Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2710
Rhöndorf (zu Bad Honnef, Rhein-Sieg-Kreis, Nordrhein-Westfalen)

Die Marienkapelle in Rhöndorf

Die Marienkapelle (Kapelle Mariä Heimsuchung) in Rhöndorf ist ein barocker verputzter Bruchsteinbau aus dem Jahre 1714. Sie ersetzte einen Vorgängerbau, den französische Truppen 1689 in den Reunionskriegen zerstört hatten. Sie steht unweit des ehemaligen Hotels Wolkenburg und steht seit dem im Jahre 1907 erfolgten Ausbau der Rhöndorfer Straße auf einer kleinen Verkehrsinsel zwischen beiden Fahrtrichtungen. Sie ist mit dem Chor nach Südsüdosten ausgerichtet und hat auf dem Dach unweit der nördlichen Giebelseite einen kleinen Dachreiter mit Glöckchen und Schallöffnungen. Am 8.6.1716 wurde die Kapelle feierlich eingeweiht. Die Glocke stammt vom Vorgängerbau und ist auf 1624 datiert. Die Uhr stammt aus dem Jahr 1761. Bis 1903 war die Kapelle das einzige Gotteshaus im Ort. Erst durch den Bau der neoromanischen Pfarrkirche Mariä Heimsuchung (identischer Name!) verlor sie ihre Bedeutung.

An der nördlichen Außenwand sind mehrere Reliefsteine eingelassen:
1.) links des Eingangs oben das Wappen des Johannes Bertram Graf von Nesselrode-Rhade, Propst in Oberpleis: In Rot ein silberner Wechselzinnenbalken. Die hier nicht dargestellte Helmzier wäre zu rot-silbernen Decken ein wachsender roter Brackenrumpf, belegt mit einem silbernen Wechselzinnenbalken (Westfälisches Wappenbuch, Münchener Kalender 1907, Siebmacher Band: OÖ Seite: 758 Tafel: 154, Band: GfA Seite: 43 Tafel: 49, Band: Bay Seite: 48 Tafel: 49 etc.). Statt dessen ruht hier eine Krone auf dem oberen Rand der ovalen Kartusche. Unter derselben sehen wir einen geflügelten Engelskopf. Seitlich dienen zwei Löwen als Schildhalter.

2.) Unter dem Wappenstein ist ein Widmungsstein mit folgender Kapitalis-Inschrift eingelassen: "JOANNES BERTRAMVS / COMES DE NESSELRODE ET / RHADE DE GRIMBERG CAPI/TVLARIS SIGBERGENSIS / PRAEPOSITVS IN OBER/PLEIS ET DOMINVS FVNDI / SACELLI HVIVS:" - Johannes Bertram Graf von Nesselrode-Rhade und von Grimberg, Kapitular der Abtei Siegburg, Propst in Oberpleis und Herr, gründete diesen heiligen Ort. Die Jahreszahl wird unten außerhalb der Schriftkartusche in zwei Ziffernpaaren mit 1714 angegeben.

Johann Bertram Graf von Nesselrode-Rhade (-25.7.1720) war der Sohn von Johann Salentin Wilhelm Graf von Nesselrode-Rhade und dessen Ehefrau Francisca Margaretha Christina Freiin von Brempt (-18.6.1696). Sein Vater war erst Domherr zu Münster, resignierte und heiratete, war Herr zu Leyte und wurde am 4.9.1710 Reichsgraf. Johann Bertrams Bruder Johann Hermann Franz Graf von Nesselrode-Landskron und Rhade (13.3.1671-3.2.1751), Herr zu Grimberg, Vondern, Brück, Grevel, Landscron und Venn, kaiserlicher Kämmerer und wirklicher Geheimrat, Generalfeldmarschall und Generalkriegskommissar, setzte die Familie fort und heiratete dreimal. Johann Bertram ist seit 1696 im Siegburger Benediktinerkloster auf dem Michaelsberg bezeugt. Er leistete Profeß kurz nach dem 20. 10.1697. Er ist seit dem 3.7.1703 als Propst in Oberpleis nachweisbar. In Siegburg ist er seit dem 22.12.1704 als Subprior und seit dem 3.3.1707 als Kellner nachgewiesen. Er stiftete das Grundstück, auf dem die Kapelle steht. Er starb im Alter von 52 Jahren.

