Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 2627
Glauchau (Landkreis Zwickau)
Schloß Forderglauchau und Schloß Hinterglauchau
Die beiden Glauchauer Schlösser bilden ein Ensemble im Westen des Stadtzentrums und liegen auf einer im Norden, Westen und Süden von einem Hang bzw. Graben gesicherten Sporn, einem Vorsprung des rechten Muldentalrandes. Der Zugang liegt im Osten und führt zum Schloß Forderglauchau (die eigenwillige Schreibweise ist historisch bedingt), das mit drei Flügeln einen weitläufigen Hof hufeisenförmig umschließt, zwei repräsentative Wohnflügel im Osten und im Süden und niedrigere Wirtschaftsbauten im Norden. Ein polygonaler Treppenturm steht im Nordosteck, dessen oberster Abschnitt allerdings erst 1840 aufgesetzt wurde. Beeindruckend ist die Vielzahl der Zwerchgiebel und die dadurch erzeugte komplexe Dachlandschaft. Auf der Ostseite zählt man fünf Zwerchgiebel, an der Südseite drei, und im Innenhof sieht man sogar sechs, drei am Südflügel, zwei am Ostflügel und einen weiteren im Eck neben dem Treppenturm, dieser ist aber nur halb. Charakteristisch sind die horizontalen Gesimse, die Pilastergliederung, die aus Halb- und Viertelkreisen zusammengesetzte Umrißform und der seitliche Überstand als Blendgiebel. Dieses Schloß ist ein Musterbeispiel für klare Formen der Frührenaissance, und es gilt als der früheste Profanbau der Renaissance in Mitteldeutschland. Schloß Forderglauchau wird heute von der Stadt- und Kreisbibliothek "Georgius Agricola" und der Galerie "art gluchowe" genutzt, außerdem ist hier die Musikschule des Landkreises Chemnitzer Land mit einem Konzertsaal untergebracht.
Abb.: Forderglauchau von Osten
Ein breiter, im Norden von einer Wehrmauer und im Süden von einem auf zwei Bögen ruhenden Brückengang begrenzter Trockengraben (Halsgraben) von 10 m Breite und heute 4 m Tiefe trennt das dahinter liegende Schloß Hinterglauchau ab. Das ist von der Grundfläche her kleiner und unregelmäßiger als Forderglauchau. Über die Brücke kommt man zum Ostflügel, in dessen Mitte ein halbrunder Schalenturm ("Flasche") mit geschwungener Haube vorspringt und der rechts und links von einem kurzen Seitenflügel flankiert wird. Man sieht von Osten her die beiden Schmuckgiebel dieser Seitenflügel und noch einen Zwerchgiebel links vom Turm. Dahinter liegt der trapezförmige Hof von Hinterglauchau, um den sich die Wohnbebauung im Norden und Osten herumzieht. Im Süden befindet sich als Abschluß eine Wehrmauer mit halbrund in den Hirschgraben vorspringendem Rondell. An der Südflanke stehen zwei Türme; an der Nordseite gibt es zwei Treppentürme auf der Außenseite im Eck zum nach außen herausspringenden Mittelteil des Nordflügels. Im Schloß Hinterglauchau sind heute das Museum und die Kunstsammlung der Stadt Glauchau untergebracht.
Abb.: Forderglauchau, Innenhof, Blick nach Südosten
Erbaut wurden beide Schlösser von dem Geschlecht der von Schönburg, das sich auch nach dem Familiensitz von Schönburg-Glauchau nannte. Der Ursprung ist eine um 1170-1180 erbaute Burg. Zwischen 1470 und 1485 wurde die Burg in ein spätgotisches Wohnschloß umgewandelt. Aus dieser Zeit haben sich spätgotische Vorhangbogenfenster am Ostflügel erhalten. Die nächste Bauphase war 1524-1534 der Ausbau von Hinterglauchau durch Ernst II. von Schönburg (1486-1534) im Stil der Frührenaissance und die Errichtung von Schloß Forderglauchau als Erweiterungskomplex; der Baumeister war jeweils der aus Komotau stammende Steinmetz und Bildhauer Andreas Günther. An der Stelle des Schlosses Forderglauchau befand sich zuvor ein Vorwerk der Burg, während Hinterglauchau die umgebaute alte Burg ist. Die herausgehobene Stellung des Bauherrn verursachte ein gestiegenes Repräsentationsbedürfnis durch eine aufwendigere Hofhaltung und ehrgeizige Bauprojekte, deshalb wurden hier großartige Erweiterungen in die Tat umgesetzt. An Schloß Hinterglauchau wurden Nord- und Südflügel nach Osten verlängert und mit einem neuen Zwischenbau gegen das Vorfeld, auf dem Schloß Forderglauchau entstand, abgesetzt. Auch in Hartenstein entstand eine beeindruckende Renaissance-Anlage, einst "Perle des Erzgebirges", im 19. Jh. neugotisch umgebaut, seit 1945 Ruine. Später wurde das Schloß Glauchau unter Albert Christian Ernst von Schönburg 1752 und 1764-1765 barock verändert, vor allem am Nordflügel und am Westturm. Nach Teilabbrüchen wurde die Substanz in spätbarocken Formen wiederaufgebaut.
