Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3021
Steinfeld (zu Kall, Kreis Euskirchen)

Kloster Steinfeld in der Eifel

Das auf einer Anhöhe südlich von Kall gelegene Kloster Steinfeld ist eines der ältesten und ehemals mächtigsten und größten Klöster der Eifel. Der Tradition nach wurde schon in der ersten Hälfte des 10. Jh. eine erste Kirche in Steinfeld errichtet. Dabei ist die Gründung legendenumwoben: Sibodo von Are habe das Kloster errichtet, und die Gründung sei 951 geweiht worden - all das ist nur erzählte Tradition und in keiner Weise urkundlich belegt. Gesicherte Kenntnisse beginnen mit einer Urkunde aus dem Jahre 1121. Erzbischof Friedrich I. von Köln bestätigte darin, daß Theoderich von Are ihm das von seinen Vorfahren gegründete Kloster Steinfeld übertragen habe. Es muß aber damals ziemlich heruntergewirtschaftet gewesen sein, denn der Erzbischof ließ es neu besiedeln mit Augustiner-Chorherren aus Springiersbach. Der erste Propst war Everwin (Eberwin, Ebroin), der zusammen mit zwei weiteren Chorherren aus dem Augustinerchorherrenstift Springiersbach kam. Durch die Übertragung war Steinfeld eine kurkölner Unterherrschaft, und die Steinfelder Äbte waren Lehnsleute des Erzbischofs. Das Kloster schloß sich noch unter Everwin der Reform von Prémontré an und nahm um 1138 die Prämonstratenserregel an. Zuvor war Everwin zusammen 1136 mit dem Chorherren Heinrich über Köln nach Prémontré gereist. Dieser Propst erbaute auch die romanische Basilika. Erst besaß das Kloster nur Pröpste, dann wurde Albert 1185 der erste Abt. Die Äbte von Steinfeld waren zugleich Generalvikare in der Zirkarie Westfalen, wohl auch in den Zirkarien Ilfeld und Wadgassen. Seit 1185 hat der Vorsteher des Klosters den Rang eines Abtes. Johann VI. (1517-1538) war der erste infulierte Abt; 1536 trat der Steinfelder Abt nach einer entsprechenden päpstlichen Verleihung erstmals mit den Pontifikalien auf. Die Äbte von Steinfeld waren als Archidiaconi Sleidani kirchliche Amtsträger in so gut wie sämtlichen Pfarreien der Herrschaften Steinfeld, Schleiden, Wildenburg und Reifferscheid. Das einst bedeutende Kloster gründete noch im Mittelalter zahlreiche Tochterklöster, z. B. Kloster Strahov in Prag, das ebenfalls böhmische Kloster Selau, deren Tochterklöstern Doxan (Doksany) und Launiowitz (Lounovice), das Frauenstift Dünnwald, das Kloster Niederehe, das Kloster Reichenstein und das Kloster Sayn.

Abb.: Hauptgebäude mit Klosterpforte

Der beachtliche Baubestand der Abtei hat sich fast geschlossen erhalten. Von der Hermann-Josef-Straße aus gibt es zwei Zugänge zum Gelände, das repräsentative Hauptportal ganz im Süden und parallel dazu weiter im Osten einen Weg am Pfarrhaus vorbei direkt zur Basilika. Nimmt man den Hauptweg, erschließt sich die Anlage fächerförmig: Ganz links gelangt man zum Klosterladen und Café, weiter im Westen liegt das Salvatorianer-Gymnasium mit Unterrichtsbauten für bis zu 700 Schüler und mit Sportstätten. Schräglinks gelangt man in den dreieckigen Aulahof, der im Westen von einem Arkadenbau, im Osten vom alten Gästehaus und im Norden von der Barockscheune mit Schafstall begrenzt wird.