 

Das in der Inschrift genannte Rhade ist die Herrschaft Rath, Rhade oder Rode bei Mechernich. Der einstige Besitz der Familie von Rode gelangte kurz vor 1400 über die Erbtochter Alveradis an die Jülichsche Erbmarschallsfamilie Nyt von Birgell und von dieser ca. ein Jahrhundert später erneut über eine Erbtochter an die Familie von Nesselrode. Wilhelm von Nesselrode Herr zum Stein und Ehrenstein hatte 1478 Elisabeth von Birgell geheiratet, die Tochter von Engelbrecht Nyt von Birgell und Paitze von Raesfeld und Erbin der Reichsherrschaft Rode/Rath/Rhade. Genauer handelte es sich bei Rhade um ihre Mitgift; nach dem Tod des Vaters kam Haus Bovenberg hinzu. Johann Mathias Freiherr von Nesselrode-Rhade (-1670), der Großvater des Propstes, war Erbe der Herrschaft. Durch die Ehe von Sebastiana Charlotte von Nesselrode ging Rhade später an Johann Rudolf Benedikt von Twickel zu Havixbeck. Dann wurde es an den Herzog von Arenberg verkauft. Die halbe Herrschaft Mechernich gehörte bis 1794 zu dem Herrensitz Haus Rath oder Marschallsrath. Im 19. Jh. verfiel die Anlage des Wasserschlosses; das Schloß wurde zum Gutshof, andere Gebäude ersetzten den historischen Bestand; heute ist nichts mehr vorhanden, und auf dem Gelände von Haus Rath verläuft eine Eisenbahntrasse.

Das in der Inschrift genannte Grimberg war ein Wasserschloß im Gelsenkirchener Stadtteil Bismarck, ein Lehen der Grafen von der Mark. Das Wasserschloß wurde nach schwersten Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg in den 1960er Jahren abgebrochen. Die oben genannte Mutter des Propstes, Francisca Margaretha Christina Freiin von Brempt, war über ihre Mutter eine der Grimbergschen Miterbinnen, nachdem der Erbfall bezüglich Grimberg 1578 durch den kinderlosen Tod von Heinrich Knipping eingetreten war, welcher 1548 Sybilla von Nesselrode zu Stein und Herten geheiratet hatte. Der Vater des Propstes wurde nach langer Erbauseinandersetzung zwischen den Parteien 1676 neuer Besitzer von Grimberg, nachdem er die anderen Anspruchsinhaber finanziell abgefunden hatte. Der Bruder des Propstes, Johann Hermann Franz, baute das bei einem Brand zerstörte Herrenhaus ab 1733 wieder auf. Die Erben dieser Linie, die Grafen Droste zu Vischering von Nesselrode-Reichenstein, verkauften Grimberg 1907. Das Areal ist heute Betriebsgelände der Industrie.

3.) Über der Madonnennische in Höhe des Giebelansatzes steht auf einem breiten Inschriftenstein: "A(NN)O 1714 den 2 TAG MAY HABE(N) WIR R(H)ÖENDORFFER NACHBAH/REN DIESSE CAPPELL AHNGEFANGEN ZV BAWEN IN NAHMEN / DER ALLER SEHLIGSTER IVNGFRAWEN MARIA REIN VNDT / WERDEN ALLEN DEREN GVTHTAETTER DIESSER CAPPELLEN / IM GEBETT ALLE ABENDTS EINGEDENCK SEIN BAVMAEN I.P. VNDT G.R.K."

