Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 2999
Schweinfurt
(Unterfranken)
Das Schweinfurter Zeughaus
Das zweistöckige Zeughaus mit an der Längsseite angesetztem polygonalem Treppenturm und mit zwei Schweifgiebeln an den Schmalseiten, das im Norden der Innenstadt in der Nähe des innerstädtischen Busbahnhofs zu finden ist, wurde 1589-1591 an der Stelle einer 1554 abgebrannten Roßmühle aus dem Jahr 1437 erbaut. Der Stadt ging es damals wirtschaftlich hervorragend. Einerseits gab es durch die Schäden des "Zweiten Stadtverderbens" jede Menge Arbeit, und andererseits vertrieben die Bischöfe der benachbarten geistlichen Fürstentümer die Protestanten durch die Gegenreformation, und so kamen Menschen, Fähigkeiten und Vermögen in die Reichsstadt. Diese wirtschaftliche Prosperität feierte man mit diesem städtischen Prachtbau. Die Stadtbaumeister Urban Fend und Johann Holzapffel errichteten den Bau zusammen mit den Steinmetzen Sieber und Gabelmann. Der stattliche Massivbau im Stil der Renaissance diente als städtisches Arsenal und Lagerhaus für Waffen, Geschütze, Munition und Rüstungen. Die Mauern des Zeughauses sind im Norden und Westen, wo das Gebäude in Richtung außerhalb der Stadtmauern exponiert war, mit 1,10 m Dicke besonders widerstandsfähig. Die Mauern im Osten und Süden sind nur ein Drittel so stark. In der Wand steckende Kanonenkugeln demonstrieren, wie nötig das auch war.
Am Treppenturm ist ein Wappenstein angebracht: Mit der Datierung auf 1590 ist das das Wappen von Kaiser Rudolf II. (18.7.1552-20.1.1612). Dieser war 1571-1576 Statthalter von Niederösterreich, 1576-1608 Erzherzog von Österreich, 1595-1608 Graf von Tirol, 1572-1608 König von Ungarn, Kroatien und Slawonien, 1575-1611 König von Böhmen, 1575-1608 Markgraf von Mähren, 1575-1608 Römisch-deutscher König und ab 1576 Kaiser des Heiligen Römischen Reichs. Er regierte also gleichzeitig das HRR und die Königreiche Ungarn und Böhmen. Genau das spiegelt sich im Wappen wider: Die Basis bildet der schwarze, golden bewehrte und rotgezungte Doppeladler des Reiches, mit der oben zwischen den Häuptern schwebenden Krone. Dem Adler ist ein gevierter Brustschild aufgelegt, der allerdings sehr fehlerbehaftet ist. Es ist zu erkennen, daß dieser Schild aus den Symbolen für das Königreich Böhmen und das Königreich Ungarn geviert sein soll. Doch erstens stimmen die Farben nicht, und zweitens wurde unterschlagen, daß es bei diesem Kaiser darauf noch weitergeht.
In korrekter Fassung würde das so aussehen: Brustschild geviert, Feld 1 und 4: in Rot ein gekrönter silberner Löwe mit doppeltem Schwanz (Königreich Böhmen), Feld 2 und 3: siebenmal rot-silbern geteilt (Königreich Ungarn, Alt-Ungarn), und darauf mindestens als Herzschild in Rot ein silberner Balken (Erzherzogtum Österreich). Ein solches Wappen gibt es zum Vergleich im Linzer Schloß in der Durchfahrt des ehemaligen Kapellentraktes, mit dem Erzherzogshut auf dem oberen Rand des Hauptschildes. Das wäre das Minimum vom Aufbau her, natürlich hätte dieser Kaiser noch viel mehr Inhalte führen können, so ist auch ein dreischichtiger Aufbau denkbar, mit weiteren Inhalten in der Zwischenebene und dem genealogischen Schildchen ganz oben. Nur wie hier ohne jeden genealogischen Schild in der Mitte ist es zu wenig, um ausreichend zu sein.
