Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 2787
Wilflingen (zu Langenenslingen, Landkreis Biberach)
Die kath. Pfarrkirche St. Johannes Nepomuk in Wilflingen
Die Wilflinger Pfarrkirche, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Stauffenberg-Schloß, wurde ab 1727 als Ersatz für einen baufälligen Vorgängerbau neu errichtet. Der Bauherr war der Konstanzer Fürstbischof Johann Franz Schenk von Stauffenberg, der den Kirchenneubau mit 6000 fl. finanzierte. Es ging zügig mit dem Bau voran, schon 1728 vollendete man den Turm; 1727 entstanden die Seitenaltäre, 1731 der Hochaltar. Dennoch wurde die Kirche erst 1745 geweiht, mit dem neuen Patrozinium St. Johann Nepomuk. Für die Ausstattung waren unter anderem der Schreiner Adam Ebenhoch sowie die Bildhauer Johann Georg Neyer und Johann Joseph Christian (12.2.1706-22.6.1777) tätig, dessen Frühwerke am Hauptaltar zu sehen sind.
Oben am Hochaltar ist ein Wappen des Konstanzer Fürstbischofs Johann Franz II. Schenk von Stauffenberg (18.2.1658-12.6.1740, reg. 1704-1740) angebracht. Dieses Wappen hat aufgrund der geschickten Einbettung in die Architektur des Altars seine strukturelle Entität zugunsten seiner Einzelbestandteile verloren. Im Prinzip ist das Wappen wie folgt aufgebaut: Zwei große ovale Kartuschen bilden die vordergründig wahrnehmbaren Hauptinhalte ab. Die heraldisch rechte Kartusche steht für das Hochstift Konstanz und zeigt normalerweise in Silber ein durchgehendes rotes Kreuz, hier fälschlicherweise genau andersherum angestrichen und mit goldenem Saum und ebensolchen Verzierungen versehen, was beides heraldisch insignifikant ist und die künstlerische Freiheit bei der Darstellung des Hochstiftswappens grenzwertig auslegt, denn üblich ist ein ganz normales Balkenkreuz. Die zweite Ovalkartusche enthält das persönliche Familienwappen der Schenk von Stauffenberg, in Silber ein roter Balken, beiderseits begleitet von zwei blauen schreitenden Löwen. Beide ovale Kartuschen sind ihrerseits in asymmetrische, einander zugeneigte spätbarocke äußere Kartuschen mit ornamental aufgelöstem Rand eingebettet. Darunter befindet sich ein Element, das sich normalerweise in einer eingepfropften Spitze befindet, aus zu beiden Seiten befindlichen Wolken hervorkommende bekleidete Arme, einen aufwärts gerichteten silbernen Schlüssel mit beidseitigem Bart emporhaltend, dieses Element steht für die Propstei Öhningen. Zwischen den beiden Hauptinhalten befindet sich noch genau in der Mittelachse ein kleines Schildchen, wieder mit einem Kreuz, das steht für die Abtei Reichenau, normalerweise in Silber ein durchgehendes rotes Kreuz, hier ebenso wie beim Hochstift irrtümlich farbvertauscht. Über dieser Komposition aus vier verschiedenen heraldischen Inhalten trägt ein sich über einem vergoldeten Flügelpaar erhebender Engelskopf eine Mitra, hinter den beiden Hauptkartuschen sind schräggekreuzt der Krummstab und das gestürzte Schwert als Symbol für die geistliche und für die weltliche Macht als Bischof und Abt sowie als Reichsfürst sowie Landesherr zu sehen, mit ziemlich großem Abstand zu den beiden Hauptinhalten des Wappens.
