Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 2770
Bad Buchau (Landkreis Biberach)
Die katholische Pfarrkirche St. Cornelius und Cyprianus (Stiftskirche Buchau)
Die ehemalige
Stiftskirche und die Neugestaltung des Innenraumes 1773-1776
Die heutige Pfarrkirche St.
Cornelius und Cyprianus war die Stiftskirche des
reichsunmittelbaren freiweltlichen Damenstifts Buchau und wurde
nach dessen Aufhebung Pfarrkirche. Bevor die jetzige
frühklassizistische Kirche entstand, gab es hier mehrere
Vorgängerbauten, einen aus der Zeit um 1000, einen romanischen
aus dem 11. Jh. und einen gotischen aus dem 13. bis 15. Jh. Die
älteste Bausubstanz ist im Turm und im gegenüber dem
Hauptschiff um zwei Stufen erhöhten Chor bzw. der dreischiffigen
Krypta vorhanden. Die Reste der Krypta sind alles, was vom ersten
Bau übrig geblieben ist, ansonsten haben wir wenig Vorstellungen
von deren Aussehen, denn die erste Kirche wurde 1032 durch einen
Brand zerstört. Im 11. Jh. entstand eine klassische romanische
Basilika, die im 13. Jh. gotisch überformt wurde. In der
Spätgotik wurde der Turm erhöht, außerdem wurde die Kirche
gewölbt und der Chor mit einem Polygonalabschluß versehen.
Weiterhin wurde das Nordschiff erhöht und mit einer Empore
versehen und bekam ein gemeinsames Satteldach mit dem
Hauptschiff; das Südschiff blieb niedrig mit Pultdach. Die
meisten dieser Baumaßnahmen datieren in die zweite Hälfte des
15. Jh.
1773-1776 wurde die bestehende gotische Kirche tiefgreifend umgebaut: Die Baukommission dachte zunächst nur an eine Ausbesserung, doch am 13.11.1773 beschloß man eine tiefgreifende Veränderung und die Schaffung eines völlig neuen Raumes. Am 17.12.1773 wurde Pierre Michel d'Ixnard (22.11.1723-21.8.1795), der bereits seit sieben Jahren am Stiftsbau tätig war und die Stiftsgebäude umgestaltet hatte, mit einem Gutachten beauftragt. Dieser Architekt wurde zum Wegbereiter des Klassizismus in der Architektur (bedeutende Arbeiten: kurfürstliches Schloß Koblenz, Klosterkirche St. Blasien). Seine wesentlichen, bis 1776 in Buchau durchgeführten Änderungen waren der Neubau der nördlichen Langhausmauer, die Niederlegung des Stiftsgangs längs der Kirche und der Einbau dreier neuer großer Fenster auf der bisher lichtlosen Längsseite. Die Fenster sind tief herabgezogen und fluten den Kirchenraum mit Licht. Das dominierende Farbschema aus Gold und Weiß erzeugt einen eleganten, hellen Raumeindruck. Aus der gotischen Basilika wurde ein klassizistischer Raum. De facto wurde aus der Renovierung ein Neubau unter Verwendung alter Strukturen. Beibehalten wurde die dreischiffige Grundstruktur, wobei das Langhaus durch rechteckige Pfeiler mit Pilastervorlage in drei flachgedeckte Schiffe gegliedert ist. Das Schiff ist im Westen durch einen Gang mit dem Stift verbunden. Der eingezogene, dreiseitig abschließende Chor besitzt eine angefügte halbrunde Apsis zwischen den gestuften Strebepfeilern. Das Südschiff wurde auf Höhe des Hauptschiffs erhöht, so daß jetzt eine einheitliche Raumhöhe herrschte. Im Dachstuhl ist das nach wie vor gut nachvollziehbar, denn das spätgotische Balkenwerk über Mittel- und Nordschiff bildet eine Einheit, an die die südliche Schräge mit einem neuen First angesetzt wurde. Die Seitenschiffe sind durch Emporeneinbau in zwei Geschosse aufgeteilt. Die Nordempore war für die Stiftsdamen vorgesehen. Der Chor wird von alter und neuer Sakristei flankiert. Die neue Kirche konnte am 14.9.1776 geweiht werden, nachdem man drei Jahre lang die Gottesdienste im Kapitelhaus abgehalten hatte.
Typisch klassizistisch ist die Formensprache im Inneren: Die geraden Linien, die durch die Flachdecke und die unvermittelt an die Pfeiler stoßenden Emporen und den Übergang zum Chor erzeugten Horizontalen und die kubischen Raumkompartimente dominieren. Das Gebälk ist auf der Unterseite kassettiert. Die ionisierenden Pilasterkapitelle sind vergoldet, zwischen diesen sind Gehänge und zweigverzierte Konsolen im Wechsel angebracht. Als Abschluß dienen ein Eierstab und darüber eine Konsolen- und Kassettenfolge. Die Stukkaturen betonen die tektonischen Elemente. Die Emporenbrüstung wird durch ein durchbrochenes Flechtband verziert; Stuckmedaillons mit Halbfiguren der zwölf Apostel werden mit Gehängen und Zweigen gerahmt. Am Westende des Kirchenschiffs tragen zwei Atlanten die Orgelempore, und hier verzieren Musik-Embleme die Brüstung. Der Chor ist außen polygonal, innen aber abgerundet. Der Chor als liturgischer Hauptraum ist mehr mit Stuck verziert als der Hauptraum. Korinthische Pilaster gliedern die Chorwände; über den Fensterbögen sind Konsolen, Lorbeergewinde und Zweige zur Verzierung angebracht. Auf der Nord- und der Südseite des Chores befinden sich zwei Nischen für Würdenträger des Stifts; den Sitz für die Äbtissin erkennt man am Fürstenhut oben als Abschluß auf dem rechteckigen, girlandengesäumten Baldachin. Auf der anderen Seite gibt es keinen Baldachin, und der obere Abschluß ist ein Barett. Darüber befinden sich Stuckmedaillons mit den Kirchenheiligen Cornelius und Cyprianus mit klassizistischer Einfassung. Auch die über ein Oratorium erreichbare Kanzel in der Südostecke des Hauptschiffes fügt sich in dieses Dekorationsschema mit ihrem Stuckmarmor, mit Akanthusfuß des Korbes, mit Blattgirlanden und mit einer Blumenvase auf dem Schalldeckel. Auch sie wurde von d'Ixnard entworfen. Vor den Fenstern der Seitenschiffe sind je vier grau gestrichene Beichtstühle aufgestellt, mit Kelchschnur, Kranz und Tuchgehängen und mit Figuren von Büßern und Büßerinnen als Bekrönung. Die Skulpturen in der Kirche wirken nach wie vor stilistisch dem Barock verpflichtet, harmonieren aber gut mit dem frühklassizistischen Raum.
