertreibt, und die Göttin der Morgenröte fliegt mit der Fackel voran. An der Wand werden hingegen berühmte antike Liebespaare dargestellt wie z. B. Leda mit dem Schwan oder Ariadne und Bacchus. Die gemalte Scheinarchitektur der Wände des Festsaal ist eine Arbeit des Münchener Theatermalers Josef Damian Stuber. Der gewölbte Übergang zur Decke trägt die 12 Tierkreiszeichen. Auch hier muß man bedenken, daß das Innviertel bis 1779 zu Bayern gehörte, was die Beschäftigung ausschließlich bayerischer und insbesondere Münchener Hofkünstler erklärt. Der Festsaal öffnet sich an beiden Schmalseiten mit je drei Türen. Stilistisch liegen die Architektur und die Innenausstattung bereits im Bereich des Frühklassizismus, während die Malereien noch dem Rokoko verhaftet sind. Ein weiteres Deckengemälde befindet sich im Durchgang vom Festsaal zum ehemaligen Speisesaal, dort wird die Entführung des Ganymedes durch Zeus dargestellt.

Das Giebel-Wappen und die Bauherren des Schlosses
Das Wappen im Dreiecksgiebel der Südseite ist dasjenige der von Tattenbach, in Silber ein schrägrechter, geschuppter roter Balken. Die hier nicht verwendete Helmzier wäre zu rot-silbernen Decken eine rotgekleidete Meerjungfrau ohne Arme, auf dem Kopf mit goldenen Haarflechten ein roter, silbern aufgeschlagener Hut (Münchner Kalender 1901, Scheiblersches Wappenbuch), meist zwischen einem rot-silbern übereck geteilten Paar Büffelhörner (Siebmacher Band: Bay Seite: 23a-24a Tafel: 17, Band: Bö Seite: 263 Tafel: 121, Band: Mä Seite: 110-111 Tafel: 86-87). Hier wird statt dessen die Rokoko-Kartusche von einer Krone überhöht. Seitlich füllen Trophäen die freien Flächen, ein Liktorenbündel mit Beil und kreuzweiser Schnürung, Fahnen, Kanonenrohre mit Kanonenkugeln, Kesselpauken. Eine der Fahnen trägt an der Spitze des Schafts einen Halbmond, die anderen eine Lanzenspitze. Unten hängt vom Wappen jenseits des Giebelbasisgesimses ein Ritterkreuz des bayerischen Georgsordens herab.

Ferdinand Josef von Rheinstein und Tattenbach entstammte der älteren bayerischen Linie und war der Sohn von Gottfried Wilhelm Graf von Tattenbach und Rheinstein (-19.3.1687) und Maria Barbara Gräfin Kurtz und Valley Freiin von Senftenau (-25.6.1703). Ferdinand Josef von Rheinstein und Tattenbach besaß St. Martin, war bayerischer Obersthofmeister und 1682-1712 Pfleger in Schongau. Er wurde am 24.4.1679 Mitglied des bayerischen St. Georgs-Ordens und wurde Kapitular-Großkomtur und Ordenskanzler. Er heiratete in erster Ehe Adolfine Ernestine Gräfin von Limburg-Gehmen (1657-11.7.1688) und in zweiter Ehe Margarethe Leopoldine Gräfin Colonna von Fels (8.3.1667-4.3.1734). Aus erster Ehe hatte er einen Sohn und eine Tochter. Der Sohn war Maximilian Franz Graf von Tattenbach und Rheinstein (8.4.1687-16.3.1762), kurbayerischer Geheimrat und Konferenzminister, 1753-1762 Pfleger zu Friedburg. Dieser heiratete in erster Ehe Sophia Charlotte Gräfin von Limburg-Gehmen (1689-22.4.1714) und in zweiter Ehe Maria Charlotte Felicitas von Toerring-Jettenbach (30.1.1697-1762). Aus der zweitgenannten Ehe stammte der Bauherr des Südflügels, Joseph Ferdinand Graf von Tattenbach und Rheinstein Graf zu Valley (10.3.1723-19.11.1802), Herr zu Adldorf, St. Martin, Geheimrat, Staatsminister und Obersthofmeister, 1762-1770 Pfleger zu Friedburg, 1784-1797 Pfleger zu Kransberg, 1797-1799 Pfleger zu Kelheim. Er war zweimal verheiratet, erst mit Maria Anna Elisabeth Walburga Philippa Cyrilla Fugger von Kirchberg und zu Weißenhorn (26.4.1723-) und danach mit Maria Anna Freiin Herwath, aber da er keine Kinder hatte, erlosch die ältere bayerische Linie der von Tattenbach mit ihm.

