Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 2772
Seekirch (Landkreis Biberach)
Pfarrkirche St. Mariae Himmelfahrt in Seekirch
Die Pfarrkirche in Seekirch ist historisch eng mit dem Kloster Obermarchtal verbunden. Seekirch stand zunächst in der Mitte des 14. Jh. unter der Herrschaft der Herren von Ehrenfels, dann kam das Dorf um 1370 an die Herren von Pflummern, die es 1406 an das Kloster Marchtal verkauften. Es handelte sich um ein Lehen der Grafen von Veringen und der Herren von Krenkingen, die nach dem Verkauf an das Kloster diesem den Besitz als Eigentum übertrugen. Das Kirchenpatronat war zunächst ein Krenkingensches Lehen der von Hornstein, das sie 1390 im Rahmen eines Tauschgeschäfts zu Eigen bekamen, aber 1395 an das Kloster gaben, welches die Pfarrei umgehend inkorporierte. Von 1406 bis 1803 war Seekirch vollständig Besitz des Klosters Obermarchtal, dann kam es zusammen mit diesem durch die Säkularisation an die Fürsten von Thurn und Taxis als Kompensation für verlorene linksrheinische Territorien bzw. in diesem besonderen Fall auch für verlorene Postmonopole in Mainz, Koblenz und Köln. 1803 wurde die bisher inkorporierte Pfarrei neu geschaffen und dotiert. Durch die Mediatisierung kam die Landeshoheit 1806 an Württemberg, welches Seekirch zunächst dem Oberamt Zwiefalten, dann ab 1810 dem Oberamt Riedlingen zuordnete. Die Pfarrkirche besitzt zwei Filialen, die Kapelle St. Blasius in Alleshausen (auch hier hatte das Kloster die Ortsherrschaft inne) und St. Oswald in Tiefenbach (zur Herrschaft Warthausen mit dem Stift Buchau als maßgeblichem Grundherr). Als dritte Filiale ist noch St. Wendelin in Brasenberg (hatte ebenfalls ehemals Obermarchtal als Ortsherrn) dazugekommen. Und alle vier werden seit 2001 von der Seelsorgeeinheit Federsee mit Hauptsitz in Bad Buchau pastoral betreut.
Die katholische Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt stammt aus dem 17.-18. Jh. Es handelt sich um ein einschiffiges saalartiges Langhaus mit eingezogenem Chor, vor die Fassade gestelltem Turm im Westen mit quadratischem Unterbau und achteckigem Aufbau und mit dem Haupteingang in der Mitte der Südseite des Langhauses. Im Jahre 1616 erfolgte ein kompletter Neubau der hier schon im Jahre 805 nachgewiesenen Kirche (Urkunde vom 23.10.805, im Stiftsarchiv St. Gallen). Eine Umgestaltung erfolgte 1756-1760 durch den Baumeister Tiberius Moosbrugger, Sohn des Obermarchtaler Maurermeisters Joseph Moosbrugger. Dabei wurden insbesondere die Fenster vergrößert, um einen lichteren Raum zu schaffen. So wirkt der Raum heute festlich und lichtdurchflutet und bringt die qualitätvolle und stilistisch einheitliche Innengestaltung wirkungsvoll zur Entfaltung. Der Westturm erhielt 1758-1759 eine Zwiebelhaube mit Laterne für die Loreto-Glocke, entworfen und gefertigt von Zimmermeister Johann Marquard aus Uttenweiler, der eigentlich aus Oberstadion stammte. Die Sakristei wurde 1760 neu gebaut, weiterhin wurde in diesem Jahr der Chor umgestaltet. Beides zugleich erreichte man dadurch, daß man die alte Sakristei zugunsten zweier weiterer Chorfenster abbrach und die neue Sakristei auf geschwungenem Grundriß um den Chorabschluß herum legte. Vorbild für diese Lösung war die von dem Deutschordensbaumeister Johann Caspar Bagnato geschaffene Sakristei der Kirche St. Cosmas und Damian in Unterwachingen.
