Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3040
Schiffenberg (zu Gießen)

Die ehemalige Deutschordenskommende Schiffenberg

Das ehemalige Kloster Schiffenberg liegt 4,7 km südöstlich des Gießener Stadtzentrums inmitten eines ausgedehnten Waldgebietes auf einem 280 m hohen Basalthügel nördlich von Petersweiher, auf einem Ausläufer des Vogelsberges. Weil das Klostergelände als Veranstaltungsort genutzt wird, ist es verkehrstechnisch sehr gut erschlossen. Das von einer Mauer umgebene Areal ist 160 m lang und 75 m breit. Am Nordrand liegt die kreuzförmige Basilika; die sonstigen erhaltenen Gebäude, die Komturei, der neue Bau, das Übergangsgebäude, die Propstei, der Pferdestall und das Brauhaus, folgen im Südwesten und im Westen in der genannten Reihenfolge im Uhrzeigersinn dem Umriß der Ummauerung. Der Hauptzugang liegt im Norden neben der Kirche (Eselstor); einen weiteren Zugang bildet ein Mauertor im Osten.

Frühzeit bis zum Klosterbau
Die Siedlungsgeschichte des Schiffenbergs reicht weit zurück, bis zu einer spätbronzezeitlichen Siedlung. In karolingischer Zeit entstand hier eine Burg zur Sicherung der hier vorbeiführenden Straßen; vier hintereinander liegende Wehrgräben sind an der Nordostseite des Berges nachgewiesen worden, weiterhin wurden eine Eisenschmelze, Mauerreste und Gebäudegrundmauern aus der Zeit gefunden. Im frühen 12. Jh. hatte die Gleiberger Gräfin Clementia die Burg Schiffenberg an den Trierer Erzbischof geschenkt mit der Auflage, dort ein Kloster zu errichten. Die noch nicht ganz fertiggestellte Klosterkirche wurde 1129 vom Trierer Erzbischof Meginer geweiht. Das Kloster Springiersbach besiedelte das neue Kloster mit Augustiner-Chorherren.

Die Klosterzeit bis zur Auflösung
Aus dieser Zeit stammt noch die strenge und schmucklose romanische Kirche. Es handelt sich um eine Pfeilerbasilika mit zwei Chören, einem im Westen und einem im Osten. Der gegen Ende der Bauzeit errichtete Westchor hat einen runden Abschluß und besitzt außen eine Lisenen-Gliederung, die Westapsis stand ehemals zwischen zwei unvollendet gebliebenen Flankierungstürmen. Die quadratische Vierung trägt einen achtseitigen Vierungsturm mit gekoppelten Rundbogenfenstern als Schallöffnungen. In romanischer Zeit gab es im Osten drei Apsiden als Abschluß. Bis auf das in der Barockzeit abgerissene südliche Seitenschiff hat die Kirche ihren romanischen Charakter bewahrt und ist die einzige nicht nachträglich veränderte oder überformte Kirche des Springiersbacher Generalkonvents.

Aus der Klosterzeit stammt zumindest noch in ihren ältesten Teilen die Ringmauer, die das Plateau vollständig umschließt. Nur ein Teilstück im Südosten wurde 1885 abgerissen, aber 1972-1973 wiederhergestellt. Der südliche Abschnitt der wehrhaften Mauer dürfte der südlich verlaufende Abschnitt sein. Das exakte Alter der einzelnen Abschnitte ist nicht bekannt.

Am Südhang des Schiffenbergs entstand noch ein Chorfrauenstift. Beide sollten eine Gemeinschaft bilden, doch das Männerkloster kümmerte sich nur unzureichend um das Nachbarstift. Schließlich klagten die Chorfrauen 1264 vor dem Gießener Schöffengericht. Das Urteil lautete auf Trennung beider Klöster unter Aufteilung der Klostergüter zu gleichen Teilen, was dem Männerkloster überhaupt nicht paßte. Deswegen verschleppte man die Durchführung des Urteils, so gut es ging. Dieses und andere Streitigkeiten führten dazu, daß irgendwann Erzbischof Balduin von Luxemburg (regierte 1307-1354) genug davon hatte: Er hob 1323 das Kloster auf dem Schiffenberg auf und gab die Institution an den Deutschen Orden. Aus frühgotischer Zeit hat sich in der Kirche ein Taufstein aus Basalt erhalten, der mit einem Spitzbogenfries verziert ist.

Da das ehemalige Kloster für die Seelsorge zuständig war, wurden vom Trierer Erzbischof Balduin von Luxemburg ein paar Übergangsregelungen getroffen: Ein Propst sollte die Deutschordenskommende leiten. Es waren 12 Konventsmitglieder vorgesehen, darunter die Hälfte Priesterbrüder. Letztere sollten die Seelsorge weiter aufrecht erhalten, nicht nur in der Kirche auf dem Schiffenberg, sondern auch in acht anderen Kirchen und Kapellen, die der Kommende unterstanden. Ein Komtur hielt erst ein paar Jahre später Einzug auf dem Schiffenberg.

Eine Grabplatte aus der ersten Hälfte des 14. Jh.
Noch aus der Gotik stammt eine inschriftenlose, 220 cm x 86 cm messende Grabplatte aus grauem Basalttuff in der Kirche (Chor-Fußboden), die das Wappen der von Buseck trägt, in Gold ein schwarzer hersehender Widderkopf. Die Platte ist groß und vor allem mit 20 cm Dicke extrem massiv. Die Wappendarstellung allein ist 74 cm hoch. Im unteren Teil der Platte ist ein kreuzförmig aufgebauter, in seinem Umriß rautenförmiger, stilisierter Lebensbaum in erhabenem Relief dargestellt. Möglicherweise ist diese Grabplatte Gernand von Buseck zuzuordnen, der 1334-1337 als Kanoniker und Propst auftaucht, dann Deutschordensritter in Schiffenberg wurde.

Der Schiffenberg wird Deutschordens-Niederlassung
Der Deutsche Orden unterstellte seine neue Kommende auf dem Schiffenberg, die 1333 einen eigenen Komtur bekam, Marburg als Sitz des Landkomturs für die Ballei Hessen. Im Vergleich zur nur 194 Jahre währenden Klosterzeit dauerte die Deutschordenszeit auf dem Schiffenberg 486 Jahre und ist damit ungleich bedeutungsvoller für die Geschichte des Areals. Unter dem Deutschen Orden, der den Schiffenberg zweieinhalbmal so lange prägte wie das Kloster, entstanden die meisten noch vorhandenen Gebäude, und es wurde die ehemalige Klosterkirche spätgotisch umgebaut.

