Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2726
Halberstadt (Landkreis Harz, Sachsen-Anhalt)

Der Dom zu Halberstadt, Teil (4): Caspar von Kannenberg

Dieser Bronzebeschlag stammt von der Grabplatte des Domkapitulars und Domdekans Caspar von Kannenberg (-31.1.1605). Er wird heute auf der Südempore des Halberstädter Domes ausgestellt und ist eines der schönsten und am aufwendigsten verzierten Exemplare solcher Bronzearbeiten. Es handelt sich um eine Arbeit des Rotgießers Georg Wolgast aus Halle, wie die am unteren Rand des inneren Rahmens eingetiefte und durch die Schuhspitzen und den Schildfuß unterbrochene Künstlersignatur verrät: "GEORG WOLGAST ME FECIT HAL(L)ENSIS". Von ihm ist bekannt, daß er auch das Epitaph des Wolfgang von Waldau in der Dessauer Marienkirche angefertigt hat. Wie ähnliche Platten ist auch diese in ein Zentralfeld und einen mit Leisten abgesetzten Rand gegliedert, wobei hier allerdings keine Medaillons oder Vierpässe die Inschrift unterbrechen. Statt dessen sehen wir sechs große Köpfe der Befestigungsnägel innerhalb der Inschriftenzone. Der äußerste Rand ist mit einem Ornament aus zwei gegeneinander verdrehten Spiralen mit jeweils einer Halbkugel in den sich bildenden Augen verziert.

 

Aber dennoch müssen wir hier nicht auf die übliche Darstellung der vier Evangelisten verzichten, sie sind nur an anderer Stelle: Wir finden sie zusammen mit ihren Symboltieren paarweise im Zentralfeld in den Zwickeln rechts und links des Kleeblattbogens, gekennzeichnet durch die Gravuren unter dem Innenrand der oberen Schmalseite: "S(anctus) Matth(a)eus", "S(anctus) Marcus E(vangelista)", "S(anctus) Lucas" und "S(anctus) Johannes".

 

Der Wortlaut der in erhabenen Buchstaben ausgeführten und oben links neben dem ersten Befestigungsnagel beginnenden Inschrift ist folgender: "REVERENDVS AC NOBILIS / VIR D(OMINVS) CASPAR A KANNENBERG DECANVS / HVIVS ECCLESIAE OBYT / 31 IANVARY ANNO 1605 AETATIS SVAE 72" - der ehrwürdige und edle Mann, Herr Caspar von Kannenberg, Dekan dieser Kirche, ist am 31. Januar des Jahres 1605 in seinem Alter von 72 Jahren verstorben.

"REVERENDVS AC NOBILIS"

"VIR D(OMINVS) CASPAR A KANN..."

"...ANNENBERG DECANVS"

"HVIVS ECCLESIAE OBYT"

"31 IANVARY ANNO 1605"

"1605 AETATIS SVAE 72"

Caspar von Kannenberg (-31.1.1605) wird auch an der Kanzel des Halberstädter Domes aufgelistet ("CASPAR A KANNE(N)BERG HVI(VS) / ECCL(ESI)AE DECAN(VS) PRAEPOSIT(VS) / WALBECCENSIS ANNO 1592"), ist aber ohne Wappendarstellung. Seit 1583 wird er als Halberstädter Domherr geführt, 1588 als Senior, und 1589 wird er als Domdekan genannt. Vermutlich folgte er direkt Ludwig von Britzke nach, für den auf der Südempore eine ganz ähnliche Bronzeplatte angebracht ist und für den auch ein Epitaph an einem Vierungspfeiler existiert. Caspar von Kannenberg war außerdem noch Dekan der Kalandsbruderschaft in Oschersleben und seit 1559 Propst von Walbeck. Weil letzteres ein Amt war, das ein Domkanonikat in Halberstadt zur Bedingung hatte, war er vermutlich schon zu diesem Zeitpunkt Domherr, auch wenn es erst später urkundliche Belege dafür gibt. In seiner Amtszeit fand 1591 die Reformation des Domkapitels statt. Nach den Quellen gehörte er zu den zögerlichen Kapitelmitgliedern, doch testamentarische Verfügungen deuten auf reformatorischen Ritus, so daß anzunehmen ist, daß er am Ende doch Lutheraner geworden war.