Johann Franz II. Schenk von Stauffenberg war der Sohn von Johann Wolfgang Friedrich Schenk von Stauffenberg (ca. 1612-19.10.1676) und Anna Barbara von Wernau (1632-15.7.1681). Seine Großeltern waren väterlicherseits Wilhelm Schenk von Stauffenberg (1573-20.12.1644) und Margarete von Stadion sowie mütterlicherseits Hans Martin von Wernau und Maria Jakobine von Weichs. Er wurde am 18.2.1658 im Stauffenberg-Schloß von Lautlingen (heute ein Stadtteil von Albstadt) geboren. Seine Taufpaten waren der amtierende Fürstbischof von Konstanz, Johann Franz I. von Praßberg und Altensumerau, und die Fürstäbtissin von Buchau, Franziska von Montfort (1622-9.8.1666, reg. 1650-1666). Da er ein nachgeborener Sohn war, wurde er für die geistliche Laufbahn bestimmt.
Er erhielt ab 1675 seine Ausbildung in Dillingen (Donau) am Jesuitenkolleg. Er wurde 1677 Domherr in Konstanz. Im Alter von 18 Jahren wurde er 1681 Vollwaise. 1682 wurde er Subdiakon und Kanonikus in Augsburg, 1683 Domizellar in Würzburg, 1694 Domkantor in Konstanz, 1694 Koadjutor des Konstanzer Bischofs (Bischofsstellvertreter mit dem Recht der Nachfolge im Falle der Sedisvakanz), 1704 Kapitular in Würzburg. Es war für seine Zeit typisch, Kanonikerpfründen zu sammeln und sich mit diesen und familiären Beziehungen an möglichst vielen Hochstiften die Option auf einen Bischofssitz offenzuhalten und auf eine Gelegenheit zur Nachfolge zu warten. 1698 wurde er zusammen mit seinen Brüdern vom Kaiser in den erblichen Freiherrenstand erhoben.
Erst 1704 empfing er nachträglich die Priesterweihe in Meersburg, also im selben Jahr, als man ihn am 21.7.1704 zum Bischof von Konstanz wählte. Im Folgejahr wurde er vom Luzerner Nuntius in Konstanz zum Bischof geweiht. Er versuchte, auch in Würzburg einen Bischofsthron zu ergattern, doch der war fest in Schönborn-Hand, und seine Kandidatur war nicht erfolgreich. 1710 begann er mit dem Bau des Meersburger Neuen Schlosses. 1714 wurde er Koadjutor des Augsburger Bischofs (der Augsburger Bischof litt an schweren Depressionen und war nicht mehr geschäftsfähig). 1735 folgte die Eröffnung des 1725 begonnenen Meersburger Priesterseminars, sein Hauptverdienst für das Hochstift, aber schon zwei Jahre später wählte man ihn 1737 zum Bischof von Augsburg, als er schon 79 Jahre alt war. Er starb am 12.6.1740 in Meßkirch; sein Epitaph befindet sich im Münster von Konstanz. Er übernahm das Hochstift Konstanz bereits zum Amtsantritt hochverschuldet, und sämtliche kreativen Versuche zur finanziellen Konsolidierung brachten nicht den gewünschten Erfolg. Gleichzeitig trat er als Bauherr in Erscheinung und pflegte eine aufwendige standesgemäße Hofhaltung, was für das Hochstift insgesamt ruinös war. Auch für Augsburg wurde er Bauherr mit Um- und Neubauten der Dillinger Residenz.
In der Mitte zwischen den beiden großen ovalen Kartuschen ist eine kleinere dritte Kartusche angebracht, die bei einem "ordentlich" gezeichneten Wappenschild einem Herzschild entspräche. Eigentlich müßte es in Silber ein rotes Kreuz sein, es ist also genau wie das Hochstiftwappen hier farblich nicht korrekt gefaßt (Abb. unten). Dieses zweite Kreuz steht für einen geschichtlichen und kunstgeschichtlichen Giganten, deshalb sollen hier ein wenig die Hintergründe vertieft werden, wie das Kloster Reichenau an das Hochstift Konstanz kam. Das Kloster Reichenau ist kulturgeschichtlich auf eine Stufe mit Fulda und St. Gallen zu stellen und eines der bedeutendsten Klöster des Mittelalters. Wie konnte es so weit herunterkommen, daß die einst bedeutende karolingische Reichsabtei, in der zeitweise über hundert Mönche lebten und bedeutende kulturelle Leistungen schufen, als Priorat der Konstanzer Fürstbischöfe endete?