Das zentrale
Deckengemälde der ehemaligen Stiftskirche
Der Maler Andreas Brugger
(16.11.1737-8.2.1812) erhielt den Auftrag zur Ausmalung der
umgestalteten Kirche. Die kaschierte Chordecke zeigt die 24
Ältesten in Anbetung des Lammes auf dem Buch mit sieben Siegeln.
An der Langhausdecke gibt es insgesamt drei Gemälde von Brugger.
Westlich vom Chor sieht man die Begegnung von Abraham und
Melchisedek, dem König von Salem, der Brot und Wein heraus
bringt. In der Nähe der Orgel sieht man am anderen Ende des
Schiffs den Mannaregen mit Moses und Aaron. Das größte, 1775
entstandene Gemälde ist dasjenige in der Mitte des
Kirchenschiffes; es vereinigt mehrere Szenen: In der Mitte
scheint der Blick geradewegs ins Helle des Himmels zu führen, wo
eine Krönung Mariä und ihre Aufnahme in den Himmel stattfindet:
Die weiß mit blauem Mantel gekleidete Maria wird mit
ausgebreiteten Armen von Engeln emporgetragen, wo sie von der
Dreifaltigkeit gekrönt wird, Gott Vater rechts etwas höher in
gelbem Gewand, der Kopf mit einem Dreieck hinterlegt, Gott Sohn
links in rotem Tuch, das Kreuz hinter sich lassend, und
obendrüber schwebend die Taube des Heiligen Geistes. Unten
rechts beobachten die beiden Kirchenpatrone die Krönung: Papst
Cornelius ist sitzend dargestellt mit rotem Camauro auf dem Kopf
und mit einer roten Mozzetta um die Schultern; die Tiara hält
ein Engel neben ihm. Bischof Cyprianus kniet hinter ihm mit Mitra
und Krummstab. Beide sind in der frühen Geschichte des
Christentums als Märtyrer gestorben.
Darunter wird im Osten des Schiffs, also von den Bänken des Kirchenschiffs aufrecht sichtbar, die Klostergründung im Deckengemälde dargestellt. Eine Treppenflucht führt zu einer Plattform, auf der ein Altar steht, wo aus einem goldenen Gefäß Opferrauch aufsteigt. Die mit einem hermelingestulpten Fürstenhut versehene Klostergründerin Adelindis legt die Gründungsurkunde auf einen Altar, und der fränkische König Ludwig der Fromme, Sohn und Nachfolger Karls des Großen, steht mit seinen Rittern dabei, hinter ihm die Flagge mit dem doppelköpfigen Reichsadler auf goldenem Grund. Er spendierte dem Kloster im Jahre 819 Besitzungen in Saulgau und in Mengen und erweiterte die Stiftsprivilegien. Im dunkel gehaltenen Vordergrund liegen rechterhand drei erschlagene Krieger, Beringer, Gerhard und Reginolf. Zur Belastbarkeit der Konstellation aus historischer Sicht siehe unten.
Auf der anderen, westlichen Schmalseite des zentralen Deckenfreskos wird die dritte Szene dargestellt, die man vom Chor aus gesehen aufrecht genießen kann. Hier kommt das Gegenstück zur Gründung, durch die Anordnung zu einem der Gründung gleichwertigen Ereignis erhoben: In dieser Szene wird der Umbau der Stiftskirche gefeiert. In der Mitte halten zwei Engel das Stiftswappen und rollen unter diesem einen riesigen Plan mit einer Ansicht des Klosters mit der neuen Kirche aus. Links neben dem Plan steht die Bauherrin, Fürstäbtissin Maximiliana von Stadion, und sowohl der linke Engel als auch Maximiliana weisen jeweils mit ihrer Hand auf den Plan. Über Maximiliana hält ein Putto ein Fruchtgebinde und hebt sie so hervor.
Hinter Fürstäbtissin Maximiliana steht eine Gruppe von acht weiteren Stiftsdamen. Alle tragen die zeittypische Tracht der Buchauer Stiftsdamen: Ein schwarzer Reifrock, der mit samtenen Schnüren und Litzen besetzt ist, wird über einem weißen Untergewand getragen, dessen Spitzenärmel am Ellenbogen herausschauen. Dazu wird ein weißes Schultertuch getragen, den Kopf bedeckt eine steife Haube von dreieckigem Zuschnitt (die Kopfbedeckung wird Kopffächel genannt und wurde erst 1788 abgeschafft), die Schuhe sind gestickt, und die Stiftsdamen außer der Äbtissin tragen ein blaues Ordensband von der rechten Schulter zur linken Hüfte. Das blaue Ordensband ist für das "Kleinod", das die Äbtissin den neueingetretenen Stiftsdamen anläßlich ihrer Bemäntelung (Einkleidung) überreichte. An der rechten Brustseite tragen sie ein Ordensband, dessen Medaillon von einem Fürstenhut bedeckt ist, bei der Äbtissin mit einem blauen Tuch, bei den anderen Stiftsdamen mit einem weißen Tuch.
Der bedeutende oberschwäbische Maler Andreas Brugger steht mit seiner Kunst an der Schwelle zwischen Rokoko und Klassizismus. Er begann, geprägt durch seine Ausbildung bei dem aus Langenargen stammenden Franz Anton Maulbertsch, als Barockmaler süddeutscher und österreichischer Prägung. Dem Barock verhaftet ist der Umgang mit Licht und Schatten, die Zunahme der Lichtfülle von außen nach innen, die illusionshafte Öffnung der Decke zum Himmel. Die Mitte des Gemäldes ist quasi der barockeste Bereich. Barock ist die Kombination der Szenen, ebenso sind es die theatralischen Gesten, die spannungsgeladene Beziehung der Figuren untereinander. Brugger schloß aber an seine Ausbildung noch einen Studienaufenthalt in Rom an, und von daher kommt der klassizistische Einschlag in seinen Arbeiten. Besonders die beiden Kopfszenen lassen diesen neuen Einfluß spüren: Der hohe Ordnungsgrad, das ausgeglichene Arrangement der Figuren macht die Randszenen strenger und ruhiger als das Mittelfeld. Während in der Mitte der Rausch der Bewegung und der lichten Farben herrscht, wirkt hier in den beiden Außenszenen mit den symbolhaften Handlungen nichts dem Zufall überlassen, in jedem Detail erkennt man eine Bedeutung. Vor allem die offensichtliche Gleichsetzung der Klostergründung mit dem Kirchenneubau, die dadurch insinuierte Erhebung der Baumaßnahme in den Rang einer zweiten Gründung ist eine durch die Anordnung sich ergebende hintersinnige Absicht. Andreas Brugger stattete nicht nur Buchau mit Fresken aus, weitere Arbeiten sieht man in der Pfarrkirche zu Bad Wurzach, in der Pfarrkirche St. Ulrich und Magnus in Bodnegg, in der Ailinger Rosenkranzkapelle (Friedrichshafen), in der Mariä-Himmelfahrt-Kapelle im Kressbronner Ortsteil Schleinsee, in der Pfarrkirche Langenargen, in der Rorschacher Pfarrkirche, als Tafelbilder im Zisterzienserkloster Salem, und vor allem im Neuen Schloß Tettnang, wo er mehrere Jahre tätig war.
