Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 2667
Halberstadt (Landkreis Harz, Sachsen-Anhalt)
Kurie Redern, Halberstadt, Domplatz 3
Die Redernsche Domkurie befindet sich am Südrand des Domplatzes ganz im Westen, genau gegenüber der Liebfrauenkirche und etwas zurückgesetzt. Der namengebende Freiherr von Redern war Stiftsherr und Dekan des Liebfrauenstifts Halberstadt, und er nahm seinen Wohnsitz in der um 1750 erbauten Kurie. Nach der Säkularisierung befand sich in diesem Gebäude das Lehrerseminar, das 1778 als erstes preußisches Landschulseminar gegründet worden war. Das Gebäude ist zweistöckig und besitzt neun Fensterachsen. Das von zwei freistehenden Säulen flankierte Portal liegt in der Mittelachse und ist über eine achtstufige Freitreppe zu erreichen. Das Erdgeschoß besitzt Fugen-Rustika. Im Obergeschoß werden alle Fenster von einer vertieften, oben halbkreisförmig abschließenden Blende eingerahmt, wobei die Zwischenstücke minimalistische Absätze in Höhe des Bogenansatzes tragen.
In der Mittelachse ist ganz oben das Wappen des Besitzers angebracht, dazu ist die Inschrift zu lesen: "ERASMUS FRIEDRICH FR(EI)H(ERR) V(ON) REDERN DECAN(US) CAP(ITULARIS) B(EATAE) M(ARIA) V(IRGINIS)" - Erasmus Friedrich Freiherr von Redern, Kapitular und Dekan des Stifts der seligen Jungfrau Maria. Erasmus Friedrich von Redern (22.04.1728-28.11.1797) auf Schwante war der Sohn von Erasmus Wilhelm von Redern (27.12.1695-8.4.1766) und Anna Catharina Elisabeth von Bredow (11.4.1696-18.5.1765). Der Domherr wurde in Schwante geboren und verstarb in Halberstadt. Seine Geschwister waren Siegmund Ehrenreich Graf von Redern (5.9.1719-1.7.1789, der am 14.1.1757 preußischer Graf wurde, Emanuel Ludwig Friedrich von Redern (9.9.1721-14.2.1758), preußischer Kammerherr, Dorothea Wilhelmine von Redern (11.9.1723-10.12.1753), die am 23.2.1747 in Schwante Johann Viktor von Pfuel zu Kremmen heiratete, Matthias Friedrich Wilhelm von Redern (25.8.1725-22.9.1794), Herr zu Wolterslage und Schwante und Ludwigsaue, und Marie Elisabeth von Redern (1718-1780). Der Domherr wird 1772 als Johanniter-Ritter genannt.
Das Wappen der von Redern zeigt einen Schrägbalken, der mit drei Sternen belegt ist, in den Farben Rot, Silber und Gold (Siebmacher Band: Pr Seite: 23 Tafel: 25, Band: Pr Seite: 320 Tafel: 374, Band: PrA Seite: 66 Tafel: 49, Band: AnhA Seite: 47 Tafel: 27, Band: MeA Seite: 134 Tafel: 77, Band: SaA Seite: 129 Tafel: 85). Die Farbangaben im Siebmacher sind im Detail völlig abweichend in der Verteilung. Der Balken wiederum kommt schrägrechts und schräglinks vor, hier steht er schräglinks. Eine weitere Vielfalt in den Angaben ergibt sich dadurch, daß es mal Sterne, mal durchbohrte Sporenräder sind. Dieses Durcheinander versuchen wir nun zu sortieren, denn zu der darstellerischen Vielfalt gesellt sich auch noch eine mangelnde Klarheit bezüglich der verschiedenen Namen und Familien Rödern, Roeder, Reder und Redern.
Wir haben es hier mit der erst anhaltinischen, dann brandenburgischen bzw. märkischen Familie von Redern (Reder) zu tun. Ihr Wappen zeigt in Rot einen silbernen Schräglinksbalken, belegt mit drei goldenen Sternen. Ganz früher waren die Tinkturen Rot und Silber vertauscht und damit besser der Farbregel folgend, ferner lief der Balken in die andere Richtung, schrägrechts. Interessanterweise gibt es auch einige Darstellungen mit wie bei Sporenrädern durchbrochenen Sternen: Hier sind es jeweils elfzackige Rädchen mit einer erhabenen Nabe in der Mitte. Dieses Familienwappen in den Feldern 1 und 4 des Schildes ist mit dem achtspitzigen silbernen Kreuz der Johanniter auf rotem Grund in den Feldern 2 und 3 geviert. Auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken wird ein wachsender, silberner Geharnischter geführt, in jeder Hand eine Turnierlanze mit abwehendem dreieckigem rotem Fähnchen, darin jeweils ein schräglinker silberner Balken mit einem goldenen Stern (oder mit drei goldenen Sternen oder ein rotes Fähnlein mit drei silbernen Sternen, je nach Quelle variierend), auf dem Helm oder später auf der goldenen Krone des Gerüsteten ein drittes, ebensolches, nach links wehendes Fähnchen. Hier wurde das vereinfacht, die Fähnchen tragen durchgehend die Schraffur für die Farbe Rot und sind mit drei der Sporenrädchen belegt.
