Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 2738
Eisenach (Thüringen)
Die teuerste Trotzreaktion der Geschichte: Stadtschloß Eisenach
Das spätbarocke Eisenacher Stadtschloß bildet den nördlichen Abschluß des Markplatzes und steht gegenüber der Georgenkirche. Die drei Flügel umrahmen einen nach Osten und zur Marktgasse hin offenen Hof. Rückseitig reicht das Schloß bis zur Alexanderstraße. Die Hauptfassade ist diejenige des 43 m breiten, dreistöckigen Südflügels. Drei Toreinfahrten prägen die klar gegliederte Fassade. Die Mitte der Fassade wird hervorgehoben durch einen Mittelrisalit von drei Doppelachsen Breite, der auf dem Dach mit einem achteckigen Pavillon mit umlaufendem Umgang und einer geschweiften Haube akzentuiert wird. Beiderseits des Pavillons markiert eine Balustrade mit sechs Postamenten den Abschluß des Mansarddaches. Zu beiden Seiten des Mittelrisalits sind die Seitenteile jeweils 7 Achsen breit. Das Erdgeschoß ist relativ hoch in Naturstein gemauert und mit mehreren Rustika-Pilastern gegliedert. Die beiden Obergeschosse sind optisch zusammengefaßt und pastellgelb gestrichen; zwischen den Fensterachsen sind Monumentalpilaster angebracht, die in der niedrigen Attikazone fortgesetzt werden. Nur die Eckpilaster und diejenigen beiderseits des Mittelrisalits sowie in demselben sind farblich durch einen weißen Anstrich abgesetzt.
Dieses Schloß markiert den Übergang Eisenachs innerhalb der ernestinischen Linien, den letzten und endgültigen Übergang Eisenachs an Sachsen-Weimar. Der letzte männliche Sproß der Linie Sachsen-Eisenach, Wilhelm Heinrich Herzog von Sachsen-Eisenach (10.11.1691-26.7.1741), war ohne Nachkommen verstorben. Das Erbe fiel an die Linie Sachsen-Weimar, die sich fortan Sachsen-Weimar-Eisenach nannte. Das Herzogtum bestand nun aus zwei Teilen mit den Zentren Weimar und Eisenach, die nicht territorial miteinander verbunden waren und sogar bis 1809 staatsrechtlich getrennt waren. Und dieses Schloß ist eine der teuersten Trotzreaktionen der Geschichte: Noch lebte die Witwe des letzten Eisenacher Herzogs, Markgräfin Anna Sophia Charlotte von Brandenburg-Sonnenburg (1706-3.1.1751), in den Räumen des alten Eisenacher Residenzschlosses, das sich früher an der Südseite des Marktplatzes befand. Der Erbe, Ernst August I. Herzog von Sachsen-Weimar (19.4.1688-19.1.1748), verlangte ihren Auszug, offensichtlich auf eine Weise, die einem rüden Rausschmiß entsprach, so daß die auch noch auf andere Weise gedemütigte Herzogswitwe beschloß, nichts, wirklich gar nichts zurückzulassen außer dem nackten Mauerwerk. Das wiederum erboste den Erben so sehr, der sich dadurch als Übervorteilter und Ausgetrickster vorkam, daß er sich dachte: Wenn sie schon alle kostbaren Seidentapeten etc. hat mitgehen lassen, will ich mich nicht über die Steine ärgern und in den gleichen Räumen jedesmal an diese unerhörte, ja demütigende Geschichte denken müssen. Er ließ also das Schloß kurzentschlossen abreißen, um die Blamage mit einem kostspieligen Fußtritt zu beantworten. So, das tat gut! Heute ist dort die Esplanade; ein einzelner Turm und das Creutznacher Haus an der Seite sind der verbliebene Rest.
