Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 2728
Halberstadt (Landkreis Harz, Sachsen-Anhalt)
Der Dom zu Halberstadt, Teil (6): Johann von Querfurt
In beiden Querhausabschnitten des Domes gibt es jeweils eine Empore, wobei die nördlichere etwas höher als die südliche ist. An der Nordempore ist mittig am Pfeiler eine Reliefdarstellung eines eng verzweigten und beblätterten Paradiesbaumes mit Äpfeln im filigranen Geäst und mit einer sich um den Stamm windenden Schlange angebracht. Unten links ist heute eine Bruchstelle, dort befand sich vermutlich früher der Schlangenkopf. Im Geäst sitzt eine gekrönte Eva mit nacktem Oberkörper und offenem blonden Haar und komplettiert diese Darstellung des Sündenfalls. Die bis zu dem dreiseitigen Vorsprung der Emporenbrüstung reichende Reliefplastik, die stilistisch noch der Spätgotik zuzurechnen ist, stammt von kurz nach der Wende vom 15. zum 16. Jh.
Der Stifter dieses außerordentlich wirkungsvollen und schönen Reliefs war der Domherr Johann von Querfurt, der 1465-1506 als Halberstädter Domdekan amtierte. Er war auch 1474-1506 Domherr in Merseburg und Scholaster. Er hat Berühmtheit erlangt, weil er 1486, als Administrator Ernst II. von Sachsen aufgrund eines Streites um die städtische Gerichtsbarkeit die Stadt Halberstadt belagerte, als einziges Kapitelmitglied in der Stadt verblieben war und dem Administrator die Stirn bot, indem er Widerstand organisierte und trotz Verbotes weiter Gottesdienste feierte. Er sollte danach verhaftet werden, doch die Domschüler und Domherren verteidigten ihn wirkungsvoll, so daß Ernst II. von Sachsen es gut sein ließ. Vermutlich ist als Todesdatum von Johann von Querfurt der 11.9.1506 anzusetzen, weil an jenem Tag in Merseburg eine Memorie für ihn abgehalten wurde.
Ganz unten im Zwickel zwischen den Ansätzen der beiden spitzbogigen Arkaden ist das Stifterwappen des Johann von Querfurt angebracht, siebenmal silbern-rot geteilt, auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken acht siebenmal silbern-rot geteilte Fähnchen. Das Kleinod der Herren von Querfurt hat hier eine ungewöhnliche Form, die dem Material Stein geschuldet ist. Während normalerweise auf Papier, Pergament etc. kurze Fähnchen an langen Stangen verwendet werden, von den vier nach rechts und vier nach links abwehen, nimmt hier jedes Fähnchen die Form einer Lamelle eines Fächers an, ohne eigens abgesetzte Fahnenstange, was mit dem Stein als Material freiplastisch nicht zu realisieren gewesen wäre. Die filigrane Darstellung der Helmdecken zeigt mit ihren deutlich sichtbaren Beschädigungen, wie empfindlich die dünnen, durchbrochenen und freistehenden Partien der Plastik sind. Bis auf diese Beschädigungen handelt es sich bei dieser Wappendarstellung um eine solche außerordentlicher Qualität, wie man an der mutigen Helmdeckenführung und an dem detailreichen Helm mit seinen Spangen und Nieten und dem herabhängenden Riemen mit Schnalle sieht.
Bei dem Stifter und Wappenträger, Johann von Querfurt, handelt es sich um den Sohn von Bruno VI. von Querfurt (-26.2.1496), Herr zu Querfurt, Burg Wippra, Artern, Vitzenburg und Allstedt. Bruno VI., der letzte Burggraf und die Herrschaft ausübender Herr von Querfurt, hatte zweimal geheiratet, in erster Ehe (mit Dispens) Anna Gräfin von Gleichen-Tonna (-22.3.1481) und in zweiter Ehe Elisabeth Gräfin von Mansfeld (-18.9.1482). Bruno VI. starb an der Pest. Sein ältester Sohn, der ihm in der Herrschaft nachfolgen sollte, war bereits ein halbes Jahr vor ihm gestorben. Mit seinem anderen Sohn Johann erlosch dann die Familie im Mannesstamm, weil sein älterer Bruder Bruno schon vor ihm gestorben war und er aus seiner Ehe mit Brigitte Gräfin von Stolberg vier Töchter, aber keinen Sohn hatte. Johann hatte noch eine Schwester, Katharina von Querfurt (-22.2.1521), die erst Graf Günther XXI. von Schwarzburg-Blankenburg und dann Graf Philipp II. von Waldeck-Eisenberg heiratete. Komplett erlosch die Familie mit Johanns Nichte Katharina von Querfurt 1553; sie war Nonne erst im Kloster Drübeck, dann Dechantin im Stift Gandersheim und starb im Kloster Drübeck. Nach dem Aussterben der Herren von Querfurt kamen Besitz und Wappen an die Grafen von Mansfeld, die ihrerseits eine Abzweigung der Hauptlinie der Herren von Querfurt waren und die bis 1780 fortbestanden. Mit dem Grafen Josef Wenzel Nepomuk von Mansfeld-Vorderort-Bornstedt erlosch die Familie der Grafen von Mansfeld 1780 im Mannesstamm. Was Mannlehen waren, fiel an den Lehnsherrn heim, und da das Erzbistum Magdeburg längst säkularisiert war, fiel das an dessen Rechtsnachfolger, nämlich Kursachsen und Preußen. Einige Allodialgüter in Böhmen fielen über eine Halbschwester des letzten Mansfelder Grafen an ihren Ehemann, Franz de Paula Fürst von Colloredo. 1789 wurde dem Fürsten die Namens- und Wappenvereinigung erlaubt, so daß das Wappen der Herren von Querfurt auch dort als Komponente auftaucht.