Joseph Ferdinand Graf von Tattenbach und Rheinstein war ebenfalls Mitglied des bayerischen St. Georgs-Ordens, was wir an seinem Wappen sehen. Dieser Orden wurde am 20.3.1729 von Kurfürst Carl Albrecht gestiftet als militärischer Haus-Ritterorden vom heiligen Georg unter Bezugnahme auf den alten Georgsorden aus der Kreuzritterzeit. Das Kreuz ist achtspitzig, blau und weiß bordiert; die Kugelenden sind golden. Die Winkelspitzen zeigen auf blauem Hintergrund die Initialen "V I B I" für "Virgini immaculatae - Bavaria immaculata"  - das unbefleckte Bayern der unbefleckten Jungfrau. Das Medaillon ist weiß bordiert und golden gefaßt; das Bild zeigt in Gold die Empfängnis der Jungfrau Maria. Die Rückseite ist etwas anders gestaltet, die blaue Farbe des Kreuzes ist durch rote Farbe ersetzt, und in den Winkelspitzen stehen die Initialen "I V P F" für "iustus ut palma florebit" - der Gerechte wird grünen wie die Palme. Auf dem Medaillon ist der heilige Georg  mit dem Drachen innerhalb eines grünen Lorbeerkranzes zu sehen. Joseph Ferdinand Graf von Tattenbach wurde am 24.4.1769 aufgeschworen und zum Ritter geschlagen. Am 29.4.1770 wurde er Kommandeur und Kapitularherr des Ordens. Schließlich erlangte er am 24.4.1787 den Rang eines Kapitular-Großkommandeurs.

Das vollständige Wappen der Grafen von Rheinstein und Tattenbach
Hier sehen wird nur das Stammwappen im Giebel. Tatsächlich führte der Bauherr ein erheblich komplexeres Wappen. Es war gespalten und viermal geteilt mit einem geteilten Herzschild, Feld 1 und 10: in Silber eine schrägliegende rote Hirschstange (Grafschaft Regenstein im Harz), Feld 2 und 9: in Silber ein roter Drachenkopf (Drachenrumpf), im Schnabel einen schrägrechts gestellten goldenen Stab haltend (von Trennbach), Feld 3/5 und 6/8: oben in Schwarz drei goldene Rauten, unten ledig und golden (Intobler), Feld 4 und 7: in Silber eine schwarze schrägliegende Hirschstange (Grafschaft Blankenburg im Harz), Herzschild geteilt, oben in Silber ein schrägrechter, geschuppter roter Balken (von Tattenbach), unten in Silber ein goldener Schrägbalken, belegt mit schrägbalkenweise aufgereihten schwarzen Eisenhüten (Grafschaft Valley). Die Schildgeometrie ist aus Platzgründen so gewählt, daß das Intobler-Feld jeweils zwei übereinander liegende Plätze einnimmt, alle anderen Komponenten aber jeweils nur einen Platz.