In den beiden Fängen des Adlers sind zwei Schilde mit dem Schweinfurter Stadtwappen angebracht, in Blau ein silberner Adler. Das ist aus heutiger Sicht korrekt, aber nicht unbedingt im Jahre 1590. Schweinfurt, das schon vor 1234 Stadtrechte erworben hatte, bekam von König Rudolf von Habsburg im Jahre 1282 die Reichsfreiheit bestätigt. Die ältesten Stadtsiegel zeigen den einköpfigen Adler, zuerst belegt auf einem Abdruck des Stadtsiegels aus dem Jahre 1309. Wie bei anderen Reichsstädten auch darf für Schweinfurt mit einer gewissen Plausibilität angenommen werden, daß dieser Adler schwarz auf goldenem Feld war. Das änderte sich mehrfach. Farbige Abbildungen des Stadtwappens gibt es erst aus dem späten 15. Jh., dort ist in Schwarz ein silberner Adler zu sehen. Später ist es in Silber ein schwarzer Adler. In Gold ein schwarzer Adler kommt auch vor. Es gibt sogar die Variante: in Violett ein silberner Adler, nicht ernst zu nehmen, aber eine historische Abbildung, die die Vielfalt vermehrt. Tatsache ist, daß es völlig unbekannt ist, welche Farben damals wirklich geführt wurden. Erst 1771, also 181 Jahre nach diesem Wappenstein, taucht die Farbgebung mit einem silbernen Adler in blauem Feld auf. Ein Ratsprotokoll von 1773 bestätigt sie als korrekte Stadtfarben.
Nach dem Absinken Schweinfurts in die provinzielle Bedeutungslosigkeit wurde der Bau im 19. Jh. als Kaserne genutzt. Schließlich kaufte der Schweinfurter Industrielle Wilhelm Sattler das Gebäude, und er ließ ein paar Erweiterungsbauten anfügen. Er produzierte und vertrieb u. a. den Farbstoff "Schweinfurter Grün" neben anderen Farbpigmenten. Dann kam das ehemalige Zeughaus 1935 an die Familie Helferich, und 1940 hielt die Zeitung Schweinfurter Tagblatt hier Einzug; die Zeitung kam später zur Mediengruppe Main-Post, die bis 2009 blieb. Die Stadt kaufte es 2010, riß alle modernen Zubauten ab, schälte wieder den Ursprungsbau heraus und renovierte 2013-2014 das Gebäude vollständig, und auch das komplette platzartige Umfeld wurde mit neuer Pflasterung und Treppenkanten neu gestaltet. Seit 2015 dient das Zeughaus als "Haus der Familien", als Begegnungs- und pädagogische Betreuungsstätte für Kinder und Jugendliche sowie für Eltern mit Defiziten und Nachholbedarf in der Erziehungskompetenz. Im Inneren beeindrucken die alten Holzunterzüge der Decken. Das geschmacklich fragwürdige Grün der Wände erinnert an das Schweinfurter Grün, das giftige und krebserregende Kupfer (II)-arsenit-acetat, das bereits 1882 in Deutschland verboten wurde.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@50.0458875,10.2297895,20z - https://www.google.de/maps/@50.0458875,10.2297895,81m/data=!3m1!1e3
Zeughaus in Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Zeughaus_(Schweinfurt)
Webseite der Stadt: https://www.schweinfurt.de/kultur-event/sehenswuerdigkeiten/780.Zeughaus.html
Zeughaus im Schweinfurtführer von Peter Hofmann: https://www.schweinfurtfuehrer.de/sehenswertes/das-zeughaus/ - und alte Ansichten: https://www.schweinfurtfuehrer.de/alte-stadtansichten-und-infos/zeughaus/
Wappen der Stadt Schweinfurt: https://www.hdbg.eu/gemeinden/index.php/detail?rschl=9662000
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