Abb.: Hinterglauchau, Blick von Nordosten über den Halsgraben hinweg
Der Bauherr, Ernst II. von Schönburg (1486-12.9.1534), war der Sohn von Ernst I. von Schönburg (1456-29.1.1488), Herr von Schönburg-Waldenburg, Hartenstein-Lichtenstein und Glauchau, und von Anna Gräfin von Rieneck (-13.12.1525). Er stand zunächst bis zum Alter von 26 Jahren unter Vormundschaft und konnte erst 1512 zusammen mit seinem älteren Bruder Wolf I. von Schönburg (1482-1529) die Herrschaft über Glauchau, Waldenburg, Lichtenstein und Hartenstein antreten. Während des Kondominiums erwarben die Brüder noch die Herrschaften Wehlen, Lohmen und Hohnstein im Elbsandsteingebirge. Herzog Georg von Sachsen initiierte einen am 13.7.1524 geschlossenen Teilungsvertrag zwischen den Brüdern. Wolf erhielt die Elbherrschaften Lohmen und Wehlen sowie Waldenburg, Ernst bekam Glauchau, Meerane, Lichtenstein und Hartenstein. Wolf starb 1529 kinderlos, so daß alles wieder in einer Hand vereint war, zum letzten Mal in der Geschichte der Familie. Glauchau entwickelte sich unter seiner Herrschaft zum Verwaltungs- und Herrschaftszentrum aller schönburgischen Besitzungen.
Abb.: Der unter Ernst II. errichtete Erker mit Ehewappen auf der Brüstung
Heraldik begegnet dem Besucher an der Erkerbrüstung an der Ostseite des hier vorspringenden Nordflügels. Der Erker sitzt mittig unter dem Giebel mit den Halb- und Viertelkreisen der Frührenaissance. Auf der Front ist ein Allianzwappen für Ernst II. von Schönburg (1486-12.9.1534) und seine Frau Amalie von Leisnig (1508-23.2.1560) angebracht, in der Mitte von einem Ornament getrennt, das durch zwei Öffnungen der Schale auf Kernreihen wie bei einem Granatapfel blicken läßt. Das Wappen der Herren von Schönburg ist hier dreimal silbern-rot (eigentlich rot-silbern) schrägrechts geteilt (hier aus Courtoisie gewendet), auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken ein dreimal rot-silbern schräggeteilter Flug, der rechte Flügel schräglinks, der linke Flügel schrägrechts. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: Sa Seite: 5 Tafel: 4, Band: Bö Seite: 203 Tafel: 89, Band: FstA Seite: 243 Tafel: 316, Band: FstM Seite: 32 Tafel: 68, Band: FstM Seite: 32 Tafel: 69, Band: Mä Seite: 128 Tafel: 97, Band: NÖ2 Seite: 73 Tafel: 34, im Aschaffenburger Wappenbuch Tafel: 13 Seite: 96 und bei Otto Hupp im Münchener Kalender 1898.
Die wirtschaftlich bedeutendste Einkommensquelle der Familie waren Bergwerke. In der Herrschaft Hartenstein gründeten die Brüder als Bergstädte 1522 Scheibenberg und 1527 Oberwiesenthal. Konflikte mit den Wettinern um den lukrativen Bergbau mußten die Brüder als Schwächere mit Bergverträgen beenden, die eine Teilung der Ausbeute vorsahen. Ernst II. von Schönburg stand aber ungeachtet der wirtschaftlichen Konflikte Herzog Georg von Sachsen sehr nahe und wurde herzoglich sächsischer Geheimer Rat. Diese Ernennung am 5.2.1525 war wohl ausschlaggebend für den Ausbau des Schlosses. Zeitweise übernahm er das Amt eines Statthalters in Dresden. Für den Herzog führte er zusammen mit dem Freyburger Amtmann Taubenheim eine Revision sämtlicher herzoglich-sächsischer Ämter in Thüringen durch, was für ein echtes Vertrauensverhältnis spricht. Zwischen den Beiden bestand ein so gutes Verhältnis, daß Ernst den Herzog zum Obervormund seiner Kinder einsetzte, zusammen mit seinem Schwiegervater Hugo von Leisnig, wobei letzterer ihn selbst nur um wenige Jahre überlebte. Er stand der Reformation ablehnend gegenüber, wie sein Landesherr. Und er zog im Bauernkrieg als Oberst mit Herzog Georg in den Krieg gegen die aufständischen Untertanen, was am 15.5.1525 zur Schlacht von Frankenhausen und der Gefangennahme Thomas Müntzers führte. Danach reiste er unverzüglich in seine Herrschaften, um die dortigen Aufstände niederzuschlagen. Aufhalten konnte er die Reformation jedoch nicht, denn nach seinem Tod blieben seine Herrschaften nur noch 8 Jahre lang katholisch.
