Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2862
Burgeis / Burgusio (zu Mals / Malles, Italien, Region Trentino-Südtirol, Vinschgau)

Burgeis, Kloster Marienberg

Das Benediktinerkloster Marienberg (Abbazia benedettina di Monte Maria, lat. Abbatia Mariae Montana in valle Venusta) liegt im Südwesten des Vinschgauer Ortes Burgeis wie eine Festung am Berghang, ca. 900 m Luftlinie vom Ortszentrum entfernt, ca. 2 km auf der Straße. Vom ca. 1350 m hoch gelegenen Kloster blickt man tief auf die 450 m entfernte Fürstenburg herab. Das Kloster, die höchstgelegene Benediktinerabtei Europas, ist eine weiß gestrichene Vierflügelanlage rings um den Kreuzgang, im Westen und im Norden begleitet von einem Vorhof mit randständigen Nebengebäuden im Westen. Dort liegt auch der durch einen Torturm mit achteckigem Aufbau gesicherte Zugang. Die Klosterkirche St. Sebastian bildet den nördlichen der Viereckflügel; der Kirchturm erhebt sich an ihrem südöstlichen Ende mit seinem polygonalen Abschluß und der Zwiebelhaube hoch über die Klosterdächer. Die dreistöckigen Konventsflügel werden talseitig von riesigen schrägen Strebepfeilern abgestützt, und das östliche Ende des Südflügels trägt zwei Zwiebelhauben. Im Süden und im Osten sind Gärten vorgelagert, wobei der östliche Bereich mauerumschlossen ist und einen charakteristischen, weithin sichtbaren Turm mit polygonalem Querschnitt und ebensolcher welschen Haube am stumpfen Eck besitzt. Die südlichen Gärten sind auf übereinander gestaffelten, gemauerten Terrassen angelegt. Das Kloster ist eines der beeindruckendsten Kunstdenkmäler des Vinschgaus, nicht nur wegen der Lage, sondern auch wegen der romanischen Krypta und der barocken Kirche.

Das Kloster hat eine lange Geschichte. Zunächst wurde es zwischen 1087 und 1095 an anderer Stelle gegründet, im Schweizer Engadin von den aus Oberitalien stammenden Herren von Tarasp, die sich in der Nähe ihrer Burg Tarasp in Schuls (Scuol) ein Hauskloster etablieren wollten. Die Gründer waren der kinderlose Eberhard von Tarasp und sein Bruder Ulrich II., 1089-1096 Bischof von Chur. Aufgrund widriger Umstände entschloß sich Ulrich III. von Tarasp, Sohn von Ulrich II. und dessen Frau Irmgard von Eppan, Enkel von Gebhard I. und damit Großneffe der Gründer, 1146 zur Verlegung von Familiensitz und Kloster in den Vinschgau, wo die Familie ebenfalls Besitz hatte. Der erste Abt des Klosters war Albert von Ronsberg; er amtierte 1146-1152. Er war ein Verwandter der Frau Ulrichs III., denn dieser hatte Uta von Ronsberg-Ursin geheiratet. Als ersten Ort wählte man St. Stephan, 500 m im Süden der heutigen Klosteranlage. Dort war das Problem aber die Wasserlosigkeit. Also zog man 1149/1150 ein Stück nach Norden, damit man bessere Lebensbedingungen hatte und Wasser aus dem Almeinabach holen konnte, der nördlich des Klosters floß. Für jede Verlegung mußte man die päpstliche Genehmigung einholen. Weil am neuen Ort bereits eine Marienkapelle stand, übertrug man das Patrozinium auf das Kloster. Ulrich III. wurde in der Folgezeit als der Gründer des Klosters wahrgenommen, obwohl er es nur verlegt und mit reichlich Besitz ausgestattet hat. Die ersten Mönche kamen aus dem Kloster Ottobeuren, eine Gründung einer verwandten Familie. Die nächsten vier Äbte, die auf Albert von Ronsberg folgten, stammten alle aus Ottobeuren: Mazelin, Schwiker, Gebhard und Volker. Das Baumaterial holte man sich von der Burg Kastellaz weiter oben am Berghang, die praktischerweise auch den Herren von Tarasp gehörte und nicht mehr gebraucht wurde. 900 m in westnordwestlicher Richtung liegen die Ruinen: Man hat die Burg sehr gründlich ausgeschlachtet, es ist kaum noch etwas zu sehen. Die Fürstenburg hingegen gehörte nicht den Herren von Tarasp, sondern den Fürstbischöfen von Chur, und zu dem Zeitpunkt gab es sie noch gar nicht. In St. Stephan blieb ein kleines Kirchlein zurück, das aber noch viel älter ist und aus dem 9./10. Jh. stammt.

