Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2671
Halberstadt (Landkreis Harz, Sachsen-Anhalt)

Die Spiegelsberge und ihr Jagdschloß

Das Jagdschloß Spiegelsberge ist ein Ausflugsziel, das ca. 2,8 km südlich der Domburg liegt, wo hinter dem Freizeit- und Sportzentrum ein kleiner Höhenzug die Ebene durchbricht. Dort stehen eingebettet in die bewaldeten Hügel ein Gästehaus und das ehemalige Jagdschloß, heute ein Restaurant. Daran grenzt eine als Park gestaltete Landschaft an mit verschiedenen gebauten Blickpunkten, einem zweistöckigen Belvedere-Turm, einem Mausoleum, einer Eremitage, der Heinrichsgrotte, einem steinernen Hirsch vor einem Baumstamm und anderen Parkarchitekturen. Von den Aussichtspunkten aus hat man einen guten Blick auf Halberstadt und auf die Höhen des Harzes. Unterhalb des Belvedere gibt es zahlreiche Grotten zu entdecken, und überall sind künstliche Reliefs im Gelände zu sehen.

Dieses Gesamtkunstwerk aus zurückhaltend gestalteter Landschaft und romantischer Architektur geht zurück auf Ernst Ludwig Christoph Freiherr von Spiegel zum Desenberg (22.2.1711-22.5.1785), der ab 1731 Halberstädter Domherr war und seinen Wohnsitz in der 1782 erbauten Spiegelschen Kurie, dem Gebäude des heutigen Stadtmuseums, hatte (Lebenslauf siehe im Kapitel dazu). Am 25.9.1753 wurde er zum Domdechanten gewählt. Außerdem hatte er das Amt eines Propstes der beiden Halberstädter Stifte St. Peter und Paul einerseits und Unserer Lieben Frauen andererseits inne. Nach Ende des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) begann der Schöngeist mit der Kultivierung und abwechslungsreichen Aufforstung dieses von ihm 1761 erworbenen Höhenzuges im Harzvorland, der früher Kattfußberge hieß und vorher ziemlich öde und kahl war. 1771 öffnete der Philanthrop den inzwischen angelegten Park der Öffentlichkeit. 1772 entstand die Eremitage zur beschaulichen Besinnung, 1782 wurde das Belvedere gebaut. Alles entstand nach von Spiegels Vorstellungen, ohne Hinzuziehung eines Gartenarchitekten. 1769-1782 entstand das Jagdschloß; die Fertigstellung erfolgte im April 1782. Zeitlich ist das noch spätes Rokoko, doch die Formen sind einfach und schlicht, fast rustikal, weil das Bauwerk mit der Landschaft verschmelzen sollte. Genutzt wurde das Schloß zur Repräsentation, zur Veranstaltung von ungezwungenen Festen und zur Ausstellung von Jagdtrophäen. Ein solcher festlicher Anlaß bot sich z. B. 1783, als die Herzogin-Mutter Anna Amalia aus Weimar mit mehreren Personen des Weimarer Hofes Station in Halberstadt machte, auf der Hin- und auf der Rückreise, und natürlich war auch Goethe einmal mit von der Partie.

Auf den ersten Blick verwirrend ist für den Besucher die dem Treppenaufstieg zum Jagdschloß vorgeblendete Mauer, die den Kellereingang umschließt. Sie befindet sich meist im Dunkel des Waldes und erinnert eher an eine kunstvoll aufgeschichtete künstliche Ruine. Doch das täuscht - die auf 1606 datierte Portalblende ist original, aber nicht am originalen Ort. Und sie ist rund 170 Jahre älter als das Jagdschloß. Wenn man genauer hinschaut, erkennt man eine zwar stark zerstörte und verwitterte Architektur, aber eine im Grunde exquisite Renaissance-Wappen-Komposition und reiche Dekorationen. Trotz aller Verwitterung ist die feine Renaissance-Architektur mit den Putten und den zierlichen Ornamenten noch zu erkennen.

Im dahinterliegenden Keller wird ein riesiges Faß von 1440 hl Volumen aufbewahrt. Dieses Faß hatte 1594 der aus Landau stammende Küfer Michael Werner für den protestantischen Bischof Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel hergestellt. Derselbe Küfer baute auch das große Faß im Heidelberger Schloß für Pfalzgraf Johann Casimir. Beide Fässer sind das Ergebnis eines abgefahrenen und dekadenten Wettstreits beider Fürsten um das größte Faß. Das leere Faß ist 9,40 m lang, hat einen größten Innendurchmesser von 5,70 m und wiegt 636 Zentner und 99 Pfund (nach einer Beschreibung aus dem Jahre 1601). Es besteht aus 93 Faßdauben aus Eichenholz. Damals hat der Bau des Fasses ohne die Kosten für das Eichenholz 6000 Taler gekostet. Dieses größte Faß des ausgehenden 16. Jh. wurde 2008 ins Guinnessbuch der Rekorde eingetragen.