Klassizistisch ist vor allem auch die Rahmung der Deckenmalereien, als wären es Tafelbilder. Die Deckenmalereien bilden keinen Zusammenhang mit der Architektur, sondern sind gerade abgegrenzt, ganz im Gegensatz zum Barock, der die Übergänge zwischen Architektur, Skulptur und Malerei fließend, manchmal auch illusionistisch gestaltete. Hier haben wir keine innere Einheit der Gesamtausschmückung, sondern einzelne, in sich geschlossene Themendarstellungen, die auch klar nach außen abgegrenzt sind und der Architektur ihre eigene Show lassen.
Klosterwappen
und Gründungslegende
In der Mitte der Szene mit dem
Bauplan und der amtierenden Fürstäbtissin halten zwei Engel ein
großes, leicht schräg in den Raum gestelltes Klosterwappen des Stifts
Buchau. Es ist oval zugeschnitten und wird kreisförmig
von einem goldenen Lorbeerkranz umgeben. Ein rotgefütterter und
mit Hermelin aufgeschlagener Fürstenhut ruht auf dem oberen
Rand. Schrägrechts ragt der Krummstab hinter dem Wappen hervor,
und schräglinks das gestürzte Schwert als sichtbares Zeichen
des fürstlichen Ranges der Äbtissin.
Das erste Element des Stiftswappens ist geviert, Feld 1 und 4: in Gold drei schwarze schreitende Löwen übereinander, Feld 2 und 3: silbern-blau gerautet. Das ist einfach eine Kombination aus dem alten Wappen der Hohenstaufen, der einstigen Herzöge von Schwaben, mit den Wittelsbacher Rauten in aufrechter Form, in der Kombination eine Aussage über eine schwäbische und bayerische Abstammung. Diese Kombination wird verstanden als apokryphes Wappen der Adelindis bzw. Hadelinda. Und da sind wir schon bei der spannenden Frage, welcher Adelindis? Denn es gab insgesamt drei in der Anfangszeit, eine in der zweiten Hälfte des 8. Jh., die vielleicht Äbtissin war, eine zweite um 900, die gewiß Äbtissin war, und eine dritte um 900, die vielleicht nach 914 Kanonikerin war. In erster Linie ist die Gründerin des Stifts Buchau gemeint, Adelindis Nr. 1. Sie war die Tochter von Hildebrand (Legende: Herzog Hildebrand von Schwaben), einem Langobarden, den Karl der Große später zum Herzog von Spoleto machte. Wir befinden uns also in karolingischer Zeit, weit vor der heraldischen Zeit, und alle im folgenden genannten Personen waren der Begriff und das Wesen der Heraldik völlig unbekannt. Wir bewegen uns damit im Bereich der Fabelheraldik, wo in vorheraldischer Zeit lebenden Personen apokryphe Wappen beigelegt wurden, oder etwas deutlich, wo fiktive Wappen erfunden wurden, um die außerhalb des heraldischen Paradigmas lebenden Personen salonfähig zu machen. Im frühen 17. Jh. wurde der Adelindis Nr. 1 das fragliche Wappen beigelegt; zum ersten Mal ist es farbig im ersten Stiftsrepertorium von 1605 abgebildet, das vom Stiftsekretär Gabriel Leuthold verfaßt worden ist (Staatsarchiv Sigmaringen, StAS Dep. 30/14 T 2 Nr. 1757). Dort sind die drei Löwen hersehend und rot in goldenem Feld; die Rauten haben die aufrechte Form, im Gegensatz zu den schrägen echten Wittelsbacher Rauten. Auf dem Blatt wird Adelindis als "Adelgiendis ain gepor(e)ne Herzogin v(on) Schwab(e)n Stifterin di(e)ses Kayserlichen Stifts Buchau" bezeichnet.
Jener Langobarden-Herzog heiratete eine Frau aus Bayern, und die gemeinsame Tochter Adelindis Nr. 1 wurde vermutlich um 735 auf Burg Andechs geboren. Sie heiratete um 750 Warin, einen fränkischen Grafen (Thurgaugrafen), der in der zweiten Hälfte des 8. Jh. im Bodenseeraum gut bezeugt ist, und gemeinsam mit diesem gründete sie um 770 das Kloster und Stift Buchau. Das Datum gilt in der Klostergeschichte als akzeptiert, aber im Grunde gibt es dafür keinerlei urkundlichen Beleg. Es gibt auch keinerlei Belege darüber, ob sie tatsächlich als Konverse oder gar als Äbtissin in das Kloster selbst eintrat, all das sind Annahmen späterer Zeiten, die sich verfestigt haben. Es wäre jedoch wahrscheinlich und entspräche ähnlich gelagerten Fällen, daß dem so war. Adelindis Nr. 2 war die Tochter des Atto und der mittleren Adelindis Nr. 3. Die Adelindis Nr. 2 war um 900 bis nach 914 Äbtissin in Buchau. Zur Adelindis Nr. 3 später.
Im oben erwähnten Stiftsrepertorium von 1605 wird auch bereits das zweite Element des Klosterwappen abgebildet, in Grün ein durchgehendes rotes Tatzenkreuz, oben rechts bewinkelt von einer goldenen, gesichteten Strahlensonne, oben links von einer zunehmenden, gesichteten goldenen Mondsichel. Hier lautet die Bezeichnung "H(err) Otto Graf von Tragandt zu Kesselburg". Auch dieses ist ein wegen des Farbregelverstoßes heraldisch nicht ganz einwandfreies apokryphes Wappen, also ein jemandem nachträglich angedichtetes Wappen. Gemeint ist Atto, nach der Gründungslegende Graf von Tragant aus Griechenland, tatsächlich aber Atto Graf im Eritgau, der um 900 lebte und dessen Gemahlin Adelinde (die mittlere, Nr. 3, nicht die Äbtissin) im Kloster Buchau starb, vermutlich als Kanonikerin. Hier lieh also die Adelindis Nr. 3 der ersten ihren eigenen Ehemann zur Gründungslegende. Die Legende machte nämlich Atto, Sohn des Grafen Russo von Tragant, zum Ehemann der ersten Adelindis, die das Kloster genau an der Stelle gründete, an der Atto im Kampf gegen die Hunnen im Planckental gestorben war, was nach den Fakten weit vor seiner Geburt gewesen sein müßte. Dichtung und Wahrheit gehen bei der Gründungslegende weit auseinander, denn es war wahrscheinlich etwas anders: Atto und Adelindis Nr. 3 hatten drei Söhne, Beringer, Gerhard und Reginolf. Diese drei hatten versucht, ihre Schwester, Adelindis Nr. 2, aus Buchau zu entführen, und sie fielen 902 im Kampf. Adelindis Nr. 2 wurde mit Adelindis Nr. 1 verwechselt, und die Nr. 1 bekam die Geschichte der Nr. 2.
