Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 2713
Gersfeld (Rhön, Landkreis Fulda, Hessen)
Die evangelische Stadtkirche in Gersfeld (Rhön)
Die
evangelische Stadtkirche und ihre Geschichte:
Gersfeld hat 1359 vom Fuldaer
Abt Heinrich VII. mit der Erlaubnis Kaiser Karls IV. Stadt- und
Marktrechte erhalten, blieb aber unbefestigt. In Gersfeld wurde
1537 die Reformation eingeführt, woran Pfarrer Markus Sebander
großen Anteil hatte. Die Stadtkirche steht am Rand der Altstadt,
wo die Fulda und das Sparbroder Wasser einen Zwickel bilden.
Die evangelisch-lutherische Stadtkirche Gersfeld ist eine stilistisch bedeutende Kirche aus der Zeit des Rokoko, die von Johann Caspar Heym 1778 aus Ostheim vor der Rhön entworfen und von Baumeister Johannes Link aus Brückenau 1780-1788 erbaut wurde. Heym baute auch die Kirchen in Neuswartz und Habel. Link baute zeitgleich die katholische Pfarrkirche in Brückenau und die evangelische Kirche in Niedermoos; Glockentürme und Fensterformen der drei genannten Kirchen ähneln sich daher stark.
Ein aus dem Mittelalter stammender, mehrfach vergrößerter und umgebauter Bau aus Fachwerk war Ende des 17. Jh. so baufällig geworden, daß man bereits 1689 über einen Neubau nachdachte. Ausgeführt wurde dieser jedoch erst über ein Jahrhundert später, weil Naturkatastrophen, Kriege, Mißernten und Krankheiten und auch Uneinigkeit der Verantwortlichen über die Art des Neubaus den Baubeginn so lange herauszögerten. 1756 gab es einen Stadtbrand, dem allein 233 Gebäude zum Opfer fielen. Vielleicht wurde auch da die Kirche in Mitleidenschaft gezogen. 1770 wurde es ernst mit den Vorbereitungen, weil die Gemeinde viel zu groß für die kleine Kirche geworden war. 1775 erzwang ein Ereignis zeitnahes Handeln: Das Dach stürzte in Turmnähe teilweise ein, und das Mauerwerk bekam tiefe Risse. Das ganze Bauwerk war akut einsturzgefährdet, und die Lücke im Kirchendach leistete weiterem Verfall Vorschub.
1780 war dann Baubeginn für die neue Kirche, die auf kreuzförmigem Grundriß mit vor die Fassade gesetztem Turm konzipiert wurde. Die Kreuzform ergibt querhausähnliche Anbauten im Süden und im Norden mit weiteren Eingängen. Das Langhaus besitzt am Chor abgeschrägte Kanten. Den Sandstein brach man im Steinbruch am Wachtküppel bei Gersfeld. Das Bauholz holte man aus der Gegend von Jüchsen und Bibra in der Meininger Gegend und von Schleusingen und Nordheim im Grabfeld aus dem Thüringer Wald. Im September 1782 hatte man den Rohbau fertiggestellt; Februar 1783 konnte man mit der Eindeckung des Dachs beginnen, wofür 20000 Tonziegel in Rommers-Ziegelhütte gebrannt wurden. 1784 ging man an die Konstruktion des Turmdaches und dessen Eindeckung mit Schiefer. Bis 1788 war der Bau vollendet; die Innenausstattung zog sich noch bis 1790 hin. Der erste Gottesdienst in der neuen Kirche war aber schon 1785 gefeiert worden. Für den Neubau hatte Gersfeld sich tief verschuldet; die letzte Tilgung erfolgte erst 1822. Einige der alten Grabplatten und Epitaphien der alten Kirche wurden in den Neubau überführt und an den Wänden aufgestellt. Die Kirche wurde zuletzt 2005-2010 renoviert.
Die Kirche gehört zu den bedeutenderen evangelischen hessischen Kirchenbauten aus der zweiten Hälfte des 18. Jh. und ist kunsthistorisch in einem Atemzug mit den Kirchen in Lauterbach und in Erbach zu listen. Wenn man sich der Kirche nähert, erscheint sie durch den viergeschossigen Turm sehr schlank und schmal. Das Langhaus tritt städtebaulich kaum in Erscheinung. Zur Straße hin nach Osten in Richtung Altstadtmitte erhebt sich über dem Haupteingang in der Mittelachse ein 60 m hoher Turm mit achtseitiger Zwiebelhaube und offener Laterne, ganz oben abgeschlossen mit einem 1,25 m hohen Turmkopf mit Wetterfahne, die einen auf einer hinauswallenden Wolke sitzenden Engel darstellt, der sich mit der einen Hand in windiger Höhe an der Stange festhält und mit der anderen Hand einen Olivenzweig als Friedenssymbol hält. Die Geschosse werden durch Gesimse voneinander getrennt. Seitlich setzen die vasengeschmückten Volutengiebelhälften des Langhauses an. Die geschnitzte Holztür des Eingangs stammt noch original aus dem Rokoko. Das reichgeschmückte Portal mit gebogenem Sturz und Rocaille- und Blumenverzierungen ist eine Arbeit des Bildhauers Johann Georg Weber.