Der älteste Raum der Anlage ist die 1160 geweihte Krypta mit gut erhaltenen und qualitativ beeindruckenden romanischen Fresken aus der Zeit zwischen 1175 und 1180. Die Klosterkirche konnte schon 1180 geweiht werden, zunächst zu Ehren der hl. Dreifaltigkeit, der Gottesmutter Maria und allen Heiligen, dann noch einmal nach einem Umbau 1201 zu Ehren der hl. Dreifaltigkeit, dem hl. Kreuz und der Jungfrau Maria. Ulrich III. von Tarasp (-24.12.1177) hatte nur einen einzigen Sohn, Ulrich IV., der selbst in das Familienkloster eintrat und 1161-1173 als Prior auftritt. Alle drei taten sich mit großzügigen Schenkungen an das Kloster hervor, noch zu Lebzeiten. Ulrich III. hatte noch einen Bruder, Friedrich II. von Tarasp, dessen Sohn Gebhard III. war. Mit diesem gab es großen Ärger, bis man ihn zwang, Urfehde zu schwören. Den Streit hatte auch Ulrich III. so satt, daß auch er ins Kloster eintrat. Gebhard III. hatte noch drei Schwestern, und danach sind keine weiteren Nachkommen bekannt. Da das Erlöschen der Familie vorgezeichnet war, kam die Vogtei über das Kloster 1160 von Ulrich III. von Tarasp an seinen Vetter Egino I. von Matsch. 1313 ging die Vogtei an die Herzöge von Österreich über, doch die Vögte von Matsch erhielten sie als Afterlehen wieder zurück und behielten sie bis 1421, seitdem hatte der Tiroler Landesfürst die Vogtei inne. Die Vögte von Matsch machten das Kloster zu ihrer Grablege.

1274 wurde das Kloster durch Schweighard von Reichenberg geplündert, eine Folge einer Fehde der streitlustigen Vögte von Matsch. Stetes Konfliktpotential bot die Ende des 13. Jh. vom Bischof von Chur erbaute Fürstenburg, Quelle ständiger bischöflicher Einmischung in Klosterangelegenheiten, denn der Bischof war der Meinung, das Kloster unterstehe ihm, aber das Kloster war der Ansicht, es sei exemt und direkt dem Papst unterstellt. 1440 bekam das Kloster vom Papst die Pontifikalien verliehen, aber selbst das überzeugte den Bischof von Chur nicht. Erst 1659 endete der Dauerkonflikt. Das Kloster wurde 1418 durch einen Brand zerstört und mußte neu aufgebaut werden. Die nächste Katastrophe war der Bauernkrieg 1525, in dem es geplündert wurde. Diese Hintergründe erklären, warum das Kloster so ein abweisendes und wehrhaftes Äußeres besitzt. Anfang des 17. Jh. gab es Schwierigkeiten mit dem Personalstand, als nur noch ein einziger Mönch hier lebte, wurde das Kloster 1606 beinahe ein Aufhebungskandidat.

 

Der Wiederaufschwung gelang aufgrund zweier Faktoren: Der eine war ein tatkräftiger Abt, Matthias Lang, ehemals aus der Abtei Weingarten, der dem Kloster Marienberg 1615-1640 vorstand und es ordentlich in Schwung brachte, sowohl das Klosterleben als auch die Gebäude. Er gilt daher als zweiter Gründer. Der andere Faktor war eine Katastrophe andernorts: Der Dreißigjährige Krieg trieb zahlreiche Mönche aus Deutschland aus dem Kriegsgebiet heraus, und etliche suchten hier Zuflucht. Langs Nachfolger, der Abt Jakob Grafinger (amtierte 1640-1653), barockisierte 1642-1647 die Klosterkirche, die bis dahin weitgehend ihr romanisches Aussehen bewahrt hatte.