Das Kloster Reichenau bzw. Mittelzell auf der Insel im Untersee wurde 724 von einem Wandermönch, dem hl. Pirminius (Pirmin, ca. 670-3.11.753), im Rahmen der iroschottischen Mission im südwestdeutschen Raum zu Ehren der hl. Petrus und Paulus sowie Marias gegründet. Die Könige Heinrich I., Otto I. und Otto II. vermehrten den Klosterbesitz und verliehen dem Kloster Privilegien wie Immunität und Zollfreiheit. Weitere Privilegien, die das Kloster erwarb, waren Markt- und Münzrechte (Allensbach als Marktort, weitere Märkte in Radolfzell, Reichenau und Steckborn), freie Abtswahl, Gebrauch der Pontifikalien, Exemtion und reduzierte Heeresfolgepflicht. Der Besitz wuchs und reichte in besten Zeiten in West-Ost-Richtung vom Schwarzwald bis nach Bayerisch-Schwaben und in Süd-Nord-Richtung von den Alpen der Schweiz bis zum mittleren Neckarraum.
Auf zwei große Glanzzeiten, eine während der karolingischen und eine während der ottonischen Zeit, folgte schon bald ein Niedergang im späten Mittelalter, geistig und wirtschaftlich. Zum Niedergang trug bei, daß der Konvent sich bis zum Ende des Hochmittelalters zunehmend sozial exklusiv mit Beschränkung auf den Hochadel positionierte. Im Investiturstreit positionierte sich die Abtei papsttreu, was sie von Kaiser und Reich entfremdete und politisch isolierte, und Ministerialen nutzten den Konflikt zur Bereicherung auf Kosten der Abtei. Zahlreiche Besitzungen gingen einfach durch neu geschaffene Fakten sang- und klanglos verloren; Macht und Einfluß des Klosters nahmen immer mehr ab. Mißwirtschaft in einem sich verändernden Umfeld führte dazu, daß zeitweise der komplette Besitz des Klosters verpfändet war. Es gab sogar einen Abt, der 1367 alle noch existierenden Güter und Rechte seines Klosters an Verwandte verpfändete, das war Eberhard von Brandis (-29.9.1379), der 1349 noch die Immunität und Reichsunmittelbarkeit seines Klosters von König Karl IV. bestätigt bekommen hatte, der aber 1358 diese Rechte quasi aufgab, indem er sein Kloster Herzog Rudolf von Österreich unterstellte, womit Österreich Schutzherr und Landesherr über das bis dahin reichsunmittelbare Kloster wurde. Das fiel nur nicht weiter auf, weil es noch keine politischen Konsequenzen gab. Dieser Abt war einer der schlechtesten Verwalter des Klosters und ein Tiefpunkt der Reichenauer Geschichte, denn er war verantwortlich für die zunehmende Verschuldung, die Verpfändung von Gütern und Rechten und die de facto erfolgte Aufgabe der Reichsunmittelbarkeit, und last but not least war er mit einem unehelichen Sohn auch kein Musterbeispiel für Klosterdisziplin. Die auf der Insel und rund um den Untersee liegenden Güter verpfändete er u. a. an seinen Bruder, Heinrich III. von Brandis, 1357-1383 Bischof von Konstanz. Das war die Basis für eine weitgehende Annäherung zwischen der Reichenau und dem Hochstift Konstanz.
