Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 2630
Stockhausen (zu Herbstein, Vogelsbergkreis)
Das Riedesel-Schloß in Stockhausen
Das Schloß Stockhausen liegt im nordwestlichen Zentrum von Stockhausen direkt an der Müser Straße. Es besteht aus zwei unterschiedlichen Teilen, einer Dreiflügelanlage im Norden und einem Ensemble von Wirtschaftsbauten im Süden. Erstere ist symmetrisch aufgebaut und besitzt einen ca. 76 m langen Hauptflügel mit überhöhter Tordurchfahrt in der Mittelachse und zwei ca. 20 m langen, parkseitigen Seitenflügeln. Die Schloßflügel besitzen einen hohen Sockel aus rotem Sandstein. Darüber erhebt sich der Hauptflügel als schlichter, langgestreckter, achsensymmetrischer, zweigeschossiger Putzbau; die Mansarddächer sind mit Dachhäuschen versehen. Das Corps de Logis besitzt 25 Achsen, wovon im Mittelrisalit 3 zusammengefaßt werden. Die Seitenflügel besitzen außen 9 Achsen. Aufgrund der Hanglage weichen die unteren Fenster am Nordflügel teilweise vermauerten Ochsenaugenfenstern.
Seit 1338 waren die Riedesel zu Eisenbach Gerichtsvögte im nahen Herbstein. Das Gericht Stockhausen wurde 1428 vom Stift Fulda übernommen. Deshalb erbaute Erbmarschall Adolf Hermann Riedesel zu Eisenbach (1528-18.7.1582) im Jahre 1563 im Ort die Hermannsburg, von der sich aber lediglich einige Kellergewölbe unter dem heutigen barocken Schloß erhalten haben. Dieser Adolf Hermann Riedesel zu Eisenbach war der Sohn von Volprecht Riedesel von Eisenbach und Apollonia Waldbott von Bassenheim (siehe Epitaphien in Lauterbach). Adolf Hermann heiratete Ursula Förtsch von Thurnau, die Tochter von Heinrich Förtsch und Maria von Schaumberg. General Friedrich Georg Riedesel (-1775) ließ ab 1770 durch den Baumeister Georg V. Koch ein barockes Schloß errichten, dessen Fertigstellung er aber nicht mehr erlebte. Vielmehr wurde das Schloß erst unter seinen Nachfolgern 1801-1807 vollendet.
Im Jahre 1987 wurde das Schloß von der Darmstädter Michael-Stiftung c/o Software AG - Stiftung gekauft und an die Gemeinschaft Altenschlirf verpachtet. Bis 1989 wurde das Schloß umgebaut. Das Schloß wird heute von dieser Gemeinschaft für Heilpädagogik und Sozialtherapie e. V. genutzt, die auch in Altenschlirf und Schlechtenwegen jeweils eine Niederlassung hat. An allen drei Standorten bietet die auf anthroposophischer Basis arbeitende Gemeinschaft Wohn- und Arbeitsräume sowie Werkstätten für Menschen mit Behinderung und betreut ca. 340 Bewohner mit Hilfebedarf. Eine Gärtnerei, eine Weberei mit Wollwerkstatt und eine Brennholzwerkstatt integrieren die Bewohner in ein angepaßtes Arbeitsleben. Die Institution bietet im Schloßladen landwirtschaftliche und handwerkliche Produkte auf ökologischer Basis an. Weiterhin beherbergen die historischen Gebäude die staatlich anerkannte Fachschule für Sozialwirtschaft und die Siegfried-Pickert-Fachschule für Heilerziehungspflege zur Ausbildung von Betreuern. Entsprechend kann das in Privateigentum befindliche Schloß nur von außen besichtigt werden.
Nach Westen erstreckt sich ein weitläufiger Gartenbereich mit Terrassierung und Putten und Vasen des 18. Jh. als Verzierung. Stützmauern trennen und Treppenanlagen verbinden die unterschiedlichen Ebenen. Insgesamt sind drei Ebenen angelegt: Auf der obersten Ebene befindet sich in der Hauptachse ein Wasserbecken, in der mittleren Ebene ist ein Landschaftspark angelegt, und auf der untersten Ebene ganz im Süden befindet sich ein See. Dieser ehemalige Barockpark wurde zeitlich vor dem Schloß angelegt; ein auf 1792 datierter Gartenplan stellt die ursprüngliche Anlage dar. Einige Bäume aus der Zeit der Anlage des Gartens bestehen noch. Um 1810 wurde ein Gewächshaus errichtet, von dem noch ein Flügel erhalten ist. Der ursprüngliche Gartenplan ist zwar stark verändert worden, aber in seiner Grundstruktur noch erkennbar. Die ab 2012 erfolgte Restaurierung der Gartenmauern wurde von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz gefördert und erhielt 2015 den Hessischen Denkmalschutzpreis.