Sowohl das Faß als auch das Portal stammen aus dem herzoglichen Schloß in Gröningen, das der Herzog und Bischof Heinrich Julius an der Stelle einer halberstädtischen Burg durch den Kursächsischen Baumeister Christoph Tendeler aus Torgau 1586-1594 als zweistöckigen Renaissancebau errichten ließ, einst eines der prunkvollsten Renaissance-Schlösser, ein Schloß der Superlative. Zeitweise war die Eigentumstrennung zwischen Braunschweig-Wolfenbüttel einerseits und Stift Halberstadt andererseits nicht so ganz klar, jedenfalls dem Herzog nicht, und so wurde ein Braunschweigisches Privatschloß auf halberstädtischem Grund und Boden erbaut, über den er eigentlich nur als Administrator im Sinne des Stifts Halberstadt verfügen durfte. Ab 1680 verfiel das ungenutzte Residenzschloß, und 1817 wurden die Reste abgerissen. Aus diesem verfallenden Schloß stammen das große Faß und dieses Portal. Der Domherr von Spiegel kaufte neben diesen beiden Sachen von der königlich-preußischen Domänenkammerdeputation auch noch viele andere Skulpturen und bauplastische Relikte zur Wiederaufstellung auf seinen Besitzungen. Ein anderes Portal ist in Emersleben zweitverwendet worden. Die berühmte Orgel aus dem Schloß wanderte in Teilen in die Martini-Kirche in Halberstadt und nach Harsleben. Vor Ort in Gröningen ist nichts mehr von Interesse, außer Geländespuren gibt es nichts zu sehen.

Die drei Inschriften unter den Wappen, mittlerweile sehr stark vom Zahn der Zeit angefressen, lauten, sinngemäß und den leserlichen Stellen in der Schreibweise angepaßt: Mitte: "VON GOTTES GNADEN HEINRICH IVLIVS BISCHOFF / DES STIFTS HALBERSTAD VND HERTZOG ZV / BRAVNSCHWEIG VND LVNE/BVRGK / 1606", optisch links: "(VON GOTT)ES GNADEN (DOROTHEA) / (C)HVRFVRSTIN ZVE S(A)CH(SEN HERTZOGIN) / (Z)V BRAVNSCHWEIG V(N)D LVNEBVRGK" (interessant, eine Churfürstin oder Kurfürstin gab es nie, aber so wollte man betonen, daß sie aus der Kurlinie Sachsen stammte, zu dieser Zeit also der albertinischen Linie zu Dresden) und optisch rechts, wo mittlerweile fast alles fehlt: "VON G(OTTES GNADEN ELISABETH) / GEBORNE (AUS KÖNIGLICHEM STAMM?) / DENNENM(ARCK HERTZOGIN ZV BRAVN/SCHWEIG (UN)D (LVNEBURGK)".

Das mittlere Wappen ist für Heinrich Julius Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel (15.10.1564-20.7.1613), den Sohn von Julius Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel (29.6.1528-3.5.1589) und Markgräfin Hedwig von Brandenburg (2.3.1540-31.10.1602). Herzog Heinrich Julius war 1566-1613 nach Sigismund von Brandenburg protestantischer Administrator des Stifts Halberstadt, der erste von vier aufeinander folgenden Administratoren aus dem Braunschweiger Fürstenhaus, und postulierter Bischof des Bistums Halberstadt. 1566 war er erst 2 Jahre alt, deshalb stand er bis zum 7.12.1578 unter Vormundschaft und trat erst mit 14 Jahren die Herrschaft in Halberstadt an. Er führte das Stift zum Protestantismus. Herzog Heinrich Julius wurde mit 12 Jahren zum Rektor der von seinem Vater gegründeten Universität Helmstedt bestimmt, und er galt als eine der gebildetsten Persönlichkeiten seiner Zeit und als Förderer von Kultur. Dazu war er 1582-1585 Administrator des Bistums Minden, genauer als Bischof-Elekt der Diözese, also als gewählter Bischof ohne päpstliche Bestätigung, und Fürst im Hochstift, das während seiner Amtszeit fast vollständig protestantisch wurde. 1589 wurde er regierender Herzog. 1593 erfolgte der Erwerb der Harz-Grafschaften Hohnstein, Regenstein und Blankenburg, und 1596 erbte er Grubenhagen. Und er war derjenige, der Wolfenbüttel sowohl zur Residenzstadt als auch zur Festung ausgebaut hat. Weniger angenehme Seiten seiner Regierung waren sein irrationaler Hang zur Alchimie und sein Drang zur Hexenverfolgung.