Der Weg vom Haupttor geradeaus führt in den Haupthof, der im Westen dreiflügelig vom alten Gästehaus eingefaßt wird und im Osten in den Ehrenhof vor den Hauptgebäuden übergeht: In der Mitte liegt das Hauptgebäude mit der Klosterpforte, rechterhand steht als Seitenflügel die alte Prälatur, wo heute die Klosterverwaltung ihren Sitz hat, und linkerhand steht als Seitenflügel die neue Prälatur, deren Prunkräume heute als Trauzimmer genutzt werden. Diese drei Gebäude stammen alle aus dem Barock, entstanden aber zeitlich von rechts nach links und illustrieren beeindruckend die bauliche Entwicklung in dieser Zeitspanne. Die alte Prälatur, die auch als Gästehaus (domus hospitum) fungierte, wurde unter Abt Norbert Horrichem/Horchem (1598-8.5.1661, amtierte als Abt 1630-1661) errichtet, aber erst 1661, wie die Maueranker verraten, unter seinem Nachfolger, Abt Johannes VII. Luckenrath (1618-14.9.1680, amtierte 1661-1680) fertiggestellt. Der Mittelbau entstand unter Abt Christian III. Steinhewer (11.2.1679-27.9.1744, amtierte 1732-1744); der Architekt war der Prämonstratenser Leonardus Eggen. Die neue Prälatur schließlich entstand 1768-1769 unter Abt Evermodus Claessen (9.2.1709-20.3.1784, amtierte 1767-1784); Architekt war der Tiroler Prämonstratenser Konrad Neck, ein Laienbruder. Insbesondere die Fassadendekoration und die Fensterumrahmungen zeigen den Weg von funktionaler Schlichtheit zu repräsentativer Ornamentik. Evermodus Claessen hatte auch den rechten Seitenflügel umbauen und baulich angleichen wollen, doch dazu kam es nicht mehr. Dieser Abt ließ auch die Wohngebäude der Bediensteten und die Wirtschaftsgebäude neu errichten, wie die dort angebrachten Jahreszahlen zwischen 1768 und 1779 belegen.

Abb.: rechts neue Prälatur, links Klausur

Rechts von dieser Dreiergruppe führt ein Weg zur Basilika, links ist die neue Prälatur mit der Klausur verbrückt, und unter diesem Gebäude hindurch gelangt man in einen weiteren Hof, der im Norden von der Akademie und im Süden von Küche und zwei verschiedenen Refektorien (Speisesälen) begleitet wird. Weiter nach Nordosten gelangt man in einen Gartenbereich nördlich von Hauskapelle und Alter Bibliothek. Dieser Trakt, in dem sich früher auch die Krankenstation befand, wird heute als Haus- und Schülerkapelle genutzt. Hinter diesem Gebäude im Osten liegt das rund angelegte Heckenlabyrinth, das eigentlich kein echtes Labyrinth, sondern ein einziger, unendlich geführter Weg ohne Abzweigungen in die zentrale Lichtung ist. Etwas tiefer am Hang liegt der idyllische Garten der Stille.

Zwischen Refektorium und Basilika ist der rechteckige, durchgehend kreuzrippengewölbte Kreuzgang eingepaßt, mit einem an der westlichen Schmalseite nach innen vorspringenden, sterngewölbten Brunnenhaus. Dieser im gotischen Stil erbaute Kreuzgang mit 10 Jochen an den Längsseiten und 8 Jochen an den Schmalseiten (Eckjoche jeweils mitgezählt) entstand 1495-1517 und ersetzte einen älteren Vorgänger. Früher war der Kreuzgang komplett mit Buntglasfenstern aus dem 16. Jh. versehen. Sie stellten einen erheblichen Wert dar und wurden aufgrund kriegerischer Ereignisse mehrfach aus- und wieder eingebaut. Sie wurden 1785 unter Abt Felicius Adenau aufgrund von zunehmenden Beschädigungen endgültig ausgebaut und nach der Aufhebung und Säkularisierung des Klosters nach England verkauft; Teile davon befinden sich im Victoria and Albert Museum. Nur zwei Fragmente konnten zurückerworben werden. An der östlichen Schmalseite des Kreuzgangs liegt der Kapitelsaal. Zwischen diesem und der Basilika findet die Totenkapelle ihren Platz, und in Verlängerung liegt weiter im Osten die weitgehend frei nach Osten aus dem Baublock herausstehende Sakristei. Dieser Sakristeibau entstand zwar erst um 1740, es wurde aber dennoch ein gotischer Stil gewählt mit einem vierjochigen Sterngewölbe. Neben der Totenkapelle führt eine Wendeltreppe hinauf zum ehemaligen Dormitorium. Unter dem Kapitelsaal befindet sich die Chorherrengruft. Nicht vom großen Innenhof aus zu sehen ist das neue Gästehaus, das rückwärtig nach Norden an das alte Gästehaus winkelförmig angebaut ist, hinter der heutigen Rezeption des Gästehauses. Zur Klosteranlage gehört auch noch das Haus St. Benedikt außerhalb der Umfassungsmauer auf der anderen Seite des Benediktuswegs.