Da Adelindis Nr. 3, die nach 914 wohl als Kanonikerin im Kloster Buchau lebte, dem Kloster Schenkungen gab und andere Wohltaten zugute kommen ließ, war sie hoch angesehen und wurde bald verehrt. So sehr, daß sie in der Wahrnehmung und in der Tradition mit der Gründerin, der ursprünglichen Adelindis, zu einer Person verschmolz, Adelindis Nr. 3 = Adelindis Nr. 1. Und der Einfachheit halber wurde Adelindis Nr. 3 mit dem gleichen Wappen versehen. Sie gab auch den Todestag, den 28.8., um an diesem Tag jährlich der anderen, ersten Adelindis zu gedenken. Nr. 3 gab also das Adelindis-Fest. Und noch mehr wurde von der Adelindis Nr. 3 entlehnt, nämlich auch das Adelindisgrab, das in Buchau gefunden wurde. Denn wo die Gründerin, die andere Adelindis begraben ist, ist völlig unbekannt. Nach Auffindung des Grabes der Adelindis Nr. 3 transferierte man es in den oberen Chor und stellte 1713 ein Epitaph in der Nähe der Sakristei auf.
Die Adelindis im Deckengemälde, welche die Stiftungsurkunde auf dem Altar darbietet, ist eigentlich Adelindis Nr. 1, denn diese hat die Stiftung vorgenommen. Da aber die drei von ihren Widersachern erschlagenen Brüder Beringer, Reginolf und Gerhard im Vordergrund am Boden liegen, wird hier Adelindis Nr. 3 mit ihren Söhnen dargestellt, die in der Wahrnehmung mit der Nr. 1 verschmolz. Adelindis Nr. 3 trat in das Kloster ein, in dem ihre Tochter, Adelindis Nr. 2, Äbtissin war.
An den beiden Seiten des Chors befinden sich über dem Gestühl zwei obeliskenförmige Wanddenkmäler aus Stuck, ohne jede erklärende Inschrift. Auf der Südseite sehen wir eine Trauerfigur mit Stiftsfahne und Trophäen, darüber ein Medaillon mit einem Ritterbrustbild, auf der Nordseite sehen wir eine über eine Krone gebeugte Trauerfigur mit dem apokryphen Wappen der Adelindis. Beide Denkmäler weisen auf die Personen der Gründungslegende hin, auf die Trauer von Atto und Adelindis Nr. 3.
Auch wenn die Komponenten apokrypher Heraldik schon seit 1605 belegt sind, so tauchte dieses Stiftswappen in der kombinierten Form erst im späten 18. Jh. als Siegelbild auf, konkret erstmalig im Kanzleisekretsiegel von 1675, mit beiden Komponenten in gespaltenem Schild. Bis dahin führten die Äbtissinnen einfach ihr Familienwappen. Erst 1712 taucht das Stiftswappen in gevierter Form im Äbtissinnensiegel auf. Die Wappen der Äbtissinnen entstehen seitdem entweder so, daß in einem halbgespaltenen und geteilten Schild in die Felder 1 und 2 die beiden Klosterwappen und in Feld 3 das Familienwappen gesetzt werden, oder dergestalt, daß auf das aus beiden Komponenten gevierte Klosterwappen das Familienwappen als Herzschild aufgelegt wird.
Äbtissin Maria
Maximiliana von Stadion
Nicht nur die die Positionierung an
vorderster Stelle in der Gruppe wird die Äbtissin im Gemälde
herausgehoben, sondern auch durch den erweiterten Abstand zu den
ihr nachfolgenden Stiftsdamen. Damit aber wirklich keine Zweifel
aufkommen, zeigt der kleine Putto, der seine Aufgabe als
Wappenhalter erfüllt, auch noch mit dem ausgestreckten Finger
auf die Äbtissin: Der hier gehört es.
Esther Maria Maximiliana Walburga von Stadion (21.7.1737-1818) war die Tochter von Anton Heinrich Friedrich Graf von Stadion-Warthausen und Thannhausen (5.4.1691-26.10.1768), kaiserlicher Wirklicher Geheimer Rat, kurmainzischer Konferenzminister, Großhofmeister, Amtmann zu Tauberbischofsheim, Erbtruchseß des Hochstifts Augsburg, der am 27.5.1756 zu Wien das Große Palatinat erhielt. Der Vater hatte am 27.6.1724 in Ebnet Maria Anna Augusta Antonia Euphemia Euphrosyna von Sickingen zu Hohenburg (3.3.1706-1774) geheiratet. Ein Ehewappen für Maximilianas Eltern befindet sich am Mainzer Stadioner Hof (Große Bleiche 15). Es handelt sich um die Linie der von Stadion, die zu Anfang des 18. Jh. in Oberschwaben und in Bayerisch-Schwaben Besitzungen erworben hatte, nach denen sich später die beiden unterschiedlichen Linien der Familie nannten. Ein Bruder Maximilianas, Johann Philipp Karl Franz Kasimir Lothar Dominikus von Stadion (27.12.1733-28.12.1800), war Domherr in Mainz und Würzburg und Domküster und Propst von St. Gangolf zu Bamberg, ein anderer Bruder, Franz Damian Hugo Johann Karl Kaspar Dominikus Graf von Stadion-Warthausen (1736-25.11.1787), war kaiserlicher und kurmainzischer wirklicher Kammerherr, Regierungs- und Hofgerichtsrat sowie Oberamtmann zu Bischofsheim.
