Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 2611
Nastätten (Rhein-Lahn-Kreis)
Grabplatten an der evangelischen Kirche Nastätten
Am Chor der evangelischen Kirche Nastätten sind im Zwickel zum Georg-Brandt-Haus einige Grabplatten angebracht, von denen zwei hier mit ihren Wappen vorgestellt werden. Die Inschrift der ersten Platte lautet: "ALHIER RUHET IN GOTT DIE HOCH/WOHL GEBOHRNE FRAUE FRAUE / AGNES VON WILCKE GEBOHRNE / VON BILDERBECQ ZU DEHRO LEB/ZEITEN DES HOCHWOHLGEBOHRNEN / HERRN HERRN OBRISTEN HENRICH / GODFRIED VON WILCKE HERTZ VIEL/GELIEBTE GEMAHLINNE WELCHE AN / DEM 22TEN FEBRUARY 1725 AL/HIER IN NASTETT IM HERREN / SEELIG VERSTORBEN".
Heinrich Gottfried von Wilcke war der Sohn des kurfürstlich sächsischen und königlich polnischen Generals Ernst Ludwig von Wilcke (1653-1725). Er trat 1705 in hessische Kriegsdienste ein. 1706 nahm er am Italien-Feldzug teil, anläßlich dessen er zum Major erhoben wurde. 1713 erfolgte die Beförderung zum Oberstleutnant. 1721 bekam er eine Position als Obrist und wurde zum Kommandeur des Leib-Füsilierregiments gemacht.
Seine für die Region relevante Leistung war 1734 die Einnahme der Festung Rheinfels und der Stadt St. Goar für Landgraf Wilhelm von Hessen-Kassel im Streit mit den Landgrafen Ernst und Christian von Hessen-Rheinfels um Übergabe der Festung an Hessen-Kassel gegen Zahlung von Unterhaltsgeldern. Die beiden hessischen Linien stritten sich damals angesichts der anrückenden Franzosen darum, ob und wenn ja, wer Truppen in die Festung Rheinfels legen durfte, und die kaiserlichen Truppen mischten auch noch mit und wollten die nun endlich anrückenden Truppen von Hessen-Kassel nicht in die Burg lassen, während die Franzosen schon bei Trarbach standen. Hessen-Kassel besaß immerhin vertragliche Besatzungsrechte bezüglich der Burg im Kriegsfall. Der Streit war so verfahren und bar jeder Vernunft, daß schließlich der kaiserliche Minister dem Landgrafen den Vorschlag machte, die Festung beim weiteren Vorrücken der Franzosen in die Luft zu sprengen, weil keine Einigung möglich schien. Erst als dem Kommandanten von Rheinfels, Marquis de Casselle, angedroht wurde, persönlich für den Verlust der Festung zur Verantwortung gezogen zu werden, wenn er die Befehle von Prinz Eugen nicht ausführe, lenkte er ein und ließ die Truppen von Hessen-Kassel ein. Unzweifelhaft hätte er lieber gesprengt als an Hessen-Kassel zu übergeben. Die Truppen des Oberst von Wilcke rückten ein, die kaiserlichen Regimenter rückten aus. Burg Rheinfels war zeitweise mit 3500 Mann besetzt, und 2000 Arbeiter kümmerten sich um den Ausbau der Festungswerke. Kommandant wurde Generalleutnant Christian Melchior Sigismund von Kutzleben. Erst Landgraf Constantin von Hessen-Rheinfels verzichtete 1754 auf die Rückgabe der immer noch von Hessen-Kassel besetzten Festung Rheinfels.
Heinrich Gottfried von Wilcke starb 1746 in Wolkramshausen (zu Bleicherode, Landkreis Nordhausen, Thüringen). Das von Oberst von Wilcke hinterlassene Stiftslehngut zu Wolkramshausen wurde nach ihm an den Kammerherrn Wilhelm Ludwig Heinrich von Wilcke sowie an den Hofrat Friedrich Ludwig Leopold von Wilcke verliehen. Das Wappen der von Wilcke ist im Siebmacher Band: Sa Seite: 52 Tafel: 61 zu finden: In Silber ein dem Betrachter zugewandter, sich aus blauen Wellen oder einem grünen Fuß erhebender naturfarbener, laubbekränzter und bärtiger wilder Mann, der in der Rechten ein goldenes Zepter hält, auf dem gekrönten Helm mit grün-silbernen Decken ein naturfarbener Pfauenfederbusch. Das Wappen der von Wilcke wird im Rietstap mit der Herkunft "Saxe" (Sachsen) im Rietstap etwas anders angegeben: "D'argent à un sauvage issant de carnation ceint et couronné de lierre tenant un sceptre d'or et mouv. d'une champagne de sinople. Casque couronné. Cimier une queue de paon au naturel. Lambrequin d'argent et de sinople". Bei der hiesigen Darstellung neigt man eher zur Interpretation eines Wellenschildfußes, aus dem sich der Mann erhebt.
