Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2865
Rodeneck / Rodengo (Italien, Region Trentino-Südtirol, Eisacktal / Valle Isarco)

Pfarrkirche Maria Himmelfahrt in Rodeneck

Die Pfarrkirche Maria Himmelfahrt liegt südlich des Ortes Rodeneck auf halbem Weg zum Schloß Rodenegg. Der mauerumgebene Kirchhof grenzt an der Südostseite hart an den felsigen Abgrund, und genau dort steht auch der Kirchturm. Es handelt sich um die zweite Kirche an diesem Ort. Eine erste, romanische Kirche wurde 1184 geweiht. Um 1500 ersetzte man sie durch einen spätgotischen Bau mit einem dreischiffigen Langhaus und einem einschiffigen Chor. Von dieser Bauphase ist noch am Sturz des Seitenportals die Jahreszahl 1498 erhalten. Der Turm nahm 1687 durch Blitzschlag Schaden, und 1688 gab es einen talseitigen Erdrutsch, der einen Teil des Friedhofs und das alte Presbyterium mit sich in die Tiefe der Rienzschlucht riß. An der Abbruchstelle erinnert eine nachfolgend errichtete Stützmauer an das Unglück. 1794-1795 veränderte man das Bauwerk substantiell, indem man erstens die spätgotischen Gewölberippen herausbrach und zweitens eine Verlängerung nach Westen anbaute. Die Einrichtung stammt aus der Zeit um 1870 und ist neugotisch. Nur am Hochaltar ist älteres Schnitzwerk zu sehen, die dortigen Holzskulpturen stammen vom Anfang des 17. Jh. Im Jahre 1959 stellte man den ursprünglichen Charakter des Raumes durch Wiedereinbau der Rippen wieder her, und 1983 wurde die Kirche renoviert. Die separate Friedhofskapelle, ebenfalls ganz nah am Felsabsturz, stammt aus dem Jahr 1697. Im Inneren der Pfarrkirche gibt es einige sehenswerte Grabplatten, die hier vorgestellt werden.

Der erste Grabstein für Franz Christoph Graf von Wolkenstein-Rodenegg, der in eine rechteckige Schriftzone unten und eine oben bogenförmige Wappenzone oben unterteilt ist, trägt die Inschrift: "DEN 18 FEBRVARI AN(N)O / 1679 IST IN GOT(T) ENDSEHLT / DER HOCH VND WO(H)LGEBOR(E)N(E) / HERR, HERR FRANCZ CHRIST/OPH GRAF VON WOLCKEN/STAIN VND RODENEG(G), ER W(EI)/LANT STAL(L)MAISTER, VND / VORS(C)HNEIDER, DER FIRST/GRAFSCHAFT TYROL, DER / RÖM(ISCH) KAY(SERLICHEN) MAY(ESTÄT) OBRIS(T)/WACHTMAISTER VND / DER FIRSTL(ICHEN) DVRCHLEICH(T) / GROS(S) HERZO(G)EN ZV TOS/KANA CAM(M)ERER; VND RID(TT)ER / (DES) S(ANKT) STEFANS ORDEN SO ALHIE / BEGRAB(E)N LI(E)GT DESSEN VND AL(L)EN /.....". Die letzte Zeile ist aufgrund einer nachträglich veränderten Anbringung verloren, was man deutlich an der hier fehlenden Schmuckrahmung erkennen kann. Ein logischer Abschluß wäre z. B. "...Christgläubigen Seele Gott genad Amen" oder etwas Ähnliches. Direkt unter dem Wappen erkennt man auf dem die Platte unterteilenden Schmuckband einen Totenschädel mit gekreuzten Röhrenknochen als Memento mori.

 

Der Wappenschild ist in eine ovale Schmuckkartusche eingepaßt und trägt oben eine fünfzackige Krone. Er ist geviert, Feld 1 und 4: silbern-rot im Wolkenschnitt schräggeteilt (modifiziert Maulrapp, für die Herrschaft Wolkenstein im Grödnertal, späteres wolkensteinsches Wappen), Feld 2 und 3: über rotem Schildfuß in Blau drei silberne Spitzen (von Pradell auf Villanders, Stammwappen des ganzen Geschlechts von Wolkenstein), Herzschild: in Blau ein silberner Sparren (von Rodank, für die Herrschaft Rodenegg). Die Felder 1 und 4 tragen im oberen Platz eine Damaszierung, im unteren Platz ein eingehauenes Kreuzchen, was jedoch ohne heraldische Signifikanz ist. Im Gegensatz zu den früheren Wappensteinen auf Burg Rodenegg stehen hier die Spitzen in den Feldern 2 und 3 senkrecht, nicht schräg.