Zum Wappen auf der anderen, heraldisch linken Seite: Ernst II. von Schönburg (1486-12.9.1534) heiratete 1526 Amalie (Amabilia) von Leisnig (1508-23.2.1560), die Tochter von Hugo Burggraf von Leisnig (21.6.1465-21.3.1538), dem letzten Burggrafen und Herrn der Herrschaft Penig, und Dorothea Schenk von Landsberg (-2.9.1535). Nach dem Tod des letzten Burggrafen fiel die Herrschaft zwar heim an die Wettiner, doch durch die Heirat hatte Ernst II. von Schönburg gute Karten, das Lehen zu erhalten, und so lief es dann auch: 1543 fand ein Tausch mit den Wettinern statt. Sachsen bekam die schönburgischen Herrschaften Hohnstein, Lohmen und Wehlen im Elbsandsteingebirge, die es gut zur Arrondierung gebrauchen konnte. Die Schönburger bekamen dafür die Herrschaften Zschillen und Penig als kursächsische Lehen. Aufgrund dieses Tausches erhielt Zschillen den Namen Wechselburg im Volksmund.
Das Wappen der Ehefrau ist das der Burggrafen von Leisnig, in der letzten und umfangreichsten Form, wie sie ihr Vater Hugo von Leisnig auch für seine Siegel im Zeitraum 1485-1493 geführt hatte, geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: in Gold ein schwarzer Schrägbalken, beiderseits begleitet von schwarzen, schräggeschnittenen Schindeln, Feld 2: rot-golden gespalten, Feld 3 hier golden-rot gespalten, eigentlich wie Feld 2, Herzschild: hier in Silber ein roter Löwe (Bedeutung und korrekte Tinkturen unklar). Dazu werden drei Helme geführt: Helm 1 (Mitte): auf dem gekrönten Helm ein Paar Büffelhörner, das rechte golden, das linke rot, die beide oben von einer goldenen Krone umfaßt werden (zu Feld 2 und 3), Helm 2 (rechts): auf dem ungekrönten Helm ein Schaft mit einem runden goldenen Schirmbrett, belegt mit dem schwarzen Schrägbalken und den Schindeln, ringsum von Pfauenspiegeln besteckt (zu Feld 1 und 4), Helm 3 (links): auf dem gekrönten Helm ein Flug, hier rechts golden und links rot, Helmdecken hier alle rot-golden (Tinkturen diskussionswürdig, zumindest die von Helm 2 müßten eigentlich schwarz-golden sein). In ähnlicher Form ist das Wappen am Rathaus Penig zu sehen, zur Diskussion des Wappens, seiner Geschichte und zur Übernahme durch andere Familien siehe dort.
Ein drittes Wappen gibt es auf der linken Seitenfläche der Erkerbrüstung; dort ist der Schild der Grafen von Rieneck (ohne Abb.) mit den neun golden-roten Teilungen ohne Oberwappen angebracht, für die Mutter von Ernst II. von Schönburg. Die gleiche Dreierkombination Schönburg, Rieneck und Leisnig ist ein zweites Mal an einem um 1525 entstandenen Astwerkportal mit Sitzkonsolen in den seitlichen Nischen angebracht (ohne Abb.). Weitere Wappen befinden sich innen auf den Schlußsteinen der Schloßkapelle, auf Schlußsteinen im ersten Geschoß des Ostflügels und am Kamin im spätgotischen Rittersaal (Schönburg und Rieneck).