Maximilianas Großeltern väterlicherseits waren Johann Philipp Joseph Graf von Stadion zu Warthausen und Thannhausen (6.10.1652-2.1.1742), der am 15.4.1686 Reichsfreiherr und am 1.12.1705/1711 Reichsgraf wurde, der im Jahre 1700 Warthausen mit Mundeldingen, Hundersingen, Mühlhausen und Rettighofen und 1708 Thannhausen kaufte, Erbtruchseß des Hochstifts Augsburg, kaiserlicher, konstanzischer und kurmainzischer Geheimer Rat, Großhofmeister und Premierminister, und dessen zweite Ehefrau, die er am 27.8.1685 in Mainz geheiratet hatte, nämlich Maria Anna Gräfin von Schönborn (11.7.1669-26.11.1703). Maximilianas Großeltern mütterlicherseits waren Ferdinand Hartmann Freiherr von Sickingen zu Hohenburg (1673-29.8.1743), kaiserlicher geheimer Rat und Statthalter zu Freiburg, Präsident der vorderösterreichischen Ritterschaft, 1695 bambergischer Hofrat, 1697 kurmainzer Kammerherr, und dessen Ehefrau, Maria Elisabeth Margareta Sidonia Gräfin von Pappenheim (17.9.1680-20.4.1734). Für diese beiden Großeltern gibt es einen Wappenstein in Freiburg, an der modernen Rückseite des einstigen Sickingen-Palais zur Schusterstraße hin über einer Schaufensterfront, vom Portal des 1728 auf dem einstigen Allmendplatz errichteten Hinterhauses stammend.
Maximiliana wurde am 22.7.1736 in Mainz getauft. Die Aufnahme ins Stift erfolgte 1754. Aber erst drei Jahre später trat sie ihr Residenzjahr an. Ihre Wahl zur Äbtissin fand am 18.1.1775 statt; gewählt wurde sie von 10 Stiftsdamen und zwei Chorherren im dritten Wahlgang, eine einfache Mehrheit genügte. Die Proklamation konnte erst am 6.9.1776 erfolgen, weil der Konstanzer Fürstbischof Schwierigkeiten machte, weil die Wahl ohne seinen Abgesandten stattgefunden hatte, in seinen Augen damit nicht gültig war, und die Einigung in dieser Sache sich so lange hingezogen hatte. Die Bestätigung erhielt sie am 13.9.1776. Maximiliana von Stadion amtierte als Äbtissin bis 1803. Ein besonderer Höhepunkt war die Weihe der neuen Stiftskirche, deren Umbau unter ihrer Vorgängerin begonnen worden war. Die Weihe fand am Tag nach ihrer offiziellen Bestätigung statt. Ansonsten stand ihre Regierungszeit unter dem Zeichen von immer stärkeren, mächtigeren und unkontrollierbareren Interessen ringsum. Mit Österreich mußte sie sich wegen der Grafschaft Hohenberg ausgleichen, mit dem Haus Thurn und Taxis wegen Friedberg-Scheer, dazu kamen Interessenskonflikte mit den umliegenden Reichsgrafen und mit der Reichsstadt Buchau. Dann wurde das Stift von den Koalitionskrieg und einfallenden französischen Heeren überrollt. Die Kriegslasten drückten die Stiftsbilanz ins Negative. Zeitweise floh Äbtissin Maximiliana mit den wichtigsten Unterlagen und Pretiosen für knapp zwei Monate vom 5.7.1802 bis zum 26.8.1802 nach München und Augsburg. Sie war die letzte Äbtissin und mußte die Aufhebung des Stifts und die Regierungsübernahme durch die fürstliche Familie Thurn und Taxis am 4.12.1802 erleben. Letztere hatten das Stift als Ausgleich für durch den Frieden von Lunéville verlorene linksrheinische Gebiete bekommen. Maximiliana zog danach nach München, wo sie bis zu ihrem Lebensende blieb. Die Stammtafeln geben als Todestag den 14.4.1813 an, nach dem Archiv der Grafen von Stadion starb sie erst 1818 (Bernhard Theil, Germania sacra).
Weil das Stiftswappen bereits zentral in der Szene dargestellt ist, ist neben dem Rocksaum der Fürstäbtissin ausschließlich ihr persönliches Wappen zu sehen, es ist geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: in Schwarz drei hier 1:2 (normalerweise 2:1) gestellte goldene Tannenzapfen (Thannhausen), Feld 2 und 3: in Silber ein schwebendes rotes Tatzenkreuz, Herzschild: in Schwarz übereinander drei gestürzte goldene Wolfsangeln (Stadion). Und dennoch ist es ein Wappen, das sie nur als Fürstäbtissin so führen durfte, denn die 1908 im Mannesstamm erloschene Familie war zwar seit 1686 reichsfreiherrlich und seit 1705 reichsgräflich, aber selbst nicht fürstlich, somit kann der Fürstenhut nur in ihrer Funktion als Leiterin des gefürsteten Klosters geführt werden.
Die anderen
Stiftsdamen
Hinter der Äbtissin sind,
mit gebührendem Abstand und dicht beieinander gedrängt, die
anderen Stiftsdamen dargestellt, vier davon mit ihren Gesichtern,
vier nur mit Haube im Hintergrund sichtbar. Wer könnte das sein?
Für das Jahr 1775, in dem das Gemälde entstand, geben die
Personallisten wie folgt Auskunft, wobei die Reihenfolge ihres
Eintritts etwa den Rang wiederspiegelt.
Dann gab es noch Maria Anna von Hohenzollern-Hechingen (7.8.1722-12.10.1806), Tochter von Graf Hermann Friedrich von Hohenzollern-Hechingen, kaiserlicher Feldmarschall und ehemaliger Domherr von Köln und Straßburg, und Josepha Maria Theresia von Oettingen-Spielberg, sie trat ihre Residenz 1751 an, wurde am 25.9.1751 bemäntelt und war 1751-1802 Stiftsdame, wobei sie allerdings seit Mitte der 1770er Jahre entschuldigt war und in Wien als kaiserliche Hofdame tätig war. Deshalb ist es unwahrscheinlich, daß sie hier dargestellt wird.
Insgesamt haben wir also neben der Äbtissin neun oder zehn mögliche Stiftsdamen. Erst 1777 kamen vier neue Stiftsdamen hinzu, Maria Josepha von Königsegg-Aulendorf, Maria Waldburga Eleonora Truchseß von Wolfegg-Waldburg, Johanna Karolina von Oettingen und Maria Ludovica Truchseß von Wolfegg-Wolfegg.
Die drei
Schirmherren von Buchau
Die drei Herren rechts im Bild
stehen für die drei Schutzherren des Stifts Buchau. Ein rotes
Kreuz in silbernem Feld führt der Fürstbischof von
Konstanz. Im Jahr 1775 kam es zu einem Wechsel: Am
16.10.1775 starb Franz Konrad Kasimir Ignaz von Rodt (17.3.1706-16.10.1775),
Sohn des Generals und Breisacher Festungskommandanten Franz
Christoph von Rodt (1671-1743). Im folgte sein Bruder Maximilian
Christoph Reichsfreiherr von Rodt (10.12.1717-17.1.1800) nach.
Dieser Fürstbischof war der letzte im Mannesstamm der Familie;
seine uneheliche Tochter ging ins Kloster Wald. Er war außerdem
noch Träger des Großkreuzes des Johanniterordens zu Malta.