Abb.: Innenraum mit den zweistöckigen Emporen, Blick nach Westen zum Haupteingang hin.
Innen jedoch ergibt sich ein völlig anderer, saalartiger Raumeindruck. Der Raum ist überraschend hell und besitzt eine dezente Farbigkeit mit markanten Akzenten durch die Säulen. Der Raum wirkt feierlich und dezent prunkvoll. Hier offenbart sich, daß der Umriß der Kirche sich vom Turm ausgehend in zwei Stufen verbreitert. Was den Innenraum so besonders macht, ist die typisch protestantische Raumstrukturierung mit den in zwei Ebenen übereinander auf drei Seiten umlaufenden, tiefen Emporen auf in die Sitzreihen reichenden Säulen. Insgesamt 28 dieser hölzernen und mit Stuckmarmor überzogenen Säulen mit vergoldeten ionischen Kapitellen und Basisringen stützen die Emporen. So konnten insgesamt in der Kirche 1100 Sitzplätze geschaffen werden. Rechts und links im Turm führen Treppen hoch auf die Emporen und noch weiter hinauf bis zur Turmuhr, die allerdings von 1899 stammt, weil das Original von 1785 kaputtgegangen war. Noch höher liegt die Glockenstube mit fünf Glocken.
Abb.: Orgelprospekt, unten Schalldeckel der Kanzel
Der gestalterische Höhepunkt ist jedoch die westliche Abschlußwand, in der vertikal übereinander alle drei zentralen Elemente übereinander angeordnet sind: der aus Rhöner Sandstein hergestellte Altar, mittig darüber die Kanzel mit ihrem fünfeckigen Kanzelkorb und dem Schalldeckel an der konvex vorgezogenen Wand und ganz oben die Orgel mit ihrem prachtvollen Rokoko-Gehäuse. Der Orgelprospekt reicht bis an die Decke. Eine solche Anordnung mit der Orgel über der Kanzel über dem Altar ist beispielsweise auch in der protestantischen Schloßkirche Schmalkalden zu sehen, auch wenn die erheblich früher während der Renaissance entstanden ist und die Elemente nicht so schön eine gestalterische Einheit bilden wie hier. Ganz unten am Kanzelkorb befinden sich Puttenköpfe. Den Schalldeckel krönt eine Spangen-Vasen-Konstruktion. Die reich verzierte Chorwand besitzt acht geschwellte Säulen mit vergoldeten korinthischen Kapitellen und vergoldeten Basisringen, zwei Dreiergruppen an den Seiten und je eine rechts und links der Kanzel. Die rot-orangene Farbe des Stuckmarmors ist die gleiche wie die der Säulen, welche die Emporen tragen. Diese Chorwand wurde vom Holzbildhauer Georg Gorten aus Bischofsheim und vom Schnitzer und Schreiner Nikolaus Zitzmann aus Gersfeld konzipiert und gebaut. Die Voutendecke besitzt Rokoko-Stuck. Drei große Kronleuchter erhellen den Raum. Die Orgel mit ihren rund 2000 Pfeifen und 30 Registern ist eine Arbeit von den Orgelbaumeistern Johann Michael und Friedrich Wagner aus Schmittfeld (Schmiedefeld) bei Schleusingen/Thüringen; sie wurde am 17.6.1787 erstmalig bespielt. Vor dem etwas von der Chorwand abgerückten Altar steht ein Taufstein aus dem 17. Jh. Rechts des Altars befindet sich die Patronatsloge für die Ortsherrschaft, früher die von Ebersberg gen. Weyhers, heute die von Waldthausen. Eine zweite Loge links des Altars war für die Pfarrfamilie gedacht.