Abb.: links neue Prälatur, rechts Hauptgebäude mit Klosterpforte

Zurück zum Haupttor, das 1789 als Dreiertor mit Haupteingang und zwei Seitendurchgängen samt dazugehöriger Umfassungsmauer unter Abt Felicius Adenau vollendet wurde und die Bautätigkeit der Anlage weitestgehend abschloß: Zur späten Barockzeit war das fächerförmige Konzept noch viel deutlicher, und die Ziele waren teilweise andere als heute. Wer das Haupttor durchschritt, hatte die Wahl zwischen insgesamt fünf Toren: Das mittlere führte wie heute in den Ehrenhof. das schräglinke führte in den Wirtschaftshof, heute Aulahof. Das ganz linke führte früher zu den Abtsgärten, die der Schule gewichen sind. Das Tor schrägrechts führte zur Kirche, und das Tor ganz rechts führte zum Friedhof. Beide sind heute vermauert und nicht mehr zu benutzen. Aber das historische Erschließungskonzept der Abtei ist vom Haupttor aus noch gut nachvollziehbar.

Die ausweislich einer erhaltenen Bauinschrift 1142 begonnene Basilika, eine der ältesten Gewölbebasiliken der Region, beeindruckt durch das massive Westwerk, in dem die Vorhalle mit Zugang zum Magdalenenaltar in einem Seitenraum liegt. Das Westwerk ist zwar authentisch, nicht aber sind es die beiden aufgesetzten Rundtürme. Diese wurden erst 1884 nach dem Vorbild anderer romanischer Westwerke aufgesetzt, als nach einem Brand, der 1873 das Dach und den Vierungsturm erwischt hatte, das Westwerk neu aufgeführt wurde. Zuvor waren dort zwei kleine Türmchen mit barocken Hauben, die aber auch nicht romanischen Ursprungs waren, sondern nachträglich aufgesetzt worden waren. Die Entscheidung, die beiden romanisierenden Rundtürme aufzusetzen, mögen zwar romanischer Kunst andernorts entsprechen, haben aber hier in Steinfeld kein historisches Vorbild, sondern haben vielmehr das Aussehen entscheidend verändert.

 