 

Sein Wappen folgt im wesentlichen dem allgemeinen Aufbau der Wappen der der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg, hat aber ein paar kleine Besonderheiten:

Im Vergleich zu anderen Darstellungen des Braunschweiger Wappens enthält dieses Wappen kein Symbol für Diepholz. Die fünf Helme zeigen Alt-Bruchhausen und Neu-Bruchhausen, Hoya, Braunschweig-Lüneburg, Hohenstein kombiniert mit Lauterberg, Regenstein kombiniert mit Blankenburg - auch bei den Helmzieren fehlt Diepholz. Alle Kleinode sind hier stark zerstört, unten ist aufgeführt, wie es sein sollte:

Das Wappen dieses Herzogs taucht auch in Halberstadt an der ehemaligen Dompropstei auf, zusammen mit dem seines Bruders. Seitlich daneben sieht man tiefer die beiden Wappen seiner beiden Ehefrauen, die erste ist heraldisch rechts vertreten, die zweite links. Am 26.9.1585 hatte er in Wolfenbüttel Dorothea von Sachsen (4.10.1563-13.2.1587) geheiratet. Sie starb bei der Geburt ihres einzigen Kindes, Hedwig Dorothea von Braunschweig-Wolfenbüttel (13.2.1587-16.10.1609), welche später die Ehefrau von Rudolph Fürst von Anhalt-Zerbst (28.10.1576-20.8.1621) wurde. Dorothea von Sachsen, Tochter von August Kurfürst von Sachsen (13.7.1526-12.2.1586, Erbauer von Schloß Augustusburg) und Anna Prinzessin von Dänemark (22.11.1532-1.10.1585), wurde nur 23 Jahre alt.

Ihr Wappen entspricht dem kurfürstlich-sächsischen Wappen in der zwischen 1583 und 1609 verwendeten Form. Diese kurzfristig verwendete Zwischenstufe enthält Henneberg (Erbfall 1583), aber noch nicht Kleve-Jülich-Berg (1609). Es gab also nur 26 Jahre, in der diese Form vorkommen konnte. Der nachfolgend wiedergegebene Aufbau entspricht der Darstellung auf einer Münze (Dreibrüdertaler) aus dem Jahre 1599 für die Brüder Christian II. (23.9.1583-1611), Johann Georg I. (5.3.1585-8.10.1656) und August (7.9.1589-26.12.1615), Söhne von Christian I. von Sachsen (29.10.1560-25.9.1591, seit 1586 Kurfürst). Weiterhin taucht diese Form auf einer Darstellung eines Trauerzuges aus jener Zeit auf, vermutlich für den genannten Christian I. von Sachsen. Dorothea von Sachsen war seine Schwester.

 

Nach dem verfrühten und tragischen Tod seiner ersten Frau heiratete Herzog Heinrich Julius erneut, diesmal Elisabeth Prinzessin von Dänemark (25.8.1573-19.6.1625), die älteste Tochter von Frederik II. König von Dänemark (1.7.1534-4.4.1588) und Sophie von Mecklenburg (4.9.1557-3.10.1631). Mit dieser Eheschließung ist eine Anekdote überliefert: Ihr zukünftiger Ehemann trat 1590 zuerst alleine am Hofe in Erscheinung, als Juwelenhändler verkleidet. Als die Prinzessin nach den Preisen fragte, bat er statt dessen um ihre Gunst und wurde wegen dieser Unverschämtheit eingesperrt. Kurz darauf traf des Herzogs Gefolge ein, und alles klärte sich auf. Das ist also die einzige Ehefrau eines Braunschweiger Herzogs, die ihren (zukünftigen) Ehemann verhaften ließ. Sie sprach zwar gut Deutsch, weil sie in Mecklenburg aufgewachsen ist, doch fand sie nie so recht den Draht zu ihren neuen Untertanen, und schon gar nicht zur Stadt Braunschweig, wo sie und ihr Mann unwillkommen waren. Ihr Bruder Christian wurde als Christian IV. dänischer König.

