Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 2899
Sommerach (Landkreis Kitzingen)
Das Schwarzacher Schultheißenhaus
In der Nähe des Schwarzacher Tors und gegenüber dem Zehnthof befindet sich an der Westseite der Hauptstraße das ehemalige Schwarzacher Schultheißenhaus (Hauptstraße 20). Das zweistöckige, giebelständige Haus besitzt ein Sockelgeschoß mit zwei breiten Rundbogenfenstern zur Straße hin und einem kompletten Fachwerkgeschoß darüber; auch der Giebel ist zur Gänze aus Fachwerk. Der hier besprochene Wappenstein befindet sich zwischen den beiden Erdgeschoßfenstern. Die Ortsgeschichte ist von der Benediktinerabtei Münsterschwarzach geprägt, welche die Grund- und Gerichtsherrschaft im Ort hatte und die von 1306 bis zur seiner Auflösung durch die Säkularisation im Jahre 1803 die Vogtei und die Vogteirechte mit allem Zubehör innehatte. Erst hatten noch die Herren, späteren Grafen von Castell Besitz im Ort und die Vogtei inne. Graf Heinrich von Gerlachshausen, der aus dem Geschlecht der Herren von Castell stammte, verkaufte 1115 seinen Anteil an Münsterschwarzach, die Hauptlinie hatte aber weiterhin Besitzungen im Ort. 1295 wurde die Casteller Vogtei über Sommerach an die Abtei zunächst verpfändet, welche sie dann 1306 durch Kauf ganz an sich brachte.
Das Wappen ist auf das Jahr 1668 datiert. Damit ist es dem Münsterschwarzacher Abt Benedikt Weidenbusch (1632-15.8.1672) zuzuordnen. Er kam aus Königshofen im Grabfeld, war der Sohn von Johannes Weidenbusch und dessen Ehefrau Margarete Beußlein, und sein Geburtsname war Johann Christoph Weidenbusch. Getauft wurde er am 13.5.1632. In Würzburg, wo er sich am 26.11.1646 immatrikuliert hat, studierte er Rhetorik. 1648, dem Jahr der Beendigung des Dreißigjährigen Krieges, trat er als Novize ins Kloster ein. Das ist insofern von Bedeutung, als sein ganzes Klosterleben geprägt war von Wiederaufbau, Revitalisierung des Konvents und Wiederbesiedlung der dem Kloster als Grundherrn gehörenden Dörfer. Die Profeß legte er am 15.8.1649 ab; die Priesterweihe erhielt er erst 1656. Zwischenzeitlich studierte er in Bamberg Theologie. Seine Wahl zum Abt erfolgte am 22.9.1654, kurz nachdem er als Dozent der Philosophie zurück ins Kloster kam; die Bestätigung als Administrator bekam er am 19.11.1654. Wir sehen an den Daten, daß er zuerst gewählt wurde und erst zwei Jahre später zum Priester geweiht wurde, deshalb war er zunächst nur Administrator, ehe diese formale Voraussetzung zum Dasein als Abt nachgeholt wurde. Am 19.5.1656 erhielt er die Bestätigung als Abt. Er amtierte als Abt 1654-1672. Verstorben ist er in Nordheim am Main. Seine bedeutendste Leistung war der Aufbau einer eigenen Benediktinerhochschule der Abtei. Der Abt ist bekannt für seine extreme Hypochondrie, so daß er in späten Jahren wegen eingebildeter Leiden fast ständig in Behandlung und auf Kur war. Die eigentliche Todesursache war nicht irgendein großes Leiden, sondern die Folge einer Erkältung.
Der Wappenstein setzt sich aus drei einzelnen Kartuschen zusammen, die 2:1 gestellt sind und insgesamt drei Helme als Oberwappen führen. Die beiden oberen Kartuschen sind Klosterwappen, die untere Kartusche enthält das persönliche Wappensymbol des bürgerlichen Abtes. Der mittlere Helm trägt eine reich verzierte Inful, und rechts und links ragen hinter den äußeren Kartuschen die beiden Krummstäbe mit einwärts geöffneter Krümme heraus, alles Klostersymbole. Die beiden schräggekreuzten Abtsstäbe weisen auf die beiden Klöster hin, aus denen die Abtei Münsterschwarzach hervorgegangen ist, das ist zum einen das um 788 von Fastrada, der dritten Ehefrau Karls des Großen, in Münsterschwarzach gegründete Ursprungskloster, das noch ein Frauenkloster und ein Eigenkloster des karolingischen Herrscherhauses war, und zum anderen das 816 vom fränkischen Grafen Megingaud im mittelfränkischen Megingaudshausen bei Oberlaimbach (Landkreis Scheinfeld) gegründete Benediktinerkloster, ein Männerkloster, dessen Mönche in das nach dem Tod der letzten karolingischen Äbtissin 877 aufgegebene Frauenkloster Münsterschwarzach übersiedelten, um es wieder mit neuem benediktinischem Leben zu füllen. Diese beiden Klöster stehen eng mit dem Geschlecht der Mattonen in Verbindung. Die beiden äußeren Helme tragen die beiden Kleinode der Klosterwappen. Das persönliche Wappen des Abtes ist hier nicht mit einer eigenen Helmzier vertreten.
