Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2900
Sommerach (Landkreis Kitzingen)

Das Schwarzacher Zehnthof

In der Nähe des Schwarzacher Tors und gegenüber dem Schultheißenhaus befindet sich auf der Ostseite der Hauptstraße der ehemalige Schwarzacher Zehnthof (Hauptstraße 20). Er besteht aus einem älteren Teil im Süden und einem jüngeren Teil im Norden; insgesamt einer der größten Gebäudekomplexe im historischen Ortskern. Nach Osten besteht ein Verbindungsgang zu einer Rundkapelle mit verschieferter geschweifter Haube (Bartholomäuskapelle, heute profaniert). Beide Flügel sind zweigeschossige Satteldachbauten. Den Anfang machte ein erstes Gebäude 1607, das 1682 erweitert wurde, und 1751 folgte die zweite Erweiterung. Im Barock wurde auch der ältere Flügel überformt, so daß wir auch dort die geohrten Fensterrahmungen aus dem 18. Jh. finden. Zur Straße hin gibt es einen weiteren, eingeschossigen Trakt. Der Hof, ehemals Münsterschwarzacher Klosterhof, in dem die Abtei als Inhaber der Dorfherrschaft die Naturalabgaben sammelte und aufbewahrte, ist heute das Weingut Zehnthof mit Weinverkauf und Gastronomie, geführt von Inhaber Tobias Weickert. Im historischen Gebäude gibt es sogar Ferienwohnungen.

Der ältere Wappenstein ist derjenige, der hofseitig am quer zur Straße stehenden Südflügel angebracht ist. Der Stein ist auf 1682 datiert und gehört zu dem Münsterschwarzacher Abt Plazidus Büchs (21.11.1627-1.1.1691). Dieser stammte aus Münnerstadt, war der Sohn von Petrus Büchs und dessen Frau Anna, und er wuchs als Martin Büchs auf. Er trat 1645 ins Kloster ein. Die Profeß legte er am 1.1.1647 ab. Zunächst war er 1654-1658 Seelsorger in Stadelschwarzach. In dieser Zeit war er im Kloster Subprior. Danach wurde er im Kloster 1658-1663 Cellerarius. 1663-1666 war er Pfarrer in Wiesentheid, 1666-1672 war er Pfarrer in Sommerach. Seine Wahl zum Abt erfolgte am 15.9.1672, die Benediktion am 30.4.1673. Er war nicht der Wunschkandidat des Würzburger Fürstbischofs, aber der Konvent entschied sich nach dreitägigen Beratungen und Verhandlungen überraschend dennoch für ihn. Seine wichtigsten Handlungen waren die Erneuerung der Klosterdörfer, die im Dreißigjährigen Krieg gelitten hatten. Er amtierte als Abt 1672-1691.

Der Wappenschild ist durch eine eingebogene Spitze in drei Felder geteilt und trägt darauf noch einen Herzschild. Die drei Felder des Hauptschildes stellen alle Komponenten des Klosterwappens dar, wie es heute noch von der Abtei geführt wird, Feld 1 (oben rechts): in Blau ein goldener, hersehender Löwenkopf (Löwenmaske, Leopardenkopf), der in die Spitze eines erniedrigten goldenen Sparrens beißt, das apokryphe Wappen für die Mattonen, bzw. die diesem ostfränkischen Geschlecht entsprossenen Grafen von Rothenburg-Comburg, Feld 2 (oben links): in neunmal blau-silbern geteiltem Feld ein golden gekrönter Adler in verwechselten Farben, das apokryphe Wappen für den Würzburger Bischof Adalbero von Lambach-Wels, Feld 3 (unten): in Blau schräggekreuzt zwei goldene Abtsstäbe mit abflatterndem Sudarium, der Hinweis auf die beiden Klöster, aus denen die Abtei Münsterschwarzach hervorgegangen ist. Der Herzschild zeigt das redende Wappen des Abtes Plazidus Büchs, zwei schräggekreuzte Büchsen (Gewehre), deren Tinkturen nicht überliefert sind. Oben in der Mitte trägt ein Engelskopf eine Inful. Die beiden äußeren Helme tragen die beiden Kleinode der Klosterwappen, der rechte Helm trägt als Kleinod zu blau-goldenen Decken einen auffliegenden, rotbewehrten und silbernen Vogel (zu Feld 1), der linke Helm zu blau-silbernen Decken den Adler aus Feld 2. Das persönliche Wappen des Abtes ist hier nicht mit einer eigenen Helmzier vertreten. Rechts und links ragen hinter den äußeren Helmdecken die beiden Krummstäbe mit einwärts geöffneter Krümme heraus. Die Geschichte der Motive wird eingehender beim Schultheißenhaus geschildert.

Der gesamte obere Teil dieses Wappensteins war offensichtlich stark verwittert und wurde sehr grob und ohne Verständnis für Heraldik nachgearbeitet, nur wer noch nie ein Wappen gesehen hat, kann aus zwei verwitterten Helmen diese "Stielquasten" herausschälen, die wir hier sehen, und auch die Krummstäbe könnten die Interpretation eines Dreijährigen sein. Der Kopf des Adlers auf Helm 2 fehlt. Die Inful war früher sicher einmal verziert. Zum Glück ist die untere Hälfte mit allen wichtigen Schildinhalten einwandfrei erhalten.