Dennoch ging es weiter bergab mit dem Kloster, und 1402 gab es nur noch drei Mönche, den Abt eingeschlossen. Dann gab es einen kurzen retardierenden Moment, in dem es im Zuge der benediktinischen Reformbestrebungen im Spätmittelalter noch einmal zu Reformen und zu einer Nachphase mönchischen Lebens unter Abt Friedrich von Wartenberg-Wildenstein (1428-1453) kam. Eine Scheinblüte, denn das bankrotte ehemalige Reichskloster kam jetzt völlig unter österreichische Kontrolle. Der Konvent wurde zunehmend bürgerlich geprägt. Der Konstanzer Fürstbischof und Kaiser Maximilian I. von Habsburg stritten sich bereits um die Zukunft der Reichenau, für die Mönche interessierte sich keiner mehr. 1508 wollte Konstanz bereits zugreifen, diesmal noch ohne Erfolg. Schließlich trat der letzte Abt, Markus von Knöringen (amtierte 1508-1512 und 1521-1540), die Leitung des Klosters an den Fürstbischof von Konstanz ab, das war Johann von Weeze (1489-14.6.1548, regierte 1537-1548), nun auch Kommendatarabt der Reichenau. Er wurde im Münster Mittelzell bestattet. Der Ex-Abt Markus von Knöringen wurde nach seinem Amtsverzicht mit einer Pension abgefunden. Ab 1540 war das Kloster Reichenau deshalb nur noch ein Benediktinerpriorat des Bischofs von Konstanz; die Güter waren ja schon beim Hochstift als Pfand. Der Fürstbischof trug seitdem den Titel eines Abtes des Klosters Reichenau und führte ein zweites rotes Kreuz in silbernem Feld zusätzlich. Der Prior kümmerte sich um die inneren und geistlichen Angelegenheiten, das Konstanzer Obervogteiamt um die weltlichen Dinge wie die Verwaltung des Besitzes. Es war aber nicht so, daß der Bischof nur an der wirtschaftlichen Nutzung der Güter interessiert war, im Gegenteil: Die Bischöfe kümmerten sich um das traditionsreiche Kloster, es wurde sogar gebaut: Der Chor des Mittelzeller Münsters wurde eingewölbt und auf der Südseite der Kirche wurden neue Klausurgebäude errichtet.
Der Mönchskonvent, der nur eine einzige Beschränkung erfahren hatte, nämlich daß maximal zwölf Mönche auf der Insel leben sollten, zickte ab und zu und verlangte Wiederherstellung des Status quo, anscheinend war völlig vergessen, daß man nicht ohne eigenes Zutun dort gelandet war, wo man sich befand. Insbesondere Meinrad Meichelbeck (1713-1792) provozierte den Fürstbischof immer wieder, bis dieser genug davon hatte. Die mönchische Restgemeinschaft bestand noch bis 1757, dann wurde das Kloster unter Fürstbischof Franz Konrad von Rodt (1750-1775) aufgrund zunehmender Zentrifugalkräfte innerhalb des Konvents aufgehoben. Die renitenten Mönche wurden in andere Klöster versetzt, oder sagen wir gleich: strafversetzt. Dann holte der Fürstbischof ein paar Leute aus anderen Klöstern und ein paar Weltkleriker, um eine neue Gemeinschaft zur Betreuung der Bevölkerung zu etablieren. 1799 wurde diese Mission aufgelöst; die Franzosen standen ante portas. Die letzten Mönche verließen 1803 mit der Säkularisation die Insel Reichenau. 1803 kam die Reichenau an das Großherzogtum Baden. Aus der Klosterkirche Münster St. Maria und Markus wurde eine katholische Pfarrkirche. Erst seit 2001 siedelt in Niederzell wieder eine in der Pfarrseelsorge tätige benediktinische Gemeinschaft, seit 2004 Cella St. Benedikt, eine Filiale der Erzabtei St. Martin in Beuron.