Das von einer Krone überhöhte Ehewappen im Giebel des Mittelrisalits ist unten auf das Jahr MDCCCI = 1801 datiert, also während der Wiederaufnahme und Fertigstellung des Schlosses. Heraldisch rechts sehen wir in der ovalen, einwärts geneigten Kartusche das Wappen von Johann Conrad Riedesel Freiherr zu Eisenbach (20.11.1742-21.12.1812), Sohn von Reichskammergerichtsassessor Johann Wilhelm Riedesel von Eisenbach (4.11.1705-5.8.1782) und dessen erster Frau, Sophie Hedwig von Borcke (4.1.1705-16.12.1769).
Das vermehrte Wappen der Freiherren Riedesel von Eisenbach ist geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: in Gold ein schwarzer, hersehender Eselskopf mit einem dreiblättrigen Riedgras im Maule (Stammwappen Riedesel), Feld 2 und 3: in Rot zwei schräggekreuzte goldene Turnierlanzen (wegen Eisenbach), Herzschild: in Schwarz drei (2:1) silberne Zinnentürme (Alt-Eisenbach). Die Anordnung der Türme ist hier 2:1, oft ist auch eine umgekehrte Anordnung 1:2 zu beobachten, so in Frischborn und in Lauterbach an der Stadtkirche. In Angersbach an der Pfarrkirche ist es wieder eine 2:1-Anordnung, ebenso an der Pfarrkirche Wernges. Zu diesem Schild werden zwei hier nicht dargestellte Helme geführt, Helm 1 (rechts): auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ein schwarzer Flug, beiderseits mit einem goldenen Schildchen mit dem schwarzen, hersehenden Eselskopf und den grünen Riedgrasblättern im Maul belegt (Stammhelm Riedesel), Helm 2 (links): auf dem gekrönten Helm mit rot-goldenen Decken zwei schräggekreuzte goldene Turnierlanzen (wegen Eisenbach). Auf ein Oberwappen wurde hier jedoch verzichtet. Die Dekoration mit Girlanden und Troddel-Schnüren entspricht bereits dem Empire-Stil.
Heraldisch links sehen wir das Wappen von Reichsgräfin Louise Charlotte von Hompesch-Heyden (1755-1.4.1804), Tochter von Sigismund Vincenz Ludwig Gustav Graf von Hompesch-Heyden (22.2.1731-1790) und Anna Sophia Dorothea Riedesel Freiin zu Eisenbach (1727-1803). Sie hatte am 8.9.1774 vorstehenden Johann Conrad Riedesel Freiherr zu Eisenbach (20.11.1742-21.12.1812) geheiratet.
Das Stammwappen der von Hompesch zeigt in Rot ein silbernes Dornenschrägkreuz (gedornter Schragen, gedorntes Andreaskreuz), auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein roter Hut mit silbernem Stulp, der besteckt ist mit zwei silbern geharnischten Schenkelbeinen (Beinschienen einer Rüstung, Beine eines Gerüsteten). Das Wappen wird beschrieben im Münchener Kalender 1911 und im Siebmacher Band: Bad Seite: 55 Tafel: 34, Mä Seite: 49 Tafel: 35 , Bay Seite: 13 Tafel: 6, Gal Seite: 75 Tafel: 82, Pr Seite: 13 Tafel: 13, Pr Seite: 177 Tafel: 225. Das vermehrte Wappen der Grafen von Hompesch-Heyden, wie wir es hier sehen, ist geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: in Schwarz ein goldener, rot gefütterter und oben mit einem Reichsapfel besetzter Fürstenhut (soll eine Kaiserkrone sein)), Feld 2 und 3: in Rot ein silberner, gedornter Schragen (Andreaskreuz, Stammwappen Hompesch), Herzschild: in Silber drei blaue Balken (Stammwappen von Heiden, von Heyden).