Jetzt stellt sich die Frage, welcher von den beiden Brüdern hier
dargestellt wird. Zwei Dinge sprechen für ersteren, Franz Konrad
Kasimir Ignaz von Rodt, nämlich zum einen die Datierung, denn
dieses Deckengemälde ist wahrscheinlich während der
sommerlichen Fresko-Kampagne 1775 fertiggestellt worden, als
dieser noch im Amt war. Zum andern ist der Vergleich anderer
Portraits eine Hilfe: Ein Deckengemälde im Neuen Schloß
Meersburg und ein Gemälde von Angelika Kauffmann zeigen beide
große physiognomische Ähnlichkeiten mit dem Dargestellten im
Buchauer Deckengemälde, während das Porträt des Bruders von
Stephan Bildstein im Neuen Schloß Meersburg deutlich weniger
üppige, im Vergleich eher hagere Züge darstellt. Beides spricht
dafür, Franz Konrad Kasimir Ignaz und nicht Maximilian Christoph
in dem Dargestellten zu sehen. Sein nur den wesentlichen Inhalt -
Hochstift Konstanz - darstellender Wappenschild wird von einem
Fürstenhut überhöht; der Krummstab ragt schräg darüber
hervor.
Der zweite geistliche Schirmherr ist der Fürstabt des Stifts Kempten. Das Wappen zeigt in von Rot und Blau geteiltem Felde ein Brustbild einer Kaiserin mit silbernem Schleier und goldener Kaiserkrone, auf dem Schild der Fürstenhut. Im Jahre 1776 war das Honorius Freiherr Roth von Schreckenstein (20.9.1726-16.11.1785), welcher 1760-1785 als Fürstabt amtierte. Er war der Sohn von Joseph Anton Eusebius Roth von Schreckenstein und Maria Caroline Susanna von Schönau. Seine Lebensstationen sind: 1750 Professor der Philosophie am Stiftsgymnasium Kempten, 1751 Novizenmeister, Wahl zum Abt am 16.6.1760. Sein vollständiges Wappen als Abt sähe folgendermaßen aus: geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: Fürstabtei Kempten, Feld 2 und 3: in Silber ein schwebendes rotes, geastetes Schragenkreuz oder Burgunderkreuz (Schreckenstein), Herzschild: gespalten, rechts in Schwarz ein silbernes Einhorn, links silbern-schwarz dreimal geteilt (Roth). Dazu hätte der Fürstabt vier Helme geführt, Helm 1 (innen rechts): ein wachsender Mohr in schwarzem, mit gelbem Blättern bestreutem Gewand, rechts ein Schwert, links ein Zepter haltend (Grafschaft Kempten), Helm 2 (innen links): auf einem roten Kissen eine Inful (Stift Kempten), Helm 3 (rechts außen): ein wachsendes, silbern-schwarz geteiltes Einhorn (Roth), Helm 4 (links außen): ein silberner Flug, belegt mit dem roten Burgunderkreuz (Schreckenstein). Eine andere Variante hat ein Schildhaupt Kempten, darunter von Roth und Schreckenstein geviert. Eine dritte Variante benutzt zwei Schilde, rechter Schild Kempten, linker Schild aus Roth und Schreckenstein geviert. Hier wird aber nur das Motiv für Kempten gezeigt. Unter dem Wappenschild liegt eine flachgedrückte goldene Inful als Hinweis auf den geistlichen Träger. Die Familie stammt eigentlich aus dem Ulmer Patriziat. Sie bildete verschiedene Linien: Roth von Holzschwang, Roth von Hüttisheim, Roth von Reutti, Roth von Schreckenstein. Nur die letzteren sind mit einem Ast im Badischen und in Preußen bis ins 20. Jh. gekommen. Begründer dieses Astes war Dr. Hieronymus von Schreckenstein. Er verließ Ulm als Gegner der Reformation und schloß sich der Reichsritterschaft an. Kaiser Karl V. bestätigte ihm 1546 bzw. 1552 den alten Adel. Die Familie hatte das Erbtruchsessenamt des Stifts Kempten inne. Sie erlosch 1913 im Mannesstamm.
In weltlicher Kleidung mit Rüstung und rotem, hermelingefütterten Fürstenmantel über der rechten Schulter ist der dritte Schirmherr des Stifts Buchau zu sehen, ausweislich seiner Kleidung und seines mit einem Fürstenhut versehenen Wappens ein Fürst von Fürstenberg, wobei das Wappen aber nicht ganz korrekt ist, denn es zeigt nur den roten Adler in goldenem Feld unter Weglassung des silbern-blauen Doppelwolkenbordes. Im Jahre 1776 war der regierende Fürst Joseph Wenzel zu Fürstenberg-Stühlingen (21.3.1728-2.6.1783), der sechste Fürst, der seit 1762 an der Regierung war und als großer Liebhaber von Musik, Prunk und Mätressen bekannt war. Er war Direktor des schwäbischen Reichsgrafen-Kollegiums und seit 1775 kaiserlicher Generalmajor, daher die Rüstung. Kleine Spielerei: Den federgeschmückten Helm hat der Fürst seinem Schildhalter geliehen.
Brugger malte den Chor aus und schuf die drei Bilder der Hauptschiffsdecke, das große in der Mitte und die beiden kleineren vor dem Chor und vor der Orgel. Dazu fertigte er mehrere kleinere Gemälde an. Andreas Brugger erhielt am 12.12.1775 einen weiteren Vertrag zur Bemalung der Seitenaltarblätter und Kreuzwegstationen. Die Deckenmalereien über den Emporen sind nicht von Brugger, sondern von Johann Georg Meßmer aus Saulgau; seine Bilder sind noch stärker dem Barock verpflichtet als diejenigen von Brugger.
Das Wappen am
Sturz zur Chornische
Der Eingang zum Chor ist
rechteckig; goldene Kassetten und vergoldete
Stuckreliefmedaillons mit Büsten Christi und Mariae verzieren
die Laibung. Auch das Chorgestühl zeigt typisch klassizistische
Motive wie Rosetten, Perlstäbe und Blattschnüre; die
Miserikordien sind als Baluster auf Blattkelchen gestaltet, und
die Rückenstücke besitzen weiß angestrichene Stuckreliefs.
An dem großen Quersturz am Ende des Kirchenschiffes vor dem Chor ist ein weiteres Stiftswappen von Buchau angebracht, mit den Inhalten wie oben beschrieben. Aus einem Fürstenhut fällt ein beiderseits hochgeraffter Wappenmantel mit Hermelinfutter herab, vollständig vergoldet wie der Fürstenhut auch und der schrägrechts herausragende Krummstab und das schräglinks herausragende gestürzte Schwert. Dieses Stiftswappen wird quasi von zwei Äbtissinnen genutzt, deren Familienwappen wir unten seitlich auf einwärts geneigten, separaten Ovalkartuschen sehen. Die erste ist die eigentliche Bauherrin der neugestalteten Kirche, die zweite hatte lediglich das Glück, rechtzeitig zur Bemalung der Decke im Amt zu sein und so eines der drei Hauptthemen der flächengrößten Malerei zu werden, denn unter ihr wurde die Kirche vollendet und geweiht.