Heraldik
im Außenbereich:
Wir sehen über dem
Eingangsportal innerhalb einer großartigen Rokoko-Kartusche das
Wappen der von Ebersberg gen. Weyhers, in Blau
eine silberne Lilie. Das Oberwappen fehlt, das wäre auf einem
gekrönten Helm mit blau-silbernen Decken ein blauer, beiderseits
mit einer silbernen Lilie belegter Flug (Siebmacher Band: BayA3
Seite: 138 Tafel: 94, Rahrbach S. 48-50, Zobel Tafel 367,
Schöler S. 40, T. 44 etc.). Von der Wappenkartusche ausgehend
zieht sich ein Schmuckband mit Rocaille-Formen hinunter bis zum
Schlußstein des Portals, wechselt dann das Material und setzt
sich in Holz durch das Oberlicht mit seinen radialen Sprossen
hindurch fort.
Heraldik
im Innern der Stadtkirche:
1.) Ganz oben am Orgelgehäuse
befindet sich das Wappen der von Ebersberg genannt von
Weyhers und Leyen. Der Schild ist geviert, Feld 1 und 4:
in Blau eine silberne Lilie (von Ebersberg), Feld 2 und 3: in
Schwarz ein silberner Sparren, begleitet von 3 (2:1), 3 (2:1) und
4 (1:2:1) goldenen Schindeln (von Leyen). Die Wappenvereinigung
geht zurück auf die Ehe zwischen Ernst Friedrich von Ebersberg
gen. Weyhers und Leyen (1687-1762), kurmainzischer Kämmerer und
Oberst, und der Erbtochter Anna Philippina Amalia von Leyen,
Tochter des Freiherrn Johann Eberhard von Leyen, kaiserlicher
General-Feldzeugmeister. Die Wappenbesserung und die
Namensvereinigung wurden am 8.10.1733 zu Wien genehmigt. In
dieser kombinierten Form ist das Wappen auch am linken Torpfosten
am Südeingang des Schloßparks angebracht. Aufgrund der Bauzeit
der Kirche müßte das Wappen am Orgelgehäuse zu Lebzeiten von
Amand Ernst Philipp von Ebersberg gen. von Weyhers und Leyen
entstanden sein. Hier stehen die Schindeln aufrecht, wie es
korrekt ist, während an den Parktorpfosten als gestalterische
Spielerei die Schindeln schräggestellt sind.
2.) Ein auf 1612 datiertes Glasfenster trägt das Wappen von Otto Heinrich von Ebersberg gen. Weyhers (8.3.1553-21.4.1621), dem letzten männlichen Mitglied der Balthasarischen Nebenlinie zu Gersfeld. Wir sehen in Blau eine silberne Lilie, auf dem gekrönten Helm mit blau-silbernen Decken ein blauer, beiderseits mit einer silbernen Lilie belegter Flug. Der Flug der Helmzier wird etwas unglücklich geschlossen dargestellt, was nicht zur Frontalansicht des Helmes paßt. Sein Wappen ist auch am Oberen Schloß Gersfeld angebracht.
3.) Ein weiteres Glasfenster trägt das Wappen von Dr. iur. Bruno von Waldthausen (11.4.1862-18.6.1926), Sohn von Kommerzienrat Gustav Ernst Walthausen (20.5.1811-22.1.1883) und dessen zweiter Ehefrau, Helena (Lenchen) Sophia Christina Walthausen (21.2.1825-15.4.1902). Er hatte 1903 die Herrschaft Gersfeld käuflich erworben. Sein Wappen, das auch am Unteren Schloß angebracht ist, dort allerdings ohne Farben und ohne Oberwappen, zeigt in blau-golden gespaltenem Schild über einem grünen Boden eine rote, dreitürmige Burg mit Tor, von zwei einwärts aufspringenden Löwen gehalten, der rechte golden, der linke blau, oben begleitet von drei balkenweise gestellten, sechszackigen Sternen in verwechselten Farben, auf dem gekrönten Helm mit rechts rot-goldenen und links blau-goldenen Decken ein wachsender wilder Mann, um Hüfte und Stirn mit grünem Laub bekränzt, mit der Rechten ein Horn zum Blasen an den Mund setzend, mit der Linken eine ausgerissene, naturfarbene Tanne schulternd, zwischen einem rechts rot-golden, links rot-blau geteilten Paar Büffelhörner, in den Mündungen mit grünen Tannenreisern besteckt. Die Familie hat auch heute noch das Kirchenpatronat inne.
