Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2905
Rödelsee (Landkreis Kitzingen)

Der Casteller Amtshof in Rödelsee

Das Dorf Rödelsee war eine Ganerbschaft, bei der sich mehrere Parteien den Grundbesitz und die Dorfherrschaft teilten: Die Grafen von Castell-Rüdenhausen, das Hochstift Würzburg, die Freiherren von Crailsheim und das Zisterzienserkloster Ebrach. Jeder Ganerbe hatte sein eigenes Gebäude zur Ausübung seiner Rechte, Wahrung seiner Interessen und Einnahme der Abgaben. Für die Grafen von Castell war es das ehemalige Amtshaus (An den Kirchen 14) in der Ortsmitte nahe der Kirche. Es handelt sich um einen zweigeschossigen traufständigen Satteldachbau mit Eckquaderung und mit geohrten Fensterrahmungen; links in der Front führt eine rundbogige Tordurchfahrt in den Innenhof. Das Obergeschoß besitzt acht Doppelfenster, das Erdgeschoß vier und ein Einzelfenster. Der westliche (rechte) Teil des Hauses ist der älteste Gebäudeabschnitt, vermutlich schon vor 1600 im Stil der Renaissance entstanden. Im Jahre 1648 gab es eine weitere Baumaßnahme, wir finden die Datierung am Portal. Und Anfang des 18. Jh. wurde das Gebäude erneut umgebaut, und bei dieser Gelegenheit wurde das Schmuckportal eingebaut. Deutlich sieht man die Unterbrechung im Horizontalgesims, das in diesem Teilstück abgeschlagen wurde, um dem Wappenstein Platz zu machen. In einer dritten Bauphase kam der Ostbau hinzu, wurde aber dem Bestand gestalterisch angeglichen.

Im gegenwärtigen Zustand hat die Inschrift über dem Portal folgenden Wortlaut: "ASPIRANTE IEHCVAE GRATIA / SVB IOHANNE FRIDERICO CASTELLANO / PIETATIS AEOVITATIS IVSTITIAE STATVRE STRENVO / HAS CAVPONAS INTER IPSOS BELLI STREPITVS EXTRV/ERE INCHOABAT NICOLAVS ROETER / EASOVE POSTEA ANNO PACIS INTER POTENTIORES / EVROPAE STATVS INITAE FINIEBAT / GEORGIVS CHRISTOPHORVS ROESCHELIVS". Bei der letzten Restaurierung sind durch den Maler offensichtlich ein paar Buchstaben durch andere ersetzt worden, z. B. muß es "IEHOVAE" heißen und nicht "IEHCVAE", und es muß "AEQVITATIS" heißen, nicht "AEOVITATIS", ebenso "EASQVE" statt "EASOVE". Frei übersetzt ergibt das: In Erwartung der Gnade Gottes, unter Johann Friedrich von Castell, der sich tatkräftig für Frömmigkeit, ausgewogenes Recht, Gerechtigkeit einsetzt, begann Nikolaus Röder unter dem Getöse des Krieges, diese Schenkstätte zu errichten, und Georg Christoph Röschel beendigte ihren angefangenen Zustand nach dem Jahr des Friedens zwischen den Machthabern Europas.

Das Wappen der Grafen von Castell ist geviert von Rot und Silber, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein hermelingestulpter, silbern-rot gevierter hoher Hut, an der golden gekrönten Spitze mit einem Pfauenstoß besteckt. Dieses klassische Kleinod ist hier im unteren Teil zu einer Art Fürstenhut umgeformt worden, was heraldisch nicht lege artis ist. Klassisch wäre auch ein naturfarbener, d. h. grüner Pfauenfederbusch an der oberen Spitze, hier ist sattdessen eine rote Feder zwischen zwei silbernen gewählt worden. Auch die Quadrierung des Schafts ist hier falsch rot-golden mit schwarzen Bordierungen; sie müßte vielmehr rot-silbern sein. Ebenso ist das goldene Nachziehen der Quadrierung im Schild heraldisch nicht korrekt. Die Helmdecke ist unter dem Hermelinstulp golden angestrichen und in den restlichen Bereichen gar nicht, auch das ist eine wenig sinnvolle Fassung im derzeitigen Zustand.