Abb. links: Tor des Hauptgebäudes, Abb. rechts: Sonnenuhr im Ehrenhof

Das romanische Kirchenschiff besitzt vier kreuzgratgewölbte, quadratische Langhausjoche bis zur Vierung und doppelt so viele, ebenfalls quadratische  Seitenschiffsjoche (gebundenes System). Die Stützen wechseln; kreuzförmige Pfeiler markieren die Hauptschiffsjoche, quadratische Pfeiler die Seitenschiffsjoche. Die Reformbemühungen der Prämonstratenser spiegeln sich in der romanischen Reinheit und Strenge des Konzeptes wider. Von jedem der beiden Querschiffe gehen nach Osten zwei Kapellen ab, im nördlichen Querschiff die Norbertuskapelle und die Potentinuskapelle, im südlichen Querschiff zwei ganz ähnliche Kapellen und zusätzlich an der Seite noch die Ursulakapelle und die Stephanuskapelle. Die Altarnischen liegen jeweils in der Mauerstärke. In der Vierung steht ein Vierungsaltar, im Hauptchor der Hochaltar. Der Hauptchor enthält das spätgotische, im Barock umgearbeitete Chorgestühl mit Reliquientafeln darüber; die dort sichtbar hinter Glas drapierten Knochen wirken befremdlich, entsprechen aber barocken Frömmigkeitsformen. Die Barockausstattung der Kirche entstand ab 1680. Abt Theodor Firmenich ließ einen neuen Hochaltar errichten, das Chorgestühl verschönern sowie den Chor und die Kommunikantenbank mit Marmorplatten auslegen. Abt Michael Kuell erbaute bis 1698 im südlichen Seitenschiff die Äbtegruft mit der Gedenktafel an die dort bestatteten Äbte. 1701 entstand das Hochgrab für den hl. Hermann Josef auf Urfter Marmor, das im Mittelgang aufgestellt ist. 1732 entstand die liegende Alabaster-Statue auf dem Hochgrab. Die barocke Orgel von Balthasar König mit erst 29 Registern wurde 1727 fertiggestellt und später auf 46 und dann 35 Register mit aktuell 1956 Pfeifen umgebaut.

Abb.: Tor des Hauptgebäudes

Über dem Klosterwappen ist das Portal auf "ANNO MDCCXXXVIII" = 1738 datiert. Damit fällt es in die Amtszeit von Abt Christian III. Steinhewer (11.2.1679-27.9.1744). Er stammte aus Oedekoven bei Bonn. Am 10.1.1700 trat er als Novize ins Kloster ein und wurde eingekleidet; seine Profeß legte er am 6.1.1702 ab. Die niederen Weihen bekam er am 26.1.1702, die Weihe zum Subdiakon einen Tag später, und die Weihe zum Diakon noch einmal 2 Tage später. Noch am selben Tag ging er nach Köln zum Studium. Am 20.9.1704 erhielt er die Priesterweihe, am 12.10.1702 feierte er seine Primiz. Zunächst ging er als Lektor und Novizenmeister ins Kloster Arnstein, wo er 1706 Prior wurde. 1708 ging er als Lektor nach Himmerod, bei den Zisterziensern. 1709 kehrte er nach Steinfeld zurück und wurde Subprior und Lektor der Moraltheologie. 1712 wurde er als Lektor und Oekonom an das Seminarium Norbertinum in Köln geschickt, wo er 1716 Praeses wurde. 1718 wurde er in Theologie promoviert. 1719 wurde er Dekan der theologischen Fakultät, 1731 Dekan. Er wurde am 6.5.1732 zum Abt von Steinfeld gewählt. Am 16.5.1732 stellte der Generalabt die Bestätigung aus, die der neue Amtsinhaber am 21.5.1732 in Köln erhielt. Die Abtsweihe wurde ihm am 6.7.1732 vom Kölner Weihbischof Franz Caspar von Francken-Sierstorff erteilt. Der Kölner Universität blieb er treu verbunden, so war er fünfmal Rector magnificus der Kölner Universität. In Steinfeld renovierte er die Alte Prälatur, die Bibliothek und den Kreuzgang samt Gruft und Kapitelsaal. Ganz neu ließ er die Konventsgebäude, das Archiv und die Sakristei erbauen. 1733 wurde er Generalvikar in den Zerkarien Westfalen, Ilfeld und Wadgassen, 1738 wurde er noch einmal bestätigt. Er amtierte als Abt 1732-1744 und starb an einem Schlaganfall.

Abb.: Tor des Hauptgebäudes

Das hier auf dem Keilstein des Portals verwendete Klosterwappen von Steinfeld ist geviert, Feld 1 und 4: in Silber ein rotes Herz, durchbohrt von zwei goldenen, schräggekreuzten, gestürzten Pfeilen, Feld 2 und 3: in Rot ein goldener achtzackiger Stern über zwei goldenen Lilien. Dazu wird rechts eine Inful geführt, hinter dem Schild schräglinks gelegt der Abtsstab. Ein geflügelter Engel dient in der Mitte als Schildhalter. Es gibt in dem Wappen kein persönliches Symbol des nichtadeligen Abtes.

