Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2904
Rödelsee (Landkreis Kitzingen)

Der Ebracher Hof in Rödelsee

Der Ebracher Hof war der Verwaltungssitz eines der Grundbesitzer und Herrschaftsinhaber im Ort, des Klosters Ebrach. Die anderen Ortsherren des als Ganerbenbesitz organisierten Dorfes Rödelsee waren die Grafen von Castell-Rüdenhausen, das Hochstift Würzburg und  die Freiherren von Crailsheim. Jeder dieser Ortsherren hatte seinen eigenen Hof zur Verwaltung seiner Interessen und zur Ausübung seiner Rechte über das Dorf und zur Lagerung der Naturalienabgaben. Der langgestreckte Bau des Ebracher Klosterhofs besitzt an seiner linken (westlichen) Schmalseite einen Schweifgiebel mit zahlreichen Voluten und kleinen Obelisken an den äußeren Fortsetzungen der drei horizontal gliedernden Gesimse. Im Giebel gibt es nur ein einziges flachovales Fenster. Die Wand unter dem Giebel ist hinsichtlich der Fenster deutlich unterrepräsentiert. Die Längsfront des Gebäudes weist hingegen zehn Fenster im Obergeschoß auf und im Erdgeschoß drei Portale mit Freitreppe und sieben Fenster, wobei die Abstände sehr unterschiedlich sind; einige Fenster sind gekoppelt. Das Gebäude wird heute teilweise als Kindergarten und teilweise als Privathaus genutzt.

Das linke Portal trägt Inschriften und Wappenschmuck. Auf der Zwischenfläche zwischen der profilierten Portalumrandung und dem gesprengten Dreiecksgiebel steht zu lesen: "SUB AUSPICIIS / R(EVEREN)D(I)S(SI)MI ET AMPLISSIMI D(OMI)NI D(OMINI) PAULI ABBAT(IS) B(EATAE) M(ARIA) V(IRGINIS) DE EBRACO SACRI ORDINIS / CISTERCIENSIS PER FRANCONIAM VICARII GENERALIS ET PRIMATIS HAE AEDES SUNT / EXTRUCTAE ANNO 1712". Tiefer steht direkt auf dem Türsturz ein Renovierungsvermerk in anderem Schrifttypus: "RENOVATAE ANNO 1752". Der Anfang des 17. Jh. als Zehnthof errichtete Ebracher Hof wurde 1712 von Abt Paulus Baumann barock erneuert und 1752 noch einmal unter Abt Hieronymus II. Held renoviert. Aus der Zeit um 1712 haben sich im Obergeschoß noch einige Stuckdecken erhalten.

In die Lücke des Sprenggiebels eingefügt ist das Wappen des Ebracher Abtes Paulus Baumann. Es besteht aus zwei separaten, zusammengestellten Ovalkartuschen. Die heraldisch rechte trägt das allgemeine Zisterzienserwappen, in Schwarz ein rot-silbern in zwei Reihen geschachter Schrägbalken. Die andere Kartusche trägt das persönliche Wappensymbol des Abtes, auf einem Hügel stehend ein barhäuptiger Mann mit einem Stift (oder Zirkel?) in der erhobenen Rechten und einem Richtdreieck in der gesenkten Linken, einen Baumeister = "Bau-Mann" mit typischem Handwerkszeug darstellend und damit ein redendes Symbol für den bürgerlichen Abt des Familiennamens Baumann. Die korrekten heraldischen Tinkturen sind nicht bekannt. Auf der Kartusche trägt vor einer Muschelnische ein geflügelter Engelskopf die Inful mit seitlich abflatternden Bändern, und hinter dem Wappen sind zwei Krummstäbe mit den Krümmen auswärts schräggekreuzt. Akanthusblätter füllen die dreieckigen seitlichen Zwickel des Giebelfeldes aus.