Ihr Wappen entspricht dem dänischen Königswappen in der Form, wie sie ab König Friedrich II. (1534-1588) verwendet wurde und erst durch Friedrich IV. (1671-1730) wieder geändert wurde.

 

Nach seinem Vater übernahm der Sohn aus dieser zweiten Ehe 1613 als Herzog die Regierung in Wolfenbüttel, Friedrich Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel (15.4.1591-11.8.1634), der Markgräfin Anna Sophie von Brandenburg (27.3.1598-29.12.1659) heiratete, aber kinderlos blieb. Er war komplett unfähig und eine vollständige Niete, im Prinzip mediatisierte er sich selbst, verlor riesige Teile des Landes, machte, was seine Räte ihm einflüsterten, und mit dem Erlöschen der Linie Braunschweig-Wolfenbüttel fiel der Rest des Fürstentums an die Braunschweiger Hauptlinie. Drei andere Söhne aus dieser Ehe des Bischofs, erst Heinrich Karl von Braunschweig-Wolfenbüttel (4.9.1609-11.6.1615), dann Rudolf von Braunschweig-Wolfenbüttel (15.6.1602-13.6.1616) und schließlich Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel (20.9.1599-16.6.1624), übernahmen 1613, 1615 bzw. 1616 von ihrem Vater die Administration von Halberstadt. Der letzte der drei war eher als verwegener und tollkühner Feldherr im Kampf gegen Habsburg bekannt und hieß mit Spitznamen der "Tolle Christian" oder der "Tolle Halberstädter." Nach dem letzten der drei Brüder fiel Halberstadt 1623-1625 in die Sedisvakanz, ehe Christian Wilhelm von Brandenburg und Leopold Wilhelm von Österreich als letzte folgten, ehe Halberstadt 1648 säkularisiert wurde und an Brandenburg kam.

Die Treppe zum Jagdschloß führt rechts und links um den Kellereingang herum, und hier sind die Treppenwangen mit lagernden Löwen geschmückt. Dort begegnet uns zum ersten Mal das Wappen der Freiherren von Spiegel. Der andere Löwe hält eine Monogramm-Kartusche mit verschlungenen Initialen hoch.

Ein weiteres Mal sehen wir das Spiegelwappen im Giebel des Jagdschlosses, doch ohne Begrenzung in Form eines Wappenschildes oder einer Kartusche, einfach die drei Spiegel direkt auf dem mit Fugen rustizierten Mauerwerk. Das Wappen der von Spiegel zeigt in Rot drei (2:1) silberne, golden eingefaßte runde Spiegel (Scheiben), auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken ein roter Flug, beiderseits belegt mit drei (2:1) silbernen, golden eingefaßten runden Spiegeln (Westfälisches Wappenbuch, Siebmacher Band: He Seite: 26 Tafel: 29, Band: Pr Seite: 386 Tafel: 434, Band: PrGfN Seite: 22 Tafel: 17).

   

Wesentlich besser und als Vollwappen sehen wir das Wappen der von Spiegel zum Desenberg auf einer Ehrensäule, die Ernst Ludwig von Spiegel zu Ehren von einem seiner Verwandten aus der anderen Linie errichtet worden ist, von Ernst Georg Spiegel von und zu Peckelsheim, bayreuthischer geheimer Rat und Oberforstmeister. Die Ehrensäule steht nahe beim Schloß bei der Heinrichshöhe, der höchsten Kuppe der Spiegelsberge. Die Basis bildet ein von Sandsteinmauerwerk stabilisierter künstlicher Hügel. In überschwenglichen Worten preist die Inschrift auf dem Postament die Verdienste des Domherrn von Spiegel als Verschönerer dieser Gegend und Kultivierer der einst öden Berge: "WER SCHUF ZU EINEM TUSCULUM / SICH DIESE WILDE GEGEND UM? / WER GAB EUCH BERGERN DIE GESTALT? / EUCH ÖDEN FELSEN, WALD? / WER BAUETE MIT / SEGENS VOLLER HAND / DIS STARRE UNFRUCHTBARE LAND / WER TRIEB AUS DEINEM / KALTEN SCHOOS / DIE GOLDNEN ÄPFEL, VOLLEN TRAUBEN? / WER WÖLBETE DEM / WANDERER AUS MOOS / DEN SANFTEN SITZ? DIE / SCHATTENREICHEN LAUBEN? / SAG ES DER NACHWELT AN DU STEIN / SCHALLT ES INS FERNE THAL / IHR HÜGEL / SIE WILDNISS BILDETE ZUM HAIN: / EIN MENSCHENFREUND / EIN SPIEGEL". Auf einer anderen Sockelfläche ist die Jahreszahl MDCCLXVI = 1766 zu lesen. Über dem Postament erhebt sich eine hohe Säule, die oben ein ionisches Kapitell mit Kugelbekrönung trägt.