Heinrich Gottfried von Wilcke hatte Agnes von Bilderbeck (de Bilderbecq) geheiratet, die Tochter des Residenten der niederländischen Generalstaaten in Köln, Heinrich (Hendrich) von Bilderbeck. Das Paar hatte fünf Kinder: Ernest Heinrich, Henrica, Louisa Sophia, Wilhelm Friederich und Philippina Charlotta von Wilcke. Das Wappen der von Bilderbeck (de Bilderbecq) ist geteilt, oben ein nach links laufendes Pferd, unten ein gezinntes Kastell mit Tor und zwei Zinnentürmen (nicht in den Standardsammlungen enthalten, Tinkturen unbekannt, Hinweise und Nachweise in der Literatur willkommen).
Die zweite Platte (Abb. unten) für Johann Jost Vietor (24.6.1632-7.2.1700) und seine Frau Christina Margaretha Junior (11.3.1634-) trägt folgenden Inschriftstext: "HI(E)R RUHET DER WOHLEDLE / HERR IOHANN JOST VIETOR / 34 JAHR GEWESENER GESAMBT / KELLER DES HOHEN HOSPITALS / GRONAU ZU MARBURG GEBOHREN / UND ZU NASTETT(EN) DEN 7 FEB(RUAR) AN(N)O 1700 / SANFFT ENTSCHLAFFEN WAR AET(ATIS) 67 / JAHR 7 M(ONATE) 22 TAG(E) DESSEN HAUSFRAU / DIE TUGENTSAME FRAU CHRISTINA / MARGRETHA GEBOHR(E)NE JUNIORIN VON / ST GOAR HABEN IN DER EHE GELEBT 34 JAHR / 28 TAG(E) ERZI(E)HLET 3 SÖHN(E) UND 3 TÖCHTER / GOTT VERLEYHE IHM EINE FRÖ(H)LICHE AUFF/ERSTEHUNG / L TEX XXV PESAL / NACH DIR HERR VERLANGET MICH MEIN / GOTT". Der letzte Satz ist aus Lutherbibel, Psalm 25, 1-2: "Von David. Nach dir, Herr, verlangt mich. Mein Gott, ich hoffe auf dich; laß mich nicht zuschanden werden, daß meine Feinde nicht frohlocken über mich."
Johann Jost Vietor war der Sohn von Johann Christian Vietor d. Ä., Medicinae Candidatus und Rentschreiber zu Marburg, und Anna Margaretha Walters, der Tochter des Kasseler Bürgermeisters Georg Walters. Der Großvater väterlicherseits des Probanden war Theodor Vietor, der 1560 in Lich geboren wurde und zum Studium nach Marburg ging. Christina Margaretha Junior war die Tochter von David Junior, Stadtschultheiß von St. Goar. Der Sohn des Probanden war Johann Christian Vietor (1673-) d. J., welcher Anna Kordula Conradin aus Michelstadt heiratete. Deren Sohn war wiederum Johann Martin Vietor (1703-), von dem Johann Georg Vietor abstammt. Das Wappen Vietor zeigt zwei schräggekreuzte Werkzeuge, die Küferhämmern ähneln, auf dem Helm ein wachsender Jüngling, der mit den Händen ein Band über den Kopf spannt. Das Wappen Junior zeigt einen geteilten Schild, oben unter einem Haupt vier Pfähle, unten ein Schräggitter, auf dem Helm drei gestielte und beblätterte Rosen. Die beiden bürgerlichen Wappen von offensichtlich nur lokal begrenzter Bekanntheit sind nicht in den Standardsammlungen enthalten, Tinkturen unbekannt, Hinweise und Nachweise in der Literatur willkommen.
Literatur,
Links und Quellen:
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https://www.google.de/maps/@50.2007917,7.8536518,20z - https://www.google.de/maps/@50.2006612,7.8536546,34m/data=!3m1!1e3
Heinrich Gottfried Wilke, in den Hessischen Biographien https://www.lagis-hessen.de/pnd/1096366630
Carl von Stamford: Ernst Ludwig von Wilcke, in: Allgemeine
Deutsche Biographie 42 (1897), S. 477-479 https://www.deutsche-biographie.de/pnd139106022.html#adbcontent
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