 

4.) rechts des Eingangs befindet sich oben ein bürgerliches Ehewappen, gespalten, rechts eine Hausmarke, bestehend aus zwei schräggekreuzten Schäften mit je einer Oberkopfabstrebe außen, ein schwebendes Tatzenkreuz überdeckend, links ein Doppelhaken aufrecht über einem quer liegenden Stück Weinrebe mit einer herabhängenden Weintraube (Tinkturen unbekannt). Der gemeinsam genutzte Helm trägt auf einem Wulst ein Tatzenkreuz zwischen einem Flug. Ober- und unterhalb der Wappenzone ist zu lesen: "AHN GOTTES SEGEN IST / ALLES GLAEGEN" und "IACOBVS NEVKIRCHEN / CATHARINA WEIN.....".  Die Eheleute Jacobus Neukirchen und Katharina Weinkirch waren weitere Wohltäter dieser Kapelle; der Stein ist Beleg dafür, daß sich auch Rhöndorfer Bürger an der Finanzierung der Kapelle beteiligten.

 

Das Wappen im Inneren am Altar ist ein Ehewappen von Johann Wilhelm Joseph Kurfürst von der Pfalz (19.4.1658-18.6.1716), genannt Jan Wellem, aus der Linie Pfalz-Neuburg, Sohn von Philipp Wilhelm Kurfürst von der Pfalz (1615-1690) und Elisabeth Amalie Magdalene Landgräfin von Hessen-Darmstadt (1635-4.8.1709). Sein Wappen ist geteilt, oben viermal und unten dreimal gespalten, obere Reihe: Feld 1: Pfalzgrafschaft bei Rhein, in Schwarz ein goldener Löwe, eigentlich rot gekrönt, gezungt und bewehrt, Feld 2: Haus Wittelsbach, silbern-blau schräggerautet, Feld 3: Herzogtum Jülich, in Gold ein schwarzer Löwe, Feld 4: Herzogtum Kleve, in Rot mit silbernem Herzschild ein goldenes Glevenrad, Feld 5: Herzogtum Berg, in Silber ein roter Löwe, eigentlich golden bewehrt und blau gekrönt, untere Reihe: Feld 6: Grafschaft Veldenz, in Silber ein blauer Löwe, Feld 7: Grafschaft Mark, in Gold ein silbern-rot geschachter Balken, Feld 8: Grafschaft Moers, in Gold ein schwarzer Balke, Feld 9: Grafschaft Ravensberg, in Silber drei rote Sparren, Herzschild: Erztruchsessenamt, in Rot ein goldener Reichsapfel.

Hier taucht das Zeichen für das Erztruchsessenamt auf - die Pfalzgrafen waren Erztruchsessen bis 1623, sowie 1706-1744. Sie waren 1648 bis 1706 Inhaber des Erzschatzmeisteramtes. Die Pfalzgrafen hatten zwar anläßlich ihrer Rehabilitierung nach dem Westfälischen Frieden das Erzschatzmeisteramt bekommen, doch das Erztruchsessenamt war verloren. In Zeiten, in denen den Pfalzgrafen die Nutzung des Reichsapfelschildes versagt blieb, griffen sie ersatzweise auf den Regalienschild zurück, wie das z. B. für den gleichen Wappenträger an der Heiliggeistkirche in Heidelberg realisiert ist.

Johann Wilhelm Joseph wurde 1690 Kurfürst, ab 1690 Erzschatzmeister des Heiligen Römischen Reiches, und er war vom 23.7.1708 bis 1714 Reichs-Erztruchseß, womit das Zeitfenster für dieses Wappen gegeben ist. Um das Wappen ist die Collane des Ordens vom Goldenen Vlies mit Gliedern aus Feuerstählen und Flammen gelegt; er wurde 1686 in den Orden aufgenommen. Johann Wilhelm wurde mit dem Beinamen "der Prächtige" belegt. Er war seit 1680 Herzog von Jülich und Berg; er wurde in Düsseldorf geboren und starb auch dort. Er regierte in Düsseldorf, weil das Schloß in Heidelberg aufgrund des Pfälzer Erbfolgekriegs zerstört war; Düsseldorf war damals Residenz der Vereinigten Herzogtümer und Hauptresidenz des kurpfälzischen Territorialverbundes.