Ein Detail ist noch von Interesse: Das Wappen Spiegels trägt den von Friedrich II. von Preußen im Jahre 1754 gestifteten preußischen St. Stephans-Orden. Der hl. Stephanus ist der Patron des Bistums Halberstadt, und dieser Orden wurde für die Halberstädter Domherren gegründet. Von Spiegel hatte ein außerordentlich gutes Verhältnis zum preußischen König, der ihn zum Kammerherrn und Geheimen königlichen Rat ernannte. Eigentlich wollte der preußische König hauptsächlich ihn durch die Ordensgründung ehren, und entsprechend war von Spiegel der erste, der 1754 diese Auszeichnung erhielt. Dieser Orden hat nichts zu tun mit dem königlich-ungarischen Sankt-Stephans-Orden oder dem großherzoglich-toskanischen St.-Stephans-Orden. Das Ordenszeichen des preußischen St. Stephansorden bestand aus einem in acht Spitzen ausgehenden Kreuz, in dessen Mitte sich auf der einen Seite das Bild des hl. Stephanus als Patron des Halberstädter Doms befand, während auf der Rückseite der golden gekrönte schwarze Adler Preußens mit ausgebreiteten Flügeln und einem goldenen Namenszug zu sehen war. Nach dem Tode des Hauptbegünstigten ist dieser Orden in Vergessenheit geraten.

Auf der Nordseite des Jagdschlosses befinden sich beiderseits des Schlosses und tief unterhalb der Restaurant-Terrasse zwei Grotten. Die östliche Grotte wird Saldern'sche Grotte genannt. Sie ist älter als das Schlößchen, denn sie wurde bereits 1769 erbaut. Plastisch gestaltete Bäume und drei Greifvögel zieren die Fassade, sprudelnde Wasserfontainen sind an den Mauerseiten zu erkennen.

Friedrich Freiherr von Saldern hatte um 1702 nördlich des Halberstädter Johannestores (Tannenstraße) auf eigene Kosten eine Wasserkunst bauen lassen, ein Wasserhebewerk, dessen Pumpen von Pferden in einem Tretrad angetrieben wurden. So konnte Wasser aus der Holtemme über ein hölzernes Leitungssystem zu 36 Abnehmern geleitet werden. 1765 wurde die Wasserkunst erneuert, 1817 wurde sie mit der Gröperkunst vereinigt und von einem städtischen Kunstmüller unterhalten, das war die erste städtische Wasserleitung von Halberstadt. Die Grotte erinnert mit ihrem Namen und ihrem Design an diesen technischen Pionier. Diese östliche Grotte trägt oben am Bogenscheitel das Wappen der von Spiegel wie beschrieben. Allerdings sind die Spiegel nur noch in der Helmzier zu erkennen; im gegenüber Witterungseinflüssen stärker exponierten Schild sind sie verwittert.

Mit der 1776 erbauten Rochow'schen Grotte im Westen ehrte von Spiegel einen anderen Pionier und Freund. Friedrich Eberhard von Rochow (1737-1805) war ein Mitbegründer des Lehrerseminars und einer der bedeutendsten Pädagogen Deutschlands. Von Spiegel hatte seit seiner Wahl zum Domdechanten die Verantwortung für die Schulangelegenheiten in Halberstadt. 1778 wurde in Halberstadt das erste preußische Lehrerseminar gegründet, mit Hilfe eines von Freiherr von Spiegel geschaffenem Konsistoriums. So arbeiteten die beiden eng zusammen, um die Lehrerausbildung auf eine neue Basis zu stellen. Dazu schrieb von Rochow Lehrbücher für Dorflehrer, die noch bis in die Mitte des 19. Jh. in preußischen Schulen Standard blieben. Diese Grotte ist mit Eidechsen und Lurchen geschmückt, um der Rousseau'schen Naturverbundenheit Ausdruck zu geben. So verbinden sich ein ganz neuer Naturenthusiasmus mit einem noch dem barocken Denken verhafteten Grottenkonzept. Diese westliche Grotte trägt oben am Bogenscheitel, fast völlig überwuchert, das Wappen der von Rochow (in Silber drei (2:1) schwarze Schach-Rochen). Die hier nicht dargestellte Helmzier wäre zu schwarz-silbernen Decken ein wachsender silberner Bock (Westfälisches Wappenbuch, Siebmacher Band: Pr Seite: 328 Tafel: 381, Band: SchlA1 Seite: 88 Tafel: 64).