Bei den von Hompesch handelt es sich um ein uradeliges Geschlecht des Rheinlandes und Westfalens, das seit dem 17. Jh. in den Linien Bollheim und Rurich existiert, letztere seit 1745 gräflich. Ferdinand von Hompesch-Bollheim wurde vom König von Preußen 1822 in den Grafenstand erhoben. Sein ältester Sohn Wilhelm erlangte 1840 das Erboberjägermeisteramt des Herzogtums Jülich. Zu der Namens- und Wappenvereinigung mit den von Heyden kam es wie folgt: Am 27.7.1767 gab es in Wien eine kaiserliche Bestätigung der testamentarischen Übertragung des Reichsgrafenstandes mit der Anrede "Hoch- und Wohlgeboren" für Vincent Gustav Freiherr von der Heyden, ein Nachfahre des preußischen Infanterie-Generals Johann Sigismund Freiherr von der Heyden (2.5.1656-29.1.1730), der wiederum ein Sohn war von Oberstleutnant Gottfried von Heyden (-25.1.1670) aus der Linie zu Haus Bruch und Odilia von Ketteler (-15.2.1670), Erbin von Assen, Hovestadt und Heidemühlen. Johann Sigismund Freiherr von der Heyden hatte am 19.9.1692 Maria Louise Freiin von Diepenbrock (29.8.1671-1750) geheiratet. Ihr gemeinsamer Sohn war Friedrich Johann Sigismund von der Heyden (3.10.1696-1769) zu Ootmarsum, der am 14.10.1728 Eleonora Henrietta Mauritia von Hompesch (1700-18.8.1730) geheiratet hatte, die Tochter von Adrian Gustav von Hompesch (-1710), Oberstleutnant bei den Garde-Dragoner von Wilhelm von Hessen-Kassel.
Deshalb wurde dem um das kaiserliche Gnadenzeichen vermehrte Hompesch-Stammwappen das um Ketteler vermehrte Heyden-Wappen aufgelegt. Das Stammwappen der von Heyden (von Heiden, von der Heyden) zeigt in Blau drei silberne Balken, auf dem Helm mit blau-silbernen Decken ein mit je drei silbernen Balken belegter Flug. Das seit 1767 geführte vermehrte Wappen der von Heyden (von Heiden) ist geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: Stammwappen Heyden, Feld 2 und 3: Wappen der von Ketteler, Herzschild: in Gold ein gekrönter schwarzer Doppeladler (Gnadenzeichen). Dazu werden drei Helme geführt (vgl. dazu Siebmacher Band: PrGfE Seite: 31 Tafel: 21, Band: Ost Seite: 54 Tafel: 13): Helm 1 (Mitte): zu schwarz-goldenen Decken ein goldener Schild mit rotem Kesselhaken zwischen zwei Reiherfedern, die rechte golden, die linke rot (von Ketteler), Helm 2 (rechts): zu blau-silbernen Decken ein mit je drei silbernen Balken belegter Flug (Stammkleinod), Helm 3 (links): zu rot-goldenen Decken ein mit je drei silbernen Balken belegter Flug (modifiziertes Stammkleinod). So wird das Wappen im Reichsgrafen-Diplom und im Siebmacher Band: Ost Seite: 54 Tafel: 1 dargestellt; im Westfälischen Wappenbuch werden alle drei Decken blau-silbern abgebildet. Als Schildhalter werden zwei goldene Löwen verwendet.
Daraus wurde nun das kombinierte Wappen der Grafen von Hompesch-Heyden zusammengesetzt, wobei hier am Schloß nur das Stammwappen der von Heyden als Herzschild aufgelegt wurde, nicht das vermehrte Heyden-Wappen. Im Westfälischen Wappenbuch wird die vollständige, noch weiter vermehrte Variante mit dreilagigem Aufbau abgebildet: Geviert mit geviertem Mittelschild und Herzschild, Hauptschild: Feld 1 und 4: in Schwarz eine goldene, rot gefütterte Kaiserkrone, Feld 2 und 3: in Rot ein silberner, gedornter Schragen (Andreaskreuz), Mittelschild: Feld 1 und 4: in Silber drei blaue Balken (von Heiden, von Heyden), Feld 2 und 3: in Gold ein roter, aufgezogener Kesselhaken, Zacken nach rechts (von Ketteler), Herzschild: in Gold ein schwarzer, golden gekrönter Doppeladler. Dazu werden drei Helme geführt: Helm 1 (Mitte): zu rot-silbernen Decken ein roter, silbern aufgeschlagener Hut, darauf zwei blaue Beinschienen (Knieschienen), die Knie gegeneinander gerichtet, Helm 2 (rechts): zu schwarz-goldenen Decken ein schwarzer Reichsadler (Doppeladler mit Kaiserkrone zwischen den Häuptern), Helm 3 (links): zu blau-silbernen Decken ein schwarzes, abgehauenes Vogelbein (Adlerbein).
