Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2744
Tettnang (Bodenseekreis)

Altes Schloß Tettnang (Rathaus)

Das Alte Schloß steht am südlichen Ende des Montfortplatzes in nächster Nähe zu den beiden Kavaliershäusern vor dem Neuen Schloß. Es handelt sich um einen ca. 31 m breiten und 17 m tiefen, dreigeschossigen Satteldachbau mit zwei Staffelgiebeln als seitliche Abschlüsse. Ein getreppter Zwerchgiebel in der Mitte der Platzfassade trägt eine Uhr und die Datierung des Gebäudes auf das Jahr 1667 sowie einen kleinen Glockenstuhl. Das Portal mit davorliegender Freitreppe befindet sich in der Mitte der neunachsigen Fassade. Heute ist im Alten Schloß das Rathaus der Stadt untergebracht; über dem Portal steht in goldener Kapitalis-Schrift "19 Rathaus 04". Im Erdgeschoß gibt es noch tonnengewölbte Räume mit Stuck aus der Bauzeit.

Die Burg der Grafen von Montfort war im Dreißigjährigen Krieg zerstört worden. Ab 1629 benutzten die Grafen das Torschloß am Bärenplatz als Interims-Residenz, ein Konglomerat aus Wohnschloß und Torturm am entgegengesetzten, nordöstlichen Rande der Altstadt. Ab 1667 ließ Graf Johann von Montfort vom Vorarlberger Baumeister Michael Kuen (ca. 1610-10.9.1686) das Alte Schloß errichten, direkt vor der Ruine der Burg. Auch das war nur eine Interimslösung, einerseits konnte man sich gerade nichts Größeres leisten, andererseits fühlte man sich als eines der vornehmsten Geschlechter Oberschwabens unterrepräsentiert. Das Problem sollte erst ein halbes Jahrhundert später durch den Bau des Neuen Schlosses gelöst werden. Danach brachte man im Alten Schloß Hofbedienstete unter; alternativ nutzte man das riesige Gebäude als Speicher für Naturalien, als Zehntscheuer etc. Die Stadt kaufte 1903 das Gebäude für 35000 Mark. Die Architekten Ludwig Eisenlohr und Carl Weigle bauten es danach zum Rathaus um, was fast doppelt so teuer wie die Anschaffung wurde. 1905 konnte es seiner neuen Nutzung übergeben werden.

Über dem Portal ist ein dreiteiliges Wappen angebracht. Die mittlere Kartusche steht aufrecht, wird oben von einer edelsteinverzierten Krone bedeckt und trägt das Wappen von Johann VIII. (X.) Graf von Montfort-Tettnang und Langenargen (25.11.1627-12.9.1686), dem Sohn von Hugo IV. Graf von Montfort-Tettnang (1.4.1599-2.7.1662) und Johanna Euphrosyne Gräfin von Waldburg zu Wolfegg und Zeil (1.3.1596-1651). Das Wappen der Grafen von Montfort zeigt in Silber eine rote, dreilätzige Kirchenfahne, oben mit drei Ringen. Hier ist die Kirchenfahne im Rahmen der künstlerischen Freiheit golden bordiert und mit goldenen Fransen versehen. Die Grafen von Montfort-Tettnang führten nach der Züricher Wappenrolle als Helmzier einen infulartigen roten Beutelstand, die beiden Zipfel mit einer silbernen Kugel besteckt. Daraus wird später eine rote (silberne) Inful mit silbernen (roten) Verzierungen (Bordierungen). Im Scheiblerschen Wappenbuch ist die Helmzier ein wachsender, rot gekleideter Mannesrumpf, auf dem Haupt eine rote Inful mit zwei silbernen Kugeln an den beiden Spitzen und abflatternden roten Bändern, ähnlich ist in den Siebmacherschen Wappenbüchern ebenfalls ein wachsender Bischof mit rot-silberner Inful und einem Gewand, welches wie der Schild bez. ist, verzeichnet, ein hübsches Beispiel für die Entwicklung der Helmzier zu komplexeren Formen und ihre Umdeutung. Helmdecken rot-silbern. Referenzen: Siebmacher, Band NÖ1, S. 303, T. 161, Band NÖ2, S. 542, T. 267, Band Salz, S. 42, T. 17, Band WüA, S. 20, T. 19, Band WüA, S. 250, Münchner Kalender 1911.