In der Kirche sieht man eine barocke Figurengruppe, welche die Stiftung des Klosters darstellt. Über der Szene schwebt Maria als Himmelskönigin in einem von goldenen Strahlen umgebenen Wolkenkranz. Stifter und Stifterin halten zwischen sich ein Modell des Klosters (im Aussehen des 17. Jh., das weitgehend dem heutigen entspricht) empor, das in der Mitte zusätzlich von einem Jüngling mit beiden Händen emporgestemmt wird. Rechts und links des Modells sind zwei Wappenkartuschen angebracht. In der optisch linken Kartusche erkennen wir das Wappen der Herren von Tarasp wieder.

   

Nach der Fischnaler-Wappenkartei führten die Herren von Tarasp (dort "Trasp", unter Verweis auf a) Hugo von Goldegg: Notizen über Adelsgeschlechter in Tirol und Vorarlberg, und b) Stephan von Mayrhofen: Wappen Sammlung tyrolischer Geschlechter) einen schrägrechten gebogenen Balken in goldenem Feld. In der aktuellen Farbgebung ist das Wappen gespalten, rechts in Silber ein goldenes schwebendes Krückenkreuz, links in Gold ein roter, nach links ausgebogener Bogenpfahl. Die Hinzunahme des Kreuzes hat religiösen Hintergrund. Schon Bischof Ulrich I. von Tarasp soll angeblich eine Pilgerfahrt nach Jerusalem unternommen haben. Von Gebhard II. von Tarasp, einem Onkel des Ulrich III., ist eine solche Pilgerfahrt gesichert, er starb auf derselben. Und auch Ulrich III. selbst und auch seine Frau Uta unternahmen eine Pilgerreise nach Jerusalem, wenn auch nacheinander. Uta verstarb auf dieser Reise an den Strapazen und wurde von ihrer Begleitung Berntrudis als Leiche zurückgebracht. Die Familie der Herren von Tarasp lebte in der formativen Phase der frühen Heraldik, wo einfachste Schildbilder üblich waren. Kompliziertere Darstellungen auf einem Schild waren damals noch nicht üblich. Deshalb wird kaum je ein Mitglied der Familie den gespaltenen Schild geführt haben. Vielmehr ist der gebogene Schrägbalken das eigentliche Familienwappen. Den Schild mit dem Kreuz hat Ulrich III. als Andenken an seine Pilgerfahrt mitgebracht; das Motiv ist ein vereinfachtes Jerusalemkreuz. Beide Schilde, der weltliche Schild und der Schild des Glaubens, sollen früher nebeneinander in der Kirche aufgehängt gewesen sein. Auch in der 1374 vollendeten Goswinschen Chronik, die die Schilde erwähnt, sind beide nebeneinander auf der Innenseite des Deckels abgebildet. Dort zeigt der eine ein goldenes Kreuz in silbernem Feld, das andere einen nach rechts geöffneten roten Bogen in goldenem Feld. Erst später wurden beide Symbole in einem Schild vereinigt. Die Interpretation des Heroldsbildes als Regenbogen dürfte auch in spätere Zeiten fallen, als man das Symbol wahlweise mit Frieden (Genesis 9, 8-17), mit der göttlichen Herrlichkeit (Apokalypse 4, 3 und 10, 1 ff.) oder auch mit dem Weltengericht (Blau = Sintflut, Rot = Feuer) assoziierte. Solche esoterischen Wahrnehmungen waren der frühen Heraldik jedoch fremd. Es ist aber ein interessantes Beispiel, wie sich das Heroldsbild nachträglich wandelte.

Der andere Schild zeigt eine gekrönte Säule (zur Säule siehe unten) und verweist auf die römische Stadtadelsfamilie Colonna. Der Verfasser der Marienberger Chronik, Prior Goswin erzählt bereits, daß die Tarasper römischer Herkunft seien ("cives fuerint Romani"). Solche Herkunftssagen hatten im Mittelalter Hochkonjunktur, und die im ausgehenden 13. Jh. aufkommende trojanische Herkunftssage der Habsburger könnte Vorbildcharakter gehabt haben. Die Colonna waren eines der bekanntesten und bedeutendsten römischen Adelsgeschlechter. Und von daher leiten die Herren von Matsch, ein Filiationsgeschlecht der Herren von Tarasp, mittelbar ihre eigenen fiktiven Wurzeln ab (s. u.).