Die wirtschaftliche Lage der Kommende war jedoch zunächst nicht so, daß sie einen so hohen Personalstand ernährte. Deswegen wurde die zuvor genannte Regel angepaßt und die Zahl der notwendigen Konventsmitglieder und Priesterbrüder jeweils halbiert. Selbst das konnte nicht immer aufrechterhalten werden, denn in der ersten Hälfte des 15. Jh. lebten nur 2-4 Ordensmitglieder in der Kommende, erst in der zweiten Hälfte des 15. Jh. waren es wieder maximal 7 Ordensmitglieder, davon 3-4 im Priesterstand. Im 14. Jh. war die wirtschaftliche Situation sehr schlecht, in der ersten Hälfte des 15. Jh. immer noch schlecht. Die Kommende selbst wurde als Wirtschaftshof geführt, daneben besaß man noch den Baumgartenhof und den Neuhof in Leihgestern, wo im späten Mittelalter ausgedehnte Schafzucht betrieben wurde, dazu noch zwei weitere Höfe, und neben der Eigenbewirtschaftung mit eigenen Hofleuten und "Zeitarbeitern" hatte man ein paar Höfe verpachtet. Erst Ende des 15. Jh. besserte sich die wirtschaftliche Situation derart, daß man genügend Geld hatte, um Propstei und Komturei neu zu errichten. Im Gegensatz zur reichen Landkommende in Marburg blieb die Kommende auf dem Schiffenberg jedoch arm.

Der Propst blieb in der Personalstruktur weiterhin vorgesehen, auch wenn er oft identisch mit dem Komtur war, der beide Ämter in Personalunion versah. Der Komtur war der Leiter der Kommende in der Deutschordenshierarchie, der Propst leitete Verwaltung und Seelsorge. Zum weiteren Standardpersonal einer Kommende gehörten ein Hauskomtur, der den Komtur im Falle von dessen Abwesenheit vertreten konnte, und ein Trappierer, der sich um die Finanzen kümmerte. Der Kellner kümmerte sich um die Lebensmittel und insbesondere um die Bevorratung. Der Propst hatte idealerweise einen Vizepropst als Stellvertreter. Ganz wichtig war der Pietanzmeister, denn der Deutsche Orden war immer Empfänger von Stiftungen, und die jeweiligen Bedingungen, die der Stifter festgelegt hatte, mußten eingehalten werden, und genau darum kümmerte er sich. Die Vielzahl der genannten Ämter kontrastiert mit der dünnen Personaldecke, so daß es selten Ordensbrüder ohne Amt gab und vielfach mehrere Ämter in Personalunion ausgeübt wurden.

Der östliche Abschluß der Kirche wurde nachträglich verändert; die drei Apsiden wurden zugunsten eines geraden Abschlusses abgetrennt. Die Stirnwände erhielten gotische Spitzbogenfenster. Neue diagonale Verbindungsgänge zwischen Chor und Querhausarmen wurden eingebaut. Im Jahre 1516 bekam die bis dahin flachgedeckte Vierung ein auf Konsolen gesetztes Sterngewölbe. Datiert ist das neue Gewölbe auf dem Schlußstein, auf dem auch ein Wappen des Komturs Johann Riedesel von Bellersheim angebracht ist (ohne Abb.).

Die Propstei
Abgesehen von der Kirche ist die ganz im Westen gelegene, dreistöckige Propstei der älteste Bau, 1463 entstanden. Möglicherweise stammen die ältesten Partien des langgestreckten Rechteckbaus noch aus der Klosterzeit. Die beiden unteren Geschosse sind aus Stein gemauert, das zweite Obergeschoß ist aus Fachwerk. Hervorhebenswert sind die viertelkreisförmigen Fußstreben des ansonsten streng rasterartigen Fachwerks. Das Gebäude trägt ein hohes und steiles Schieferdach. Den Namen hat das Gebäude daher, daß im ersten Obergeschoß die Wohnung des Propstes lag. Die Bediensteten hatten ihre Kammern im Fachwerkgeschoß. Ursprünglich sah das Gebäude viel attraktiver aus mit vier spitzbehelmten, zweistöckigen Turmerkern, zwei zum Hof und zwei auf der Rückseite. Sie gingen bis zum zweiten Obergeschoß hoch. Dadurch hatte die Fassade mehr Symmetrie als heute, und sie hatte eine lebhaft akzentuierte Schauseite zum Hof hin und zum Tal hin.

Im Barock wurde die Propstei ca. 1751-1754 umgebaut und einer anderen Nutzung als Fruchtspeicher zugeführt. Dabei wurden drei der vier Fenstererker ganz entfernt und die Fenster an der Propstei selbst verändert. Hofseitig blieb einer als Rudiment erhalten, nur der dreiseitig gemauerte Unterbau blieb übrig. Als die Anlage gegen Ende des 19. Jh. restauriert wurde, stellte man die gekuppelten Fenster des ersten Obergeschosses und das erste Erkergeschoß wieder her. Die heute zu sehende Lösung mit einem dreiseitigen Dach, das nur bis zur Hälfte des Fachwerkgeschosses reicht, ist nur eine schwache Erinnerung an die schlanken und hohen Erker der Gotik. Noch eine nachteilige Auswirkung hatte die Entfernung der Erker auf die Außenwirkung: Im zweiten Obergeschoß entstanden durch das Fehlen der Erker Lücken im Rhythmus der Fußstreben des Fachwerks.

Die Komturei
Die ehemalige Komturei, ein dreigeschossiges Gebäude mit einem steilen, seitlich abgewalmten Schieferdach, datiert von 1493, ausweislich einer hofseitig angebrachten Wappentafel von fast quadratischem Zuschnitt von Komtur Ludwig von Nordeck zur Rabenau begonnen. Die Inschrift lautet: "ludwigk von nor/decken zu d rabenau d(e)ut sch o(r)de(n)s hat / dit h(a)uß geb(a)uet / Anno 1493". Sein Wappen zeigt in Silber drei (2:1) deichselförmig in den Dreipaß gestellte, mit den Spitzen aneinanderstoßende schwarze Seeblätter oder Herzen (die gesamte Figur wird auch als Kleeblatt bezeichnet), auf dem ungekrönten Helm mit schwarz-silbernen Decken ein silberner Stab, oben mit einem Pfauenwedel besteckt, zwischen zwei silbern-schwarz übereck geteilten Büffelhörnern (Siebmacher Band: OstN Seite: 135 Tafel: 89, Band: Bay Seite: 49 Tafel: 49, Band: He Seite: 21 Tafel: 22, Band: Pr Seite: 281 Tafel: 333 sowie Band: PrGfN Seite: 16 Tafel: 11, weiterhin im Alten Siebmacher, Münchener Kalender 1918). Der Helm wird hier in einer plumpen Perspektiven-Mischung dargestellt, Helmhals von der Seite, Sehschlitz von oben.