Der unterste Teil dieses fürstbischöflichen Wappens steht für das Augustiner-Chorherrenstift Öhningen (Ausschnittsvergrößerung unten), zwei aus Wolken hervorkommende natürliche Hände, einen aufwärts gerichteten silbernen Schlüssel mit beidseitigem Bart emporhaltend. Verschiedene Farbfassungen sind zu finden, nach Gatz ist das Feld golden, sind die Wolken blau, die Hände natürlich und der Schlüssel silbern. In Meersburg am Schloßplatz 11 ist das Feld genau so tingiert, ebenso am Pfarrhaus Schleitheim. Vor Ort in Meersburg ist in manchen Darstellungen auch das Feld blau, Wolken und Schlüssel sind silbern, die Hände natürlich. Hier ist der Schlüssel golden, die Ärmel sind silbern, und es ist keine eigentliche Feldfarbe verwendet worden, weil auch die Feldbegrenzung zugunsten der Einbettung in die Altararchitektur aufgegeben wurde. Diese wirkungsvoll inszenierte und im Vergleich zu anderen Wappendarstellungen große und prominente Darstellung gibt Anlaß, sich etwas tiefergehend mit dem Hintergrund dieses Wappenbestandteiles zu befassen.
Öhningen liegt 22 km westlich von Konstanz am nördlichen Ufer des Bodensees, genau dort, wo der Untersee in den Fluß Rhein übergeht, schräg gegenüber von Stein am Rhein. Die Stiftsgebäude sind nur 800 m von der schweizerischen Grenze entfernt. Das Augustinerchorherrenstift Öhningen ist 1166 erstmals faßbar. Vermutlich wurde ein älterer, bereits bestehender Adelssitz in ein Stift umgewandelt. Es gibt eine "Gründungsurkunde" von 965, nach der ein Graf Kuno von Öhningen zusammen mit seiner Frau Richlind und seinen vier Söhnen ein Benediktinerkloster auf seinem Eigengut gegründet haben soll. Diese "Urkunde" von Kaiser Otto I. ist eine bereits länger als solche erkannte Fälschung aus dem letzten Drittel des 12. Jh. Vielleicht steckt hinter diesen Kuno der Konradiner Konrad Herzog von Schwaben (reg. 983-20.8.997), es gibt keinen Beleg für eine Existenz eines solchen stiftenden Kuno. Auch das Jahr darf angezweifelt werden, vermutlich fand die Gründung auch nicht zum genannten Zeitpunkt statt. Alles andere ist spekulativ und nicht zu verifizieren. Tatsache ist hingegen, daß hier 1155 eine Propstei existierte und 1166 ein Augustiner-Chorherrenstift. Einerseits wäre es möglich, daß eine bestehende benediktinische Gemeinschaft sich zur Übernahme der Augustinerregel entschlossen hatte, andererseits wäre es möglich, daß Öhningen im Zuge einer im späten 11. und beginnenden 12. Jh. erfolgten Gründungswelle gleich als Augustinerstift gegründet wurde. Der Konvent war klein und bestand meist aus sechs Chorherren. Die Besitzungen des Stifts Öhningen waren verteilt auf die heutigen Landkreise Konstanz, Waldshut und Tuttlingen sowie die Kantone Schaffhausen und Zürich. Dieser Besitz konnte später durch Zukäufe zu einem geschlosseneren Territorium arrondiert werden.