Die Kirche erhielt ihre durchweg von namhaften Künstlern ausgeführte und hochwertige Rokoko-Ausstattung 1756, mit Fresken von Franz Martin Kuen aus Weißenhorn und künstlerisch bedeutenden Stukkaturen vom Wessobrunner Stukkateur Johann Georg Üblher. Die Fresken der Decke stellen einen Zyklus aus dem Leben der Gottesmutter Maria dar; das Hauptbild zeigt die Aufnahme Mariens in den Himmel. Der Chor wurde 1760 (siehe Chronogramm über dem Hochaltar) mit einem Fresko von Franz Sigrist (1727-1803), der zuvor in der Vorhalle der Zwiefaltener Abteikirche tätig war, und mit Stukkaturen von Franz Xaver Schmuzer, auch er ein Wessobrunner Meister, im Stil des Rokoko mit regelmäßig angeordneten Rocaille-Kartuschen und einem Netz aus Blütengirlanden und Blattwedeln und verbindenden Dekorationen neu gestaltet, in seiner Wirkung feiner und zurückhaltender als der Stuck des Langhauses. Das Deckengemälde im Chor zeigt die über die Höllenmächte triumphierende Gottesmutter. Die drei Altäre stammen aus unterschiedlichen Zeiten; die beiden älteren sind die Seitenaltäre. Sie datieren von 1713 (Rosenkranzaltar, links, mit der Rosenkranzkönigin, dem hl. Dominikus und der hl. Katharina von Siena) und 1715 (Katharinenaltar, rechts, mit der hl. Katharina, Ursula und Agatha) und besitzen Altarbilder des Ehinger Malers Johann Martin Weller. Der Hochaltar stammt aus dem Jahr 1774 und besitzt ein Altarbild des Malers Joseph Anton Mesmer aus Saulgau, welches die Krönung Mariens darstellt und in der unteren Hälfte verschiedene Heilige darstellt, darunter den hl. Norbert als Gründer des Prämonstratenserordnes, den hl. Oswald als Patron von Tiefenbach, den hl. Blasius als Patron von Alleshausen und den hl. Vitus als Patron der ehemaligen Riedkapelle. Seitlich stehen am Hochaltar Skulpturen des hl. Norbert und des hl. Augustinus, typisches Figurenprogramm aller Prämonstratenserkirchen. Die Kanzel gestaltete Francesco Pocci.
Insgesamt finden wir in und an der Kirche heraldische Spuren von drei verschiedenen Marchtaler Äbten. Das prominenteste Wappen prangt über dem Torbogen. Es ist ausweislich der goldenen Majuskeln "E A Z M" für "Edmund Abt zu Marchtal", den Obermarchtaler Abt Edmund II. Sartor/Schneider (30.11.1696-12.6.1768). Dieser bürgerliche Abt stammte aus Munderkingen, war der Sohn von Jodokus Schneider und dessen Frau, Anna Maria Veser, und wuchs unter dem Taufnamen Sebastian auf. Nach dem Besuch des Stiftsgymnasiums trat er als Novize ins Kloster Marchtal ein; eine auswärtige Universität besuchte er nicht, das war auch in Marchtal nicht üblich. Er legte seine Profeß am 26.4.1717 ab. Statt Sebastian wählte er Edmund als Klosternamen, und den bürgerlichen Familiennamen latinisierte er zu Sartorius. Seine Priesterweihe empfing er am 24.6.1722. Er wurde Lehrer am Gymnasium und Professor für Philosophie, Dogmatik und Kirchenrecht, Prior und war 1742-1746 Vikar in Munderkingen. Seine Wahl zum 55. Propst und Abt fand am 24.5.1746 statt, die Abtsweihe empfing er am 19.6.1746. Er amtierte als 20. Abt 1746-1768.
Sein Wappen ist durch eine eingebogene Spitze in drei Felder geteilt, Feld 1: geteilt, oben in Blau ein wachsender silberner, schwarz bewehrter Steinbock, von einem hier roten, sonst als golden beschriebenen Pfeil von hinten schräg abwärts durchbohrt, unten siebenmal rot-silbern geteilt, Feld 2: in Schwarz drei (1:2) goldene Lilien, Feld 3: in Gold ein schwarzgekleideter Mann mit silbernem Beffchen ohne Hände und Füße. Obendrüber trägt ein Engelskopf eine Mitra, schrägrechts ragt der Krummstab des Abtes heraus, schräglinks das gestürzte Schwert. Alles ist eingebettet in den opulenten Stuck des Chorbogens mit seinen Rocaille-Ornamenten und Blütengirlanden. Eine weitere Wappendarstellung für diesen Abt ist in Obermarchtal im dortigen Spiegelsaal zu sehen, die aber bei weitem nicht so schön gearbeitet ist wie diese hier (dort ist der Pfeil golden). Außerdem ist das Wappen am Turm der Pfarrkirche in Unterwachingen angebracht. Das Wappen dieses Abtes befindet sich weiterhin an einem von ihm gestifteten, 1763-1765 in Augsburg hergestellten Meßkelch.