4.) Ein Kinderepitaph für Cordula Elsbeth von Ebersberg gen. Weyhers (28.6.1583-28.7.1583), Tochter von Otto Heinrich von Ebersberg gen. Weyhers (8.3.1553-21.4.1621) zu Gersfeld und dessen erster Ehefrau, Magdalena Truchseß von Wetzhausen. Das Kind steht mit Halskrause und offenem Haar aufrecht auf einem polygonal vorspringenden Sockel im Zentralfeld und ist von einer Bogenarchitektur umgeben. Die Großeltern väterlicherseits waren Christoph (Christopher) von Ebersberg gen. Weyhers (-1562) zu Gersfeld und Kunigunde von Schrimpf (von Berg gen. Schrimpf) zu Schwarzenau. Die Großeltern mütterlicherseits waren Wolff Truchseß von Wetzhausen zu Sternberg und Schweickershausen und Margaretha Schott von Schottenstein aus dem Hause Eichelsdorff. Vier Wappenschilde sind an den beiden seitlichen Randvorlagen aufgelegt, auf jeder Seite zwei im oberen Teil. Entsprechend der Ahnenprobe sehen wir heraldisch oben rechts das Wappen der von Ebersberg gen. Weyhers (in Blau eine silberne Lilie), rechts unten das der von Schrimpf (in Blau ein in zwei Reihen silbern-rot geschachter Balken), links oben das der Truchseß von Wetzhausen (in Gold zwei in zwei Reihen rot-silbern geschachte Balken) und links unten das der Schott von Schottenstein (silbern-rot geviert). Die Inschrift im Aufsatz lautet: "ANNO / 1583 uff freit/agk den 28 Juny zwisch/(en) 6 und 7 uhr zu frue(h) Ist / Cordula Els(isa)beth von Eber/sbergk g(e)n(ann)t von Weyers / gebor(e)n worden und her/nach den 28 July in gott / seliglich entschlaffen." Die Sockelzone trägt den Text: "Ich li(e)g Alhier selig ein kleines / (er)wardt(e) Gottes Zukunft mit höchster Freude / Der selbig wirt mich Eben / zuu di(e)ser meiner haut Ehrlich umbgeben / Gli(e)der leib marck und Bein / wie san(k)dt Ezechiel ni(ch)t Allein / Am Dreizehe(n)den Capitel meltten Thutt / Christus uns das auch lehren thut".
5.) Die Grabplatte für Ritterrat Lucas von Ebersberg gen. Weyhers (18.12.1581-3.1.1657) ist mit folgender Inschrift versehen: "IM IAHR CHRISTI 1657 DEN 3. IANV(AR) IST DER REICHSFREY HOCHEDEL GEBOHRNE HERR LVCAS VON EBERSBERGK GENANDT VON WEYHERS RITTERRATH (I)N GOTT SEELIG ENTSCHLAFFEN (SEINES ALTE)RS 74 IAHR(E) 15 TAG(E) DES(S)EN SEEL(E) GOTT GN(A)EDIG SEIE AMMEN". Im unteren Bereich des Zentralfeldes ist eine weitere Inschrift religiösen Inhalts angebracht. Vanitas-Symbole wie ein Röhrenknochen und ein Totenschädel, aus dem Würmer kriechen, illustrieren ganz unten die Vergänglichkeit des menschlichen Körpers. Im oberen Bereich befinden sich fünf Vollwappen, eines in der Mitte und vier außen herum. Das zentrale, größer dargestellte Wappen ist dasjenige der von Ebersberg gen. Weyhers, in Blau eine silberne Lilie, auf dem gekrönten Helm mit blau-silbernen Decken ein blauer, beiderseits mit einer silbernen Lilie belegter Flug. Das Wappen wiederholt sich in der rechten oberen Ecke. Links oben sehen wir das Wappen der von Rüdigheim, golden-rot dreimal im Bogen geteilt, die oberste Teilung besetzt mit drei gestielten Rosen (?), auf dem Helm ein wachsender Rüdenrumpf mit Halsband (mehrere Varianten im Aschaffenburger Wappenbuch). Rechts unten das Wappen ist zerstört; zu erwarten wäre dasjenige der von Buchenau, in Gold ein golden gekrönter grüner Sittich mit rotem Halsband, auf dem Helm mit grün-goldenen Decken ein wachsender, auffliegender golden gekrönter grüner Sittich mit rotem Halsband und goldenen Flügeln (so nach dem Aschaffenburger Wappenbuch). Der Sittich ist auf dem Helm zu erkennen. Das vierte und letzte Ahnenwappen links unten gehört zur Familie von Fechenbach, in Silber ein schwarzes Steinbockshorn, auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein silbern-schwarz übereck geteiltes Paar Büffelhörner (nach dem Aschaffenburger Wappenbuch). Diese vier Wappen werden durch folgende genealogischen Zusammenhänge erklärt: Lucas von Ebersberg war der Sohn von Hammann (Hermann) Bernhard von Ebersberg gen. Weyhers (-1587) zu Haselbach, und Dorothea von Rüdigheim. Seine Großeltern väterlicherseits waren Lucas von Ebersberg gen. Weyhers zu Haselbach und Barbara von Buchenau; seine Großeltern mütterlicherseits waren Hammann von Rüdigheim und Regina von Fechenbach (alle Genealogien nach Biedermann).