Heraldisch rechts ist das Wappen nicht korrekt angestrichen, es müßte rot-golden gerautet sein, nicht rot-silbern, denn es steht für Maria Karolina von Königsegg-Rothenfels (15.6.1707-13.12.1774), die Tochter von Graf Carl Friedel Desiderius von Königsegg-Rothenfels und Maximiliane von Althann. Ihre Aufnahme im Stift erfolgte 1729, die Wahl am 17.12.1742. Bei ihrer Wahl waren zwar die Äbte von Rot an der Rot und Schussenried anwesend, aber wieder kein Emissär des Konstanzer Fürstbischofs. Letzterer war deswegen standardmäßig eingeschnappt, es gab auch hier die leidige Diskussion über die Gültigkeit der Wahl, die aber im Sande verlief, denn die Proklamation erfolgte am 6.2.1743, die Bestätigung war schon am 31.1.1743 ausgefertigt worden und wurde ihr am 16./17.2.1743 überreicht. Damian Hugo von Schönborn hatte sich offenbar wieder seinen wirklich wichtigen Pflichten wie Schlösserbau etc. zugewandt und ließ die Sache auf sich beruhen. Maria Karolina, die die eigentliche Initiatorin des Kirchenumbaus wurde und die die Werkverträge mit D'Ixnard und Bagnato schloß, amtierte als Äbtissin bis 1774. Als Äbtissin führte sie folgendes kombiniertes Wappen: halbgespalten und geteilt, Feld 1: Löwen und Rauten (Stift), Feld 2: Kreuz mit Sonne und Mond (Stift), Feld 3: von Rot und Gold schräg gerautet (Familienwappen). Auf der anderen Seite des Stiftswappens befindet sich in gleicher Weise das Wappen der Vollenderin der Kirche, Maximiliana von Stadion (Beschreibung siehe oben).
Die Inschrift am Deckenbalken beiderseits des Wappens lautet: "Deo Ter Optimo Maximo / Beatae Virginis Mariae / Sanctisque Martiribus / Cornelio et Cypriano / Sacrum / Hoc Templum // Beata Adelindis / Fundavit circa Ann(um) DCCLXX, / Ludovicus Pius / Augmentavit a(nn)o DCCCXX / Ill(ustrissimum) Capitulum Reaedificavit MDCCLXXV / ac Decoravit MDCCLXXVI" (Inschrift falsch bei Matthey, Germania sacra zitiert leider ungeprüft die falsche Lesung von Matthey) - dem dreifach besten und größten Gott, der seligen Jungfrau Maria und den Märtyrern Cornelius und Cyprianus ist dieses Heiligtum geweiht, das die selige Adelindis um das Jahr 770 gründete und Ludwig der Fromme um das Jahr 820 vermehrte, und das das erlauchte Stiftskapitel 1775 wiedererbaute und 1776 ausschmückte. So teilt auch die Inschrift die Verdienste zwischen beiden Äbtissinnen auf, die eine erbaute die neue Kirche, die andere schmückte sie aus.
Weitere Wappen
Das inschriftslose Denkmal hat die
Form einer tuchumhüllten Urne auf einem Postament. Es handelt
sich vermutlich um den Rest eines Grabmonumentes für eine
Stiftsdame. Ein Wappen (Abb.
unten links) ist an dieser Bildhauerarbeit zu sehen, als Relief
auf dem drapierten Tuch. Wieder sehen wir drei schreitende Löwen
übereinander, und die heraldischen Farben wären wieder schwarze
Figuren auf goldenem Feld, obwohl wir hier kaum von Feld sprechen
können, weil es keine Begrenzung in Form eines Schildes oder
einer Kartusche gibt. Es handelt sich hier aber nicht um das
Stiftswappen, sondern um das der Truchsessen von Waldburg,
und über den drei Löwen führt die Familie noch ein rotes Schildhaupt mit einem goldenen Reichsapfel
für das Erbtruchsessenamt.
Die Wappen am
Kirchturm
Das einzige Überbleibsel
von der gotischen Kirche ist der im oberen Teil aus dem 14. und
15. Jh. stammende Kirchturm. Der untere
Teil des Turmes ist noch romanisch, der obere Teil wurde in der
Gotik in Backstein aufgestockt. Seine Fenster sind unten nur
Schlitze, darüber rund- und spitzbogige Doppelfenster mit
Mittelsäule, und ganz oben spitzbogige Maßwerkfenster. Der
Giebel ist mit fialenbekrönten Lisenen und Kielbogennischen
verziert. Er wird oben mit
einem Satteldach abgeschlossen, und auf der Giebelseite mit fialengekrönter vertikaler Gliederung (Abb. oben rechts) sind vier Wappenschilde
angebracht, zwei direkt nebeneinander am letzten Stabgesims unter
dem dreieckigen Giebel und zwei weitere an den Ansätzen des
mittigen Kielbogens. Der erste Schild (Abb. unten links) zeigt
das Wappen der von Montfort oder der von Werdenberg, die beide
die dreilätzige Kirchenfahne, wenn auch in unterschiedlichen
Farben haben. Im fraglichen Zeitraum folgten aufeinander Klara von Montfort (amtierte 1426-1449), Margarete
von Werdenberg-Sargans (amtierte 1449-1496) und Anna von
Werdenberg-Sargans (amtierte 1497-1497), und alle drei
hätten dieses Motiv führen können. Ohne exaktes Baudatum
dieses Giebels kann daher keine eindeutige Zuordnung getroffen
werden, es ist aber bekannt, daß in der zweiten Hälfte des 15.
Jh. weitreichende Baumaßnahmen durchgeführt wurden, und dahin
wäre dieser Giebel zu lokalisieren, also handelt es sich
vermutlich um die zweitgenannte Äbtissin, ohne Beweis. Lediglich
die letzte der drei genannten Äbtissinnen ist unwahrscheinlich
wegen ihrer kurzen Amtszeit. Um genau zu sein - insgesamt sieben
Äbtissinnen hätten dieses Motiv im Wappen führen können, zwei
der Familie von Werdenberg, fünf der Familie von Montfort, wobei
sich die beiden Gruppen nur durch die Tingierung unterscheiden.
Keine andere Familie stellte so viele Äbtissinnen.