Daß sein Wappen hier in der Pfarrkirche angebracht ist, paßt zu seinem Schaffensschwerpunkt in der Seelsorge, zu deren Verbesserung er mehrere Pfarrkirchen (Unterwachingen, Seekirch und Bremelau) und Kapellen (in Dietershausen, auf dem Hofgut Ammern bei Tübingen, in Heuhof bei Uttenweiler und in Volkersheim) erbauen bzw. umgestalten ließ. Der fromme Abt ließ mehrere Oratorien verfassen. Zu den negativen Seiten seiner Amtsausübung gehört die Beteiligung an Hexenprozessen mit fünf zu Tode gebrachten Opfern, eine unter der Folter, vier durch Todesurteile, und das noch in der ersten Hälfte des 18. Jh. Er war der letzte Abt, der dieses düstere Kapitel Marchtaler Geschichte fortsetzte, und schon während seiner Amtszeit hatte es ein Ende damit, zumindest mit den tödlich ausgehenden Prozessen. Der Abt trat in Obermarchtal vielfältig als Bauherr in Erscheinung, so baute unter ihm der Deutschordens-Baumeister Johann Caspar Bagnato den Ostflügel des Klostergevierts, und er vollendete die beiden Eckflügelbauten im Osten und schloß damit das Geviert, und der Abt ließ die Ökonomiegebäude westlich der Stiftskirche errichten. Leisten konnte er sich das, weil das Kloster endlich wieder schuldenfrei war. Sein Bemühen um eine Mindestbildung seiner Untertanen soll lobend erwähnt werden, schon 1748 trat er mit einer neuen Schulordnung hervor. Wer als Mann die Erlaubnis zum Heiraten wollte, mußte fortan lesen und schreiben können.
Neben diesem Wappen gibt es noch zwei ältere Wappensteine von Amtsvorgängern des Edmund Sartorius. Als Spolie ist an der Wand ein Wappenstein des Obermarchtaler Abtes Johannes I. Haberkalt (-1518) angebracht, der aus Überlingen stammte. Den Wortlaut der verwitterten Inschrift kann man nur noch erahnen, vermutlich hieß das einmal: "Iohannes Haberkalt / Abt Zu Marchthal 1514". Er wurde am 31.7.1514 zum 39. Propst und 4. Abt gewählt und am 15.8.1514 geweiht. Er blieb nur vier Jahre im Amt, und seine Wirtschaftsführung war miserabel: Er verbrauchte in dieser Zeit das gesamte von seinen Amtsvorgängern angesparte Stiftsvermögen. In Seekirch war er Helfer, bevor er zum Abt gewählt wurde, und als Abt ließ er im Ort auf einem Hügel eine Burg mit einem herrschaftlichen Haus errichten, wobei ihn die dafür zu leistende Fronarbeit in der Beliebtheit bei den Untertanen jäh abstürzen ließ; es kam zu Protesten. Die Untertanen haßten den "Fronberg". Im Jahre 1758 wurde das Material des einstigen Sommersitzes der Äbte zum Bau eines Kameralhofes in Alleshausen verwendet. Im 19. Jh. wurde der ganze Hügel abgetragen. Von diesem einstigen Sommersitz des Abtes stammt der Stein. Sein persönliches Wappen zeigt einen Weinstock, meist auf einem Dreiberg. Die Tinkturen sind nicht zu ermitteln. Als Siegel verwendete er nach wie vor das unpersönliche Abteisiegel, wie es seit 1441 in Gebrauch war. Erst seine Nachfolger gingen zu individuell gestalteten Siegeln über. Das Wappen wird hier nur als Schild ohne alle Prunkstücke geführt.
Der andere Wappenstein über der Eingangstür zum Turm der Pfarrkirche ist schon fast bis zur Unkenntlichkeit verwittert, und die Inschrift ist auch nicht mehr leserlich. Man erkennt im Grunde nur noch, daß es sich um ein geflügeltes Wesen handelt. Dieser Wappenstein ist für den Obermarchtaler Abt Johann Engler (-27.8.1637), der aus Steinhausen bei Bad Schussenried stammte. Er erhielt seine Weihe zum Diakon und Priester am 20.12.1608. Zunächst bekam er das Amt des Cellerarius, ehe er am 31.5.1614 zum 12. Abt geweiht wurde und die Abtsweihe am 24.6.1614 erhielt. Er ist der Bauherr der 1616 errichteten neuen Kirche in Seekirch. In seine Amtszeit fiel ein Großteil des Dreißigjährigen Krieges, und 1632-1634 floh der Abt vor den Schweden nach Konstanz. Sein Wappen zeigt frontal einen stehenden Engel mit ausgebreiteten Flügeln, alternativ das Brustbild eines Engels. Die Tinkturen sind nicht zu ermitteln. Das Wappen wird mit einer Mitra mit zwei seitlich abflatternden Infuln und mit einem schräglinks gestellten Krummstab mit abflatterndem Sudarium geführt.