An dieses ältere Gebäude schließt sich im Norden ein zweistöckiger, spätbarocker Flügel an, der auf das Jahr 1751 datiert ist. Der Trakt ist sieben Fensterachsen breit und besitzt ein Portal in der Mittelachse, über dem der nachfolgende Wappenstein angebracht ist. Dieser gehört zu dem Münsterschwarzacher Abt Christophorus Balbus (27.5.1702-22.7.1766). Dieser stammte aus Volkach und wuchs als Johann Albert Balbus auf. Er war der Sohn von Johann Peter Balbus, Würzburger Amtskeller und Kirchbergpfleger in Volkach, und dessen Frau, Maria Walpurga Knapp. Sein Vater gehörte zu den wohlhabendsten Personen in Volkach. Johann Albert Balbus hatte 17 ältere Geschwister. Seinem Bruder Johann Wilderich Balbus begegnen wir im Zisterzienserkloster Bronnbach, wo er unter dem Namen Ambrosius Abt wurde und dort mit seinem Wappen an der Orangerie vertreten ist. Johann Albert Balbus trat 1721 ins Kloster ein und legte seine Profeß 1722 ab. Er erhielt die Priesterweihe am 29.3.1727 Seien Wahl zum Abt erfolgte am 19.6.1742, die Benediktion am 15.7.1742. Er amtierte als Abt 1742-1761, aber er resignierte am 11.8.1761 aus gesundheitlichen Gründen, denn er hatte einen Schlagfluß erlitten. Die Initialen "C A M S" stehen für Christoph(orus) Abt (Abbas) von Münsterschwarzach.

Das Wappen dieses Abtes ist nicht nur ein für seine Rolle als Abt entwickeltes heraldisches Symbol, sondern ein echtes bürgerliches Familienwappen, das man auch andernorts findet, z. B. am Schelfenhaus in Volkach. Das Wappen Balbus zeigt in Gold zwei erniedrigte schwarze Sparren, auf dem oberen sitzend ein schwarzer Adler, auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken wachsend das Brustbild eines Mannes, die Kleidung golden-schwarz geviert. Die Tinkturen werden dabei nach Rietstap angegeben: "D'or à deux chevrons abaissés de sable, la première supportante une aigle du même. Cimier: un buste d'homme, habillé d'un écartelé d'or et de sable." Hier wurde für den Abt der Helmzier eine Inful anstelle der sonst üblichen zweifarbigen Kopfbinde aufgesetzt, das Ganze noch zwischen zwei Büffelhörner plaziert, die auch durch das Wappen seines Bruders an der Orangerie Bronnbach verifiziert sind, und um die beiden Krummstäbe der Abtei Münsterschwarzach ergänzt. Die anderen Klostersymbole und -motive finden keine Verwendung. In Bronnbach gibt es Unterschiede beim dortigen Wappen für seinen Bruder, z. B. ist dort nur ein einzelner Sparren an der Orangerie dargestellt.

Zur Übersicht ein Ausschnitt aus der Münsterschwarzacher Äbteliste unter Hervorhebung der hier mit einem bauplastischen Wappen vertretenen Äbte:

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.827764,10.2059035,20z - https://www.google.de/maps/@49.827764,10.2059035,81m/data=!3m1!1e3
Liste der Baudenkmäler in Sommerach:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkmäler_in_Sommerach
Liste der Äbte von Münsterschwarzach:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Äbtissinnen_und_Äbte_von_Münsterschwarzach
Abt Plazidus Büchs:
https://de.wikipedia.org/wiki/Plazidus_I._Büchs
Abt Christophorus Balbus:
https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Christophorus_Balbus
Franziskus Büll (Hrsg.): Magna Gratulatio, 1200 Jahre benediktinische Mönchsgemeinschaft von Münsterschwarzach 816-2016, Münsterschwarzacher Studien Bd. 55, Münsterschwarzach 2016
Kassius Hallinger: Chronologie der Äbte von Münsterschwarzach am Main (1390-1803), in: Abtei Münsterschwarzach, Arbeiten aus ihrer Geschichte, Festgabe zur Weihe der Kirche, Münsterschwarzach 1938
Rainer Kengel: Die Wappen der Äbte von Münsterschwarzach, in: Abtei Münsterschwarzach, Arbeiten aus ihrer Geschichte, Festgabe zur Weihe der Kirche, Münsterschwarzach 1938
Sommeracher Zehnthof:
https://de.wikipedia.org/wiki/Zehnthof_(Sommerach)
Webseite des Weingutes Zehnthof:
https://www.zehnthof-weickert.de/index.php?content=derzehnthof&p=31

Ortsregister - Namensregister - Regional-Index
Zurück zur Übersicht Heraldik

Home

© Copyright bzw. Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2022
Impressum