6.) Die Grabplatte für Anna Hedwig von Hanstein (22.2.1620-20.6.1671), Ehefrau des Nachfolgenden, trägt folgende Inschrift: "Die Hoch Edelgebor(e)ne Groß Ehr u(nd) viel Tugendreiche Fr(au) Anna Hedwig von Ebersbergk genan(n)t v(on) Weyhers gebor(e)ne v(on) hanstein ist gebohren den 22. februarii a(nn)o 1620 u(nd) Dienstag d(en) 20. Juny a(nn)o 1671 wiederum seelig entschlaffen, ihres alters 51 Jahr(e) 3 Monat(e) u(nd) 28 tag(e) deren Seelen Gott gnade". Im unteren Bereich des Zentralfeldes befindet sich noch eine zweite Inschrift religiösen Inhalts. Oben in der Mitte des Zentralfeldes befindet sich ein geflügelter Engelskopf. Im Zentrum der Platte ist ein Allianzwappen in ungewöhnlicher Anordnung zu sehen, rechts das Wappen der von Hanstein für die Ehefrau, in Silber 3 (2:1) mit den Spitzen nach außen bzw. nach unten gekehrte schwarze Mondsicheln, auf dem gekrönten Helm mit schwarz-silbernen Decken eine oben mit einem Busch schwarzer Hahnenfedern besteckte silberne Säule, die in der Mitte von zwei mit den Spitzen nach auswärts gekehrten schwarzen Mondsicheln beseitet ist (heraldisch rechts zunehmend, heraldisch links abnehmend). Heraldisch links folgt das Wappen der von Ebersberg gen. Weyhers wie oben beschrieben, denn sie war mit Wilhelm Rudolph von Ebersberg gen. Weyhers (15.9.1619-1.2.1672) verheiratet. In den vier Ecken des Zentralfeldes folgt die Ahnenprobe für die Verstorbene, oben rechts beginnend mit einer Wiederholung des Wappens der von Hanstein. Oben links ist das Wappen der von Baumbach zu sehen, in Blau eine liegende silberne Mondsichel, an den beiden Spitzen oben jeweils mit einem goldenen, sechszackigen Stern besteckt, auf dem ungekrönten Helm mit blau-silbernen Decken eine liegende silberne Mondsichel mit zwei goldenen Sternen. Unten rechts folgt das Wappen der von Oldershausen, eigentlich geviert, Feld 1 und 4: in Rot neun (3:3:3) goldene Kugeln, Feld 2 und 3: golden und ledig, auf dem Helm mit rot-goldenen Decken ein insgesamt wie der Schild bezeichneter Flug. Hier ist nur die Vierung zu sehen, die Kugeln sind nicht aufgelöst. Unten links folgt als letztes Wappen der Ahnenprobe das Wappen der von Buttlar, in Rot eine silberne Butte mit goldenen Reifen und zwei Tragbändern links, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein roter Schaft, an dem ein silbernes Hifthorn (Jagdhorn) mit silbernem Band aufgehängt ist, die Säule oben besteckt mit drei Straußenfedern, einer silbernen zwischen zwei roten. Diese vier Wappen werden durch folgende genealogischen Zusammenhänge erklärt: Anna Hedwig von Hanstein war die Tochter von Caspar von Hanstein zu Oberella und Anna von Baumbach. Ihre vier Großeltern waren Lippold/Leopold von Hanstein und Sidonia von Oldershausen väterlicherseits sowie Reinhard von Baumbach und Catharina von Buttlar mütterlicherseits.
Abb. links: Gesamtansicht. Abb. rechts: Zentralfeld mit den Wappen der von Hanstein und der von Ebersberg gen. Weyhers.
Abb. links: optisch links oben, Wappen der von Hanstein. Abb. rechts: optisch rechts oben, Wappen der von Baumbach.
Abb. links: optisch links unten, vereinfachtes Wappen der von Oldershausen. Abb. rechts: optisch rechts unten, Wappen der von Buttlar.