Hinsichtlich der Farben gibt es eine große Vielfalt und eine geringe Verbindlichkeit: In der Klosterkirche selbst ist dieses Wappen mehrfach angebracht, sowohl beiderseits in der Mitte des Chorgestühls als auch in den Seitenkompartimenten, dort sind jeweils alle Figuren golden und alle Felder blau. Einige Klosterwappen werden im Siebmacher Band: Klö Seite: 112 Tafel: 144 beschrieben. Farben werden bei keinem der fünf Beispiele angegeben. Im einzelnen werden dort die Wappen für die Äbte Johann VII. Luckerath, Gabriel Hilgers, Johann VIII. Lohelius Begasse und Michael Kuell wiedergegeben. Dabei führen die Äbte lediglich Klosterwappen in unterschiedlicher Zusammensetzung, aber nur selten persönliche Komponenten. Auch aus der Siegelführung können wir nur die Änderungen bei den verwendeten Motiven, nicht aber verbindliche Tinkturen ableiten.

Das eigentliche Klosterwappen für die Abtei Steinfeld ist das von zwei schräggekreuzten, gestürzten Pfeilen durchschossene Herz. Lt. Joester führten die frühen Äbte das gleiche unpersönliche Abtssiegel ohne heraldische Komponente, und erst Abt Balthasar Panhausen führte 1593 erstmals ein Siegel mit dem hl. Norbert oder einem Abt über einem Schild mit dem von zwei Pfeilen durchbohrten und von drei Lilien beseiteten Herzen. 1593 entstand auch ein Konventssiegel, das zwei aufrechte, schräggekreuzte Pfeile zeigt, die auf der Äbte-Grabtafel in der Kirche Wehr zugeordnet werden. Vermutlich waren das beides Neuanfertigungen nach der Plünderung 1592. Lt. Siebmacher führt Abt Johann VII. Luckerath das Wappen mit dem durchbohrten Herzen, aber ohne die Lilien in seinem Siegel. Das nächstwichtige Feld ist das mit Lilien und Stern. Siebmacher Klöster gibt für Abt Theodor Firmenich ein geviertes Wappen an, Feld 1 und 4: Herz mit Pfeilen, Feld 2 und 3: zwei sechszackige Sterne über einer Lilie, also anders als hier über dem Portal. Für Michael Kuell (-25.4.1732) gibt der Siebmacher die folgende Anordnung: Feld 1 und 4: Herz mit Pfeilen, Feld 2 und 3: ein sechszackiger Stern über zwei Lilien, also mit ausgetauschter Anzahl und genau wie hier. Lt. Joester verwendete Michael Kuell erst noch die Anordnung von Theodor Firmenich und wechselte dann nach den ersten Regierungsjahren spätestens 1701 auf die andere Anordnung, mit Stern und Lilien in Feld 1 und 4 und mit Herz und Pfeilen in Feld 2 und 3. Christian Steinhewer behielt das Wappen in dieser Anordnung bei. Das Feld mit dem Stern und den Lilien steht dabei für den zur Klosterherrschaft gehörenden Ort Wahlen.