Der Komtur Johann Schenk zu Schweinsberg vollendete die Komturei in den Jahren 1494-1503. Die beiden unteren Geschosse sind massiv gemauert, das oberste Stockwerk besteht an der Hoffront aus Fachwerk, das aber erneuert wurde. Der freistehende Ostgiebel ist komplett bauzeitlich, mitsamt dem Fachwerk des Dachgeschosses unter dem abgewalmten Bereich. Früher befand sich an der Ostseite noch ein Erker mit einer über das Haus ragenden Turmbekrönung; dieser ist komplett verschwunden. Um 1600 erhielt die Komturei eine geometrische Stuckdecke. Das ist die einzige erhaltene historische Ausstattung der Räume, alles andere ging beim Umbau 1973 verloren.

Beinahe-Auflösung, Um- und Zubauten im 16. Jh.: Veränderungen an der Kirche
Im Zuge der allgemeinen Auflösung der Klöster wollte Landgraf Philipp der Großmütige auch den Schiffenberg auflösen, doch er scheiterte mit seinem 1543 unternommenen Versuch, weil eine Deutschordenskommende eben nicht mit einem Kloster über einen Kamm zu scheren ist. Bei dieser Gelegenheit wurde 1543 ein erstes Inventar für die gesamte Ordensballei Hessen angelegt. Dem Landgrafen Philipp ging es insbesondere um die Landsässigkeit, und ihm war es ein Dorn im Auge, daß die Besitzungen des Deutschen Ordens aufgrund der Reichsunmittelbarkeit des Ordens eine Enklave mit Sonderrechten darstellten, wo er nicht die volle Landeshoheit hatte. Erst 1584 konnte im Vertrag von Karlstadt die Frage des Verhältnisses zwischen dem Deutschen Orden und dem Landgrafen zur beiderseitigen Zufriedenheit geregelt werden. Das Ergebnis war nahe dran an einer Landsässigkeit. Der Streit war aber noch nicht endgültig vom Tisch, denn gerade an dieser Kommende entzündete sich im 18. Jh. erneut der Streit.

In der Reformationszeit kam es zu einer bemerkenswerten Entwicklung: Geboren aus der Personalnot und religionspolitischen Umständen wandelte sich die hessische Ordensprovinz von einer katholischen zu einer trikonfessionellen. Seitdem gab es in der Deutschordens-Kommende auch reformierte und lutherische Komture.

Ein paar Baumaßnahmen gab es im 16. Jh.: Man teilte die Kirche in der Mitte durch eine Mauer ab, nur der Chor und das Querschiff blieben Kirche, das Langhaus führte man anderen Nutzungen zu. 1595 ließ der Komtur Otmar von Galen eine hölzerne Empore an der Trennwand einbauen; die Inschrift belegt es. Heute steht sie im nördlichen Querschiffarm. Das Langhaus wurde fortan im wesentlichen profan genutzt, ein riesiges Holzgerüst schuf zwei Lagerebenen, die über eine Treppe im Westchor erreicht werden konnten. Im nördlichen Seitenschiff war im Osten die Wagnerei untergebracht, außerdem standen dort im Westen zeitweise drei Öfen, einer zum Brotbacken und zwei, um Obst zu dörren. Später im Barock wurde eine weitere Teilung eingebaut und eine Orangerie im Bereich des 3., 4. und 5. Arkadenbogens eingerichtet. Die Langhausarkaden waren zugemauert. Nur der Chor mit Querhaus und Vierung mit seinen insgesamt vier Kreuzgewölben behielt die Funktion als Kirche.

Eine Grabplatte aus der ersten Hälfte des 17. Jh.
Im südlichen Querarm der Kirche ist an der Ostwand die aus rotem Sandstein gehauene Grabplatte für den Schiffenberger Komtur Johann von Liederbach angebracht. Sie mißt 208 cm x 99 cm. Die auf dem Rand umlaufende Inschrift lautet: "ANNO 1624 DEN 2 SEPTEMB(RIS) STARB DER / (EHRWÜ)RDIGE GESTRENGE EDLE UND VESTE HERR IOHANN VON LIEDERBACH COMMENTHUR ZU SCHI(FFENBERG) / (TEUTSCH) ORDENS NEUN IAHR HERR DES ORDENS / 24 IAHR SEINES ALTERS IM FÜNFUNDSIEBENTZIGSTEN IAHR DER LETZT(E) SEINES STAM(ME)S UND NAMENS DER SE(E)LEN GOTT GNADT". Die Familie, die 1624 mit diesem Komtur erlosch, nannte sich nach dem Dorf Liederbach, das 1972 nach Alsfeld eingemeindet wurde, und dort besaßen die Herren von Liederbach eine Burganlage, deren Reste vielleicht in der Nähe eines heutigen Teiches lagen. Das Wappen der von Liederbach ist gemäß Literatur gespalten, rechts in Rot ein halber goldener Adler am Spalt, links zwei silberne Balken, auf dem Helm zwei Büffelhörner, rechts rot, links silbern, oder rechts rot, links rot mit zwei silbernen Balken. Es ist im Rietstap gelistet: "Parti, au 1, de gueules, à la demi-aigle d'or, mouv. du parti, au 2, de gueules, à deux fasces d'argent. Cimier: deux proboscides, celle à dextre de gueules plein, celle à senestre de gueules ch. de deux fasces d'argent". Das Wappen wird weiterhin im Hessischen Wappenbuch auf S. 96, T. 21 beschrieben. Der Befund auf der Platte zeigt zwei überraschende Änderungen, denn hier besteht die Helmzier unzweifelhaft aus einem Hirschgeweih, und die linke Schildhälfte hat eine Teilung mehr.