Dieses Wappen wurde jedenfalls als Klosterwappen des Klosters Marienberg übernommen und entweder alleine verwendet oder mit persönlichen Motiven der Äbte kombiniert. Die obige Abbildung zeigt das Klosterwappen auf einem auf das Jahr 1669 datierten Bogen, das fällt in die Amtszeit von Abt Franz I. von Pach aus Kaltern, der 1663-1705 das Kloster leitete. In diesem Beispiel haben beide Inhalte den Platz getauscht; persönliche Elemente sind nicht vorhanden.

Ähnlich wie für das Kloster wurde das Wappen-Motiv von der Graubündener Gemeinde Tarasp aufgenommen: Gespalten, rechts in Gold ein schwebendes lateinisches rotes Kreuz (Passionskreuz), links in Blau ein golden-rot-goldener, nach rechts ausgebogener Bogenpfahl (Regenbogen). Der Bogenpfahl der weiter oben beschriebenen Wappenkartusche in der Kirche weist eine Feinstruktur von zwei nach der Figur gezogenen Linien auf, was für eine ehemalige farbliche Differenzierung der Zonen sprechen könnte.

 

Der gebogene Schrägbalken entwickelte sich zum Bogenpfahl und nahm die Darstellung als Regenbogen an. Das sieht man ganz deutlich auf einem über der Jahreszahl 1646 angebrachten Kartuschenpaar des Abtes Jakob von Grafinger zu Salegg, der 1640-1653 das Kloster leitete. Die optisch linke Kartusche mit dem Klosterwappen zeigt als Feinstruktur vier Linien auf dem Bogenpfahl. Die Farbfassung ist nicht heraldisch, sondern typisch barock golden-weiß. Die andere Kartusche enthält das persönliche Wappen des Abtes, sie ist geviert, Feld 1 und 4: rot-silbern gespalten mit zwei voneinander abgekehrten Palmzweigen in verwechselten Farben (Grafinger), Feld 2 und 3: in Gold über einem schwarzen Dreiberg ein schwarzer Doppelsparren (Salegg, Saleck).

Am 17.3.1581 wurde Wilhelm Grafinger (Grabmal in Nauders) mit dem Prädikat "von Salegg" in den Adelsstand erhoben. Johann Grafinger ("Gräffinger") von Salegg bekam von König Ferdinand II. am 6.8.1633 eine Wappenbestätigung und eine Adelsbestätigung als rittermäßiger Adelsstand und den kaiserlichen Ratstitel (österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 151.26) mit dem Wappen wie beschrieben. Das hier am Kloster nicht verwendete Oberwappen bestünde aus zwei gekrönten Helmen, Helm 1 (rechts): zu rot-silbernen Decken fünf Straußenfedern, abwechselnd rot und silbern (Grafinger), Helm 2 (links): zu schwarz-goldenen Decken ein hoher goldener Hut, oben mit drei schwarzen Straußenfedern besteckt (Salegg, Saleck). Das Wappen ist im Siebmacher II. 39 zu finden.

Das gleiche Wappen ist in den äußeren Torbogen des Torturms eingearbeitet, auf höchst ungewöhnliche Weise: Die Jahreszahl 1651 ist auf dem Keilstein außen auf der vertikalen Fläche zu lesen, der Wappenschild aber ist auf der Unterseite angebracht. Auch dieses Wappen ist für Abt Jakob von Grafinger zu Salegg, aber hier sind die oben beschriebenen Komponenten zu einem einzigen gevierten Schild zusammengezogen, Feld 1: rot-silbern gespalten mit zwei voneinander abgekehrten Palmzweigen in verwechselten Farben (Grafinger), Feld 2: ein durchgehendes Kreuz, Feld 3: ein mehrfach nach der Figur gespaltener, rechts ausgebogener Bogenpfahl (Klosterwappen, basierend auf dem Wappen der Herren von Tarasp), Feld 4: in Gold über einem schwarzen Dreiberg ein schwarzer Doppelsparren (Salegg, Saleck), hier falsch als Doppelsturzsparren gehauen.