Dazu werden fünf Helme geführt: Helm 1 (Mitte): auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken eine rotgekleidete Meerjungfrau ohne Arme, auf dem Kopf mit goldenen Haarflechten ein roter, silbern aufgeschlagener Hut, zwischen einem rot-silbern übereck geteilten Paar Büffelhörner (von Tattenbach), Helm 2 (innen rechts): auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen und schwarz-silbernen Decken eine rote und eine schwarze Hirschstange (Grafschaft Regenstein und Blankenburg), Helm 3 (innen links): auf dem gekrönten Helm ein silberner Flügel, belegt mit einem goldenen Schrägbalken, dieser belegt mit schrägbalkenweise aufgereihten schwarzen Eisenhüten (Grafschaft Valley), Helm 4 (außen rechts): auf dem gekrönten Helm mit golden-schwarzen Decken ein wachsender Mannesrumpf in goldenem Gewand, auf dem bärtigen Kopf ein goldener Hut, dessen schwarzer Stulp mit drei goldenen Rauten belegt ist, oben gekrönt und mit Federn besteckt (Intobler), Helm 5 (außen links): auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken in roter Drachenkopf (Drachenrumpf), im Schnabel einen goldenen Stab, der zu beiden Seiten rechtwinklig nach oben abknickt und an gekrönten Enden je einen Pfauenfederstoß trägt (Trennbach). Alternativ: Decken rechts schwarz-golden, links rot-silbern.

Dieses Wappen wird noch von zwei vollständigen Nebenwappen begleitet, rechts das der Tattenbach von Mämling in Bayern (Nebenlinie, Schild schräggeteilt, oben in Rot ein schräggelegtes silbernes Hifthorn mit goldenen Beschlägen und ebensolcher Schnur, unten in Silber eine schräggelegte rote Hirschstange, auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken die rote Hirschstange rechts, das silberne Hifthorn links), links das der erloschenen Resch von Grasensee in Österreich (verwandt, die am 23.11.1612 erfolgte Wappenvereinigung mit Resch beruht auf der Ehe zwischen Hans Christoph Graf von Tattenbach (1574-26.4.1627) und Judith Freiin Resch von Sunntberg (-1636), Schild: in Silber ein wachsender roter Wolf, auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken ein roter Wolf wachsend). So ist das Wappen im Churbayerischen Wappenbuch (Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 1511, S. 14) abgebildet.

Exkurs: Warum Rheinstein?
Namen und Wappen von "Rheinstein" verdienen noch eine Vertiefung: Es ist mitnichten die Burg Rheinstein im Mittelrheintal bei Trechtingshausen gemeint, sondern Rheinstein = Reinstein = Grafschaft Regenstein im Harz. Die ehemalige Grafschaft lag im nördlichen Harzvorland überlappend in den Bundesländern Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Blankenburg und Regenstein sind eng mit einander verknüpft, territorial, genealogisch und heraldisch. Die vor 1123 (erste chronistische Erwähnung) errichtete Burg Blankenburg liegt am nördlichen Ostrand des Harzes auf einem steilen Kalkfelsen oberhalb der gleichnamigen, um 1200 im Schutze der Burg planmäßig angelegten Stadt. Die 1167 erstmals erwähnte, namengebende Burg Regenstein ist heute eine Ruine am Nordrand des Harzes nördlich von Blankenburg, in Sachsen-Anhalt gelegen. Zeitweise waren Regenstein und Blankenburg welfische Lehen, aber nur kurz. 1139 nennt sich der Stammvater des Grafengeschlechts nach der Blankenburg. Die Grafen waren seit dem Sturz Heinrichs des Löwen eigentlich prinzipiell Vasallen des Hochstifts Halberstadt, und diese Konstellation setzte sich im 14. Jh. durch.

Im 13. Jh. teilte sich die Familie unter den Söhnen des Grafen Poppo in die Linien zu Blankenburg und in die zu Regenstein und später noch in die zu Heimburg, wurde aber wieder nach dem Erlöschen der anderen Linien in der Linie Heimburg vereinigt. Konrad I. Graf von Regenstein, 1162 erwähnt, war der Sohn des Grafen Poppo I. von Blankenburg. Dessen anderer Sohn Siegfried I. bekam die Blankenburg, und so lassen sich die beiden Grafenlinien auf diese beiden Brüder zurückführen (erste Teilung der Grafschaft). Konrads Sohn war Friedrich Graf von Regenstein, dessen Sohn war Konrad II. von Regenstein, der 1197 auf einen Kreuzzug ging. Kinder sind nicht überliefert. Siegfried I. von Blankenburg hatte wiederum zwei Söhne, von denen der eine, Heinrich I. 1186 und 1189 als Graf zu Blankenburg erwähnt wird und 1192 als Graf zu Regenstein und dort die Grafenlinie fortsetzt. Der andere Sohn war Siegfried II. Graf von Blankenburg, der die Linie in Blankenburg fortsetzte (zweite Teilung der Grafschaft). Die Linie zu Blankenburg wurde fortgesetzt von Siegfried III., Heinrich II., den Brüdern Siegfried VI. und Heinrich III. und erlosch schließlich 1370 mit Graf Poppo von Blankenburg. Die verwandten Grafen von Regenstein-Heimburg übernahmen im 14. Jh. alles und regierten die vereinigten Grafschaften bis zu ihrem Aussterben.