Daneben trägt ein zweiter Schild drei (2:1) Lilien (oben rechts im Bild). Dieser Schild wird als Hinweis auf die heilige Irmgard verstanden, eine Tochter von König Ludwig dem Deutschen, die in Buchau Nonne und später Äbtissin in Frauenchiemsee wurde. Das wäre dann ein weiteres apokryphes Wappen. Ein weiterer Schild trägt das Stiftswappen mit dem Kreuz, das oben von Sonne und Mond bewinkelt ist, beide gesichtet (Abb. unten links). Der vierte und letzte Schild trägt das Stadtwappen von Bad Buchau (Abb. unten rechts), ein redendes Wappen mit dem Buchenzweig und einem Fisch (Barsch), der sich auf den Handel mit Fisch aus dem Federsee bezieht. Das Wappen ist bereits 1390 durch Siegelführung belegt. Heute hat es die folgende Form: In Silber eine ausgerissene grüne Buche, deren Stamm von einem balkenweise gelegten, naturfarbenen Fisch (Barsch) überdeckt ist. Hier dagegen fehlt das Wurzelwerk, und der Fisch ist schräg neben den Stamm gelegt. Da die originalen, aus Sandstein gefertigten Wappen stark verwittert waren, ersetzte man sie bei einer Generalrenovierung in den 50er Jahren des 20. Jh. durch Kopien aus Muschelkalkstein. Eigentlich waren vor der 1956 durchgeführten Renovierung nur zwei Wappen erhalten, das der Äbtissin mit der Kirchenfahne und das des Stiftes, das dritte war komplett verwittert und das vierte abgehauen (Matthey, Stand 1936). Insofern sind nur die zwei genannten inhaltlich authentisch, die beiden anderen moderne Ergänzungen aus der Mitte des 20. Jh.
Liste der
Äbtissinnen (Ausschnitt)
Äbtissinnen,
Äbtissinnen
mit hier gezeigtem Wappen, Lebensdaten, Blasonierung des Familienwappens, Wappen-Fundstellen:
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@48.0676027,9.611209,18z - https://www.google.de/maps/@48.0675793,9.6113909,147m/data=!3m1!1e3
Wilhelm Matthey, Hans Klaiber, Eduard Paulus: Die Kunst- und
Altertums-Denkmale im Königreich Württemberg: Kreis Riedlingen,
Stuttgart, 1936, S. 55-71 - https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kadkw_donaukreisbd5/0069 etc.
Bernhard Theil: Das Bistum Konstanz 4 - das (freiweltliche)
Damenstift Buchau am Federsee, Germania Sacra Neue Folge 32),
Berlin/New York 1994 - https://rep.adw-goe.de/handle/11858/00-001S-0000-0003-16F3-0 - pdf-Download: https://rep.adw-goe.de/bitstream/handle/11858/00-001S-0000-0003-16F3-0/NF%2032%20Theil%20Buchau.pdf - online lesen: http://personendatenbank.germania-sacra.de/books/view/42 - Klosterdatenbank: https://adw-goe.de/germania-sacra/klosterdatenbank/datenbankabfrage/gsn/1065 - Maximiliana von Stadion: http://personendatenbank.germania-sacra.de/index/gsn/042-02291-001
Klosterdatenbank Baden-Württemberg: https://www.kloester-bw.de/klostertexte.php?kreis=&bistum=&alle=1&ungeteilt=&art=&orden=Chorherren,%20weltliche&orte=&buchstabe=&nr=618&thema=Geschichte
Seelsorgeeinheit Federsee: https://www.se-federsee.de/buchau - https://www.se-federsee.de/buchau-stiftskirche
Dreidimensionale Panoramen aus der Kirche mit Beschreibungen: https://www.se-federsee.de/virtualtour/tourbadbuchau1.html
Stift Buchau: https://de.wikipedia.org/wiki/Damenstift_Buchau
Stift Buchau auf Leo-BW: https://www.leo-bw.de/web/guest/detail-gis/-/Detail/details/DOKUMENT/labw_kloester/618/Adeliges+Chorfrauenstift+Buchau
Kirche St. Cornelius und Cyprianus: https://de.wikipedia.org/wiki/St._Cornelius_und_Cyprianus_(Bad_Buchau)
Andreas Brugger: https://de.wikipedia.org/wiki/Andreas_Brugger
Stiftsrepertorium von 1605
(Staatsarchiv Sigmaringen, StAS Dep. 30/14 T 2 Nr. 1757) https://www.leo-bw.de/documents/10157/47006/01_04+StAS+Dep30_14+T2+Nr1757_voll/84385fb9-dbf2-47f6-89fb-f383a16fce92?t=1491378863429 - sekundär auf https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Buchau_Archivfindbuch_Wappen.jpg
Familie der Grafen von Stadion: https://de.wikipedia.org/wiki/Stadion_(Adelsgeschlecht)
Maria Karolina von
Königsegg-Rothenfels: https://de.wikipedia.org/wiki/Maria_Karolina_von_Königsegg-Rothenfels
Maximiliana von Stadion: https://de.wikipedia.org/wiki/Maria_Maximiliana_von_Stadion
Haus Fürstenberg: https://de.wikipedia.org/wiki/Fürstenberg_(schwäbisches_Adelsgeschlecht)
Joseph Wenzel Fürst von Fürstenberg: https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Wenzel_(Fürstenberg-Stühlingen)
Maximilian Christoph von Rodt: https://de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_Christoph_von_Rodt
Franz Konrad von Rodt: https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Konrad_von_Rodt
Herbert Frey: Maximilian Christoph von Rodt, im Historischen
Lexikon der Schweiz: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/026343/2010-11-22/
Familie Roth von Schreckenstein https://de.wikipedia.org/wiki/Roth_von_Schreckenstein
Honorius Freiherr Roth von Schreckenstein: https://de.wikipedia.org/wiki/Honorius_Roth_von_Schreckenstein
Gebhard Spahr:
Oberschwäbische Barockstraße I, Ulm bis Tettnang, Geschichte,
Kultur, Kunst, Verlag Isa Beerbaum, Weingarten, 2. Auflage 1979,
S. 101-110
ein herzliches Dankeschön an Herrn Hubert Hosch für wertvolle
Hinweise zur Entstehungszeit des Deckengemäldes
Hubert Hosch: Andreas Brugger
(1737-1812), Maler von Langenargen: Ein Beitrag zur
Kunstgeschichte des Bodenseegebietes und seiner Umgebung zwischen
Barock und Romantik, 444 S., Jan Thorbecke Verlag, Stuttgart
1987, ISBN-10: 3799550321, ISBN-13: 978-3799550321
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus der Kirche mit
freundlicher Genehmigung von Herrn Pfarrer Martin Dörflinger vom 8.4.2021, wofür ihm an dieser Stelle herzlich
gedankt sei
Schloß Bad Buchau (ehem. freiweltliches Damenstift Buchau)
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