 

Ein weiteres Abtswappen sehen wir auf einer Grabplatte für Abt Leonhard Andrì aus Glurns, der das Kloster 1586-1606 leitete, in der Kirche aufgestellt. Die Inschrift lautet: "ADMODVM REVERENDVS / DOMINVS LEONHARDVS / ABBAS MARIEBERGENSIS / OBIIT ANN(O) 1606 26 FEBRVARI". Der Schild ist geviert, Feld 1: der schrägrechte Regenbogen, Feld 2 und 3: ein aufspringendes gekröntes Tier, links oben und rechts unten begleitet von je einem Stern, Feld 4: das durchgehende Kreuz. Auf dem Schild ruht die Inful mit zwei seitlich abwehenden Bändern, und schräglinks steht der Abtsstab hinter dem Wappen.

 

Nach den Äbten kommen wir noch einmal zurück auf die Vögte von Matsch, die 1160-1421 die Vogtei über das Kloster Marienberg innehatten und es zu ihrer Grablege machten. Dieser in der Kirche an der Wand aufgestellte Grabstein ist für Ulrich III. Vogt von Matsch (-1366/1367), seinen Sohn Ulrich IV. Vogt von Matsch (-1402) und dessen Frau Agnes von Kirchberg (-1401). Die Vögte von Matsch führten als Stammwappen in Silber drei (2:1) blaue hängende Flügel (Abb. links: obere Hälfte der Grabplatte). Vereinzelt kann man auch eine Variante mit nur einem Flügel finden, so im Wappensiegel Eginos IV. aus dem Jahre 1310. In der um 1340 entstandenen Wappenrolle von Zürich findet sich die älteste bekannte farbige Darstellung. Auf dem Helm werden zwei Hifthörner geführt, das rechte silbern, das linke rot, jedes mit einem Band in verwechselten Farben. Im 15. Jh. werden aus den Hifthörnern Büffelhörner, so zu sehen im Bruderschaftsbuch von St. Christoph am Arlberg und im Scheiblerschen Wappenbuch. Im Wappenbuch des Conrad Grünenberg sind die Büffelhörner golden bebändert. Die Helmdecken sind blau-silbern oder rot-silbern.

Die Herren von Matsch hatten ihre beiden namengebenden Stammburgen in den von ihnen erbauten Burgen Ober- und Untermatsch in einem linken Seitental des Obervinschgaus. Erst als die Hauptlinie die Nachfolge der kurz nach 1170 erloschenen Herren von Tarasp antraten, kamen neue Besitzschwerpunkte im Oberen Veltlin (Valtellina), im Puschlav (Val Poschiavo), im Unterengadin, im Münstertal (Val Müstair), im restlichen Churrätien und im Vinschgau hinzu. Eine Seitenlinie der Familie bildeten die Herren von Venosta, welche auf der Burg Pedenale bei Mazzo di Valtellina saßen. Seit die Hauptlinie ab 1160 die Vogteirechte über das Kloster Marienberg ausübten, nannten sich die Familienmitglieder Vögte von Matsch. Dazu kamen noch zwei andere Vogteien, denn ab 1170 waren sie noch Churer Stiftsvögte, und ebenfalls in Nachfolge der Herren von Tarasp hatten die Matscher die Klostervogtei über die Benediktinerabtei Müstair inne.