Der bärtige Kleriker steht frontal und mit dem Kopf ganz leicht nach links eingedreht in einer angedeuteten Nische mit einem Kleeblattbogen als Abschluß. Auf den beiden Stirnseiten des sich im perspektivisch nach unten gezogenen Bogen hinter dem Kleriker die Nische entlangziehenden Gesimses sind zwei geflügelte Engelsköpfe dargestellt. Die beiden Längsseiten des Zentralfeldes tragen reichlich symbolische Ornamentik, darunter auch einen Totenschädel als Vanitas-Symbol. Caspar von Kannenberg trägt ein quastenloses Birett von einem Typus, der als Luther-Barett bekannt ist, eine gefältelte Halskrause, Untergewand, Superpelliceum (Chorhemd) und darüber eine Almutie aus Pelz, vermutlich Hermelin, wie sich aus den herabhängenden und auf jedem Fellstück angenähten Schwänzchen schließen läßt. Diese Almutie wird vor der Brust mit einem Band verschlossen, das zwischen zwei rosettenförmigen Agraffen gespannt ist. Der Kleriker hält mit beiden Händen ein Buch mit ornamental geprägtem Einband und zwei Schließen vor seiner Brust.

Caspar von Kannenberg hatte mehrere uneheliche Söhne. Zwei davon zerstritten sich so heftig 1604 auf dem Dekanatshof, daß der Vater dazwischen gehen mußte und sich bei einem Sturz schwer verletzte. Vielleicht stand sein einen Monat darauf erfolgtes Ableben in Zusammenhang mit Verletzungen, die er sich dabei zugezogen hatte. Er war jedenfalls so wütend auf den Verursacher, daß er seinen natürlichen Sohn Balthasar deswegen enterbte. Vielmehr wurde sein Vermögen testamentarisch in eine Stiftung überführt, die 1833 unter der preußischen Regierung in den Besitz der Domkirche überging. Der katholische Domherr Matthias von Oppen wurde nach seinem Tod sein Nachfolger als Domdekan.

 

Das Wappen der Familie von Kannenberg ist unten in der Mitte angebracht, verdeckt den Faltenwurf des bis den Füßen reichenden Untergewandes und zeigt in Blau drei (2:1) silberne Henkelkannen mit Ausguß und beknauftem Deckel, auf dem blau-silbern bewulsteten Helm mit blau-silbernen Decken eine silberne Henkelkanne mit Deckel zwischen einem blauen Paar Büffelhörner, zweimal in der zweiten Farbe umwunden bzw. viermal schräg nach innen geteilt (Westfälisches Wappenbuch, Siebmacher Band: SchlA1 Seite: 50 Tafel: 37).

Das Wappen taucht auch an der ehemaligen Dompropstei in Halberstadt auf, ohne namentliche Zuweisung, aber vermutlich für den gleichen Domherrn. An Burg Zilly ist ein Wappen für einen Verwandten angebracht, für Friedrich Wilhelm von Kannenberg (1693-22.5.1762) evangelischer Domherr, Portanarius (Pfortenherr) und Propst von Walbeck. Ein Lewin von Kannenberg war seit dem 30.1.1548 Domherr in Havelberg. Die Familie besaß traditionell das Amt eines Erbmarschalls im Fürstentum Minden. Da die Familie von Kannenberg mit Friedrich Wilhelm von Kannenberg 1762 im Mannesstamm erlosch, ging diese Würde danach an die Familie von Kahlden, weil die einzige Tochter des Genannten den preußischen Generalmajor Henning Alexander von Kahlden (24.3.1713-22.10.1758) geheiratet hatte.

Für Caspar von Kannenberg befindet sich das zugehörige monumentale Epitaph an zentraler Stelle im Dom, vom Langhaus aus gesehen am rechten hinteren (südöstlichen) Vierungspfeiler. Es ist 5,35 m hoch und 2,85 m breit und beginnt in ca. 2,17 m Höhe. Bei dem Epitaph handelt es sich um eine Arbeit des Künstlers Sebastian Ertle, der ursprünglich aus Überlingen am Bodensee stammte und auch in Magdeburg tätig war. Sein Gehilfe Ludolf Barthold hat ebenfalls an dem Epitaph mitgewirkt. Das Epitaph ist aus Sandstein, Marmor und Alabaster gefertigt und mehrstufig aufgebaut: Ganz unten wird der Unterhang dreieckig abgeschlossen, mit einer zentralen Rollwerkkartusche über einem Cherubskopf, flankiert von zwei Putten. In der nächsten Zone darüber ist zwischen zwei mächtigen Volutenkonsolen, die die weit vorspringende Hauptplattform tragen, die von Rollwerk eingefaßte Inschriftenplatte eingelassen. Dort steht zu lesen: "REVEREND(VS) NOBILIS AC PRAESTANS VIR D(OMINVS) CASPAR / A KANNENBERG CATHE(DRALIS) H(VIVS) ECC(LESI)AE DECAN(VS) BENE = / MERIT(VS) OBYT 31 IANVARY A(NN)O (16)05 (AET)AT(IS) 72" - der ehrwürdige, edle und vortreffliche Mann, der Herr Caspar von Kannenberg, große Verdienste erworben habender Dekan dieser Domkirche, starb am 31. Januar 1605 im Alter von 72. Danach folgt noch ein Totenlob. Neben den Konsolen befinden sich außen auf den flankierenden Rollwerkwangen Medaillons, links mit einer Darstellung von Moses, rechts mit David.