Jetzt brauchte er aber eine neue Residenz, ein Fürstentum ohne Schloß war nämlich irgendwie unpraktisch. Der am 20.1.1742 ergangene Befehl zum Bau derselben war leichter erteilt als umgesetzt, denn noch standen auf dem vorgesehenen Areal sechs Bürgerhäuser, und diese Immobilien mußten kurzfristig aufgekauft werden, was ziemlich teuer wurde. Angesichts der bisher getätigten Kosten sollte ab jetzt aber gespart werden: Von den Bürgerhäusern sollte man verwenden, was ging, Fundamente, tragende Mauern, selbst Zwischendecken. Das Baumaterial aus dem abgerissenen Residenzschloß sollte mitverwendet werden, bloß nichts wegwerfen. Und wo neu gebaut werden mußte, bitte nur mit billigstem Material, zur Not ging auch gut verkleidetes Fachwerk. Die einheitliche und symmetrische Marktfassade täuscht also, hinter der obersten Schicht ist "Kraut und Rüben". Gleichzeitig sollte alles natürlich riesig und repräsentativ werden - keine leichte Aufgabe für den Architekten, den Landesbaumeister Gottfried Heinrich Krohne (26.3.1703-30.5.1756). Diese Vorgaben verhinderten nämlich eine großzügige und großräumige Planung der Innenräume. Statt dessen mußte man 1743 einen zusätzlichen Flügel im Norden einplanen, um dort die großen Festräume unterzubringen, hauptsächlich den zweistöckigen Saal von 120 m2. Ob das Ganze im Nachhinein eine Ersparnis war, war damit wieder offen. Der Westflügel stellte oben den Verbindungsgang dar und beherbergte unten den Marstall. Früher gab es noch einen 1743 eingewölbten Ostflügel, der den Wirtschaftstrakt mit den Gesindekammern enthielt. Dieser Flügel wurde 1933 abgerissen. Das seit 1745 bewohnte Schloß wurde marktseitig 1748 fertiggestellt.
Wirtschaftlich war die Regierungszeit von Ernst August I. Herzog von Sachsen-Weimar eine Katastrophe: Das Herzogtum war klein, und dennoch baute er an 20 Schlössern, Neubauten oder Umbauten. Wer trotz hoher Verschuldung Unsummen für Schlösser und für ein im Vergleich zur Einwohnerzahl viel zu großes stehendes Heer ausgibt, braucht sich nicht zu wundern, wenn am Ende ein finanziell ruiniertes Herzogtum übrigbleibt. Der Herzog war zudem berüchtigt für kreative Geldbeschaffungsmethoden, z. B. die Inhaftierung vermögender ehemaliger Vertrauter des Hofes und Freilassung gegen Lösegeld oder Vermögensüberschreibung. Jahrelange Prozesse vor dem Reichskammergericht gegen dieses Geldbeschaffungsprocedere zehrten das Gewonnene gleich wieder auf. Weiteres Geld kam rein, indem man Teile der viel zu großen Armee an den Kaiser oder an Kursachsen vermietete. Und noch viel mehr weiteres Geld gab er wieder aus, für seine anderen Hobbies, die Jagd auf Wild und Frauen.
Die Vollendung der anderen drei Flügel erlebte der Auftraggeber nicht mehr. Sein beim Tod des Bauherrn minderjähriger Sohn und Nachfolger, Ernst August II. Constantin Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach (2.6.1737-28.5.1758), bezog es offiziell 1755, aber Eisenach war seit 1748 nicht mehr Hauptresidenz. Vater und Sohn hatten wenig miteinander zu tun gehabt. Der jagdliebende Vater hielt sich seit 1741 vorwiegend der umliegenden Wälder wegen in Eisenach auf. Der Sohn wurde in Schloß Belvedere bei Weimar erzogen. Der Prinz hatte seinen Vater zuletzt 1743 gesehen, da war er rund 6 Jahre alt, und seitdem nie wieder. Auch der Architekt hielt nicht bis zum Ende durch; vollendet wurde das Schloß in den 1750er Jahren durch seinen Nachfolger August Friedrich Straßburger. Die Fassade war früher etwas anders gestaltet; viele Dekorationen wurden Ende des 18. Jh. wegen fortschreitender Beschädigung abgeschlagen, da gingen auch die bekrönenden Vasen verloren, der ganze Stuck und ebenso die Balustraden zwischen Erdgeschoß und erstem Obergeschoß und am Dachansatz.