Das untere Wappen ist das der Grafen von Kirchberg (Abb. oben rechts, untere Hälfte der Grabplatte), in Silber eine schwarze, golden gekrönte Mohrin, in der Rechten eine silberne, golden gesäumte Inful (Bischofsmütze, Mitra) emporhaltend, auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken die Bischofsmütze (in anderen Darstellung eine wachsende Mohrin mit Bischofsmütze). Agnes von Kirchberg war die Tochter von Wilhelm I. Graf von Kirchberg, mit dem die Hauptlinie 1366 erlosch. Danach wurde die Grafschaft Kirchberg aufgeteilt. Zwei Drittel kamen an den Ehemann der Tochter, ein Drittel an die von Werdenberg. Ulrich IV. konnte dieses dritte Drittel noch im selben Jahr von Heinrich Graf von Werdenberg erwerben. Die hier auf dieser Grabplatte verewigte Ehe war damit eine der wichtigsten und prestigereichsten Eheverbindungen der Vögte von Matsch. Auch seine beiden Töchter gingen ähnlich bedeutende Ehen ein, denn Elisabeth von Matsch heiratete 1391 Friedrich VII. von Toggenburg und Utelhild von Matsch heiratete 1376 Graf Meinhard VI. von Görz. Im Jahre 1366 erhielt Ulrich IV. Vogt von Matsch die entsprechende Belehnung durch Karl IV.  Seitdem führte die Familie der Vögte von Matsch zusätzlich den Titel Graf von Kirchberg. Es kam aber noch nicht zu einer Wappenvereinigung. Die Grafschaft ging 1379/1459 wieder verloren, aber der Titel blieb bis zum Erlöschen 1504 beim Namen bestehen. Ulrich gab die Grafschaft 1379 als Mitgift an seine Tochter Utelhild, die Graf Meinhard VI. von Görz (-1385) geheiratet hatte. Von den Grafen von Görz kam die Grafschaft 1417/1418 als Pfand an die Linie der Grafen von Kirchberg-Wullenstetten, und diese erwarben die Grafschaft Kirchberg-Kirchberg 1459 endgültig zurück.

Die schönste und größte Wappendarstellung in der ganzen Anlage ist der in der Klosterkirche aufgehängte, bereits 1455 von Ulrich VIII. Vogt von Matsch (1396-1461) angefertigte Totenschild. Er war der Sohn von Johann II. Vogt von Matsch (-1397) und Margareth von Rhäzüns, 1431-1448 Landeshauptmann von Tirol, 1446-1448 Hofmeister. Er war mit Teela von Freundsberg (-1439) vermählt, aber die Ehe blieb kinderlos. Ulrich VIII. ist der Sohn des Bruders des Großvaters des letzten männlichen Sprosses der Familie, Gaudenz von Matsch (1436-1504). Die Umschrift des hölzernen Totenschildes lautet: "Do man zalt von xpi (=christi) geburt m cccc lv ja(h)r hat lassen machen vogt Ulrich von Matsch graf ze krchperg".

Das Wappen ist von besonderem Interesse, weil Ulrich VIII. Vogt von Matsch der erste der Familie ist, der einen vermehrten Schild führt, geviert, Feld 1 und 4: in Rot eine silberne, oben golden gekrönte Säule (Colonna), Feld 2 und 3: in Silber drei (2:1) blaue hängende Flügel (Matsch). Dazu werden zwei Helme geführt, Helm 1 (rechts): auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken eigentlich ein wachsendes unbekleidetes naturfarbenes Fischweibchen mit offen fallendem Haar, mit den Armen die beiden goldenen Fischschwänze umfassend (Colonna), das hier aber fehlt, Helm 2 (links): auf dem ungekrönten Helm mit blau-silbernen Decken ein Paar silberner Büffelhörner mit goldenen Bändern (Matsch). Zwischen beiden Helmen sehen wir einen Engel in goldener Gewandung mit großen silbernen Flügeln als Schildhalter. Er füllt mit seinen Flügeln den Raum so gut aus, daß das Fehlen der ersten Helmzier kaum auffällt.

