Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2998
Schweinfurt (Unterfranken)

Bauschenturm und ehem. Bauschenhaus

Etwas versteckt sind die hier vorgestellten, nicht zugeordneten Wappensteine: Der eine ist über dem Turmportal des Bauschenturms angebracht, denn man findet, wenn man auf der Südseite des Roßmarkts eine Passage durchschreitet und in einen Hof kommt. Der andere ist im Hof seitlich angebracht. Das Haus samt polygonalem Treppenturm wurde 1614 von Dr. Leonhard Bausch (1574-1636), Stadtphysikus und Stadtrat, erbaut. 1648-1650 war das Haus Quartier des schwedischen Generalfeldmarschalls Karl Gustav Wrangel. 1649 diente es kurzfristig dem Generalissimus Karl Gustav von Pfalz-Zweibrücken als Residenz, der später als Karl X. den schwedischen Thron bestieg. Nach dem Ende des Krieges ließ Johann Lorenz Bausch einen Inschriftenstein anbringen, auf dem zu lesen ist: "D(EO). T(ER). O(PTIMO). M(AXIMO). / LAVS ET GLORIA / PACE POPVLO CHRIS-/TIANO PARTA / QVIETE IMPERIOROM (sic!) / RESTITVTA / IVBILAEO OB ID SVIN/FVRTI ACTO / A(NN)O S(ALVTIS) M D C L AVG(VSTI) XIX / MEMOR(IA). ET GRAT(IA). ERGO / IOH(ANNES). LAVR(ENTIUS). BAVSCH. M(EDICINAE) D(OCTOR) / M(ONVMENTVM). P(ONERE). C(VRAVIT)." - dem dreieinigen allerhöchsten Gott sei Lob und Preis, nachdem der Friede für das christliche Volk errungen worden ist, nachdem die Ruhe der Länder wiederhergestellt worden ist, nachdem deswegen in Schweinfurt eine Jubelfeier am 19. August im Jahre des Heils 1650 veranstaltet worden ist, hat Johann Lorenz Bausch, Doktor der Medizin, zur Erinnerung und aus Dankbarkeit diesen Erinnerungsstein setzen lassen. Er befindet sich heute über dem hofseitigen Portal der Passage.

 

Dieser Schweinfurter Stadtphysicus (seit 1636) und Stadtrat Johann Lorenz Bausch (30.9.1605-17.11.1665), 1650 an der nürnbergischen Universität Altdorf promoviert, gründete genau hier am 1.1.1652 gemeinsam mit drei weiteren Schweinfurter Ärzten (Dr. Michael Fehr, Dr. Georg Balthasar Metzger und Dr. Georg Balthasar Wohlfahrt) die Academia Imperialis Leopoldina Naturae Curiosorum, die heutige Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina, die älteste naturwissenschaftlich-medizinische Gelehrtengesellschaft im deutschsprachigen Kulturraum, seit 1878 in Halle ansässig und seit 2008 Nationale Akademie der Wissenschaften. Er wurde ihr erster Präsident und blieb es bis ans Lebensende.

Das Wappen der Schweinfurter Familie Bausch wird beschrieben im Siebmacher Band: Bg3 Seite: 19 Tafel: 21 sowie Band: Bg3 Seite: 75 Tafel: 81. Dort wird angegeben: Gespalten, rechts fünf (2:1:2) Lilien, links drei Balken, Helmzier ein wie der Schild belegter Flug. Die Tinkturen sind nicht überliefert. Das Wappen wird so auf einem Portrait des Leopoldina-Gründers wiedergegeben, nach diesem erfolgte die Aufnahme in den Siebmacher. Es ist nicht identisch mit dem hier vorgefundenen Wappen.