Die Familie wurde 1236 mit dem Ritter (miles) mit Godefridus de Liderbach erstmals urkundlich erwähnt. Die Familie stellte Burgmannen in Alsfeld und Altenburg. Der Ritter Eckard von Liederbach und seine Frau Gertrude übertrugen 1263 ihre Güter zu Alsfeld, Liederbach, Dirsrode, Vockenrod, Ehringshausen, Wolfhain und Lichtenscheid dem Deutschen Orden in Marburg. Dieses letzte männliche Mitglied der oberhessischen Familie war, als er im 75. Lebensjahr starb, 24 Jahre lang Deutschordensritter und 9 Jahre lang Komtur in Schiffenberg gewesen. Im Zentralfeld befinden sich zwei weitere Inschriftenkartuschen mit Bibelzitaten oberhalb und unterhalb des Wappens, oben: "RO(E)M(ER) 14 V(ERS) 7 / DAN UNSER KEINER LEBET / IHM SELBER UND KEINER STIRBET / IHM SELBER LEBEN WIR SO LEBEN / WIR DEM HERRN STERBEN WIR SO / STERBEN WIR DEM HERRN DARUMB / WIR LEBEN ODER STERBEN SO SIND / WIR DES HERREN", unten: "I TIMOTH(EUS) I V(ERS) 15 / Dan das ist Je gewislich war / und ein thewer werthes wort Das / Jhesus Christus in die welt kommen / ist die Sünder Selig zu machen / unter welchen ich der vornemb / ste bin". Übrigens gibt es im Marburger Universitätsmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte einen originalen, auf Pergamentüberzug bemalten, hölzernen Schild des Deutschordenskomturs W. von Liederbach aus der Zeit ca. 1250-1300. Neben den beiden genannten Komturen brachte die Familie, die stets eine sehr enge Beziehung zum Deutschen Orden hatte, noch weitere Komture hervor, z. B. Johannes von Liederbach, Komtur in Marburg und Landkomtur in Hessen, in der ersten Hälfte des 15. Jh., Hermann von Liederbach, 1419-1429 Komtur in Oberflörsheim und dann in Marburg, ebenfalls in der ersten Hälfte des 15. Jh., Hartmann von Liederbach 1438-1453 als Komtur in Griefstedt etc.

Um- und Zubauten im Zeitalter des Barock: das Portal der Komturei
Nach 1700 erhielt die Komturei ein neues Barockportal, Das Steingewände besitzt über dem Architrav einen gesprengten Dreiecksgiebel, in dessen zentralem Platz das Prunkwappen des Deutschordenshochmeister Franz Ludwig Anton von Pfalz-Neuburg zu sehen ist. Sein Wappen ist aufgeteilt in Hauptschild, Mittelschild, Hochmeisterkreuz und Herzschild, hat also rein formal 4 Ebenen übereinander. Der Hauptschild enthält das Familienwappen, also amtsunabhängige Komponenten, die auch während seiner Lebenszeit nicht verändert wurden. Der Mittelschild enthält Amtswappen, die im Laufe seiner Karriere Änderungen erfuhren. Zwischen Mittelschild und Herzschild liegt das Hochmeisterkreuz, der Herzschild mit dem schwarzen Adler in Gold gehört zu ihm. Im Detail: Hauptschild geviert, Feld 1: 2x gespalten, rechts in Schwarz ein goldener Löwe, rot gekrönt, gezungt und bewehrt, Pfalzgrafschaft, Mitte: silbern-blau schräggerautet, Herzogtum Bayern, Haus Wittelsbach, links in Gold ein schwarzer Löwe, Herzogtum Jülich, Feld 2: gespalten, rechts in Rot mit silbernem Herzschild ein goldenes Glevenrad, Herzogtum Kleve, links in Silber ein roter Löwe, golden bewehrt, blau gekrönt, doppelschwänzig, Herzogtum Berg, Feld 3: gespalten, rechts in Silber ein blauer Löwe, golden bewehrt und golden gekrönt, Grafschaft Veldenz, links in Gold ein silbern-rot geschachter Balken, Grafschaft Mark, Feld 4: gespalten, rechts in Silber drei rote Sparren, Grafschaft Ravensberg, links in Gold ein schwarzer Balken, Grafschaft Moers, Mittelschild geviert, Feld 1: im schwarzen, mit goldenen Schindeln belegten Feld ein schräg aufwärts gerichteter silberner Schlüssel, Fürstbistum Worms, Feld 2: in Silber eine goldene Prälatenmütze, gefürstete Propstei Ellwangen, Feld 3 und 4: Fürstbistum Breslau-Schlesien, rechts in Gold ein schwarzer Adler, auf der Brust belegt mit einem silbernen Mond, schlesischer Adler, links in Rot 6 (3:2:1) silberne Lilien. Die dritte und vierte Ebene des Wappens bildet das über alles gelegte Hochmeisterkreuz, ein schwarzes durchgehendes Kreuz, belegt mit einem goldenen Lilienkreuz. Herzschild in Gold, belegt mit einem schwarzen Adler. Im Gegensatz zu späteren Wappen gibt es hier keine fünfte Ebene für Trier oder Mainz, und es gibt auch kein Feld für Prüm auf der zweiten Ebene, deshalb kommt für diese Wappenform der Zeitraum 1694-1716 in Frage, denn 1716-1729 wären Trier und Prüm dabei, und 1729-1732 wäre Mainz dabei. Hier sehen wir aber nur Worms, Ellwangen und Breslau und das Hochmeistertum. Ein Fürstenhut bekrönt die Kartusche.

Zwei weitere Wappenkartuschen sind rechts und links unterhalb angebracht, sich jeweils schräg nach außen lehnend. Heraldisch rechts steht das Wappen des amtierenden Landkomturs der Ballei Hessen, Damian Hugo Philipp Anton Graf von Schönborn (amtierte 1707-1715). Die ovale Schildkartusche ist zweimal gespalten und einmal geteilt und mit einem Herzschild belegt, Feld 1 und 6: in Rot drei (2:1) silberne Schildchen, reichsständische Herrschaft Reichelsberg, Feld 2: in Silber ein schwarzes Tatzenkreuz, Landkomtur des Deutschen Ordens in Marburg, Feld 3 und 4: in Blau ein silberner Balken, begleitet von 3 (2:1) silbernen Rauten, Herrschaft Heppenheim, Feld 5: in Silber ein schwarzes Tatzenkreuz, Landkomtur des Deutschen Ordens in Alden-Biesen, Herzschild: in Rot auf drei silbernen Spitzen ein schreitender goldener Löwe mit blauer Krone, von Schönborn. Die dritte Wappenkartusche trägt einfach nur das Deutschordenskreuz, schwarz in silbernem Feld geführt. Zwischen diesen beiden Schildkartuschen ist unten noch eine querovale Inschriftenkartusche vorgesehen, die aber ohne Inhalt ist.