Ernst August II. Constantin Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach (2.6.1737-28.5.1758), der 1755 für volljährig erklärt worden war, starb schon mit 21 Jahren. Er hatte auf Drängen des Hofes wegen seiner gesundheitlichen Probleme zügig geheiratet, es reichte gerade so zur Zeugung des Thronfolgers, des spätere Herzogs und Großherzogs Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach (3.9.1757-14.6.1828). Das Schloß hatte berühmte Besucher: der Dichter Johann Wolfgang von Goethe, Frau Luise von Göchhausen und Frau Charlotte von Stein, die Komponisten Georg Philipp Telemann und Richard Wagner. 1848-1857 weilte die vor der französischen 1848er Februarrevolution geflohene und seit 1842 verwitwete Herzogin Helene Louise Elisabeth von Orléans hier mit ihren beiden Söhnen, dem Grafen von Paris, Louis Philippe Albert d'Orléans (24.8.1838-8.9.1894), und dem Herzog von Chartres, Robert Philippe Louis Eugène Ferdinand d'Orléans (1840-1910). Sie war eine geborene Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin und eine Tochter von Karoline Luise von Sachsen-Weimar-Eisenach (1786-1816), also eine Enkelin des Großherzogs Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach. Am 24.2.1848 hatte sie vor der französischen Nationalversammlung versucht, den Thron für ihren älteren Sohn zu erhalten, den Enkel von Bürgerkönig Louis Philippe und Prince royale, vergebens: Einen Tag später wurde die Zweite Französische Republik ausgerufen. Ihre Kinder setzten ihr Exil in England fort. Erst seit 1950 dürfen nach Aufhebung des Exilgesetzes Mitglieder des Hauses Orléans wieder französischen Boden betreten. Herzogin Helene bekam 1851 in Eisenach die Ehrenbürgerschaft.
Bis 1918 diente das Stadtschloß als Sitz der herzoglichen, seit 1815 großherzoglichen Hofhaltung der seit 1809 auch staatsrechtlich vereinigten Fürstentümer Sachsen-Weimar und Sachsen-Eisenach. Seit 1922/23 gehört das Schloß der Stadt Eisenach. Sanierungen fanden 1934-1935, und vor allem 1991-2001 statt. Heute wird das Gebäude von der Stadtverwaltung genutzt (Tourist-Information, Kulturamt, Ticketshop Thüringen), vom Stadtarchiv (Räume im Nordflügel) und vom 1899 gegründeten Thüringer Museum mit der kunsthandwerklichen Sammlung, in der Porzellane, Fayencen, Gläser, Graphiken, Trachten, Gemälde, eine historische Apotheke etc. ausgestellt werden. Im Marstall finden Wechselausstellungen statt. Nach jahrelanger Sanierung kann mittlerweile auch wieder der historische Rokokosaal besichtigt werden.
Über dem linken, westlichen Portal der Südseite = Marktplatzseite befindet sich das herzoglich-sächsische Wappen, von Schwarz und Gold eigentlich neunmal geteilt (hier einmal zu viel), darüber ein grüner schrägrechter Rautenkranz. Die "untersetzt" geformte Wappenkartusche ist eingebettet in Trophäen, darunter Kanonen, Kanonenbesteck zum Laden und zum Reinigen, Kesselpauken, Trommeln, Fahnen, Hellebarden, Kavalleriesäbeln, Posaunen, Stöcke mit Lunten, Gewehren und Kanonenkugeln. Der Bauherr Ernst August I. Herzog von Sachsen-Weimar war seit 1732 General der Kavallerie in Diensten von Kaiser Karl VI.
Monogramm-Kartusche für Ernst August I. Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach (19.4.1688-19.1.1748) über dem mittleren Südportal
Auszug aus der Genealogie zum Schloß (Bauherr und erwähnte Personen):
Ein inhaltlich identisches und gestalterisch ähnliches herzoglich-sächsisches Wappen befindet sich über dem rechten, östlichen Südportal, ebenfalls eingebettet in Trophäen, wobei diese im Vergleich zum anderen Portal seitenverkehrt angeordnet sind.
Monogramm-Kartusche für Ernst August I. Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach und herzoglich-sächsisches Wappen im rückwärtigen Giebel unter herzoglicher Krone
Das Giebelwappen hat unten zwischen den beiden einander zugeneigten Kartuschen ein Ordenskreuz an einem Band, ein mit einem Vogel mit ausgebreiteten Schwingen belegtes Tatzenkreuz. Ernst August I. Herzog von Sachsen-Weimar hatte am 2.8.1732 den Hausorden der Wachsamkeit ("de la Vigilance") gestiftet, um seiner Treue und Ehrerbietigkeit gegenüber seinem militärischen Dienstherrn, Kaiser Karl VI., Ausdruck zu verleihen. Diesen Orden gab es nur im Herzogtum Sachsen-Weimar bzw. Sachsen-Weimar-Eisenach. Aufgrund der dem Adel vorbehaltenen Falkenjagd und dem äußerst scharfen Blick des Vogels wählte der Stifter den Falken als Symbol des Ordens. Der unbedeutende, ursprünglich einklassige Orden mit ursprünglich 24 Ordensrittern geriet aber alsbald in Vergessenheit. 1806 gab es noch genau ein Mitglied. Hier sehen wir den Orden in Form der Erststiftung.