Das Wappen am Turm ist auf 1615 datiert und zeigt eine Männerbüste mit einer Binde um den Kopf mit abflatternden Enden, auf dem Helm das Schildbild wachsend. Ein zweites Wappen ist im Hof seitlich als Spolie montiert, ebenfalls auf 1615 datiert, ein Buch mit Totenschädel darauf, aus dem drei Rosen wachsen, Helmzier die drei gestielten und beblätterten Rosen. Die Zuordnung beider Wappen ist völlig offen, wie oben dargelegt, ist keines von beiden das Wappen Bausch, auch wenn der bauliche Zusammenhang das hätte vermuten lassen. Vermutlich handelt es sich um Kriegsspolien, Fragmente aus anderem Kontext (Hinweise willkommen). Beide Wappen sind von der Gestaltung her sehr ähnlich, es wurde exakt der gleiche Schmuckkranz außenherum verwendet, die Helmdecken sind ganz ähnlich aufgebaut etc., so daß vermutet werden darf, daß beide Wappen früher einen Kontext bildeten und vom selben Handwerker stammen.

Die Wappen stehen auch in keinerlei Zusammenhang mit der Leopoldina. Denn erstens tragen beide Wappensteine die Jahreszahl 1615, und die Leopoldina wurde erst 37 Jahre später gegründet. Und zweitens führt die Leopoldina als Wappen ein aufgeklapptes Buch mit den Worten "NUN-/QUAM / OTI-/OSUS" (niemals müßig) auf der linken Seite und einer Strahlensonne und einem Auge auf der rechten Seite, darunter ein Ring, um den sich zwei Schlangen winden, darüber auf einer Krone ein auffliegender gekrönter Adler. Buch und Schlangenring waren früher von einem Wappenschild umschlossen, heute wird das Symbol ohne diesen benutzt, und so ist es über dem Eingang des Hauptgebäudes in Halle bauplastisch zu sehen. Die Leopoldina erhielt 1672 die Bestätigung durch Kaiser Leopold I., aber erst 1677 wurde die entsprechende Urkunde ausgestellt, und darin wurde auch erst das Wappen verliehen, also 62 Jahre nach diesen Wappensteinen. Im Hof erinnert aber eine Plakette an die Gründung, dort ist auch das Leopoldina-Wappen aufgedruckt.

Später kam das Anwesen in den Besitz der Familie von Segnitz. 1820 wurde das Haus von Familie Georg Sebastian Hoffmann erworben, einem Farbenfabrikanten. 1878 erfolgte ein Umbau im Neorenaissance-Stil. Im Jahre 1939 noch renoviert, wurde alles bis auf den Bauschenturm 1944 zerstört. Die Erben Hoffmanns bauten das Haus 1948 wieder modern als Geschäftshaus auf. Der Bauschenturm, der als einziges die Kriegszerstörung unbeschadet überlebt hat, wurde 1951 renoviert und 2004 für 60000 € erneut saniert. Eigentümer ist die Hoffmann-Erben GbR.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@50.0438049,10.2305173,20z - https://www.google.de/maps/@50.0438579,10.2305237,44m/data=!3m1!1e3
Leopoldina in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Akademie_der_Naturforscher_Leopoldina
Johann Lorenz Bausch in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Lorenz_Bausch
Biographie des Johann Lorenz Bausch:
http://www-gewi.uni-graz.at/cocoon/barch/get?pid=wissg-b-071-272
Bauschenturm auf den Seiten des Schweinfurtführers von Peter Hofmann:
https://www.schweinfurtfuehrer.de/sehenswertes/der-bauschenturm/
Bauschenturm:
https://bayern-online.de/schweinfurt/erleben/sehenswuerdigkeiten/baudenkmaeler/bauschenturm/
Bauschenturm:
https://www.schweinfurt.de/kultur-event/sehenswuerdigkeiten/774.Bauschenturm.html
Artikel in der Mainpost vom 19.8.2004:
https://www.mainpost.de/regional/schweinfurt/wo-die-leopoldina-gegruendet-wurde-bauschenturm-komplett-saniert-art-2771180
Johann Lorenz Bausch im Schweinfurtführer von Peter Hofmann:
https://www.schweinfurtfuehrer.de/persönlichkeiten/bedeutende-bürgerinnen-und-bürger-der-freien-reichsstadt-schweinfurt/johann-lorenz-bausch/

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