Des Dekans Johann mit Bronzeplatten beschlagene Grabplatte war vor dem nördlichen Querhausarm in den Boden des Domes eingelassen. Die aus acht Teilen bestehenden metallenen Beschläge werden heute neu montiert auf der Südempore ausgestellt. Die Metallplatten des Grabdenkmals benennen den Domdekan ebenfalls als den Letzten der Edlen von Querfurt. Das dort einst vorhandene Wappen ist vollständig verschliffen bzw. abgetreten. Ein weiteres Wappen dieses Domdekans ist auf dem Schlußstein des östlichen Jochs der Empore des nördlichen Querhauses angebracht.
Es gab übrigens neben Johann noch mehr Domherren
aus der Familie der Herren von Querfurt:
- Wichmann II. Von Querfurt (-25.8.1192), Graf von Seeburg, war
1136 Domherr in Halberstadt, 1145 Domherr und Propst von St. Paul
in Magdeburg, 1146 Dompropst in Halberstadt und wurde dann noch
Bischof von Naumburg und Erzbischof von Magdeburg.
- Burchard von Querfurt war 1370 Domherr in Magdeburg und
Archidiakon in Halberstadt.
- Gebhard von Querfurt wird 1322 als Domherr und 1325 als
Dompropst von Halberstadt genannt, sein Bruder Siegfried
1310-1322 als Domherr in Halberstadt.
- Ihrer beider Onkel Gerhard von Querfurt wird 1297 als Domherr
und 1304-1312 als Dompropst in Halberstadt genannt, ebenso
1304-1310 als Domherr in Hildesheim und 1309-1312 als Propst von
St. Simon und Juda in Goslar.
- Albrecht von Querfurt (-12.6.1403) taucht 1368 als Domherr in
Halberstadt, 1369 als Domherr in Merseburg, 1372 als Domherr in
Naumburg, 1375 als Archidiakon in Halberstadt, 1377 als
Archidiakon in Magdeburg auf und wurde schließlich Erzbischof
von Magdeburg.
Literatur,
Links und Quellen:
Position in Google
Maps: https://www.google.de/maps/@51.8962678,11.0488647,18.5z - https://www.google.de/maps/@51.896156,11.0487941,131m/data=!3m1!1e3
Kulturstiftung Sachsen-Anhalt: https://www.kulturstiftung-st.de/ - Dome und Klöster: https://www.kulturstiftung-st.de/burgen-schloesser-dome/#dome-kloester
Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Domschatz Halberstadt: https://www.dom-schatz-halberstadt.de/ - Dom: https://www.dom-schatz-halberstadt.de/dom-domschatz/der-dom-zu-halberstadt/
Förderverein Dom und Domschatz: https://www.domverein-halberstadt.de/de/aktuelle-projekte.html
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus Dom und Domschatz mit
freundlicher Genehmigung von Frau Dr. Uta-Christiane Bergemann
vom 7.1.2021, wofür ihr an dieser Stelle herzlich gedankt sei
Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital,
WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN
978-3-7686-2515-9
Herren von Querfurt auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Querfurt_(Adelsgeschlecht)
Genealogie der Herren von Querfurt auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Stammliste_von_Querfurt
Johann von Querfurt: Deutsche Inschriften Bd. 75, Halberstadt
Dom, Nr. 160 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn: nbn:de:0238-di075l003k0016000 - http://www.inschriften.net/halberstadt-dom/inschrift/nr/di075-0160.html#content
Grabplatte des Johann von Querfurt: https://st.museum-digital.de/index.php?t=objekt&oges=39309
Mit freundlicher Unterstützung der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt
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