 

Die Hauptzone beginnt ab der großen Plattform, auf der der Verstorbene in vollplastischer Ausarbeitung betend kniet, barhäuptig und mit einem Mühlsteinkragen und weitärmeligem Gewand bekleidet. Im Zentralfeld, das von zwei freistehenden korinthischen Säulenpaaren eingerahmt wird, wird unter einem Bogen eine Kreuzigungsszene dargestellt, die Christus zwischen den beiden Verbrechern darstellt, vor dem Hintergrund der Stadt Jerusalem, im Vordergrund reichlich Personen. In den beiden oberen Bogenzwickel halten Putten Vanitas-Symbole, links einen Totenschädel, rechts ein Stundenglas. Die Seitenflächen der Hauptzone sind in der Vertikalen noch einmal unterteilt. In der unteren Ebene gibt es je eine Muschelnische, die außen von einer korinthischen Säule flankiert wird, links Christus, den Kreuzesstamm haltend, rechts eine nicht sicher zuzuordnende Figur, vielleicht alttestamentarisch. In den beiden Zwickeln über den Muschelnischen waren einst vier Wappen der Ahnenprobe angebracht, wovon sich drei teilweise erhalten haben und anstelle des vierten nur eine leere Befestigungsstelle zu sehen ist. Weitere Wappen waren vermutlich früher am Rand der Plattform aufgehängt, wo zahlreiche leere Haken darauf hindeuten. Die Reliefs über der Zone mit den Muschelnischen stellen die vier Evangelisten dar, links Matthäus und Markus, rechts Lukas und Johannes. Außen wird diese obere seitliche Zwischenzone von zwei Hermenpilastern abgeschlossen.

Darüber folgt das mit reichlich Beschlagwerk versehene Gebälk, das in der Mitte das Wappen der von Kannenberg wie beschrieben trägt. Während das Mittelstück des Hauptgesimses die nächste Zone trägt, werden die Seitenteile mit einem Obelisken bekrönt, wovon sich nur der rechte erhalten hat. Am Hauptgesims befinden sich weitere Haken zur Befestigung von Wappen der Ahnenprobe, die aber alle leer sind. Die Anzahl der Haken deutet darauf hin, daß es mindestens eine 16er-Ahnenprobe gewesen sein muß, wenn nicht sogar eine 32er. Fuhrmann beschreibt einige inhaltlich; von einigen gibt es noch Bruchstücke, doch insgesamt ist sie als verloren zu betrachten. Die nächste Zone besitzt ein von zwei freistehenden korinthischen Säulen flankiertes Mittelrelief mit einer Darstellung der Auferstehung und Himmelfahrt Christi. Die Seitenwangen tragen zwei Genien mit Vanitassymbolen. In der obersten Zone, der Giebelzone, wird Gottvater dargestellt, der mit der Linken die Weltkugel ergreift und die Rechte mit einer segnenden Geste erhoben hat. Die zentrale Rollwerkkartusche ist eingebunden in üppigen Zierat mit drei Obelisken, Festons, Engelsköpfen und Widderköpfen. Seitlich sind Allegorien christlicher Tugenden aufgestellt, rechts die Spes (Hoffnung) mit dem Anker.

Literatur, Links und Quellen:
Position in Google Maps: https://www.google.de/maps/@51.8962678,11.0488647,18.5z - https://www.google.de/maps/@51.896156,11.0487941,131m/data=!3m1!1e3
Kulturstiftung Sachsen-Anhalt:
https://www.kulturstiftung-st.de/ - Dome und Klöster: https://www.kulturstiftung-st.de/burgen-schloesser-dome/#dome-kloester
Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Domschatz Halberstadt:
https://www.dom-schatz-halberstadt.de/ - Dom: https://www.dom-schatz-halberstadt.de/dom-domschatz/der-dom-zu-halberstadt/
Förderverein Dom und Domschatz:
https://www.domverein-halberstadt.de/de/aktuelle-projekte.html
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus Dom und Domschatz mit freundlicher Genehmigung von Frau Dr. Uta-Christiane Bergemann vom 7.1.2021, wofür ihr an dieser Stelle herzlich gedankt sei
Caspar von Kannenberg: Deutsche Inschriften Bd. 75, Halberstadt Dom, Nr. 248 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn: nbn:de:0238-di075l003k0024809 - http://www.inschriften.net/halberstadt-dom/inschrift/nr/di075-0248.html#content
Epitaph des Caspar von Kannenberg: Deutsche Inschriften Bd. 75, Halberstadt Dom, Nr. 249 (Hans Fuhrmann), in:
www.inschriften.net, urn: nbn:de:0238-di075l003k0024903 - http://www.inschriften.net/halberstadt-dom/inschrift/nr/di075-0249.html#content

Mit freundlicher Unterstützung der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt

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