Um- und Zubauten im Zeitalter des Barock: der "Neue Bau"
Das zweite Gebäude im Südwesten der Anlage ist der "Neue Bau", der im stumpfen Winkel an die Komturei angebaut ist: Kurz nach 1700, als die ganze Anlage umgestaltet wurde, entstand dieser zweigeschossige Bau mit verschiefertem Satteldach, dessen Erdgeschoß massiv gemauert ist, dessen Obergeschoß aber aus Fachwerk besteht. In diesem Obergeschoß befanden sich früher der Speisesaal, eine Gaststube und zwei Kammern.

Von Anfang an war der Neue Bau als Längs-Erweiterung der Komturei gedacht und besaß ursprünglich kein eigenes Treppenhaus. Das Portal ist dem der Komturei ganz gleich gestaltet, und auch der im gesprengten Dreiecksgiebel angebrachte Wappenstein entspricht haargenau dem des Komturei-Portals.

Um- und Zubauten im Zeitalter des Barock: der Ziehbrunnen
Im Barock entstanden im Norden der Ringmauer das Eselstor (1715) anstelle eines älteren Tores, der Pferdestall (1716) und der Brunnen (1717). Der Ziehbrunnen aus Buntsandstein steht vor der Gaststätte und besitzt eine kreuzförmige Einfassung mit geschweift abgestuften Ecken (insgesamt ein ungleichseitig achteckiger Grundriß), auf dessen Rand zwei große Säulen toskanischer Ordnung mit abschließenden flachen Auflagepostamenten und Kugelschmuck einander gegenüber stehen und das eiserne Gestänge zwischen sich tragen. Der Brunnenschacht ist zum Teil mit Schutt verfüllt. Zur Bauzeit handelte es sich wirklich um einen Ziehbrunnen mit Rolle am Brunnengalgen. Im 19. Jh. wurde eine Pumpen-Mechanik aus Zahnradgetrieben, Kurbelrad, Zugarm, Wippe, beweglichen Eisenstangen; Gegengewichten und Antriebswellen nachgerüstet, die an eine Einkolbenpumpe angebunden waren. Betrieben wurde sie mit einem Pferdegöpel ein paar Meter neben dem Brunnen, wobei die Kraftübertragung unterirdisch erfolgte. Ein großes hölzernes Faß auf der Brunnenabdeckung diente als Wasserzwischenspeicher. Der größte Teil der vermutlich sehr schwergängigen und konstruktionsbedingt anfälligen Mechanik wurde im 20. Jh. abgebaut, übrig ist nur ein nicht mehr funktionstüchtiger Rest des Gestänges. Der ehemalige Göpelkreis wurde in den 1970er Jahren in der Pflasterung des Hofes nachvollzogen.

 

Die Brüstung der Einfassung trägt außen insgesamt vier Wappen des Komturs Ernst Wladislaus Graf von Dönhoff (26.11.1672-10.6.1724), der 1711-1724 die Kommende Schiffenberg leitete. Er war der Sohn von Friedrich Graf von Dönhoff (24.5.1639-16.2.1696) und Eleonore Katharina Elisabeth Gräfin von Schwerin (10.10.1646-14.10.1696). Er war in mehreren Feldzügen gegen Frankreich im Einsatz. 1696 wurde er Oberstleutnant, 1705 Generalmajor, und 1713 übernahm er das neu geschaffene Infanterieregiment "von Dönhoff" für König Friedrich Wilhelm I. von Preußen. 1715 nahm er als Generalleutnant an der Belagerung von Stralsund teil. Kurz vor seinem Tod wurde er 1723 noch Gouverneur von Kolberg. Nach seiner Amtszeit kam 1725-1730 ein Verwalter, ein Freiherr von Stein, und erst danach gab es mit August Graf zur Lippe 1730-1741 wieder einen Komtur. Von den vier Wappensteinen ist einer vollkommen verwittert, die anderen drei sind leidlich erhalten.

 

Die von Dönhoff führen in Silber einen schwarzen Eberkopf, silbern bewehrt und rotgezungt, auf dem gekrönten Helm mit schwarz-silbernen Decken ein wachsender schwarzer Eber mit goldenen Rückenborsten, silbern bewehrt und rotgezungt, dessen Leib eigentlich noch von zwei Lanzen mit goldenen Schäften von unten her schragenweise durchstoßen ist, was aber hier nicht dargestellt ist. Das Deutschordenskreuz, das normalerweise direkt unter dem Schild zu liegen kommt, ist hier eine Ebene weiter hinten hinter der  tragenden unteren Kartusche positioniert. Die Inschriften sind stark verwittert; am besten ist sie noch auf dem hier komplett im Sonnenlicht abgelichteten Wappenstein, vermutlich hieß das einmal "E(RNST) U(LADISLAUS) G(RAF) v(on) DÖNHOFF T(EUTSCH) O(RDENS) R(ITTER) / C(omtur) zu S(chiffenberg) S(eine)r königl(ichen) MAJ(ESTÄT) in Preußen / wohl bestal(l)ter GENERAL LIEUTENANT / über DERO Infanterie A(NN)O 1717". Die anderen beiden Wappen lassen einen identischen Wortlaut erkennen mit Variationen im Zeilenumbruch und in der Groß-/Kleinschreibung. Die Inschrift des vierten Wappens ist vollständig verwittert.

Komturswappen in der Kirche: von Dönhoff
In der Kirche hängt an einem Pfeiler gegenüber der Kanzel ein bestens erhaltenes, völlig unverwittertes Wappen für diesen Komtur Ernst Wladislaus Graf von Dönhoff, dort ist als Inschrift zu lesen: "E(RNST) U(LADISLAUS) G(RAF) v(on) DÖNHOFF T(EUTSCH) O(RDENS) R(ITTER) / C(omtur) zu S(chiffenberg) S(eine)r königl(ichen) MAJ(ESTÄT) in Preußen / wohl bestal(l)ter GENERAL LIEUTENANT / über dero INFANTERIE ANNO 1716", also 1 Jahr früher als auf der Brunneneinfassung.