Hier haben wir einen weiteren Fall des Auftauchens des Wappens der stadtrömischen Adelsfamilie Colonna in den Wappen anderer, nicht mit ihr nachweislich verwandten Adelsfamilien. Das Muster war, daß die Colonna anderen Familien gegen entsprechende Leistungen eine Filiation bezeugten, wodurch diese eine höhere Anciennität erreichten und das Wappenbild in ihr vermehrtes Wappen aufnahmen. Auch wenn die Zeitgenossen das unbeanstandet hinnahmen, ist es aus heutiger Sicht ein höchst fragwürdiges Geschäftsmodell, nicht besser als die Adoption gegen entsprechende Zahlung und Erhalt eines klingenden Namens. Und wenn es der Papst absegnete, war es Tatsache, auch wenn ein Gentest das Gegenteil bewiesen hätte. Bekanntestes Beispiel bei den Colonna sind die Grafen von Henneberg. Ein weiteres Beispiel sind die tirolischen Herren von Völs, nun Colonna Freiherren von Völs. Genealogisch sind diese von Völs, nicht Angehörige der Colonna. Doch der Tiroler Hauptmann Leonhard von Völs bekam von Marco Colonna einen Filiationsbrief, der die Erlaubnis mit sich brachte, beider Namen und Wappen miteinander zu verbinden. Es ist nicht belegt, aber vermutlich hatten sich auch die Vögte von Matsch einen Filiationsbrief der römischen Colonna beschafft, oder es ging vielleicht den Weg über die von Tarasp, und denen wurde die Abstammung beigegeben; die Wege sind in diesem dritten Fall unklar. Jedenfalls bezeichnen sich im Jahre 1458 Ulrich VIII. und Ulrich IX. (-1481) in einer von Papst Calixt III. genehmigten Prunksupplik selbst als Grafen von Colonna ("comites de Columpna") und Kirchberg.

In der Fischnaler-Wappenkartei ist ein weiter vermehrtes Wappen der Vögte von Matsch verzeichnet: Geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: Colonna, Feld 2 und 3: Kirchberg, Herzschild: Matsch (alle wie oben beschrieben), dazu drei Helme, Helm 1 (Mitte): auf dem ungekrönten Helm mit rot-silbernen Decken ein Paar Büffelhörner, das rechte silbern, das linke rot, mit Bändern  in verwechselten Farben (Matsch), Helm 2 (rechts): Colonna wie oben beschrieben, Helm 3 (links): auf dem ungekrönten Helm mit schwarz-silbernen Decken der wachsende schwarze und schwarz gekleidete Mohrinnenrumpf mit der silbernen Inful auf dem Kopf (Grafschaft Kirchberg). Ulrich IX. Vogt von Matsch bekam am 23.7.1471 von Kaiser Friedrich III. das Rotwachsprivileg und am 2.8.1471 angeblich die Erlaubnis, das erledigte Wappen der 1338 erloschenen Freien von Vaz geviert mit dem Stammwappen zu führen. Das geht zurück auf die der Eheschließung zwischen Ulrich II. von Matsch (1273-1328) und Margarethe von Vaz, Tochter von Walter V. von Vaz. Deren Wappen war geviert, Feld 1 und 4: silbern-blau in drei Reihen geschacht, Feld 2 und 3: ledig und rot. Davon wurde aber anscheinend kein Gebrauch gemacht.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@46.7060855,10.5206496,20z - https://www.google.de/maps/@46.7060855,10.5206496,89m/data=!3m1!1e3
Benediktinerstift Marienberg:
https://www.marienberg.it/de/home.html
Abtei Marienberg auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Abtei_Marienberg
Schloß Tarasp:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Tarasp
Wappen Trasp in der Fischnaler-Wappenkartei:
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Wappen des Stifts Marienberg in der Fischnaler Wappenkartei: https://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=19953&sb=marienberg&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - https://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=19954&sb=marienberg&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - https://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=19955&sb=marienberg&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - https://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=19956&sb=marienberg&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - https://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=19957&sb=marienberg&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - https://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=19959&sb=marienberg&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - https://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=19960&sb=marienberg&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - https://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=19963&sb=marienberg&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - https://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=19964&sb=marienberg&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - https://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=9553&sb=marienberg&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - https://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=19962&sb=marienberg&sw=&st=&so=&str=&tr=99
Wappen Grafinger von Salegg in der Fischnaler-Wappenkartei:
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österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 151.26:
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=2364601
Iso Müller: Zur Geschichte der Freiherren von Tarasp, in: Jahresbericht der Historisch-Antiquarischen Gesellschaft von Graubünden, Band 107 (1977) -
http://doi.org/10.5169/seals-595988
Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich, Residenzforschung, hrsg. von der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Band 15. IV, Grafen und Herren, Teilband 2, hrsg. von Werner Paravicini, bearbeitet von Jan Hirschbiegel, Anna Paulina Orlowska und Jörg Wettlaufer, Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2012, ISBN 978-3-7995-4525-9, S. 981-994 -
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Wappen der Vögte von Matsch in der Fischnaler-Wappenkartei:
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