7.) Die Grabplatte für Wilhelm Rudolph von Ebersberg gen. Weyhers (15.9.1619-1.2.1672), Ehemann der Vorigen, besitzt folgende Inschrift: "IM IAHR C(H)RISTU 1672 DEN 1 FEBR(UARII) IS(T) DER REICHS FREY HOCH EEDEL GEBORGNE HERR WILHELMM RVDOLPH VON EBERSBERGK (GENANNT) VON WEYHERS IN GOTT ENTSEHLAFEN SE(I)NES ALTERS 52 IA(H)R(E) 4 MA(O)NET(E) 16 TAG(E) DES(S)EN SEELE GOTT GN(A)EDIG SEIN WOLLE". Im unteren Bereich des Zentralfeldes befindet sich noch eine zweite Inschrift religiösen Inhalts. Oben in der Mitte des Zentralfeldes befindet sich ein geflügelter Engelskopf. Im Zentrum der Platte ist das Wappen der von Ebersberg gen. Weyhers wie beschrieben zu sehen. In der rechten oberen Ecke wiederholt es sich. Gegenüber oben links befindet sich das Wappen der von Berlichingen, in Schwarz ein silbernes fünfspeichiges Rad, auf dem gekrönten Helm mit schwarz-silbernen Decken ein sitzender Wolf von natürlicher Farbe, der ein silbernes Lamm in seinem Maul hält. Links unten sehen wir das Wappen der von Rüdigheim, golden-rot dreimal im Bogen geteilt, die oberste Teilung fünfmal im Bogen nach oben ausgezogen und besetzt mit drei gestielten Rosen (?), auf dem Helm ein wachsender Rüdenrumpf mit Halsband (mehrere Varianten im Aschaffenburger Wappenbuch). Rechts unten wiederholt sich das Wappen der von Berlichingen. Diese vier Wappen werden durch folgende genealogischen Zusammenhänge erklärt: Der Verstorbene hatte als Eltern Ritterrat Lucas von Ebersberg gen. Weyhers (18.12.1581-3.1.1657), für den hier auch eine Platte existiert, und dessen erste Ehefrau Elisabeth Ursula von Berlichingen (-11.10.1639) aus dem Hause Vilseck. Seine Großeltern waren väterlicherseits Hammann (Hermann) Bernhard von Ebersberg gen. Weyhers (-1587) zu Haselbach und Dorothea von Rüdigheim. Mütterlicherseits werden bei Biedermann und in anderen Quellen als Großeltern Burkhard von Berlichingen und Apollonia von Thalheim angegeben, was aber nicht zu dem zweimaligen Auftreten des Wappens Berlichingen paßt. Die Ehe mit der Frau von Thalheim ist durch andere Grabplatten, z. B. in Jagsthausen, verifiziert. Vielleicht ist das auf der Gersfelder Platte eine Verwechslung mit dem Bruder der Mutter, der tatsächlich auch eine von Berlichingen aus einer anderen Linie geheiratet hatte.
Abb. links: Gesamtansicht. Abb. rechts: Zentralfeld mit dem Wappen der von Ebersberg gen. Weyhers.
Abb. links: optisch links oben, Wappen der von Ebersberg gen. Weyhers. Abb. rechts: optisch rechts oben, Wappen der von Berlichingen.
Abb. links: optisch links unten, Wappen der von Rüdigheim. Abb. rechts: optisch rechts unten, Wappen der von Berlichingen.
8.) Ein fünfeckiger Gedenkstein von Otto Heinrich von Ebersberg gen. Weyhers aus dem Jahre 1608, vielleicht ein Fragment eines größeren Konstrukts. Die Inschrift lautet: "Ein Hertz von Reuw und leidt gekrenckt, / Mit Christi Teurem blut besprengt, Otto Heinerich vom Ebersberg / gnant von weyhers / Bring ich meinem Herrn Jhesu zu / schlaff drumb alhie in guter Ruh", im Zentralfeld "Anno Christi 1608". Wir sehen drei (1:2) Vollwappen, oben mittig das für Otto Heinrich von Ebersberg gen. Weyhers (8.3.1553-21.4.1621) zu Gersfeld, den letzten der Balthasarischen Nebenlinie zu Gersfeld, mit dem Wappen der Familie wie beschrieben. Unten sehen wir einerseits das Wappen für seine erste Ehefrau, Magdalena Truchseß von Wetzhausen, in Gold zwei in zwei Reihen rot-silbern geschachte Balken, auf dem ungekrönten Helm mit rot-goldenen oder auch rot-silbernen Decken zwei goldene, mit je zwei in zwei Reihen rot-silbern geschachten Balken belegte Büffelhörner, dazwischen ein wachsender menschlicher Rumpf (meist eine Jungfrau, hier ungewiß) in roter Gewandung mit goldenen Zöpfen und ebensolcher Krone (hier eher eine Mütze). Auf der anderen Seite sehen wir das Wappen für seine zweite Ehefrau, Helena vom Stein zum Altenstein, in Rot drei (2:1) silberne Streithämmer, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein Paar roter Büffelhörner mit silbernem Kamm. Das Ehewappen dieser zweiten Ehe ist auch am Oberen Schloß als auf 1605 datierte Tafel angebracht, wo auch fast der gleiche Spruch verwendet wird. Das Fragment ist auf 1608 datiert, als Todesjahr wird für Otto Heinrich jedoch allgemein 1621 angegeben, vermutlich ist der Stein daher nicht für ihn selber (zumal die oben beschriebene Glasscheibe auf 1612 datiert ist, also muß er zumindest bis dahin gelebt haben), sondern Teil eines Epitaphs für ein verstorbenes Kind; der Kontext der Entstehung und der ursprünglichen Anbringung ist unklar.