Das verbleibende Geschlecht der Regensteiner spaltete sich in zwei Linien, die ältere, Regenstein-Regenstein, und die jüngere, Regenstein-Heimburg (= Blankenburg-Heimburg), wobei sich alles wieder in letzterer im 14. Jh. vereinigte. Nur die Nachkommen des Grafen Ulrich III., der 1315-1321 Graf auf der Heimburg und 1320-1322 zu Derenburg war, überlebten, und sie beerbten die beiden anderen Linien. Mitte des 15. Jh. gab man Burg Regenstein zugunsten des Ausbaus der Burg Blankenburg auf. Burg Regenstein verfiel ungenutzt, während man die Steine anderweitig verwendete. Über Bernhard I. Graf von Regenstein, Ulrich von Regenstein, Ulrich Graf von Regenstein und Blankenburg, Bernhard I. Graf von Regenstein und Blankenburg, Bernhard IV. Graf v. Regenstein u. Blankenburg (-12.5.1458), Ulrich VIII. Graf v. Regenstein u. Blankenburg, Ulrich IX. v. Regenstein u. Blankenburg (-1551), Ernst I. Graf von Regenstein und Blankenburg (7.12.1528-17.2.1581), Martin Graf von Regenstein und Blankenburg (7.9.1570-1597) verläuft die Stammlinie bis zum letzten Grafen, Johann Ernst von Regenstein und Blankenburg (29.10.1596-4.7.1599), der eigentlich gar nicht für voll genommen werden kann, denn er wurde einjährig Graf und starb als dreijähriges Kind; Nachkommen ausgeschlossen.

Alle Grafen, die von Poppo abstammen, sei es zu Blankenburg, zu Regenstein oder zu Heimburg, führen die Hirschstange im Schild, die querliegend und nach oben gekrümmt mit ursprünglich drei nach oben gekehrten Enden dargestellt wurde, also insgesamt vierendig, in den frühen Siegeln aus dem rechten Rand wachsend, die Spitze nach links gekehrt. Als die Teilung in die Linien zu Blankenburg und die zu Regenstein durchgeführt wurde, wurde eine Differenzierung durch die Tinktur der Hirschstange deutlich gemacht, die von Blankenburg blieb schwarz, die von Regenstein wurde nun rot geführt. Als die Linien sich wieder durch Aussterben der einen Seite vereinigten, verfuhr man genauso mit den Schildbildern und führte nun in geviertem Schild beide Farbvarianten (Siebmacher Band Landesfürsten, Teil 4, S. 57-59, Tafel 46-54).

Schloß und Grafschaft Blankenburg fielen 1599 an das Hochstift Halberstadt, und damit mittelbar an Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel (15.10.1564-1613) der seit 1566 unter Vormundschaft und 1578 dann endgültig Fürstbischof von Halberstadt war, noch bevor er 1589 Herzog wurde. Die Aufnahme dieser Komponenten in das Welfenwappen ist folglich durch die Funktion als Administrator und postulierten Bischofs des Hochstifts Halberstadt begründet. Er betrachtete sie als heimgefallenes Lehen und ließ sich nun selbst damit belehnen (s. u.). Die Grafschaft Blankenburg kam an seinen Sohn Christian (20.9.1599-16.6.1624). 1624-1631 war die Grafschaft in fremden Händen, 1631 bekamen die Welfen Blankenburg zurück.

