Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2732
Halberstadt (Landkreis Harz, Sachsen-Anhalt)

Der Dom zu Halberstadt, Teil (10): Sebastian von Plotho

Am ersten nördlichen Pfeiler des Langhauses befindet sich eine nach Süden ins Hauptschiff blickende sandsteinerne Statue des hl. Mauritius. Der in einen Harnisch gekleidete Heilige steht auf einer sechseckigen Konsole. Die Stellung der rechten Hand läßt vermuten, daß er einst eine Lanze hielt, die heute verloren ist. Er hält mit der Linken einen Wappenschild mit einer Darstellung des doppelköpfigen Adlers des Heiligen Römischen Reiches, in korrekter Tingierung wäre er schwarz, rotgezungt und golden bewehrt und ebenso nimbiert auf goldenem Grund. Das ist bis auf die Feldfarbe realisiert. Mauritius, dessen Tod um 290 n. Chr. angenommen wird, war Anführer (Primicerius) der Thebaischen Legion. Diese war eine Einheit der römischen Armee, die der Legende nach komplett den Märtyrertod erlitten hatte, was historisch unbelegt ist und vermutlich eine Fiktion ist. Der Legende nach kam es zu einer Meuterei der Legion, weil die Soldaten nicht gegen Christen ziehen wollten, und als Strafe wurden sie sukzessive hingerichtet. Das Unbelegte ändert nichts an der hohen Faszination dieses Heiligen für die Menschen des Mittelalters, insbesondere als Schutzheiligen der Krieger.

 

Der hl. Mauritius ist selbstverständlich weit in die vorheraldische Zeit zu datieren, wird aber hier mit dem Wappen des Reiches ausgestattet, das erst 646 Jahre nach dem angesetzten Tod des Mauritius gegründet wurde, immer noch in vorheraldischer Zeit. Ähnliches können wir auch bei verschiedenen apokryphen Wappen sehen, die Personen der Antike angedichtet wurden, so erscheint in alten Wappenbüchern beispielsweise Julius Caesar ebenfalls mit dem Doppeladler-Wappen (z. B. Wappenbuch des Nikolaus Bertschi, Codex Haggenberg, Livro do Armeiro-Mor, Armorial le Breton). Das war ein Mittel, die Geschichte und die Geschichten der Antike an die Welt des späten Mittelalters anzubinden und für das ikonographische Programm zu vereinnahmen. Die Zuordnung erfolgt auf dem Schild, denn oberhalb und unterhalb des Doppeladlers steht zu lesen: "GLO(R)IOSA THEBEORV(M) MARTIRV(M) CERTAMI(N)A" - die ruhmvollen Kämpfe der Thebaischen Märtyrer. Der obere Teil der Inschrift wird durch den Panzerhandschuh des Mauritius in zwei Teile aufgespalten.

 

Auf der Plinthe und den gekehlten Flächen der Konsole steht weiterhin stark abgekürzt und äußerst schwer zu entziffern (Ergänzung und Lesung nach Fuhrmann, dort nach einem vergleichbaren Text in einem Halberstädter Breviar aus dem Jahr 1515): "BEAT(VS) MAVRICI(VS) / HAC OR(ATI)O(N)E LEGIO(N)EM / S(AN)CTAM ALLOQVITVR / GRATVLOR VIRTVTI V(EST)RE / Q(VOD) N(V)LLAM VOBIS I(N)TVLIT / CESARIS PRE/CEPTV(M) FORMIDINE(M) / V(ERSICVLVS) BENEDICT(VS) DE(VS) (ET) P(ATE)R / D(OMI)NI N(OST)RI IH(ES)V CHR(IST)I / QVI TANTA(M) VOB(IS) / ANIMI CO(N)TV/LIT CO(N)STA(N)CIA(M) / 1513 / MVXIII / SEBASTIANVS / NOBILIS / DE PLOTE" - der heilige Mauritius wendet sich mit dieser Ansprache an die heilige Legion: Ich gratuliere euch zu eurer Tapferkeit, weil euch der kaiserliche Befehl keine Angst eingejagt hat. Kurzer Vers: Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der euren Herzen so große Standhaftigkeit verliehen hat, Sebastian Edler von Plotho.

Abb.: linker Teil der Inschrift auf der Konsole

Abb.: mittlerer Teil der Inschrift auf der Konsole

Abb.: rechter Teil der Inschrift auf der Konsole

Abb.: Teil der Inschrift auf der Konsole rechts um die Ecke

Die Konsole verweist auf den Stifter, den 1511-1513 als Halberstädter Domdekan amtierenden Sebastian von Plotho (-1558), der aber schon nach kurzer Amtszeit resignierte. Er war gleichzeitig in beiden Domstiften in Magdeburg und in Halberstadt Domherr. 1507 wurde er Domthesaurar (Schatzmeister, Güter- und Vermögensverwalter) von Magdeburg, dann vier Jahre später Halberstädter Dekan; für dieses Amt leistete er am 1.7.1511 den Eid. Zuletzt taucht er in dieser Funktion am 9.10.1513 auf.