Abb. oben: Gesamtansicht. Beide Abb. unten: Ausschnittsvergrößerungen, unten links Truchseß von Wetzhausen, unten rechts Stein vom Altenstein.
9.) Ein großes Epitaph mit der besten figürlichen Darstellung eines Ehepaares entpuppt sich bei näherem Hinsehen als eine geschickte Kombination von Teilen zweier verschiedener, nicht zusammenpassender Teile von Epitaphien aus der alten Kirche. Der obere, separat angesetzte Abschluß wird von einer zweiteiligen Inschrift gebildet, optisch linker Teil: "1562 AVFF / MONTAG NACH PETRI CA/THEDRA STARB DER EDEL VN(D) / ERNVEST CHRISTOPHER VON / EBERSBERCK G(E)N(ANN)T VON W(EIH)ERS", optisch rechter Teil: "... / 17. AVGVSTI VERSCH/IEDT DIE EDLE VND VIELTHV/GENTHAFFTE FRAW KVNIGV(ND) / VON EBERSBERGK G(E)N(ANN)TT VON WEIHERS GEBOR(E)NE SCHRIMPF/IN IN GOTT SELIGKLICH D(ER) G(OTT GENAD). Diese Inschrift ist der Rest von einem Epitaph für Christoph (Christopher) von Ebersberg gen. Weyhers (-1562) zu Gersfeld, und für seine Frau, Kunigunde von Schrimpf (von Berg gen. Schrimpf) zu Schwarzenau, der Tochter von Cunz Schrimpf von und zu Schwarzenau und Sibylla von Steinau gen. Steinrück, deren Ehewappen am Unteren und Mittleren Schloß Gersfeld zu sehen ist, einmal als Kombination von Vollwappen und zweimal als Kombination von einfachen Schilden. Und selbst diese beiden Inschriftenfragmente passen stilistisch nicht zusammen, die eine ist fünfzeilig, die andere siebenzeilig, die eine hat erhabene Buchstaben, die andere vertiefte, als ob sie zu verschiedenen Zeiten angefertigt wurden, was durchaus möglich wäre, wenn der überlebende Ehepartner nachgetragen worden ist. Und dennoch lassen die Form und der Abschluß oben darauf schließen, daß diese beiden Inschriftenteile einmal einen Kontext bildeten.
Abb. oben: linker Teil der Inschrift. Abb. unten: rechter Teil der Inschrift.
Nicht aber paßt dazu der Unterbau mit dem Hauptfeld, in dem Ehemann und Ehefrau rechts und links von einem Kruzifix dargestellt werden und hinter dem Ehemann noch ein Kind steht. Der Mann ist bärtig und barhäuptig, ansonsten vollständig gerüstet mit Dolch an der rechten und Schwert an der linken Seite, eigentümlich schräg kniend, um Raumtiefe darzustellen. Den Helm hat er an den Fuß des Kreuzes abgelegt. Genau wie er legt die Ehefrau beide Hände zum Gebet zusammen. Beide Figuren werden von einer Scheinarchitektur mit zwei Bögen eingerahmt. Jede der Hauptfiguren besitzt vier Wappen einer Ahnenprobe, je zwei oben in der Fläche des Bogenfeldes und je zwei weitere unten am Sockel. Im Detail ist die Ahnenprobe (möglicherweise rechts: Ebersberg/Schneeberg, Fuchs, Cleen/Dernbach/Nordeck zur Rabenau, Redwitz/Marschalk von Ebnet; links: Truchseß von Wetzhausen, Bibra, von der Tann, Fuchs) ungeklärt und paßt bis jetzt nicht zu dem bei Biedermann zu findenden Familiengefüge, Hinweise willkommen. Ganz sicher paßt die Wappenkombination aber nicht zu den in den obigen Inschriften genannten Personen, weil weder ein Schrimpf-Wappen für die Ehefrau noch ein solches der Voit von Salzburg für Christophs Mutter oder ein Steinau-Wappen für Kunigundes Mutter existiert, und weil Christoph weit und breit keine Verbindung zu den Truchseß von Wetzhausen hat, das hatte erst sein Sohn, und auch dort passen die Wappen nicht zu den Ahnen, denn dann müßten Schrimpf und Schott von Schottenstein auftauchen. Also muß die genaue Zuordnung der Personen vorerst offen bleiben; sicher ist nur, daß es nicht zu Biedermanns Genealogie paßt.