Johann Wilhelm Joseph Kurfürst von der Pfalz hatte in erster Ehe am 26.10.1678 in Wiener-Neustadt Maria Anna Josepha Erzherzogin von Österreich (1654-1689) geheiratet. Beide Kinder aus dieser Ehe starben am Tag ihrer Geburt. In zweiter Ehe heiratete er am 22.4.1691 in Florenz Anna Maria Louise Prinzessin de Medici (11.8.1667-18.2.1743), die Tochter von Cosimo III. de Medici Großherzog von Toscana (1642-31.10.1723) und Marguerite Louise Mademoiselle d'Orléans (28.7.1645-17.9.1721). Sie war die Schwester von Giovanni Gastone de Medici Großherzog von Toscana (24.5.1671-9.7.1737), der 1723 als Großherzog nachfolgte, aber keine Kinder hatte und mit dem die regierende Linie erlosch, woraufhin das Lehen vom Kaiser an Franz Stephan von Lothringen vergeben wurde. Anna Maria Louise Prinzessin de Medici führt in Gold sechs 1:2:2:1 gestellte Kugeln (palle), von denen die obere etwas größer ist und blau tingiert sowie mit drei (2:1) goldenen Lilien (Fleur-de-Lys) belegt ist, und die fünf unteren rot sind. Die Änderung der obersten Kugel war ein französisches Gnadenzeichen, denn die oberste Kugel ist praktisch mit dem Wappen von Frankreich belegt. Eine Fleur-de-Lys führt die Stadt Florenz ebenfalls in ihrem Wappen, aber in rot und modifiziert; den de Medici wurden die Fleur-de-Lys - Lilienblüten - u. a. durch ein Privileg von 1465 vom französischen König Ludwig XI als Gnadenzeichen gewährt (Wappenbesserung).

Literatur, Links und Quellen:
Position in Google Maps: https://www.google.de/maps/@50.6578735,7.2129223,19z - https://www.google.de/maps/@50.6578718,7.2128696,57m/data=!3m1!1e3
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Marienkapelle in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Marienkapelle_(Rhöndorf)
Erich Wisplinghoff, Das Erzbistum Köln 2: Die Benediktinerabtei Siegburg (Germania Sacra N. F. 9), Berlin/New York 1975,
https://rep.adw-goe.de/handle/11858/00-001S-0000-0022-D472-4 - pdf: https://rep.adw-goe.de/bitstream/handle/11858/00-001S-0000-0022-D472-4/NF%209%20Wisplinghoff%20Siegburg.pdf?sequence=1&isAllowed=y S. 185
Karl Günter Werber: Die Rhöndorfer Kapelle, in: Horizont, Kirchenzeitung für den Pfarrverband Bad Honnef, 12/2009, S. 5-6.
Pfarrverband Honnef:
https://www.pfarrverband-honnef.de/pages/was-ist-wo/st.-marien---rhoendorf/die-marienkapelle-in-rhoendorf.php
300 Jahre Marienkapelle, Zeitung Bad Honnef:
https://www.zeitung-badhonnef.de/16/04/300_jahre_marienkapelle_rhoendorf/
300 Jahre Marienkapelle:
https://ga.de/region/siebengebirge/bad-honnef/so-wurde-rhoendorf-vor-300-jahren-errichtet_aid-41989771
Bürgerstiftung Bad Honnef:
https://www.buergerstiftung-badhonnef.de/1-08-marienkapelle/
Virtuelles Heimatmuseum Oberpleis, von Willi Joliet:
https://www.virtuelles-heimatmuseum.de/oberpleis/historie/abfrage_sql.php?serie=Marienkapelle%20in%20Rh%C3%B6ndorf&rolle=ja
Schloß Grimberg auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Grimberg
von Nesselrode auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Nesselrode_(Adelsgeschlecht)
Haus Rath:
https://de.wikipedia.org/wiki/Haus_Rath_(Mechernich)
Haus Rath in der EBIDAT-Datenbank:
http://www.ms-visucom.de/cgi-bin/ebidat.pl?id=4138
Johann Wilhelm von der Pfalz:
https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Wilhelm_(Pfalz)

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