Im Rietstap wird das Wappen ebenfalls in der etwas komplexeren, vollständigen Form beschrieben: Les armes des comtes de Hompesch-Rürich (écartelé aux 1 et 4 de sable à une couronne impériale au naturel aux 2 et 3 de gueules au sautoir engrelé d'argent). Sur le tout les armes des comtes de Heiden-Reinestein (écartelé, aux 1 et 4 d'azur à trois fasces d'argent (Heiden), aux 2 et 3 d'or à une crémaillère triangulaire de gueules (Ketteler). Sur le tout d'or à l'aigle éployée de sable couronnée d'or). Cimiers et supports ceux des comtes de Hompesch-Rürich en Prusse (trois casques couronnés. Cimiers: 1° une aigle éployée de sable becquée et membrée d'or surmontée d'une couronne impériale, 2° un sautoir engrelé d'argent, 3° une jambe cuirassée d'argent coupée à la cuisse, le pied n'est pas visible. Lambrequin à dextre d'argent et de sable à senestre d'argent et de gueules. Supports deux lions d'or lampassés de gueules).
Übrigens heiratete ein Sohn aus dieser Ehe zwischen Johann Conrad Riedesel Freiherr zu Eisenbach (20.11.1742-21.12.1812) und Reichsgräfin Louise Charlotte von Hompesch-Heyden (1755-1.4.1804) ebenfalls eine Gräfin von Hompesch-Heyden, nämlich Carl Philipp Ferdinand Hermann Riedesel Freiherr zu Eisenbach (25.11.1775-21.12.1853), der in erster Ehe am 4.6.1805 Charlotte Reichsgräfin von Hompesch-Heyden heiratete. Diese Hochzeit lag aber nach der Fertigstellung des Giebels.
Auszug aus der Genealogie der Riedesel von Eisenbach
Der zweite, südliche Bereich des Schlosses besitzt einen repräsentativen Zugang, der von zwei symmetrischen Wachpavillons mit Mansarddach flankiert wird. Den anschließenden Wirtschaftshof umstehen mehrere ehemalige Wirtschaftsbauten des Schlosses im unregelmäßigen Dreiviertelkreis. Das Zentrum bildet ein elfachsiges Gutshaus mit Mittelbau und dreiachsigen Seitenflügeln. Oben der Blick vom Hof auf die beiden Wachpavillons.
Literatur,
Links und Quellen:
Position in Google
Maps: https://www.google.de/maps/@50.5634239,9.4438179,18z - https://www.google.de/maps/@50.5635821,9.4440308,113m/data=!3m1!1e3
Genealogische Datensammlung des Christoph Graf von Polier: https://gw.geneanet.org/cvpolier?lang=en&iz=0&p=august+friedrich+carl+johann+ludwig&n=riedesel+zu+eisenbach und abhängige Seiten
Johann Conrad Riedesel Freiherr zu Eisenbach auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Conrad_Riedesel_zu_Eisenbach
von Hompesch auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Hompesch_(Adelsgeschlecht)#Zweig_Hompesch-Heyden
Rudolf Buttlar-Elberberg: Stammtafeln Riedesel I-V, in: Stammbuch
der Althessischen Ritterschaft. 1888, http://gdz.sub.uni-goettingen.de/dms/load/img/?PID=PPN513401067
Genealogie der von Riedesel: http://www.riedesel.org/search/
vermehrtes Wappen Riedesel: http://wiki-de.genealogy.net/Datei:Wappen_Riedesel_II_Althessische_Ritterschaft.png - http://www.riedesel.org/wp-content/uploads/wappenfze.jpg Herrschaft Riedesel: https://de.wikipedia.org/wiki/Herrschaft_Riedesel
Riedesel von Eisenbach bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Riedesel
Siebmachers Wappenbücher wie angegeben
Otto Hupp, Münchener Kalender 1911
Max von Spießen (Hrsg.): Wappenbuch des Westfälischen Adels,
mit Zeichnungen von Professor Ad. M. Hildebrandt, 1. Band,
Görlitz 1901-1903.
von Heyden: https://de.wikipedia.org/wiki/Heyden_(westfälisches_Adelsgeschlecht)
Gemeinschaft Altenschlirf: https://gemeinschaft-altenschlirf.de/ueber-uns/
Schloß Stockhausen auf den Seiten der Deutschen Stiftung
Denkmalschutz: https://www.denkmalschutz.de/denkmal/Schloss-Stockhausen.html
Schloß Stockhausen: https://lfd.hessen.de/service/auszeichnungen/hessischer-denkmalschutzpreis/2015/schloss-stockhausen-schlosspark
Schloß Stockhausen bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Stockhausen
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