Abb.: Tor des Hauptgebäudes

Die in der Klosterkirche aufgestellte Grabtafel für mehrere Äbte (ohne Abb.) gibt weitere heraldische Komponenten des Klosterwappens wieder. Wie bei einer Ahnenprobe auf Grabsteinen adeliger Personen ist in der Mitte ein Hauptwappen dargestellt, geviert aus dem Feld mit dem Stern und den Lilien einerseits und dem Feld mit den schräggekreuzten Pfeilen andererseits, während die Ecken der Platte vier Einzelwappen tragen, nur stellen die hier bei den Äbten bürgerlicher Herkunft keine Ahnenprobe dar, sondern weitere Klosterbesitzungen. Das zur Erzdiözese Köln gehörende Kloster Steinfeld bildete mit den Orten Marmagen, Wahlen und Urft eine eigene Unterherrschaft im Kurfürstentum Köln. Für Marmagen steht ein gitterartiger viereckiger Rost mit Handgriff oben. Für Urft stehen zwei schräggekreuzte Schwerter. Und neben den drei genannten Orten gehörte dem Kloster Steinfeld die ebenfalls kurkölnische Unterherrschaft Wehr, für die zwei schräggekreuzte, aufgerichtete Pfeile verwendet werden. So ist es auf der Steintafel namentlich zugeordnet. Später wurde die Herrschaft Wildenburg zugekauft. Die Äbte verwendeten entsprechend die Titulatur: Abt von Steinfeld, Herr von Marmagen, Wehr, Wahlen, Urft und Wildenburg, Archidiakon der Grafschaft Schleiden und zu Reifferscheid.

beide Abb.: Wappen in einer Seitenkapelle des südlichen Querschiffs der Basilika

Bei Joester findet sich, sicher nicht unbegründet, eine abweichende Zuordnung, die nicht derjenigen auf der Grabtafel in der Kirche entspricht: Übereinstimmend: Rost = Marmagen, nicht übereinstimmend: zwei aufrechte schräggekreuzte Pfeile = Wahlen, zwei sechsstrahlige Sterne über einer Lilie = Urft, zwei schräggekreuzte Schwerter = Wehr, Lamm mit Fahne = Wildenburg. Wir beobachten also erstens eine Variabilität innerhalb der einzelnen Komponenten, vor allem bei den Sternen und den Lilien hinsichtlich der Anzahl sowie Position und bei den das Herz durchstoßenden Pfeilen hinsichtlich der Richtung, zweitens eine geringe Bedeutung persönlicher Felder, und drittens eine uneindeutige Zuordnung der zusätzlichen Komponenten. Die Personalisierung erfolgt bei den Äbten meistens durch Hinzunahme der Initialen, so zumindest bei der Siegelführung. Das alles läßt sich erklären vor dem Hintergrund von Äbten, die größtenteils als Söhne von Bürgern und Bauern keine eigene heraldische Tradition mitbrachten und nun auf einmal Territorialherren waren und einer äußerst wohlhabenden und mächtigen Abtei vorstanden, und entsprechend heraldisch agierten: Man brauchte Symbole für die zugehörigen Orte, man stellte neu geschaffene Symbole für diese Orte und Herrschaften dar, aber das fußte nicht auf einer gewachsenen Tradition und ermangelte daher der beim Adel gepflegten heraldischen Eindeutigkeit. So kommt es, daß jeder Abt einerseits für sich den Formenkanon der Klostersymbole oder klosterzugehörigen Symbole optimiert und dabei leichte Veränderungen hervorruft, andererseits keine wesentlichen eigenen Komponenten einbringt.

 

beide Abb.: teilzerstörtes Wappen am Torpavillon, Außenseite (Südseite)

Ein weiteres Abtswappen ist außen am Pavillon über dem Tordurchgang des Gästehauses angebracht. Es ist größtenteils zerstört, doch man erkennt eine gevierte Grundstruktur mit Herzschild, in Feld 1 die zwei sechszackigen Sterne über einer Lilie, in Feld 3 das Lamm mit Fahne für die Herrschaft Wildenburg. Abt Michael Kuell hatte am 9.6.1715 die Herrschaft Wildenburg von dem Grafen Johann Friedrich von Schaesberg gekauft, seitdem gehört dieses Feld prinzipiell zu den vorzeigbaren heraldischen Inhalten, wovon allerdings erst unter späteren Äbten Gebrauch gemacht wurde.