Die rechtliche Stellung des Klosters war von einer starken Abhängigkeit von Konstanz geprägt. Der früheste urkundliche Existenzbeleg aus dem Jahr 1155 ist zugleich eine Besitzbestätigung für den Konstanzer Bischof Hermann von Arbon (1138-1165), ausgestellt vom Kaiser Friedrich I. (1152-1190). Die Propstei Öhningen wird als Eigenkirche des Konstanzer Bischofs geführt. Das muß den Kaiser wohl nachträglich gereut haben, denn als der Bischof starb, machte er diese Schenkung wieder rückgängig. In der Urkunde von 1166 ist Öhningen wieder "sein Stift". Doch als der Kaiser wiederum verstarb, bekam der Konstanzer Bischof das Stift wieder zurück, spätestens seit 1191, und seitdem hatte das Hochstift Konstanz ununterbrochen die Vogtei über die Ortschaft und das Stift inne. Konstanz setzte einen Untervogt zur Verwaltung des Stiftsbesitzes ein, meist den Vogt von Gaienhofen. Papst Alexander IV. (1254-1261) stellte zwar 1256 das Stift unter seinen Schutz, machte damit auch das Stift kirchenrechtlich und organsiatorisch exemt, doch änderte das nichts daran, daß das Hochstift Konstanz die Vogtei und damit die eigentliche Macht besaß. Dennoch blieb das Stift als Institution zwar klein, aber organisatorisch selbständig. Zweimal wurde sogar von Konstanzer Fürstbischöfen die Vogtei über Öhningen verpfändet, aber jedesmal wieder eingelöst, erst unter Heinrich III. von Brandis (1357-1383) und dann noch einmal unter Bischof Otto III. von Hachberg (1410-1434).
Das Problem war die geringe Größe, die schwache Ausstattung mit Besitz und damit verbunden der wirtschaftliche Niedergang im 15. und besonders im 16. Jh. Von den ursprünglich sechs Pfründen konnten nur noch drei durch die schrumpfenden Einnahmen gegenfinanziert werden. Kulturelle Leistungen durfte man von einer so winzigen Gemeinschaft nicht erwarten, der Beitrag von Öhningen zum Kulturschaffen in der Region war weniger als bescheiden. Besonders unter dem seit 1516 amtierenden Propst Konrad Rupp muß zudem eine ziemliche Mißwirtschaft geherrscht haben. Und bei drei Chorherren Gesamtbestand stellt sich irgendwann die Sinnfrage. Konstanz versuchte, das Stift ganz unter seine Kontrolle zu bringen. Zunächst stellte der Konstanzer Fürstbischof das Stift unter die Administration von Diethelm von Payer, Konstanzer Vogt von Gaienhofen. Dazu kam ein Sittenverfall, einerseits ein allgemeines Phänomen in vielen Klöstern zu dieser Zeit, warum sollte Öhningen da eine Ausnahme sein, andererseits dürfte ein Sittenverfall bei drei Leuten wohl kaum die Welt ins Wanken gebracht haben. Es ist eher anzunehmen, daß es Konstanz gut gepaßt hat, einen Grund für mehr Kontrolle über das Stift zu finden. Denn das eigentliche Interesse von Konstanz lag in der Aufbesserung seines Ertrag abwerfenden Grundbesitzes durch Übernahme der dem Stift zugehörigen Ländereien und damit die Generierung höherer Einkünfte, denn das Hochstift war nicht üppig ausgestattet.
Unter Bischof Johann von Lupfen (amtierte 1532-1537) wurde das Stift schließlich inkorporiert: 1534 bekam er die päpstliche Zustimmung zu diesem Plan und 1536 die Billigung von König Ferdinand I. Dadurch fungierte der amtierende Konstanzer Bischof fortan direkt als Propst, und ab 1536 gehörte das einst freie Chorherrenstift somit zum Hochstift Konstanz, ebenso war das seit 1256 exemte Stift nun auch in religiöser und kirchenrechtlicher Hinsicht in die Bischofskirche inkorporiert. Vor Ort wurde ein Dekan oder später ein Prior für die Wahrnehmung geistlicher Aufgaben eingesetzt. Die weltlichen Angelegenheiten, insbesondere die früher von dem Vogt wahrgenommenen Aufgaben, regelte vor Ort nun ein bischöflicher Amtmann. Der Konvent, der eh mittlerweile quantité négligeable war, brauchte in diese Personalien nicht mehr einbezogen zu werden, alle Entscheidungen wurden in Konstanz getroffen. Wirtschaftlich ging es mit dem Stift wieder aufwärts durch die bischöfliche Kontrolle der Angelegenheiten, so daß bald wieder sechs Pfründen besetzt werden konnten, wobei die Chorherren aber von Konstanz finanziell an kurzem Zügel geführt wurden.