Abb. links: Gesamtansicht. Abb. rechts: Figurenzone.
Abb. links: Ehemann. Abb. rechts: Ehefrau.
Abb.: Wappenpaar, Seite des Ehemannes, oben. Links vermutlich von Ebersberg, rechts vielleicht von Fuchs.
Abb.: Wappenpaar, dito, unten. Wappen links angesichts vieler Möglichkeiten ungeklärt, rechts entweder von Redwitz oder Marschall von Ebnet.
Abb.: Wappenpaar, Seite der Ehefrau, oben. Links Truchseß von Wetzhausen, rechts vermutlich von Bibra.
Abb.: Wappenpaar, Seite der Ehefrau, unten. Links das Wappen der von der Tann, rechts vielleicht von Fuchs.
Literatur,
Links und Quellen:
Position in Google
Maps: https://www.google.de/maps/@50.4509532,9.9175606,20z - https://www.google.de/maps/@50.4509532,9.9175606,68m/data=!3m1!1e3
Sehenswürdigkeiten in Gersfeld auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Gersfeld_(Rhön)#Kultur_und_Sehenswürdigkeiten
Genealogien: Biedermann: Geschlechtsregister Der Reichsfrey
unmittelbaren Ritterschaft Landes zu Franken Löblichen Orts
Rhön und Werra http://books.google.de/books?id=j9JDAAAAcAAJ ab Tafel CXLII
Genealogien: Damian Hartard von Hattstein, Die Hoheit des
Teutschen Reichs-Adels, Band 3, http://books.google.de/books?id=y-A-AAAAcAAJ ab. S. 152
von Ebersberg gen. Weyhers auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Ebersberg_genannt_von_Weyhers
Familie von Waldthausen auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Waldthausen
Stammbaum der von Waldthausen: https://www.wellhausen.com/ahnen/sb/von_walthausen.shtml
Cordula Elisabeth von Ebersberg 1583, Gersfeld, in:
Grabdenkmäler https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/gdm/id/766 - problematisch, weil die Identifizierung der
Wappen zur Hälfte falsch ist und die Genealogie nicht
berücksichtigt, es handelt sich nicht um Geysa und Mansbach (mit
ganz anderem Wappen!)
Ernst Christoph von Ebersberg 1562, Gersfeld, in: Grabdenkmäler https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/gdm/id/765 - problematisch, weil 1.) trotz Widerspruch zu den
Wappen nicht erkannt wurde, daß die oberen Inschriften und das
Zentralfeld mit den Wappen nicht zusammengehören können, 2.)
die Übertragung der Inschrift nicht dem tatsächlichen Wortlaut
entspricht und 3.) die Interpretation der Inschrift trotz (!)
korrekter Lesung der entscheidenden Worte falsch ist und so aus
ERNVEST ein "Ernst" Christoph von Ebersberg wird.
Klaus Grösch: Geschichte der evangelischen Barockkirche
Gersfeld, Auslage der Broschüre in der Kirche
Gersfelder Kirchengemeinden: https://www.gersfeld.de/kirche-gottesdienst.html
Ev. Stadtkirche Gersfeld: http://www.kirche-gersfeld.de/start.htm
Michael Imhof, Burghard Preusler, Gregor K. Stasch: Barockkirchen
in Fulda und im Fuldaer Land mit dem Geisaer Amt, Dermbach,
Hammelburg und Hünfelder Land, Michael Imhof Verlag, Petersberg
2020, 496 S., ISBN-10: 3731908050, ISBN-13: 978-3731908050, S.
457-411
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus der Kirche mit
freundlicher Erlaubnis von Herrn Pfarrer Reinhart Wachter vom
26.12.2020, wofür ihm an dieser Stelle herzlich gedankt sei
Michael Imhof, Burghard Preusler,
Gregor Stasch: Barockkirchen in Fulda und im Fuldaer Land mit dem
Geisaer Amt, Dermbach, Hammelburg und Hünfelder Land, mit einem
Beitrag von Gerd Weiß, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2020,
496 S., ISBN-10: 3731908050, ISBN-13: 978-3731908050, S. 457-461
Oberes, Mittleres und Unteres Schloß sowie die Parkvilla in Gersfeld (Rhön)
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