 

Der zweite Grabstein für Karl Graf von Wolkenstein-Rodenegg hat eine umgekehrte Anordnung, das Wappen befindet sich unten, die Inschrift oben, zudem ist die aus zwei Teilen bestehende Platte oben und unten halbkreisförmig gerundet. Hier hat das Wappen zudem die Halbrundschildform, zusätzlich außen verziert und oben mit einer Laubkrone versehen. Die Inschrift lautet: "Ged(a)echtnus / Muet(t)erlichen mitleid/nus der hochwo(h)lgebor(e)nen / Frau, Frau Anna Eleonora Gräfin / zu Wolkhenstain und Rod(e)negg / gebor(e)ne Gräfin von Spaur und / Valör, wegen Tötlichen hintrit(t)s / des hochwo(h)lgebor(e)nen Herrn / Herrn Carl Grafen zu Wolkh/enstain und gewestem Gerichts/herrn der herrschafft Rod(e)neg(g) / welcher den 18 tag Mo(na)ts dece(m)br/is 1654 seines alters aber / 38 Ja(h)r Christlich verschi(e)den / ..... alda begrabner ... deme und / all(en) Christgla(e)ubigen Got(t) die Ewig / Freid verleich(en) / welle Amen." Hier ließ die Mutter den Grabstein für den vor ihr verstorbenen Sohn errichten, der offensichtlich noch unverheiratet war. Das Wappen folgt der oben gegebenen Beschreibung.

   

Der dritte hier vorgestellte Grabstein ist für den Pfleger Caspar II. von Gufidaun, den Letzten der Familie und erbitterten Widersacher des streitfreudigen Brixner Bischofs und Kardinals Nikolaus Cusanus, gestorben am 19.6.1458. Die Inschrift in gotischen Minuskeln lautet: "hie leit begraben der edel un(d) vest / Caspar von gufedau(n) zu rodnegk / und ist gestorben an Montag vor / san(c)d iohanns tag gotz tauffer / anno domini m cccc lvi(ii)". Johannes der Täufer (= Johann, Gottes Täufer) hat im Kirchenjahr seinen Tag am 24. Juni, das war ein Samstag, und am Montag davor ist Caspar verstorben, also am 19. Juni. Die Habsburger hatten nach Übernahme von Tirol Rodenegg zuerst durch den Hauptmann Hans von Gufidaun verwalten lassen. Burg und Herrschaft Rodenegg hatten die Herren von Gufidaun, seit langem loyale Parteigänger der Habsburger, bis zu ihrem Erlöschen als Pfandschaft inne. Caspar II. von Gufidaun plante sogar einen Anschlag auf ihren gemeinsamen Widersacher, den Kardinal: Mit über 40 Mann lauerte er ihm Anfang Juli 1457 bei der Ladritscher Brücke an der Brixner Klause auf. Er hatte bereits einen Baum auserkoren, an dem er in aufknüpfen wollte. Doch leider hatte der Kardinal wehrhafte Begleitung, und der Anschlag mißlang. Caspar II. von Gufidaun wurde exkommuniziert und starb wenig später. Sein Wappen ist von Rot, Silber und Schwarz zweimal geteilt, auf dem Helm mit rot-silbernen (oder schwarz-silbernen) Decken ein Paar wie der Schild bezeichneter Büffelhörner (hier scheint nur das rechte Horn die Teilungen zu haben). Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: TirA Seite: 23 Tafel: 5 ("Guvedaun"), und es ist in der Fischnaler-Wappenkartei mit mehreren Varianten vertreten. Nachdem diese Familie, deren Stammhaus in einem Dorf gleichen Namens zu finden war, erloschen war, kam die Pflegschaft für Rodenegg kurz darauf an Oswald II. von Wolkenstein.

 

Caspar von Gufidaun war mit Benigna von Thurn (-1465) verheiratet; ihr Wappen sehen wir auf der heraldisch linken Seite: In Rot ein von Silber und Schwarz gestückter Sparren, auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken ein wachsender, silberner, rotgezungter Rüdenrumpf. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: BayA3 Seite: 111 Tafel: 73. Historische Abbildungen sind zu finden im Berliner Wappenbuch, im Wappenbuch des churbayrischen Adels (BSB Cgm 1508, Image 41), im Scheiblerschen Wappenbuch (BSB Cod. icon. 312 c, Folio 332), in Conrad Grünenbergs Wappenbuch, im Ingeram Kodex, im Miltenberger Wappenbuch (813) etc. Die Mitglieder der Familie waren Erbschenken des Stiftes Salzburg. 