Im Verlauf des 30jährigen Krieges kam es zu Streitigkeiten um den rechtmäßigen Besitz von Regenstein. Braunschweig-Wolfenbüttel erhob Ansprüche, Brandenburg ebenso. 1626 kam Regenstein als heimgefallenes Halberstädter Lehen durch erneute Vergabe an den Grafen Wilhelm Leopold Graf von Tattenbach (1609-1661), geheimer Rat, Obersthofmeister und Hofmarschall des Erzherzogs Leopold Wilhelm (= damaliger Bischof von Halberstadt, Hochmeister des Deutschen Ordens, Statthalter der spanischen Niederlande u. v. a. m.), k. k. Geheimer Rat und Großprior des Johanniterordens; 1642 folgte auf gleiche Weise Blankenburg. Er nannte sich seitdem "Graf von Rheinstein und Tattenbach". Das Prädikat "Graf zu Rheinstein" wurde am 25.5.1646 Wilhelm Leopold und den Vettern Johann Erasmus und Gottfried Wilhelm verliehen (österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 344.12).

Wilhelm Leopold Graf von Rheinstein und Tattenbach heiratete nie und hatte keine Nachkommen, deshalb ging der Besitz an seinen Neffen, Johann Erasmus Graf von Reinstein-Tattenbach (3.2.1631-1.12.1671) zu Ganowitz, Statthalter in der Steiermark. Nachdem dieser als Teilnehmer der Verschwörung der Adeligen Weeselleny, Zriny, Frangipani, Nadasdy, Tököly und Rakoczy gegen den Kaiser in Graz als Hochverräter 1671 enthauptet wurde, kam die Grafschaft Blankenburg (ohne Regenstein) als heimgefallenes Lehen wieder an die Welfen. Die ebenfalls eingezogene Grafschaft Regenstein kam an Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg und danach an Preußen (Exklave). Auch die steirischen Güter des Verräters wurden konfisziert. Da die ältere bayerische Linie allein lehensberechtigt war, sind die Ansprüche 1802 mit ihr erloschen. Dennoch wurde die Erinnerung daran noch eine Generation weiter aufrechterhalten.

Geschichte des Schlosses Zell: Vom Aussterben der älteren Linie bis heute
Der Besitz Zell kam nun nach dem Tod des Wappenbesitzers und Bauherrn 1802 an die jüngere bayerische Linie der Grafen von Tattenbach, die jedoch 1821 mit dem Erben, dem kinderlosen Heinrich Ignaz Graf Rheinstein-Tattenbach (13.4.1765-3.10.1821), Oberamtmann zu Neuhof, kurfürstlich-bayerischer Kämmerer, Besitzer der Herrschaften Valley und St. Martin, erlosch. Der Genannte war der Sohn von Johann Adalbert Friedrich Graf von Tattenbach (2.9.1700-9.10.1780), fürstlich-fuldaischer Hofmarschall und Oberstlieutenant. Danach kam der gesamte Besitz aufgrund seines Testamentes an Maximilian Joseph Maria Philipp Clement Graf von Arco auf Valley (8.4.1806-23.12.1875), der auch St. Martin und Sigharting aus ehemals Tattenbachschem Besitz bekam und weiteren Besitz anderer Linien.

Ein sehr wechselhaftes Schicksal bestimmte die nächsten Jahrzehnte. Danach setzte Verfall ein. Feuchtigkeit drang ein und beschädigte die Malereien im Inneren. 1938 war das Schloß derart baufällig, daß es abgerissen werden sollte, was das Denkmalamt verhindern konnte. Die benachbarte Gemeinde Riedau kaufte das Schloß 1941 - der Festsaal wurde zur Turnhalle. 1943 wechselte das Schloß an die deutsche Reichsbahn - fortan war es Lagerschuppen und Dienstwohnung für Bahnbeamte. 1945 kam es an die Österreichische Bundesbahn - die Nutzung blieb die gleiche. Die Gemeinde Zell an der Pram kaufte das Schloß schließlich 1949 und nutzte die Räumlichkeiten bis 1973 als Grundschule und als Kindergarten. Außerdem richtete man mehrere Mietwohnungen ein. Halbherzige Konservierungsmaßnahmen in den 1950er und 1960er Jahren versuchten, den Verfall aufzuhalten.