An diesem Kleinod sieht man auch die oben aus dem wachenden Eber herausragenden Speerspitzen. Dieser Wappenstein sieht frisch und neu aus, wird aber bereits in einer Inventarliste 1741 genannt.

Um- und Zubauten im Zeitalter des Barock: das Eselstor
Das rundbogige, gefaste Eselstor in der nördlichen Ringmauer neben der Kirche ist der heutige Hauptzugang zum Gelände. Ein älteres Tor wurde 1715 durch das jetzige Tor ersetzt. Ein nächstes Wappen für den gleichen Komtur Ernst Wladislaus Graf von Dönhoff ist auf der Innenseite des Tores zwischen dem Holzbalken und der Abschlußkante angebracht und auf das Jahr 1720 datiert.

Die im Vergleich zu den anderen Beispielen ähnliche, aber im Detail doch individuelle Inschrift lautet: "E(RNST) U(LADISLAUS) G(RAF) V(ON) DÖNHOFF T(EUTSCH) O(RDENS) RITTER / COMMENTHUR ZU SCHIFFENBERG / S(EINE)R KÖNIGL(ICHEN) MAY(ESTÄT) IN BREUSSEN / WOHLBESTAL(L)TER GENERA(L) LIEUTE/NANT / ÜBER DERO INFANTERIE / A(NN)O 1720". Die ovale Schildkartusche wird von einer Krone überhöht; es gibt weder ein Oberwappen noch ein unterlegtes Deutschordenskreuz.

Während seiner Amtszeit wurden spätestens 1723 die Reste des hofseitigen Seitenschiffs der Kirche abgerissen, um dort einen Garten anzulegen. Die Arkaden des Hauptschiffs wurden zugemauert. Nur noch der Chorbereich wurde für Gottesdienste genutzt, eine zweite Tür führte in den mittleren Teil der Kirche, der als Orangerie genutzt wurde, und eine dritte Tür führte in den westlichen Abschnitt, der als Wirtschaftsbereich genutzt wurde. Zeitgenössische Zeichnungen dokumentieren diese Umnutzung.

Über dem Tor ist auf der Außenseite ein Wappen des Deutschordenshochmeisters Franz Ludwig Anton von Pfalz-Neuburg angebracht, das eine spätere Form im Vergleich zu dem oben beschriebenen Wappen an der Komturei darstellt. Sein Wappen ist aufgeteilt in Hauptschild, Mittelschild, Hochmeisterkreuz, Herzschild und noch einen weiteren Schild oben drauf, hat also rein formal 5 Ebenen übereinander. Im Detail: Hauptschild geviert, Feld 1: 2x gespalten, rechts Herzogtum Bayern, mittig Pfalzgrafschaft, links Herzogtum Jülich, Feld 2: gespalten, rechts Herzogtum Kleve, links Herzogtum Berg, Feld 3: gespalten, rechts Grafschaft Veldenz, links Grafschaft Mark, Feld 4: gespalten, rechts Grafschaft Ravensberg, links Grafschaft Moers, Mittelschild geviert, Feld 1: Fürstbistum Worms, Feld 2: gefürstete Propstei Ellwangen, Feld 3 und 4: Fürstbistum Breslau-Schlesien, dritte und vierte Ebene Hochmeisterkreuz mit goldenem Schildchen, belegt mit einem schwarzen Adler, darauf als fünfte Ebene in Rot ein sechsspeichiges silbernes Rad, Hochstift Mainz. 

Die Bauzeit 1715 paßt aber nicht zum Wappen, denn das hat eine Form, wie sie nur 1729-1732 geführt werden konnte wegen dem Feld für Mainz. In der Tat war das Tor ursprünglich anders gestaltet; und nicht nur innen, sondern auch außen war das Wappen des Komturs Ernst Wladislaus Graf von Dönhoff angebracht (s. o.). Erst nach 1729 änderte man das und fügte nachträglich das heute dort zu sehende Hochmeisterwappen auf der Außenseite ein. Nur auf der Innenseite blieb das Komturwappen.

Um- und Zubauten im Zeitalter des Barock: die Kirche
Der nächste Umbau der Kirche erfolgte zur Barockzeit: Im Jahre 1690 bekam der Chor, 1737 bekamen die beiden Teile des Querschiffs Kreuzgewölbe. 1751 wurden der Kreuzgang und das südliche Seitenschiff abgebrochen. Weil das Innere der Kirche jetzt schutzlos offen war, sind nur noch wenige Teile der einstigen Ausstattung vorhanden, nur die aus Stein gefertigten Teile, darunter Wappentafeln der Deutschordenskomture aus dem 18. Jh. und einige Grabsteine vom 14. bis zum 17. Jh. In der Kirche hängen neben dem bereits vorgestellten noch weitere, unterschiedlich gut erhaltene Komturwappen:

Komturswappen in der Kirche: von Brand
Der Wappenstein für den Schiffenberger Komtur Christian Friedrich von Brand (30.8.1687-1746, amtierte 1741-1746) trägt folgende Inschrift: "CHRISTIAN FRIEDERICH VON BRANDT / T(EUTSCH) O(ORDENS) R(ITTER) COMMENTHUR ZU SCHIFFENBERG / S(EINE)R KÖNIGLICHEN MAIESTAET IN SCHWE=/DEN UND LANDGRAF ZU HESSEN WOHL=/BESTAL(L)TER GENERAL MAIOR ÜBER DERO / INFANTERIE UND OBRISTER DES LÖBLI=/CHEN GARDES GRENADIERS REGIMENTS / D(IE) VI IUNII MDCCXLI / AETAT(IS): 54".

Dieser Deutschordensritter wurde in Brüssau/Neumark geboren. Er war königlich-schwedischer und hessen-kasselscher Generalleutnant, trat 1730 in den Orden ein und wurde 1733-1740 Komtur in Oberflörsheim (er war reformierter Konfession), 1741 dann Komtur auf dem Schiffenberg. Aus Anlaß seines Amtsantritts wurde eine der ausführlichsten Inventarlisten erstellt, die auf 150 Seiten alle Objekte in der Kommende auflistet inclusive jeder Tür und jedes Handgriffes. 1744 wurde er Koadjutor. Dieses Wappen dokumentiert offensichtlich sein Ableben, das in Duncastle/England erfolgte. Ein Portrait dieses Komturs in Öl befindet sich in der Landgräflichen Sammlung Kassel, Löwenburg, heute Eigentum des Universitäts-Museums Marburg und in der Portraitgalerie des Museums Kassel. Mit der Kammerfrau Jaines Ernst hatte er einen unehelichen Sohn, Johann Christoph Ernst (1738-1802), evangelisch-reformierter Theologe, Pfarrer, Metropolitan und Superintendent.