Die beiden äußeren Kartuschen sind extrem stark nach innen geneigt, in einem Winkel von ca. 40°, und stehen für die beiden Ehen des Grafen. In erster Ehe hatte er Maria Anna Eusebia von Königsegg (1627-3.4.1656) geheiratet, die Tochter von Johann Wilhelm Graf von Königsegg (-30.4.1663) und Walburga Eusebia von Waldburg (26.6.1595-10.3.1671). Diese Ehefrau führt einen von Rot und Gold schräg gerauteten Schild; die hier nicht dargestellte Helmzier wäre zu rot-goldenen Decken ein roter Straußenfederbusch. Die feinen konzentrischen Rauten sind hier eine Form der Damaszierung und ohne Signifikanz. Aus dieser Ehe entsprossen zwei Kinder: Maria Caecilia von Montfort-Tettnang (-20.4.1697) und Maria Anna Catharina von Montfort-Tettnang, wovon letztere Anton Eusebius Graf von Königsegg und Aulendorf (25.5.1639-1.6.1692) heiratete.

In zweiter Ehe heiratete Graf Johann VIII. Maria Katharina Gräfin von Sulz (16.6.1630-2.11.1686), die Tochter von Karl Ludwig Ernst Graf von Sulz Landgraf im Klettgau (13.9.1586-16.4.1648) und Marie Elisabeth Gräfin von Hohenzollern-Sigmaringen (10.1.1592-28.10.1659). Maria Katharine führt einen gevierten Schild, Feld 1 und 4: von Silber und Rot mit hier drei Spitzen geteilt (Stammwappen Sulz), Feld 2 und 3: in Silber ein schrägrechtsgelegter schwarzer Brand (Wappen Brandis). Die hier fälschlich angebrachte goldene Bordierung ist kein heraldisch signifikanter Inhalt, vielmehr fühlte sich der Maler von den oft vorkommenden Innenlinien verleitet, das irrtümlich farblich abzusetzen. Die hier nicht dargestellten Helme wären rechts zu rot-silbernen Decken eine silbern-rot mit Spitzen geteilte Inful und links zu schwarz-silbernen Decken der Brand aufrecht stehend. Aus der zweiten Ehe entstanden drei Kinder, Maria Theresia Felizitas von Montfort-Tettnang (-1742), Maria Franziska Elisabeth von Montfort-Tettnang (13.1.1668-21.8.1726), die Johann Christoph Erbtruchseß Graf zu Zeil Freiherr auf Waldburg (19.6.1660-14.2.1720) heiratete, und der Stammhalter Anton II. Graf von Montfort (26.11.1670-7.12.1733), gen. der Junge, welcher Maria Anna Leopoldina von Thun und Hohenstein (26.11.1664-12.10.1733) heiratete und die Familie mit seinem Sohn Maximilian Joseph Ernst Graf von Montfort-Tettnang (20.1.1700-17.3.1759) fortsetzte.

 

Am Rathaus weht die Stadtflagge von Tettnang, mit zwei Streifen in den Stadtfarben Schwarz und Weiß, belegt mit dem Stadtwappen, welches in Silber eine aufspringende schwarze Bracke mit roter Zunge und goldenem, beringtem Halsband zeigt.

 

Vor dem Rathaus sind mehrere Wappen in bunten Steinen in die Pflasterung des Montfortplatzes eingelegt. Auch hier begegnet uns das Stadtwappen von Tettnang mit der Bracke ungeklärter Herkunft. Ebenfalls ist hier das Wappen der Grafen von Montfort mit der roten Kirchenfahne im silbernen Feld eingelegt.