Der Domherr von Spiegel wurde nach seinem Tod in Wetzlar auf dem Gelände seiner Schöpfung begraben; sein Mausoleum besitzt die Form eines sechseckigen Kuppeltempels, einst oben über der Tür mit den Figuren des hl. Stephanus (links) und des hl. Laurentius (rechts) geschmückt. Ringsum umgibt ein schmiedeeisernes Gitter zwischen Sandsteinpfosten die Grabstätte. Die beiden Pfosten rechts und links der Treppe tragen jeweils eine Urne. Die restlichen Pfeiler trugen früher jeweils eine Kugel, heute verloren. Dieses Mausoleum hat von Spiegel selbst für sich entworfen und ab 1783 errichten lassen. Im selben Jahr legte er testamentarisch fest, daß er hier bestattet werden wollte. Vermutlich wurde das Bauwerk Ende 1784 fertiggestellt. Er liegt aber nicht mehr darin, weil sein Sohn den Leichnam 1811 in die Familiengruft in Seggerde überführen ließ. Im Innern steht ein eiserner Sarkophag vor einer Gedenktafel.

Werner Friedrich Julius Stephan von Spiegel (1803-1877) erbte nach dem Tod des Erbauers den Besitz. Er nahm einige Veränderungen vor, teils im Sinne seines Großvaters und teils auch auf der Grundlage neuerer Ansichten. Dieser Enkel starb ohne Nachkommen. Seit dem späten 19. Jh. blieb das Jagdschloß ungenutzt und verfiel. Die Stadt Halberstadt kaufte das Gelände 1903 und ließ es 1903-1907 instand setzen und neu ausstatten. Weitere Renovierungen erfolgten 1956-1958 und 2000-2001.

Literatur, Links und Quellen:
Position in Google Maps: https://www.google.de/maps/@51.8750532,11.0409233,17z - https://www.google.de/maps/@51.8744671,11.0424855,66m/data=!3m1!1e3
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen, hrsg. von der Historischen Commission für die Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt, XXIII. Heft, die Kreise Halberstadt Land und Stadt, Druck und Verlag von Otto Hendel, Halle a. d. S. 1902, S. 504-507
Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Julius_(Braunschweig-Wolfenbüttel)
Dorothea von Sachsen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Dorothea_von_Sachsen_(1563%E2%80%931587)
Elisabeth von Dänemark:
https://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_von_Dänemark_(1573%E2%80%931626)
Ernst Ludwig Christoph von Spiegel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Ludwig_Christoph_von_Spiegel
Domkapitel Halberstadt:
https://de.wikipedia.org/wiki/Domkapitel_Halberstadt
von Rochow:
https://de.wikipedia.org/wiki/Rochow_(Adelsgeschlecht)
von Spiegel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Spiegel_(westfälisches_Adelsgeschlecht)
Hinweistafeln der Stadt Halberstadt vor Ort
Geschichte der Spiegelsberge auf den Seiten der Stadt Halberstadt:
https://www.halberstadt.de/de/landschaftspark-spiegelsberge.html - https://www.halberstadt.de/de/geschichte_1-104140003387/geschichte-der-spiegelsberge.html - Impressionen: https://www.halberstadt.de/de/impressionen_1-104140003397.html
Die Ehrensäule auf den Seiten der Stadt Halberstadt:
https://www.halberstadt.de/de/gedenksaeule-104140003404/19081,1032,de,1.html
Christiane Rossner: Ein Spaziergang über Spiegels Berg, in: Monumente - Zeitschrift der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, 30. Jg., Nr. 4, August 2020, S. 16-17
Deutsche Inschriften Bd. 86, Halberstadt (Stadt), (Hans Fuhrmann), in:
www.inschriften.net, Einleitung, 6. nicht aufgenommene Inschriften: http://www.inschriften.net/halberstadt-stadt/einleitung/6-nicht-aufgenommene-inschriften.html

Wappen, Linien und Territorien der Welfen (1): Wappen-Komponenten und ihre Geschichte
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