Die erste Kartusche heraldisch oben rechts zeigt das apokryphe Wappen der Mattonen, bzw. der diesem ostfränkischen Geschlecht entsprossenen Grafen von Rothenburg-Comburg, in Blau ein goldener, hersehender Löwenkopf (Löwenmaske, Leopardenkopf), der in die Spitze eines erniedrigten goldenen Sparrens beißt (der Löwenkopf ist hier abweichend silbern angestrichen). Dieses Wappen der Abtei Münsterschwarzach ist zugleich das Stiftswappen des Ritterstifts Comburg, und es wird in Würzburg als Nebenwappen vom Neumünsterstift, vom ehemaligen Benediktinerkloster St. Stephan und auch von Stift Haug geführt, alle in Würzburg. Das Symbol wird den Grafen von Rothenburg-Comburg zugeordnet, das muß aber cum grano salis gesehen werden: Nicht nur werden die Grafen von Comburg-Rothenburg erst in ihren letzten Generationen kurz vor ihrem Aussterben faßbar und belegbar, und eine tatsächliche Führung eines solchen Wappens ist nirgends belegt, sondern wir sprechen hier über das Jahr 1116, in dem das Geschlecht erlosch. Wir befinden uns hier in einer Zeit, wo die Entwicklung des Wappenwesens noch bevorstand, in der Tat aber im Verlauf des 12. Jh. eine rasante Entwicklung durchlief. Wir können davon ausgehen, daß die Grafen von Rothenburg-Comburg tatsächlich vor der Schwelle zur Entwicklung des eigentlichen Wappenwesens lebten, und daß dieses Wappenbild mit der Löwenmaske und dem Sparren eine nachträgliche Zuschreibung ist. Deshalb ist es weniger das Wappen von den, sondern eher für die Grafen von Rothenburg-Comburg. Bei all den genannten Stiften ist dieses Wappen ein Hinweis auf die Gründungsgeschichte. Es ist das Symbol nicht der Grafenfamilie, sondern für diese, denn es handelt sich um eine nachträgliche Zuweisung heraldischer Inhalte zu in vorheraldischer Zeit lebenden Personen. Zu diesem Wappen gehört als Kleinod zu blau-goldenen Decken ein auffliegender, rotbewehrter und silberner Vogel.
Das zweite Klosterwappen steht für den Würzburger Bischof Adalbero von Lambach-Wels (1045-1090), der zwar ebenfalls noch gar nicht wissen konnte, was Wappen einmal sein werden, für den aber in neunmal blau-silbern geteiltem Feld ein golden gekrönter Adler in verwechselten Farben geführt wird. Von diesem abgeleitet sind ebenfalls die Nebenwappen des ehemaligen Benediktinerklosters St. Stephan und des Neumünsterstifts, beide in Würzburg, aber etwas anders dargestellt, mit einer silbern-schwarzen Teilung, beim Adler umgekehrt. Die Wurzeln des Motivs in der Gründungslegende sind die gleichen. Zu diesem Wappen wird als Kleinod auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken der silbern-blau gestreifte Adler aus dem Schild geführt. Bischof Adalbero führte zusammen mit Abt Egbert (1047-1077) aus Gorze in Lothringen Münsterschwarzach zu hoher Blüte. Auch hier handelt es sich um eine nachträgliche Zuweisung heraldischer Inhalte zu in vorheraldischer Zeit lebenden Personen, die Wappen noch gar nicht kannten und auch nicht kennen konnten, weil es sie noch nicht gab. Die dritte Wappenkartusche unten ist nun dem Abt Benedikt Weidenbusch als persönliches heraldisches Zeichen zuzuordnen. Da viele Münsterschwarzacher Äbte redende Wappen führten, ist es naheliegend, daß hier nicht eine Staude mit roten, strahlenförmigen Blüten gemeint ist, sondern insgesamt ein grüner Weidenbusch mit den typisch lanzettlichen Blättern. Von diesem Abt ist auch eine andere Wappenvariante überliefert, gespalten, rechts der Weidenbusch, links ein Rabe unter einer Sonne. Die Tinkturen sind für keine der Varianten überliefert.
Zur Übersicht ein Ausschnitt aus der Münsterschwarzacher Äbteliste unter Hervorhebung des hier mit einem bauplastischen Wappen vertretenen Abtes:
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@49.8276426,10.2056687,20z - https://www.google.de/maps/@49.8275154,10.205725,81m/data=!3m1!1e3
Liste der Baudenkmäler in Sommerach: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkmäler_in_Sommerach
Liste der Äbte von Münsterschwarzach: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Äbtissinnen_und_Äbte_von_Münsterschwarzach
Abt Benedikt Weidenbusch: https://de.wikipedia.org/wiki/Benedikt_II._Weidenbusch
Franziskus Büll (Hrsg.): Magna Gratulatio, 1200 Jahre
benediktinische Mönchsgemeinschaft von Münsterschwarzach
816-2016, Münsterschwarzacher Studien Bd. 55, Münsterschwarzach
2016
Kassius Hallinger: Chronologie der Äbte von Münsterschwarzach
am Main (1390-1803), in: Abtei Münsterschwarzach, Arbeiten aus
ihrer Geschichte, Festgabe zur Weihe der Kirche,
Münsterschwarzach 1938
Rainer Kengel: Die Wappen der Äbte von Münsterschwarzach, in:
Abtei Münsterschwarzach, Arbeiten aus ihrer Geschichte, Festgabe
zur Weihe der Kirche, Münsterschwarzach 1938
Kulturpfad Castell, Sommerach: http://www.kulturpfad-grafen-castell.de/html/sommerach.html
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