Für Johann VIII. Lohelius Begasse (-27.5.1750) gibt Siebmacher ein Wappen mit fünf Inhalten an, geviert mit Herzschild, Feld 1: zwei Sterne über einer Lilie, für Wahlen, Feld 2: zwei schräggekreuzte Schwerter, für Urft, Feld 3: Herz durchbohrt von zwei gestürzten schräggekreuzten Pfeilen, für das Kloster Steinfeld, Feld 4: viereckiger Rost mit Handgriff oben, für Marmagen, Herzschild: Schrägbalken mit drei Pilgermuscheln belegt, vermutlich erstmalig ein persönliches Wappensymbol des Abtes. Er verwendet Mitra, Schwert und Abtsstab. Joester ordnet die schräggekreuzten Schwerter nicht Urft, sondern Wehr zu, was jedoch auf den Grabtafeln in der Kirche anders zugeordnet wird, denn dort sind die Einzelkomponenten beschriftet. Auch Joester weist darauf hin, daß nach einer Kontinuität unter den vorhergehenden Äbten unter diesem Abt eine grundlegende Änderung des Wappens und des Siegels erfolgte. Sinn der Hinzunahme weiterer Felder und des Schwertes war die Betonung der Rolle als Territorialherr.

Für Gabriel Hilgers (amtierte 15.6.1750-30.12.1766) gibt der Siebmacher ebenfalls eine Variante mit vertauschten Feldern an, Feld 1 und 4: ein sechszackiger Stern über zwei Lilien, Feld 2 und 3: Herz mit Pfeilen. Er kehrte also wieder zum traditionellen Aufbau zurück. Er blieb auch bei Mitra und Krummstab; das Schwert verschwand wieder aus dem Wappen.

Abt Evermodus Claessen (9.2.1709-20.3.1784, amtierte 1767-1784) führte ebenfalls einen gevierten Schild mit Herzschild, Feld 1: zwei sechsstrahlige Sterne über einer Lilie, für Wahlen, Feld 2: zwei gekreuzte Schwerter mit der Spitze nach oben, für Urft, Feld 3: ein Lamm mit Fahne, für Wildenburg, Feld 4: ein Rost, für Marmagen, Herzschild: das von zwei gestürzten Pfeilen durchbohrte Herz, für Steinfeld. Von der Bauzeit her müßte das Wappen am Torpavillon diesem Abt zuzurechnen sein. Dieses Wappen wurde auch von seinen beiden Nachfolgern, Abt Felicius Adenau (-12.6.1790, amtierte 1784-1790) und Abt Gilbert Surges (17.2.1734-26.3.1822, amtierte 1790-1802), genau so beibehalten.

beide Abb.: modernes Klosterwappen auf dem Lageplan

In der heute verwendeten Form, hier auf dem Lageplan im Torbau, ist das Klosterwappen geviert, Feld 1 und 4: in Rot ein goldener fünfzackiger Stern über zwei silbernen Lilien, Feld 2 und 3: in Silber ein rotes Herz, durchbohrt von zwei silbernen, schräggekreuzten, gestürzten Pfeilen. Dazu wird eine Inful mit goldenem Innenbord und einem roten Balkenkreuz auf dem oberen Rand geführt, die seitlich hinter dem Schild hervorkommenden Infuln mit je einem roten Kreuz belegt, hinter dem Schild schräggekreuzt rechts der Abtsstab, links das gestürzte Schwert. Bemerkenswert sind die Abweichungen zu früheren Formen, nämlich die silbernen Pfeile und der fünfzackige Stern. Ebenfalls bemerkenswert ist das heute nicht mehr angemessene gestürzte Schwert, das zudem historisch nur bei Abt Begasse belegt ist.