Seit 1202 führt die Familie den Grafentitel. Die Grafschaft Castell wurde 1546 zwischen den Grafen Konrad und Georg geteilt in Castell-Castell und Castell-Rüdenhausen, während Graf Heinrich im mütterlichen Erbe, dem ehemals wertheimischen Remlingen eine dritte Linie etablierte und dort ein neues Schloß errichtete. Die Linien in Castell und in Remlingen erloschen mit der Gründergeneration. 1597 wurde erneut unter den Söhnen Georgs aufgeteilt, diesmal in zwei Teile: Rüdenhausen und Remlingen. Rödelsee gehörte zum Teil Castell-Rüdenhausen. Die Grafschaft hatte eine komplizierte Stellung, einerseits war sie ein Lehen des Hochstifts Würzburg, andererseits konnte sie sich ihre Reichsstandschaft erhalten und ging mit der Einführung der lutherischen Lehre 1559 auf konfessionelle Distanz zu Würzburg.

Als dieses Portal mit der Inschrift in das Gebäude eingefügt wurde, war der inschriftlich genannte Johann Friedrich Graf von Castell-Rüdenhausen (6.2.1675-23.6.1749) Landesherr. Er war der Sohn von Philipp Gottfried Graf von Castell-Rüdenhausen (11.11.1641-11.6.1681) und Anna Sybilla Florentina Wild- und Rheingräfin zu Dhaun (29.9.1648-12.3.1685), und er regierte 1681-1749, bis 1692 noch unter Vormundschaft. 1721 trat er als Landhofmeister in die Dienste der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach. Seit 1732 war er kaiserlicher Geheimrat. 1729-1731 hatte er den Vorsitz des fränkischen Grafenkollegiums. Er lebte im Schloß Rüdenhausen, und dort wurde er in der von ihm selbst neu erbauten Kirche St. Peter und Paul bestattet (dort ist auch sein Epitaph). Graf Johann Friedrich war insgesamt fünfmal verheiratet, 1.) am 3.2.1695 mit seiner Cousine Gräfin Charlotte Juliane zu Castell-Remlingen (14.9.1670-5.2.1696), 2.) am 5.8.1696 mit Gräfin Charlotte Luise zu Hohenlohe-Neuenstein-Oehringen (4.9.1671-1.6.1697), 3.) am 22.2.1699 mit Katharina Hedwig Gräfin zu Rantzau (8.6.1683-12.3.1743), 4.) am 19.7.1743 mit Eleonore Christiane zu Hohenlohe-Neuenstein-Oehringen (1.3.1720-17.2.1746) und 5.) am 23.2.1747 mit Magdalena Dorothea zu Hohenlohe-Langenburg-Ingelfingen (9.9.1705-18.4.1762). Der Sohn aus der vierten Ehe folgte als regierender Graf nach, das war Friedrich Ludwig Carl Christian Graf von Castell-Rüdenhausen (17.2.1746-7.2.1803).

Ein weiterer Wappenschild der Grafen von Castell ist am Scheitelpunkt des großen Torbogens linkerhand (im östlichen Teil) angebracht, nüchtern und ohne zusätzliche Gestaltungselemente. Die Linie Castell-Rüdenhausen erlosch 1803 mit dem oben genannten Graf Friedrich Ludwig Carl Christian, der in geistiger Umnachtung starb; sein einziger Sohn war nur einen Monat alt geworden. Übrig war nur noch die Linie Castell-Remlingen. Von dieser aus wurden die Linien Neu-Castell-Castell und Neu-Castell-Rüdenhausen durch mehrere Brüder neu gegründet, so daß es wieder drei Linien des Hauses Castell gab. Die Linie Castell-Remlingen ist mittlerweile erloschen, die beiden anderen Linien blühen auf ihren Stammgütern.