 

Dieses Wappen auf dem vierten hier vorgestellten Grabstein aus dem 14. Jh., der zwei Ringe zum Anheben trägt und offensichtlich einmal den Deckel einer Gruft bildete, gehört zu einer Familie, die in alten Wappenbüchern gerne unter der Bezeichnung "Sebser" geführt wird, das sind die Edlen von Sebs und Lyne, später Edle von Schabs genannt. Das Wappen ist z. B. im Scheiblerschen Wappenbuch auf Folio 421 wie folgt in Farbe abgebildet: Rot-silbern geteilt mit einem golden geschnäbelten, mit drei Fetzen ausgerissenen Schwanenhals (oder Reiherkopf) in verwechselten Farben, auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken ein wachsender, silberner, golden geschnäbelter Schwanenhals (oder Reiherkopf). Das Armorial de la Toison d'or, Österreich, f°21, 25 (BA Ms 4790) führt die Familie unter "Zaypser", ebenso das Wapenboek des Hendrik van Heessel und auch das Armorial Le Blancq (BNF Ms. Fr. 5232). Conrad Grünenbergs Wappenbuch führt die Familie unter "Sebser von Truwenstain". Das Ortenburger Wappenbuch (BSB Cod. Icon. 308 u) nennt die Familie "Dy Saber", im Wappenbuch BSB Cod. icon. 311 sind es die "Sebser", und im Wernigeroder (Schaffhausenschen) Wappenbuch (BSB Cod. icon. 308 n) sind es die "von Sabzr". Das Geschlecht nannte sich erst Sebs, dann Schabs. Dieses Wappen findet man zuerst im Jahr 1365. Die Familie lebte in Schabs seit 1147 und hatte ihren Höhepunkt während des 14. Jh. Sie erlosch mit Peter von Sebs/Schabs im Jahr 1506. Der Name hat überlebt im Namen der italienischen Gemeinde Natz-Schabs (= Naz-Sciaves) auf einem kleinen von Eisack und Rienz umgrenzten Plateau bei Brixen, im Süden gegenüber der Burg Rodenegg; in der Gemeinde ist das bis 1929 selbständige Schabs aufgegangen. Heute verwendet die Gemeinde genau diesen Wappenschild als Kommunalwappen. Meist findet sich die Blasonierung anders, so auch für das Kommunalwapppen: Rot-silbern geteilt, oben ein silberner, golden geschnäbelter Schwanenhals (oder Reiherkopf), aus dem nach unten drei rote Flammen schlagen. Das ist aus heraldischer Sicht wenig plausibel, weil es nicht harmonisch ist, daß Flammen nach unten schlagen, es wäre irgendwie gegen die inhärente heraldische Logik, und es gibt auch keinen Grund, warum überhaupt aus dem Schwanenhals Flammen schlagen sollten, und das auch noch nach unten. Vielmehr sind die meist drei gewellt dargestellten Zipfel die in Fetzen gerissene Haut, wenn man brutal den Hals vom Rumpf trennt, und das Motiv folgt dem schönen heraldischen Gestaltungsprinzip der verwechselten Farben. Nur dadurch, daß "ausgerissene" oder "abgerissene" Tierkörperteile in der zentraleuropäischen Heraldik selten sind, kam es zur Fehlinterpretation der Hautfetzen als Flammen. In der angelsächsischen Heraldik sind solche abgerissenen Tierteile viel gebräuchlicher.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@46.7748713,11.6896047,19z - https://www.google.de/maps/@46.7748713,11.6896047,178m/data=!3m1!1e3
Webseite der Gemeinde zur Kirche:
https://www.gemeinde.rodeneck.bz.it/de/Pfarrkirche_Maria_Himmelfahrt
Seite der Gemeinde Rodeneck:
https://www.gemeinde.rodeneck.bz.it/de/Unter_landesfuerstl_Verwaltung
Wappen Gufidaun in der Fischnaler Wappenkartei:
https://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=14919&sb=gufidaun&sw=&st=&so=&str=&tr=99
Wappen Thurn in der Fischnaler-Wappenkartei:
https://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=10027&sb=thurn&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - https://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?wappen_id=10003&drawer=D-Eb
Schabs: Franz-Heinz von Hye, Die Wappen des alten Tiroler Adels bis zum Übergang Tirols an Bayern 1805/06, Schlern-Schriften 353, Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 2010, Seite 216.
Wappen Schabs in der Fischnaler-Wappenkartei:
http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=24757&sb=schabs&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=24759&sb=schabs&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=24760&sb=schabs&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=24761&sb=schabs&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=24762&sb=schabs&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=24770&sb=schabs&sw=&st=&so=&str=&tr=99
Anne Behaghel-Dindorf: Der Schwanenhals der Edlen von Sebs und Lyne:
http://lalanguedublason.blogspot.com/2012/10/der-schwanenhals-der-edlen-von-sebs-und.html
Seite der Gemeinde Natz-Schabs:
https://www.gemeinde.natz-schabs.bz.it/de/Dorfleben/Wissenswertes/Zahlen_und_Fakten#

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