 

Die von Brand führen in Silber Kopf und Hals eines roten bzw. natürlichen Hirschen, hier linksgewendet, auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken ein rotes Hirschgeweih (Siebmacher Band: PrE Seite: 27 Tafel: 21, Band: Ost Seite: 253). Die Familie stammt aus der Neumark und war in Lauchstedt, Hermsdorf und Wützig ansässig.

Komturswappen in der Kirche: von Diemar
Der zeitlich nächste Wappenstein an den Pfeilern der Kirche ist für den Schiffenberger Komtur Adam Alexander von Diemar (amtierte 1748-1761). Die Inschrift lautet: "DER  HOCHWÜRDIGE REICHS FREY HOCHWOHL/GEBOHR(E)NE HERR ALEXANDER FREYHERR DIEMAR T(EUTSCH) O(RDENS) R(ITTER) / RATHSGEBIETIGER DER LÖBLICHEN BALLEY HESSEN UND / COMMENTHUR ZU SCHIFFENBERG, IN DEN HOHEN ORDEN EIN/GEKLEIDET 1735 C(OMTUR) Z(U) S(CHIFFENBERG) 1748 AETATIS 49".

Er war also 1735 in den Deutschen Orden eingetreten, war 1741-1748 Komtur in Oberflörsheim (er war lutherischer Konfession), wurde Ratsgebietiger der Ballei Hessen, und er wurde 1748 hier Komtur. Wir sehen den vom Deutschordenskreuz unterlegten Schild der von Diemar, in Schwarz ein silberner Balken, auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein roter Nagel (hier nur noch Reste des Nagelkopfes erhalten) zwischen zwei mit einem silbernen Balken belegten schwarzen Büffelhörnern (Siebmacher Band: Bad Seite: 47 Tafel: 29, Band: Pr Seite: 115 Tafel: 155, Band: He Seite: 7 Tafel: 6, Band: PrE Seite: 49 Tafel: 40, Band: SchlA2 Seite: 24 Tafel: 16, Band: SchlA3 Seite: 161, Band: SchwA Seite: 38 Tafel: 26, Band: ThüA Seite: 5 Tafel: 4).

Komturswappen in der Kirche: von Münster
Der zeitlich jüngste Wappenstein ist für den Schiffenberger Komtur Friedrich Unico von Münster (1.10.1724/1.10.1725/8.10.1725-2.6.1805, amtierte 1775-1805)  zu Surenburg vom Burgmannshof zu Meppen. Die am linken Rand beschädigte Inschrift lautet: "(F)RIEDERICH VNICO FREYHERR VON MÜNSTER ZVR SAVRENBV(RG)/(HE)RR ZV NAGELSHOF DES HOHEN T(EUTSCH) O(RDENS) RITTER DEN XIII APRIL MDCCXL ... / (CO)MMENTHVR ZV FLOERSHEIM DEN ... MAY MDCCLXXIII RATH(S)/(GEBIE)THIGER VND COMMENTHVR (ZV SCHIFFENBERG) DEN XXIII / ... MDCCLXXV" (die Lesung der Inschrift auf dem an Ort und Stelle ausgehängten Zeitungsartikel ist fehlerbehaftet).

Friedrich Unico war der Sohn von Johann Heinrich Christian Ludwig von Münster und Mechtild Dorothea von Ledebur. Friedrich Unico war der jüngere Bruder von Georg Hermann Heinrich von Münster. Er war Obrister in Diensten der Vereinigten Niederlande und Chef eines Regiments zu Venlo, trat in den Orden ein und war 1773-1775 Komtur in Oberflörsheim. Das war die Zeit der Trikonfessionalität, in der sich katholische, reformierte und lutherische Komture abwechselten, dieser war reformiert. In den Kommenden der Ballei Hessen gab es viele evangelische Ordensritter und auch evangelische Landkomture, eine Besonderheit. Danach wurde Friedrich Unico von Münster 1775 Ratsgebietiger der Ballei Hessen und Komtur auf dem Schiffenberg. Er verstarb in Osnabrück. Dieser Wappenstein war abhanden gekommen, wie so einige verbliebene Ausstattungsstücke des Schiffenbergs in den 1960er Jahren "privatisiert" wurden. In diesem Fall hatte Gießen Glück, denn der Stein wurde 2014 zurückgegeben und konnte wieder am östlichen Vierungspfeiler im südlichen Querschiff angebracht werden, wo er schon früher hing. Das Wappen der westfälischen Familie von Münster ist von Rot und Gold geteilt, auf dem gekrönten Helm mit rot-goldenen Decken ein rot-golden geteiltes Paar Büffelhörner (Westfälisches Wappenbuch). Der Schild ist hier von einem so großen Deutschordensschild hinterlegt, daß dieser wie ein Hauptschild und letzterer wie ein Herzschild dimensioniert ist. Die Helmzier ist verloren gegangen.

Um- und Zubauten im Zeitalter des Barock: Sonstige
Der einstöckige barocke Pferdestall steht an der Westseite des Geländes und schließt sich nördlich an die ältere Propstei an. Der 1716 erbaute Stall lehnt sich hinten an die Umfassungsmauer an und besitzt zum Hof hin zwei Eingänge. Ein halbrundes Feld über dem mittig gelegenen Haupteingang deutet auf ein bis 1973 dort befindliches Wappen des Komturs Ernst Wladislaus von Dönhoff hin, das auch die Datierung in der Inschrift enthielt. Seitdem ist das Gebäude ohne Wappenschmuck.

Auch aus der Barockzeit stammt das Brauhaus, das im Norden rechtwinklig zum Pferdestall angebaut ist und bis zum Eselstor reicht. Es ist eingeschossig, aber etwas höher als das Stallgebäude daneben. Die beiden Giebel im Westen und im Osten sind aus Fachwerk. Das Gebäude ist schmucklos.

Rekonstruktion der Liste der Komture auf dem Schiffenberg nach vorhandenen Daten
Anm.: Die Daten bei Kalbfuß sind in keiner Weise belastbar, sondern oft grob daneben (z. B. außerhalb der Lebensdaten etc.). Zu den früheren Komturen ist nichts Verläßliches zu ermitteln. Ergänzungen der bisher zusammengetragenen Daten sind stets willkommen.