Aber auch in historischer Zeit stellt sich die Frage, ob die Verwendung des gestürzten Schwerts für eine nicht reichsunmittelbare Abtei angemessen ist, aber da konnte sich die Abtei darauf berufen, daß sie in einigen Besitzungen Inhaber der Hochgerichtsbarkeit war: Der Besitz des Stadelhofs in Marmagen begründete die Hochgerichtsbarkeit des Stifts über das Dorf. Auch in Wahlen hatte das Stift die Hochgerichtsbarkeit, auch wenn es sich die Grundherrschaft mit den Herrschaften Wildenburg und Reifferscheid und mit dem Herzogtum Jülich teilte. Deshalb sollte das Schwert auch nur dann Verwendung finden, wenn im Wappen Felder für diese Herrschaften verwendet werden, so wie bei Abt Begasse.

Abb.: Keilstein mit Zungenblecker-Maske am Torpavillon, Ehrenhofseite (Nordseite)

Zur Übersicht: Liste der Steinfelder Äbte:

Abb.: Tür zur neuen Prälatur, Türklopfer im romanischen Stil auf barocker Holztür.

Das Kloster wurde nach der Besetzung des Rheinlandes durch die Franzosen 1802 säkularisiert und aufgehoben. Der letzte Abt war Gilbert Surges (-26.3.1822). Der als Nationaleigentum konfiszierte Besitz wurde versteigert. Die Klosterkirche wurde Pfarrkirche. Von 1853 bis 1923 war das Kloster königlich-preußische Erziehungsanstalt. Dann kam 1923 die ganze Anlage in den Besitz des Salvatorianerordens (Gesellschaft des Göttlichen Heilands SDS, 1181 gegründet von Pater Franziskus Jordan), zunächst in Pacht, schließlich gänzlich im Jahre 1954 durch Kauf. Das Kloster betreut die Pfarrei und betreibt ein Gymnasium (Hermann-Josef-Kolleg), einen Klosterladen mit Café, eine Kunst-Akademie und seit 2015 das nach dem Ordensgründer benannte Franziskus-Jordan-Gästehaus anstelle des ehemaligen Internats. Die Pfarrkirche wurde 1960 zur Basilica minor erhoben.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@50.5035141,6.5634558,18.46z - https://www.google.de/maps/@50.5035141,6.5634558,320m/data=!3m1!1e3
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Ingrid Joester: Äbte und Chorherren des Prämonstratenserstifts Steinfeld, Teil 1, Göttingen 2018, Verlag: Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, 229 S., DOI:
https://doi.org/10.26015/adwdocs-1448, ISBN: 978-3-946048-14-5, Serie: Germania Sacra; Supplementband 2,1 - https://rep.adw-goe.de/handle/11858/00-001S-0000-002D-B56D-5 - https://rep.adw-goe.de/bitstream/handle/11858/00-001S-0000-002D-B56D-5/Steinfeld_Joester_PersonalS2%2c1.pdf?sequence=1&isAllowed=y
Ingrid Joester: Äbte und Chorherren des Prämonstratenserstifts Steinfeld, Teil 2, Göttingen 2018, Verlag: Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, 492 S., DOI:
https://doi.org/10.26015/adwdocs-1449, ISBN: 978-3-946048-15-2, Serie: Germania Sacra; Supplementband 2,2 - https://rep.adw-goe.de/handle/11858/00-001S-0000-002D-B56E-3 - https://rep.adw-goe.de/bitstream/handle/11858/00-001S-0000-002D-B56E-3/Steinfeld_Joester_PersonalS2%2c2.pdf?sequence=1&isAllowed=y
H. Schmidt: Steinfeld, Rheinische Kunststätten, hrsg. vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz, 1954
Ernst Wackenroder: Die Kunstdenkmäler des Kreises Schleiden, Düsseldorf 1932, S. 513 ff.
Helmut J. Kirfel: Salvatorianer Kloster Steinfeld, Schnell & Steiner Verlag, Kunstführer Nr. 1440, 9. Auflage 2019, Regensburg, ISBN: 978-3-7954-5152-3
Webseite des Klosters:
https://www.kloster-steinfeld.de/ - Geschichte: https://www.kloster-steinfeld.de/historie/ - virtuelle Tour: https://www.kloster-steinfeld.de/virtuelle-tour/
Hermann-Josef-Kolleg:
https://www.hermann-josef-kolleg.de/

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