Abb.: Hinterglauchau, vorspringener Nordflügel
1543 wurde die Herrschaft Remse hinzuerworben. 1548 kauften die Schönburger noch die Herrschaft Rochsburg hinzu (1547 offizielle Belehnung). Die Kinder aus der Ehe zwischen Ernst von Glauchau und Amalie von Leisnig teilten den Besitz wie folgt unter sich auf: Georg I. von Schönburg-Glauchau (1529-1585) übernahm den Stammsitz Glauchau und Remse und heiratete am 12.2.1551 Dorothea Gräfin Reuß zu Greiz (1523-1571). Hugo I. von Schönburg-Waldenburg (1530-1566) übernahm Waldenburg und Lichtenstein und heiratete am 22.4.1556 Anna Gräfin von Gleichen-Tonna (-1570). Und Wolf bzw. Wolfgang II. von Schönburg (30.10.1532-18.9.1581) wurde Herr von Penig, Wechselburg und Rochsburg und heiratete 1552 Anna Schenk von Landsberg (-13.9.1568). Die drei Brüder schlossen am 1.5.1556 einen entsprechenden Teilungsvertrag ab. Nur Hartenstein und Geringswalde blieben gemeinsames Eigentum und wurden als Ganerbschaft verwaltet.
In der ersten Linie zu Glauchau gab es nur eine Tochter, Margarethe von Schönburg-Glauchau (1554-1606), die 1572 Johann Georg I. Graf zu Solms-Laubach (1547-1600) ehelichte. Die 1610 erloschene Hauptlinie zu Glauchau war danach ein Übernahmekandidat durch die anderen beiden Linien, die Hinterglauchau und Forderglauchau neu besetzten. Die Söhne Wolfgangs III. (1556-1612) begründeten die Zweige Penig-Rochsburg (später Forderglauchau) und Wechselburg (später Hinterglauchau).
Am 2.12.1681 wurde innerhalb des Hauses Schönburg ein Teilungsvertrag geschlossen. Es entstanden zwei separate Teilherrschaften Forderglauchau und Hinterglauchau. 1683 wurde Forderglauchau noch einmal in die Herrschaft Penig und Herrschaft Wechselburg geteilt. Schönburg-Rochsburg erlosch 1825, Schönburg-Hinterglauchau erlosch 1900. Als letzter Graf von Schönburg-Hinterglauchau bewohnte Graf Richard Clemens (1829-1900) Schloß Hinterglauchau. Übrig blieb die Linie Schönburg-Forderglauchau mit Hauptwohnsitz in Wechselburg, die sich jetzt nur noch Schönburg-Glauchau nannte. Durch die Bodenreform verlor die Familie die Schlösser Wechselburg, Rochsburg und Glauchau, wobei letzteres schon seit 1940 als Museum genutzt wurde.
Abb.: Hinterglauchau, Ostansicht. Rechts der Erker mit den Wappen.
Literatur,
Links und Quellen:
Position in Google
Maps: https://www.google.de/maps/@50.8166818,12.5384194,18.25z - https://www.google.de/maps/@50.8166201,12.5382572,134m/data=!3m1!1e3
Die Schlösser auf den Seiten der Stadt
Glauchau: https://www.glauchau.de/glauchau/content/12/13112003173749.asp
Schloß Glauchau bei Schlösserland Sachsen: https://www.schloesserland-sachsen.de/de/schloesser-burgen-gaerten/schloss-glauchau/
Schloß Hinterglauchau bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Hinterglauchau
Schloß Forderglauchau bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Forderglauchau
Schloß Hinterglauchau auf Ebidat: https://www.ebidat.de/cgi-bin/ebidat.pl?id=3924
Familie von Schönburg: https://de.wikipedia.org/wiki/Schönburg_(Adelsgeschlecht) - Stammliste: https://de.wikipedia.org/wiki/Stammliste_des_Hauses_Schönburg
Michael Wetzel: Ernst II., Herr von Schönburg, in: Sächsische
Biographie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und
Volkskunde e. V.: http://saebi.isgv.de/biografie/Ernst_II.,_Herr_von_Schönburg_(1486-1534)
Genealogie von Ernst von Schönburg bei Graf von Polier: https://gw.geneanet.org/cvpolier?lang=en&n=von+schonburg&oc=0&p=ernst+ii.
Siebmachers Wappenbücher wie angegeben
Otto Hupp, Münchener Kalender 1898
Alfred F. Wolfert, Aschaffenburger Wappenbuch, Veröffentlichung
des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg e. V.,
Aschaffenburg 1983
Genealogie Ernst von Schönburg: https://www.geni.com/people/Ernst-ll-von-Schönburg-zu-Waldenburg-herr-von-Sch%C3%B6nberg/6000000003827496412
Ortsregister - Namensregister - Regional-Index
Zurück zur Übersicht Heraldik
©
Copyright / Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard
Peter 2020
Impressum