Interessant ist, daß die Inschrift von "Cauponas" schreibt, mit Caupona = Schenke. Das heißt, daß das von Anfang an nicht nur ein reiner Zehnt- und Amtshof war, sondern auch seit dem 17. Jh. eine Schankstube (Gastwirtschaft) enthielt. Die eigentliche Gaststätte bestand im ältesten Teil. Von 1685 bis 1803 saß im Haus ein Castellscher Amtschultheiß und danach ein Lehenschultheiß des Hauses Castell, und diese waren auch Besitzer des Gasthofes. Damit ist dieses Haus das älteste Gasthaus der Gemeinde. Der Krieg, von dem hier die Rede ist, ist der Spanische Erbfolgekrieg (1701-1714), und das erlaubt die Datierung des Portals auf einen entsprechenden Umbau um 1714, vor 1714 unter Nikolaus Röder, nach 1714 .unter Georg Christophorus Röschel.

 

Seitlich sind zwei nach außen gebogene Mohren auf Akanthuskonsolen gestellt. Sie sind nach damals gängigem Mohren-Klischee gestaltet mit dicken Lippen, goldenen Ohrringen, Halsreif und vegetabilem Lendenschurz. Beide halten nach außen gedrehte Schildkartuschen mit den Wappen der aufeinander folgenden Erbauer, den Wirten Nikolaus Röder ("NICOLAVS ROETER", ein doppelschwänziger Löwe) und Georg Christophorus Röschel ("CHRISTOPHORUS", geteilt, oben ein aus der Teilung wachsender Mann, der einen Stab über die rechte Schulter legt, die Linke eingestemmt, unten ein Schildchen mit aufrechtem Pilgerstab beseitet von zwei einwärts gekrümmten Krummstäben). Die Tingierung kann nicht verifziert werden; die Wappen fehlen in den einschlägigen Sammlungen.

Bis ins 19. Jh. wurde das Gebäude als Amtssitz der Grafen von Castell-Rüdenhausen genutzt. Innen sind noch die sogenannte Grafenstube und die Knechtskammer daneben erhalten. Als Betreiber der Gastwirtschaft folgten die Familien Geißendörfer und Stier. 1880 wurde das Gebäude an Privat verkauft, aber weiter als Gastwirtschaft geführt. Im Jahr 2000 wurde das mittlerweile stark heruntergekommene Gebäude von der Gemeinde Rödelsee erworben und 2003-2004 tiefgreifend renoviert. Am 17.6. 2004 wurde von der Familie Goldmann das Restaurant Löwenhof im traditionsreichen Haus eröffnet. Das Gebäude selbst ist nach wie vor im Gemeindeeigentum.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.7284342,10.244175,21z - https://www.google.de/maps/@49.7284342,10.244175,42m/data=!3m1!1e3
Castellsches Amtshaus in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Castellsches_Amtshaus
Löwenhof:
https://www.loewenhof-roedelsee.de/ - Geschichte: https://www.loewenhof-roedelsee.de/die-wirtsleut-und-es-personal/geschichte-des-löwenhofs/
Kulturpfad Castell:
http://www.kulturpfad-grafen-castell.de/html/body_roedelsee.html
Graf Johann Friedrich von Castell auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Friedrich_zu_Castell-Rüdenhausen
Graf Johann Friedrich von Castell im Würzburg-Wiki:
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Johann_Friedrich_zu_Castell-Rüdenhausen
Grafen von Castell in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Castell_(Adelsgeschlecht)
Grafschaft Castell auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Grafschaft_Castell
Stammliste der Grafen von Castell:
https://de.wikipedia.org/wiki/Stammliste_von_Castell

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