Im Folgejahr wurde er zum Dompropst von Merseburg gewählt, und am 16.9.1514 wurde er vereidigt. Möglich ist, daß er wegen dieser Aussicht resignierte, obwohl eigentlich zuviel Zeit zwischen beiden Ämtern lag. Vielleicht hatte er auch in Magdeburg Ambitionen, die sich nicht erfüllten. Dafür würde sprechen, daß er sich kurz vor seiner Resignation mit der Stiftung der Figur des hl. Mauritius beschäftigte - der Magdeburger Dom trägt den Namen eben dieses Patroziniumsheiligen (offizieller Name: Dom zu Magdeburg St. Mauritius und Katharina). Domherr blieb er jedenfalls in Halberstadt bis zu seinem Tod 1558.

1507-1558 ist er als Päpstlicher Protonotar und Orator des Erzbischofs Albrecht von Brandenburg belegt. In Magdeburg, wo er seit 1507 als Domherr eine Pfründe besaß, wurde er ab 1539 als Senior geführt. Er war außerdem Domkustos in Magdeburg und Archidiakon von Weddingen. Seit 1538 hatte er auch eine Domherrenpfründe in Naumburg inne. Weiterhin taucht er ab 1513 als Inhaber einer perpetua vicaria der Pfarrkirche zu Wilsnack auf (Diözese Havelberg). Erst am 6.7.1522 wurde er aus Anlaß der Weihe der Kirche in Keuschberg vom Merseburger Bischof Adolf von Anhalt-Zerbst zum Diakon geweiht.

Das Wappen der von Plotho ist geviert, Feld 1 und 4: in Silber eine rote Lilie, Feld 2 und 3: in Rot ein schwarzer, golden gekrönter Mohrenrumpf. Dieses Wappen wird meistens mit einer Kombinationshelmzier geführt, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken eine rote Lilie mit goldenem Bund zwischen zwei nach außen gelehnten Mohrenrümpfen (Siebmacher Band: Pr Seite: 57 Tafel: 73-74, Band: PrA Seite: 61 Tafel: 45, Band: PrGfN Seite: 17 Tafel: 12, Band: AnhA Seite: 83 Tafel: 49, Münchener Kalender 1916). Der Stammsitz Alten-Plathow liegt im Jerichower Land und war 1294 an das Erzstift Magdeburg gefallen. Die Herren von Plotho waren Ministerialen der Erzbischöfe von Magdeburg und traten in Lehensverhältnisse mit den Markgrafen von Brandenburg. Wolfgang Edler von Plotho erhielt vom Kaiser zu Wien am 13.9.1643 unter Bestätigung des alten Herrenstandes den Reichsfreiherrenstand mit dem Prädikat "Freiherr von Engelmünster auf Parey und Wilszsandt". Engelmünster war eine flämische Baronie. 1840 bekam die Familie das Amt eines Erbkämmerers im Herzogtum Magdeburg.

Literatur, Links und Quellen:
Position in Google Maps: https://www.google.de/maps/@51.8962678,11.0488647,18.5z - https://www.google.de/maps/@51.896156,11.0487941,131m/data=!3m1!1e3
Kulturstiftung Sachsen-Anhalt:
https://www.kulturstiftung-st.de/ - Dome und Klöster: https://www.kulturstiftung-st.de/burgen-schloesser-dome/#dome-kloester
Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Domschatz Halberstadt:
https://www.dom-schatz-halberstadt.de/ - Dom: https://www.dom-schatz-halberstadt.de/dom-domschatz/der-dom-zu-halberstadt/
Förderverein Dom und Domschatz:
https://www.domverein-halberstadt.de/de/aktuelle-projekte.html
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus Dom und Domschatz mit freundlicher Genehmigung von Frau Dr. Uta-Christiane Bergemann vom 7.1.2021, wofür ihr an dieser Stelle herzlich gedankt sei
von Plotho auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Plotho
Siebmachers Wappenbücher wie angegeben
der hl. Mauritius auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Mauritius_(Heiliger)
die Thebaische Legion auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Thebaische_Legion
Deutsche Inschriften Bd. 75, Halberstadt Dom, Nr. 176 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn: nbn:de:0238-di075l003k0017608 - http://www.inschriften.net/halberstadt-dom/inschrift/nr/di075-0176.html#content
Sebastian Edler von Plotho (GSN: 005-12991-001), in: Germania Sacra,
http://personendatenbank.germania-sacra.de/index/gsn/005-12991-001
Sebastian Edler von Plotho, in: Germania Sacra AF I, 1972 - Die Bistümer der Kirchenprovinz Magdeburg. Das Erzbistum Magdeburg 1,1 Das Domstift St. Moritz in Magdeburg, und 1, 2. Die Kollegiatstifte St. Sebastian, St. Nicolai, St. Peter und Paul und St. Gangolf in Magdeburg. Die Bistümer der Kirchenprovinz Magdeburg, S. 381 -
http://germania-sacra-datenbank.uni-goettingen.de/books/view/130/399

Mit freundlicher Unterstützung der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt

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