Von 1975 bis 1979 erfolgte auf Betreiben des engagierten Bürgermeisters und einer aus Zell stammenden Professorin eine Generalsanierung, bei der auch der See, letztes Überbleibsel der Wassergräben, trockengelegt wurde. Da die Gemeinde niemals die Mittel zum Unterhalt, geschweige denn diejenigen zur Sanierung hätte aufbringen können, half folgendes Konstrukt: Ab 1976 pachtete das Land Oberösterreich das komplette Schloß auf 99 Jahre, um dort ein Landesbildungszentrum für musische Erwachsenenbildung mit Seminarhotel (54 umfassend renovierte Zimmer für bis zu 100 Gäste) und Schloßrestaurant einzurichten. Die Förderung der Sanierung war der oberösterreichische Landesbeitrag zum Europäischen Jahr der Denkmalpflege. Eigentümer des Schlosses ist weiterhin die Gemeine Zell an der Pram. Genutzt wird das Schloß außerdem für Konzerte und Ausstellungen. Im 1984 sanierten Westtrakt, wo sich früher Pferdeställe befanden, ist mit dem "Kulturkeller" ein Raum für Feiern entstanden.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@48.3158713,13.6306633,19.17z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@48.3159263,13.6306658,141m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Webseite der Bildungshäuser des Landes Oberösterreich:
https://bildungsschloesser.at/ - https://bildungsschloesser.at/zell/
Die Grafen von Tattenbach auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Tattenbach_(Adelsgeschlecht)
Die Grafen von tattenbach im Historischen Lexikon Bayerns:
https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Tattenbach,_Adelsfamilie
Die Grafen von Tattenbach in den Deutschen Biographien:
https://www.deutsche-biographie.de/sfz130511.html
Schloß Zell in Burgen-Austria:
http://www.burgen-austria.com/archive.php?id=526
Schloß Zell auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Zell_an_der_Pram
Informationstafel vor Ort
Granatzweg:
http://www.granatz.com/ - http://www.granatz.com/karte/
3D-Rundgang durch das Schloß:
https://tour.3d-innviertel.at/de/tour/schloss-zell-pram
zum Georgsorden: Hugo Gerard Ströhl, Deutsche Wappenrolle, Reprint von 1897, Komet Verlag Köln, ISBN 3-89836-545-X, S. 26-27
bayerischer Georgsorden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Georgsorden_(Bayern)
Wappen und Ordenskarriere von Joseph Ferdinand Graf von Tattenbach:
https://www.zvab.com/kunst-grafik-poster/Kupferstich-Wappen-Ioseph-Ferdinand-H.R.R-Graf-Rheinstein/9130860573/bd
österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 344.12
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=2719850
österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 419.79
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=2723432
österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel HAA AR 981.23
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=4305213
österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel HAA AR 981.23a
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=4305214
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder - die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. C. H. Beck Verlag München 7. Auflage 2007, ISBN 978-3-406-54986-1
Schloß Blankenburg:
http://www.rettung-schloss-blankenburg.de/
Blankenburg:
http://www.novoprint.de/_BlaetterBroschueren/IB_Blankenburg/pages/IB-Blankenburg.pdf
Blankenburg:
http://www.bautz.de/harz/Blankenburg.pdf
Rudolf Steinhoff, Geschichte der Graffschaft - bzw. des Fürstentums Blankenburg, der Graffschaft Regenstein und des Klosters Michaelstein, Vieweg Verlag, Blankenburg 1891, online:
http://rzbl04.biblio.etc.tu-bs.de:8080/docportal/servlets/MCRFileNodeServlet/DocPortal_derivate_00006917/2228-6909.pdf,, Karteikarte: http://rzbl04.biblio.etc.tu-bs.de:8080/docportal/receive/DocPortal_document_00029752
Rekonstruktion Burg Regenstein:
http://burgrekonstruktion.de/main.php?g2_itemId=968/
Burg Regenstein: http://www.gibs.info/index.php?id=440/ und
http://www.burgenreich.de/festungsruine%20regenstein%20geschichte.htm

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