Jetzt betrachten wir die anderen Familien mit ähnlichen Namen und anderen Motiven. Das ist normalerweise ohne jede Relevanz, hier wurde aber genau deshalb "Mist gebaut": Die schlesischen von Roedern / von Redern (2. Familie) werden gerne mit den obigen anhaltinisch-märkischen von Redern (1. Familie) verwechselt. Doch sie haben weder von ihrer Abstammung noch von ihrem Wappen her etwas mit jenen zu tun. Selbst offizielle Dokumente wie das ältere Grafendiplom der von Redern treffen hier falsche Aussagen. Es gibt zudem verschiedene Diplome. Die schlesische Familie von Roedern (2. Familie) erhielt z. B. den Reichsfreiherrenstand am 17.4.1656 für Friedrich von Roedern, Herrn auf Ruppersdorf (bei Breslau), Tost und Peiskretscham (alles in Schlesien). Weiterhin gehörte ihm Friedland (was später nach einer politischen Fehlentscheidung 1622 an Albrecht von Waldstein = Wallenstein kam) und Reichenberg in Böhmen und Seidenberg in Sachsen. Das freiherrliche Wappen sieht ganz anders aus als das o. g. Wappen und ist ohne inhaltlichen Bezug, es fanden zwei andere Komponenten Röder (Roedern) Eingang. Es ist geviert, Feld 1 und 4: in Blau ein achtspeichiges silbernes Rad (Roedern in Schlesien, als selbständiges Wappen aber nur sechsspeichig), Feld 2 und 3: gespalten, rechts in Gold ein halber schwarzer, gekrönter, mit einem silbernen Mond auf der Brust belegter schlesischer Adler am Spalt, links in Rot ein silberner Balken, belegt mit zwei schräggekreuzten, roten, oben und unten abgehauenen und an jedem Ende zweimal gestümmelten Stämmen (Burgunderkreuz) (Rödern in Österreich, 3. Familie). Zwei Helme: Helm 1 (rechts): auf dem gekrönten Helm mit blau-silbernen Decken ein Pfauenstoß, belegt mit einem silbernen, achtspeichigen Wagenrad (Rödern in Schlesien, als selbständiges Wappen aber nur sechsspeichig). Helm 2 (links): auf dem gekrönten Helm mit rot-goldenen Decken sechs (3:3) fächerförmig gestellte rote Fähnchen mit silbernem Balken an silbernen Stangen (Roedern in Österreich).
Die österreichisch-schlesisch-böhmischen Freiherren von Roedern wurden 1669 Reichsgrafen. Der Begünstigte war Georg Heinrich Freiherr von Roedern mit seinen Brüdern und österreichischen "Vettern". Ihr voller Titel lautete "Reichsgrafen von Roedern, Freiherren von Krappitz und Herren von Perg (Bergk)". Das gräfliche Wappen vereinigt das freiherrliche Wappen Röder (Roedern, 2. Familie mit 3. Familie) mit dem erstgenannten Wappen Roedern (Reder, Redern, 1. Familie), setzt sich also aus drei verschiedenen Roedern-Komponenten zusammen. Die Kombination aller Roedern-(Redern)-Wappen sollte die bisherige Konfusion um die einzelnen Familien beenden. Dabei zementiert es gerade die Konfusion, denn hier wurde mit kaiserlicher Autorität das Wappen der in Schlesien angesessenen Freiherren von Roedern mit dem Wappen des in Österreich angesessenen Zweiges der Redernschen Linie aus Schwante vereinigt, einfach weil der Name ähnlich klang und jeder sie anscheinend ohnehin verwechselte. So kam es zu einem "gemeinsamen" Wappen beider Familien, als sie beide in den Grafenstand erhoben wurden. Wie auch immer das zu bewerten ist, es ist geviert, Hauptschild wie das freiherrliche Wappen (2. Familie), Herzschild das erstgenannte Wappen der anhaltinischen und märkischen Familie (1. Familie). Das runde Loch der Sterne ging bei den vermehrten Wappen darstellerisch endgültig verloren. Es wird mit drei Helmen geführt, Helm 1 (Mitte): der wachsende Geharnischte, Helm 2 (rechts): der Pfauenstoß mit Wagenrad, Helm 3 (links): die Fähnlein, aber jetzt abweichend an Turnierlanzen und mehrfach geteilte Fahnentücher. Decken rechts blau-silbern, links rot-silbern (Siebmacher Band: Mä Seite: 113 Tafel: 88). Ein weiteres Grafendiplom für die mit den Erstgenannten zwangsverschmolzenen preußischen von Redern auf Schwante, die u. a. 1565 Freiherren wurden, datiert von 1757: Wie oben, identischen Inhalts, Helm 1 (Mitte): der wachsende Geharnischte, die Fähnlein aber jetzt gebessert, silbern-rot zu vier Plätzen geteilt mit einem goldenen Stern, Helm 2 (rechts): der Pfauenstoß mit Wagenrad, Helm 3 (links): die Fähnlein an Turnierlanzen. Decken rechts rot-silbern, links blau-silbern (Siebmacher Band: Pr Seite: 23 Tafel: 25). So verschmolzen heraldisch mehrere Familien, die genealogisch nichts miteinander zu tun haben. Hier an der Domherrenkurie sehen wir zum Glück nur die Komponenten des Stammwappens und des Johanniterordens.
Literatur,
Links und Quellen:
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Siebmachers Wappenbücher wie angegeben
Geschichte der von Roedern: http://www.boehm-chronik.com/geschichteschwarzwaldau/SchAnl5.pdf
Geschichte der von Roedern: http://www.boehm-chronik.com/grundherrschaft/mredern.htm
von Redern auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Redern
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