Liste
der Äbte (in Bezug auf die Äbte vollständig, in Bezug auf die
Pröpste ab dem 36. Propst)
Äbte mit
Amtszeiten, Äbte mit hier gezeigtem Wappen, Lebensdaten, Blasonierung des
persönlichen Wappens und Wappen-Fundstellen.
Da alle Äbte ausnahmslos dem bürgerlichen städtischen oder
ländlichen Milieu und nicht dem Adel entstammten, konnte in
keinem Fall auf ein echtes Familienwappen zurückgegriffen
werden, und die gewählten persönlichen Wappen sind aus
heraldischer Sicht keine große Kunst, sondern eher schlichte
oder sogar ungünstig zu nennende inhaltliche und graphische
Konzepte. Statt der klaren Form und Gestaltung adeliger Wappen
sehen wir den Versuch, mit stereotypen Symbolen als
Versatzstücken persönliche heraldische Zeichen zu schaffen,
manchmal sogar unter Vermengung der persönlichen und der
klösterlichen Komponenten innerhalb eines Feldes. Man gewinnt
fast den Eindruck, aufgrund der Kurzlebigkeit des Wappens mangels
Nachkommen gab man sich gestalterisch nur minimal Mühe. Ferner
sind die Abtswappen schlecht hinsichtlich der korrekten Tinkturen
und, sofern vorhanden, Oberwappen dokumentiert. Im Siebmacher Band: Klö Seite: 19 Tafel: 33 wird nur das
allgemeine Stiftswappen abgebildet, auf die Wiedergabe der
einzelnen Abtswappen wird verzichtet.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@48.1058164,9.641199,19z - https://www.google.de/maps/@48.1058247,9.6411848,50m/data=!3m1!1e3
Seelsorgeeinheit Federsee: https://www.se-federsee.de/buchau
Pfarrkirche Seekirch: https://www.se-federsee.de/seekirch-mariae-himmelfahrt
Seekirch auf Leo-BW: https://www.leo-bw.de/fi/web/guest/detail-gis/-/Detail/details/ORT/labw_ortslexikon/17597/Seekirch - https://www.leo-bw.de/web/guest/detail-gis/-/Detail/details/ORT/labw_ortslexikon/17599/Seekirch+-+Altgemeinde~Teilort
Julia Fischer: Die Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Seekirch und
die Kapellen der Pfarrei in Alleshausen, Brasenberg und
Tiefenbach, 32 S., 1. Auflage 2012, ISBN 978-3-89870-741-1
Prälat Paul Kopf: 1200 Jahre Seekirch - Bedenkenswertes aus der
Geschichte www.gfh-biberach.de/Hefte/BC-Heimatkundliche-Blätter-für-den-Kreis-Biberach/J28H1S03.pdf
Wilfried Schöntag: Germania Sacra, Dritte Folge 5: Die Bistümer
der Kirchenprovinz Mainz: Das Bistum Konstanz 6: Das
reichsunmittelbare Prämonstratenserstift Marchtal, Berlin
und Boston 2012, https://rep.adw-goe.de/handle/11858/00-001S-0000-0023-9A0A-F - pdf: https://rep.adw-goe.de/bitstream/handle/11858/00-001S-0000-0023-9A0A-F/3.F.%205%20Schoentag%20Marchtal.pdf?sequence=1&isAllowed=y - Klosterdatenbank: https://adw-goe.de/germania-sacra/klosterdatenbank/datenbankabfrage/gsn/1047
Pius Bieri: Edmund II. Sartor (1696-1768), Abt in Obermarchtal
1746-1768, in: Süddeutscher Barock, https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Bauherr/h-r/Obermarchtal_Sartor.html
Marchtaler Schulordnung von 1748 https://de.wikisource.org/wiki/Marchtaler_Schulordnung_1748
Pius Bieri: Ehemalige Stiftskirche St. Maria und St. Peter und
Paul in Obermarchtal, in: Süddeutscher Barock https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Werke/h-r/Obermarchtal_Kirche.html
Pius Bieri: Ehemalige Prämonstratenser-Reichsabtei Marchtal in
Obermarchtal, in: Süddeutscher Barock https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Werke/h-r/Obermarchtal_Kloster.html
Veröffentlichung der
Innenaufnahmen aus der Kirche mit freundlicher Genehmigung von
Herrn Pfarrer Martin Dörflinger vom 8.4.2021, wofür ihm an dieser Stelle
herzlich gedankt sei
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