Lupfens Nachfolger als Konstanzer Fürstbischof, Johann von Weeze, führte schon das neue Wappen mit der eingebogenen Spitze mit den Symbolen für die Propstei Öhningen. Es steht rangmäßig unter dem Symbol des Hochstiftes und dem der Reichenau, und entsprechend ist das Symbol auf dem geringwertigsten Platz, in der eingepfropften Spitze zu finden. Seitdem führten alle Konstanzer Bischöfe dieses Symbol, weil Öhningen bis zur Säkularisation und zur Auflösung des Hochstifts Konstanz inkorporiert blieb. Es gab zwar Versuche wie unter Dekan Karl Loder (-1760), den Zustand zu beenden und wieder eigenständig zu werden, aber es war ein fruchtloses Bemühen. Mit der Säkularisation kam Öhningen 1803 ebenso wie das Hochstift selbst an das Großherzogtum Baden; danach wurde das Stift am 1.4.1805 vom neuen Eigentümer, Karl Friedrich von Baden und Hochberg, aufgelöst. 1805 wurde die Pfarrei Öhningen gegründet, und aus der Stiftskirche wurde die Pfarrkirche St. Hippolyt und Verena.
Die heute noch bestehenden Gebäude in Öhningen gliedern sich in die Kirche, die Dreiflügelanlage des Konvents, den Wirtschaftshof und das Amtshaus des Obervogts. Die Kirche wurde 1610-1620 errichtet und später barockisiert. Die Konventsbauten entstanden im Kern um 1500, wurden ebenfalls unter dem Konstanzer Bischof Jakob Fugger von Kirchberg um die sogenannte Bischofsetage aufgestockt und wurden im 17. und 18. Jh. umgebaut. Die Dreiflügelanlage des Konvents besteht im Uhrzeigersinn aus der Propstei, dem sog. Pfarrhaus, dem Stammhaus und dem Torkel mit der Bibliothek im Obergeschoß. Nördlich der Kirche stehen im Westen das Küferhaus und im Osten das Rathaus (ehemalige Vogtei), dazwischen die Totenbruderschaftskapelle. Den östlichen Wirtschaftshof umgeben das Torwächterhaus, die Bäckerei, das Gesindehaus, eine Remise und ein Gästehaus. Auf der anderen Straßenseite steht noch das Amtshaus. Südlich der Anlage befinden sich die einst ausgedehnten Gartenanlagen.
Somit erzählt dieses Wappen in der Wilflinger Pfarrkirche die komplexe Geschichte vom Blühen und vom Niedergang zweier ehemals eigenständiger geistlicher Institutionen und ihrer Inkorporation in das Fürstbistum Konstanz.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@48.1365627,9.3560521,20z - https://www.google.de/maps/@48.1365627,9.3560521,71m/data=!3m1!1e3
Seelsorgeeinheit Langenenslingen: https://st-konrad-langenenslingen.drs.de/ und https://dekanat-biberach.drs.de/seelsorgeeinheiten/17-langenenslingen.html
Kirchengemeinde Wilflingen: https://st-konrad-langenenslingen.drs.de/unsere-kirchengemeinden/st-johannes-nepomuk-wilflingen.html
Johann Franz Schenk von Stauffenberg auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Franz_Schenk_von_Stauffenberg
Pius Bieri: Johann Franz Schenk von Stauffenberg, im Projekt
Süddeutscher Barock: https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Bauherr/h-r/Meersburg_Stauffenberg.html
Johann Franz Schenk von Stauffenberg auf den Seiten des Neuen
Schlosses Meersburg: https://www.neues-schloss-meersburg.de/wissenswert-amuesant/persoenlichkeiten/schenk-von-stauffenberg - https://www.neues-schloss-meersburg.de/fileadmin/Presse/pressemeldungen/29_meersburg_nsch/ssg_schloss-meersburg_pm_todestag-von-stauffenberg-12.06.1740_200609.pdf