Der Schiffenberg nach der Deutschordenszeit
Als Deutschordenskommende blieb der Schiffenberg bis zur Aufhebung des Ordens 1809 bestehen. Danach wurde der Schiffenberg großherzoglich-hessische Domäne. 1829 entstand die südliche Terrasse außerhalb der Umfassungsmauer. Die Anlage wurde schließlich 1837 an privat verpachtet. In der zweiten Hälfte des 19. Jh. wurde der Schiffenberg von der Gießener Bevölkerung als Ausflugsziel entdeckt, insbesondere im studentischen Kontext. 1885-1886 wurde die Kirche wieder von den Einbauten aus späteren Zeiten befreit, auch entstanden mehrere Wirtschaftsgebäude.

Um- und Zubauten im Zeitalter des Historismus
Ein unauffälliges Verbindungsgebäude in der Südwestecke des Areals schließt die Lücke zwischen dem Neuen Bau am Ende der Südseite und der dreistöckigen Propstei an der Westseite. Das Verbindungsgebäude ist ein Produkt des Historismus und entstand erst 1885-1886, ist aber als stilistisch und architektonisch geglückte Ergänzung hervorzuheben. Die Fenster bleiben im Maßstab, das Fachwerk ist hübsch und greift die viertelkreisförmigen Fußstreben der Propstei auf. Im Gegensatz zu so vielen anderen "Restaurierungen" jener Zeit fügt sich dieser Bau unaufdringlich in den Bestand ein. Im Erdgeschoß ist der Verbindungsbau als Laube gestaltet. Nachträglich wurde dieser Bau noch einmal umgebaut und vereinfacht. Zu den weiteren Baumaßnahmen des Historismus zählt die Restaurierung der Propstei, wobei man die gekuppelten Fenster des ersten Obergeschosses und das erste Erkergeschoß wieder herstellte. An der Ringmauer riß man 1885 ein Stück im Südosten ab, das ist aber mittlerweile wieder restauriert. Schon 1837 hatte man das Schaftor zugemauert, auch das ist heute wieder geöffnet. Im 19. Jh. waren viele Wirtschaftsgebäude entlang der Mauer abgerissen worden. 1904 ersetzte man die Holzgewände an den rechteckigen Fenstern der Komturei durch Lungsteingewände (Basaltlava).

Veränderungen der Neuzeit
1972 wurde der Schiffenberg nach Gießen eingemeindet. 1972-1973 riß man die 1885 errichteten Wirtschaftsbauten wieder ab. Ebenfalls 1973 wurde die Komturei umgebaut, dabei blieb die Stuckdecke innen erhalten. 2011-2015 wurde die Basilika grundlegend renoviert. In jüngster Zeit wurden die südlichen Langhausarkaden, bis dahin offen, wieder verschlossen.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@50.5554604,8.7224184,18.46z - https://www.google.de/maps/@50.5556107,8.7224443,142m/data=!3m1!1e3
Dagmar Klein: Der Brunnen auf dem Schiffenberg, Einführung in die Historie, in: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen 103 (2018), 37 https://jlupub.ub.uni-giessen.de/handle/jlupub/4578
Arnulf Kuster, Florian Kupfer: Der Antriebsmechanismus der Pumpe im Brunnen auf dem Schiffenberg, in: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen 103 (2018), 38-43
https://jlupub.ub.uni-giessen.de/handle/jlupub/4579
Ernst Wladislaus Graf von Dönhoff auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Wladislaus_von_DönhoffErnst
Wladislaus Graf von Dönhoff:
https://www.geni.com/people/Ernst-von-Dönhoff-Graf/6000000015423465208
Kommende Oberflörsheim, Personalliste:
https://www.klosterlexikon-rlp.de/rheinhessen/oberfloersheim-deutschherrenkommende/komture.html
Portrait von Christian Friedrich von Brand, Museum Kassel, Portraits:
https://portraits.museum-kassel.de/127039/ und weiterführende Seiten der anderen gelisteten Portraits
Portrait von Wilhelm von Oeynhausen
https://portraits.museum-kassel.de/126438/ und https://portraits.museum-kassel.de/126425/
Portrait von Johann Fuchs
https://portraits.museum-kassel.de/126551/ und https://portraits.museum-kassel.de/126928/
Portrait von Georg Daniel von Habel
https://portraits.museum-kassel.de/126544/ und https://portraits.museum-kassel.de/126926/
Portrait von Adolph Eitel von Nordeck zur Rabenau
https://portraits.museum-kassel.de/126546/ und https://portraits.museum-kassel.de/127002/
Portrait von Hans Heinrich von Boineburg
https://portraits.museum-kassel.de/127041/
Portrait von Friedrich Wilhelm von Wartensleben
https://portraits.museum-kassel.de/126572/
Portrait von Philipp Friedrich Eitel Rau von Holzhausen
https://portraits.museum-kassel.de/126563/
Johann Christoph Ernst, in: Hessische Biographie
https://www.lagis-hessen.de/pnd/103384649X
Friedrich Karl Azzola: Eine Grabplatte des frühen Spätmittelalters mit einem Wappen von Buseck und einem Lebensbaum/arbor vitae in der Basilika auf dem Schiffenberg bei Gießen, in: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen 90 (2018), S. 167-172
http://geb.uni-giessen.de/geb/frontdoor.php?source_opus=13732&la=de
Herbert Jäkel: Alsfeld und seine Stadtteile, Auszug hier:
http://www.alsfeld-liederbach.de/wordpress/
Christa Benedum, Andreas Schmidt: Johann von Liederbach 1624, Schiffenberg, in: Grabdenkmäler
https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/gdm/id/896
Karlheinz Lang: Kulturdenkmäler in Hessen, Universitätsstadt Gießen, hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Vieweg+Teubner Verlag, Braunschweig/Wiesbaden 1993, 639 S., ISBN-10: 3528062460, ISBN-13: 978-3528062460, S. 476-484
Dagmar Klein: Neues aus den Inventarlisten der Deutschordens-Kommende Schiffenberg aus den Jahren 1660 und 1741, Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen, 103 (2018) S. 23-36
http://geb.uni-giessen.de/geb/frontdoor.php?source_opus=16183&la=de - http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2021/16183/pdf/MOHG_103_2018_S23_36.pdf
Kommende Schiffenberg in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Schiffenberg

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