Erst unter Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach wurde der Orden später wiederbelebt, nachdem sein Herzogtum 1815 auf dem Wiener Kongreß zum Großherzogtum erhoben worden war und bedeutenden territorialen Zuwachs erfahren hatte. Der Orden, dessen Großmeister der Großherzog selber war, wurde aus seiner Versenkung hervorgeholt und als Verdienstorden neu belebt, unter dem Namen Hausorden der Wachsamkeit oder vom weißen Falken. Seine Mitglieder wurden nun in Großkreuzträger, Kommandeure und Ritter unterschieden. Das neue Ordensgroßkreuz sah als Dekoration folgendermaßen aus: Es handelte sich um ein an einer Krone hängendes, achtspitziges, golden bordiertes, grün emailliertes Kreuz, auf dem Avers ein golden bordierter, weiß emaillierter Falke mit ausgebreiteten Flügeln und linksgerichtetem Kopf, in den Kreuzarmwinkeln rote glasemaillierte Rauten mit golden verzierten, weiß emaillierten Spitzen und goldenen Rändern, auf dem Revers auf weißem Emaille ein blaues ovales Schildchen, darin die goldene vierzeilige Devise: VIGILANDO ASCENDIMUS (beim Wachsam-Sein heben wir uns empor), um das Schildchen ein goldener Lorbeerkranz, darüber eine goldene Krone, in den Kreuzarmwinkeln grüne glasemaillierte Rauten mit golden verzierten, weiß emaillierten Spitzen und goldenen Rändern. Das Ordensband war rot. In dieser Form gab es den Orden 1815-1918.
Literatur,
Links und Quellen:
Position in Google
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Hugo Peter: Die herzogliche Residenz zu
Eisenach, Beiträge zur Geschichte Eisenachs, Teil 20, Eisenach
1910
Isolde Lehmann: Das Eisenacher Stadtschloß, Daten zu seiner
Baugeschichte, Eisenach-Jahrbuch 1993, Marburg 1993, S. 66-76
Stadtschloß auf den Seiten der Stadt: https://www.eisenach.info/kunst-und-kultur/museen/stadtschloss
Stadtschloß auf den Seiten der Stadt: https://www.eisenach.de/leben/eisenach-erleben/sehenswuerdigkeiten/stadtschloss-thueringer-museum
Stadtschloß auf den Seiten der Stadt: https://www.eisenach.de/kultur/museen/thueringer-museum-eisenach
Stadtschloß auf den Seiten der Thüringer Museen: http://www.museen.thueringen.de/museum/DE-MUS-868113
Stadtschloß auf den Seiten des Geschichtsvereins: http://www.geschichtsverein-eisenach.de/stadtschloss.html
Eisenacher Stadtschloß auf
Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Eisenacher_Stadtschloss
Ernst August von Sachsen-Weimar auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_August_I._(Sachsen-Weimar-Eisenach)
Karl von Beaulieu-Marconnay: Ernst
August Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach, in: Allgemeine
Deutsche Biographie, Bd. 6, Duncker & Humblot, Leipzig
1877, S. 317-318, https://de.wikisource.org/wiki/ADB:Ernst_August_I. - https://www.deutsche-biographie.de/sfz39201.html - https://www.deutsche-biographie.de/pnd104175931.html#adbcontent
Sachsen-Eisenach auf
Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Sachsen-Eisenach
Sachsen-Weimar-Eisenach auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Sachsen-Weimar-Eisenach
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf
CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Hausorden der Wachsamkeit auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Hausorden_vom_Weißen_Falken
Hausorden der Wachsamkeit in Pierers Universal-Lexikon: http://www.zeno.org/Pierer-1857/A/Falken-Orden
Hausorden der Wachsamkeit auf Ehrenzeichen-Orden: https://www.ehrenzeichen-orden.de/deutsche-staaten/hausorden-der-wachsamkeit-vom-weisen-falken-groskreuz-vergl-oek-2323.html
Begleitheft zur Ausstellung "Der weimarische Hausorden der
Wachsamkeit oder vom Weißen Falken", mit Beiträgen von
Jochen Klauß, Weimar 2015, ISBN 3-7443-0188-5
Architekt Krohne auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Gottfried_Heinrich_Krohne
Die Bourbonen Frankreichs: https://die-bourbonen-frankreichs.hpage.com/3-01-1-helene.html
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