Das nächste Pflasterwappen ist das für Kau, das 1975 eingemeindet wurde: Es zeigt in Silber einen schwarzen Baumstumpf, in den ein ebensolches Beil eingeschlagen ist, dazu im rechten Obereck eine rote, dreilätzige Kirchenfahne. Das Wappenbild illustriert die Entstehung des Ortsnamens aus einer Bezeichnung für eine Rodung, Gehau wurde mundartlich zu G'hau und zu Kau. Das Wappen hat keinen offiziellen Charakter, weil es sich nicht um eine selbständige Gemeinde handelt.

 

Auch das Wappen für die 1972 eingemeindete Ortschaft Langnau erinnert an die Grafen von Montfort, es ist gespalten, rechts in Rot ein goldenes durchgehendes Paulinerkreuz, links in Silber eine dreilätzige rote Kirchenfahne an drei goldenen Ringen. Das Paulinerkreuz erinnert an ein gegen Ende des 18. Jh. abgerissenes Pauliner-Eremitenkloster in der Ortschaft, das als Begräbnisstätte der Grafen von Montfort diente.

 

Das letzte Wappen im Pflaster ist dasjenige für die ebenfalls 1972 eingemeindete Ortschaft Tannau, in Silber auf grünen Boden eine grüne Tanne; oben rechts begleitet von einer dreilätzigen roten Fahne an drei schwarzen Trageringen. Auch hier ist der Hinweis auf das Grafenhaus unübersehbar, die Tanne ist eine triviale Umsetzung des Ortsnamens, wobei sich dieser vermutlich nicht von der Tanne ableitet, sondern vom Eigennamen Tanno. Damit wäre es ein falsch redendes Wappen. 

Das Wappen der Stadt Tettnang begegnet uns auf einem unweit des Rathauses aufgestellten Gedenkstein für die seit dem 15.9.1991 bestehende Städtepartnerschaft zwischen Tettnang und Saint-Aignan-sur-Cher. Die französische Stadt im Département Loir-et-Cher führt ein geviertes Wappen mit geviertem Herzschild, Feld 1 und 4: in Rot ein silberner Schrägbalken, Feld 2 und 3: in Rot zwei goldene Leisten, eine im Schildhaupt und eine im Schildfuß, verschränkt mit einer goldenen Schrägleiste, die in Feld 2 erhöht, die in Feld 3 erniedrigt, Herzschild geviert, Feld a und d: in Blau drei (1:2) goldene Lilien, Feld b und c: in Rot ein goldenes Kettengeflecht, im Zentrum ein grüner Stein. Französischer Blason: Écartelé: au premier et au quatrième de gueules à la bande d'argent, au deuxième de gueules aux deux burèles, l'une en chef, l'autre en pointe, au bâton haussé brochant arrêté à la burèle de pointe, au troisième de gueules aux deux burèles, l'une en chef, l'autre en pointe, au bâton abaissé brochant arrêté à la burèle du chef; sur le tout écartelé: au 1° et 4° d'azur aux trois fleurs de lys d'or, au 2° et 3° de gueules aux chaînes d'or posées en orle, en croix et en sautoir, chargées en cœeur d'une émeraude au naturel.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@47.6702848,9.5864779,20z - https://www.google.de/maps/@47.6702848,9.5864779,88m/data=!3m1!1e3
Altes Schloß auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Altes_Schloss_(Tettnang)
Johann von Montfort:
https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_X._von_Montfort
Saint Aignan:
https://de.wikipedia.org/wiki/Saint-Aignan_(Loir-et-Cher) - https://fr.wikipedia.org/wiki/Saint-Aignan_(Loir-et-Cher)
Ortsteil Tannau:
https://de.wikipedia.org/wiki/Tannau#Wappen
Ortsteil Langnau:
https://de.wikipedia.org/wiki/Langnau_(Tettnang)#Wappen
Ortsteil Kau:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kau#Wappen
Wolfgang Willig, Landadel-Schlösser in Baden-Württemberg, eine kulturhistorische Spurensuche, 1. Auflage 2010, ISBN 978-3-9813887-0-1, S. 521

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