Es gibt ein weiteres Wappen dieses Abtes am Elgersheimer Hof. Dort sind die beiden Komponenten in einem gespaltenen Schild vereinigt. Der Baumeister trägt in der erhobenen Rechten ein gestürztes Dreieck, möglicherweise einen Stechzirkel darstellend. In der anderen Hand trägt er wie hier ein Richtdreieck, doch ohne das mittig herabhängende Lot, das man hier in Rödelsee gut erkennen kann. Das Wappen am Elgersheimer Hof ist ebenfalls auf 1712 datiert wie das hiesige auch.

Paulus II. Baumann (4.9.1644-1.4.1725) stammte aus Würzburg. Über seinen familiären Hintergrund ist nichts bekannt. Er trat am 20.8.1663 ins Kloster ein und legte die ewige Profeß ab. Im Jahre 1670 muß er die Priesterweihe empfangen haben, denn am 9.11.1670 feierte er seine Primiz. Er leitete zeitweise das Amt in Sulzheim, dann das Amt in Mönchhermsdorf. In der Klosterhierarchie stieg er erst zum Bursarius und dann zum Kanzleidirektor auf. Am 11.12.1702 wurde er zum 45. Abt der Klostergeschichte gewählt. Am 13.1.1703 bestätigte Nikolaus Larcher, Abt von Citeaux und Generalabt des Zisterzienserordens, die Wahl. Am 15.1.1703 ernannte der selbe Nikolaus Larcher Abt Paulus zum Generalvikar und Visitator des Zisterzienserordens für die Provinz Franken; diese Titel werden in der obigen Inschrift erwähnt. Abt Paulus amtierte bis zum 26.8.1714. Zu seinen Leistungen gehört die Erneuerung der Klosterhöfe in Würzburg, Weyer (Gochsheim), Waldschwind und hier in Rödelsee. Er blieb nicht bis zum Ende im Amt, sondern resignierte aus Gesundheitsgründen.

Zur Übersicht ein Ausschnitt aus der Ebracher Äbteliste unter Hervorhebung des hier mit einem bauplastischen Wappen vertretenen Abtes:

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.7280802,10.2460131,20z - https://www.google.de/maps/@49.728054,10.2460156,54m/data=!3m1!1e3
Gerd Zimmermann: Ebrach, in: Wolfgang Brückner, Jürgen Lenssen (Hrsg.): Zisterzienser in Franken, das alte Bistum Würzburg und seine einstigen Zisterzen, Kirche, Kunst und Kultur in Franken Bd. 2, Würzburg 1991
Wigand Weigand, Anton Ruland: Geschichte der Fränkischen Cisterienser Abtei Ebrach, Krüll, 1834, 142 S., online:
https://books.google.de/books?id=nv1EAAAAYAAJ und https://books.google.de/books?id=qhkFAAAAcAAJ
Hildegard Weiss: Die Zisterzienserabtei Ebrach, eine Untersuchung zur Grundherrschaft, Gerichtsherrschaft und Dorfgemeinde im fränkischen Raum (Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte), Lucius & Lucius Verlag, 1962, ISBN-10: 3828250564, ISBN-13: 978-3828250567, 147 S.
https://books.google.de/books?id=7u4FXtkoG-QC
Wigand Weigand, Anton Ruland: Geschichte der Fränkischen Cisterienser Abtei Ebrach, Krüll, 1834, 142 S.
https://books.google.de/books?id=qhkFAAAAcAAJ - https://books.google.de/books?id=nv1EAAAAYAAJ
Elke Goez: Das Zisterzienserkloster Ebrach in seiner fränkischen Umwelt, Sonderdruck aus dem 98. Jahrbuch des Historischen Vereins für Mittelfranken 1996/99
www.mgh-bibliothek.de/dokumente/b/b044741.pdf
Liste der Ebracher Äbte:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Äbte_von_Ebrach
Abt Paulus Baumann:
https://de.wikipedia.org/wiki/Paulus_II._Baumann
Rödelsee auf den Seiten des Kulturpfades Castell:
http://www.kulturpfad-grafen-castell.de/html/body_roedelsee.html
Ebracher Hof in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ebracher_Hof_(Rödelsee)
Abt Paulus Baumann im Würzburg-Wiki:
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Paulus_II._Baumann
Äbteliste von Ebrach:
http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Ebrach/Äbteliste

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