Herbert Frey: Johann Franz Schenk von Stauffenberg, im
Historischen Lexikon der Schweiz: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/026344/2012-02-20/
Schloß Wilflingen: https://www.langenenslingen.de/index.php?id=165
Rudolf Reinhardt: Johann Franz Schenk von Stauffenberg, in:
Helvetia Sacra, Abteilung I, Band 2, erster Teil, Basel 1993
Kloster Reichenau auf den Gemeindeseiten: https://www.reichenau.de/de/Insel-Festland/Mein-Reichenau/Klostergeschichte
Kloster Reichenau auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Reichenau
Thomas Kreutzer: Kloster Reichenau auf Leo-BW: https://www.leo-bw.de/detail-gis/-/Detail/details/DOKUMENT/labw_kloester/478/Benediktinerpriorat-+Benediktinerabtei+Reichenau
Kloster Reichenau in der Klosterdatenbank Baden-Württembergs:
Thomas Kreutzer: Benediktinerpriorat/ Benediktinerabtei Reichenau
- Geschichte https://www.kloester-bw.de/klostertexte.php?kreis=&bistum=&alle=&ungeteilt=&art=&orden=&orte=&buchstabe=&nr=478&thema=Geschichte und Erwin Frauenknecht: Stift St. Peter und Paul,
Reichenau/Niederzell - Geschichte https://www.kloester-bw.de/klostertexte.php?kreis=&bistum=&alle=&ungeteilt=&art=&orden=&orte=&buchstabe=&nr=476&thema=Geschichte
Unesco-Welterbe Klosterinsel Reichenau in Baden-Württemberg: https://www.denkmalpflege-bw.de/uploads/tx_ttproducts/datasheet/Broschuere_Unesco-Welterbe_Klosterinsel-Reichenau.pdf
Abt Eberhard von Brandis: https://de.wikipedia.org/wiki/Eberhard_von_Brandis_(Abt)
Bischof Johannes von Weeze: https://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_von_Weeze
Augustiner-Chorherrenstift Öhningen auf den Gemeindeseiten: https://www.oehningen.de/gemeinde/kultur-und-bildung/augustiner-chorherrenstift/
Kloster Öhningen auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Öhningen
Kloster Öhningen auf Leo-BW: https://www.leo-bw.de/detail-gis/-/Detail/details/DOKUMENT/labw_kloester/734/Augustiner-Chorherrenstift+Öhningen
Andreas Bihrer: Kloster Öhningen in der Klosterdatenbank
Baden-Württembergs: https://www.kloester-bw.de/klostertexte.php?kreis=&bistum=Freiburg&alle=1&ungeteilt=&art=neu&orden=&orte=&buchstabe=&nr=734&thema=Geschichte
Franz Quarthal: Germania Benedictina, Bd. V: Die
Benediktinerklöster in Baden-Württemberg, Augsburg 1975, V, S.
471-475 https://elib.uni-stuttgart.de/bitstream/11682/5293/1/qua9_17.pdf
Die Wappen der Hochstifte,
Bistümer und Diözesanbischöfe im Heiligen Römischen Reich
1648-1803, hrsg. von Erwin Gatz, von Clemens Brodkorb, Reinhard
Heydenreuter und Heribert Staufer, Schnell & Steiner Verlag
2007, ISBN 978-3-7954-1637-9
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus der Kirche mit
freundlicher Genehmigung von Herrn Pfarrer
Klaus Sanke vom 18.5.2021,
wofür ihm an dieser Stelle herzlich gedankt sei
Die Wappen der Fürstbischöfe und Bischöfe von Konstanz
Ortsregister - Namensregister - Regional-Index
Zurück zur Übersicht Heraldik
©
Copyright bzw. Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard
Peter 2021
Impressum