Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 2542
Neckarwestheim (Landkreis Heilbronn)
Schloßkapelle Liebenstein
Das Kleinod unter den Einzelbauten von Schloß Liebenstein stellt die Schloßkapelle dar. Sie befindet sich an der tiefsten Stelle des Schloßgeländes im Norden, an die Ringmauer angelehnt. Diese Kapelle wurde 1599 vom Heilbronner Baumeister Jacob Müller erbaut. Dieser Jacob Müller schuf auch das Doppelgrabmal für Bernhard von Liebenstein und seine Frau in der Kirche von Bönnigheim. Das Kirchengebäude weist selbst noch Stilelemente der Gotik auf wie Fenster mit Spitz- und Kielbogenabschluß und spätgotisches Maßwerk. Es erhält seine kunstgeschichtliche Bedeutung aber durch den phantastischen und qualitätvollen Renaissance-Bauschmuck mit vielen plastischen Bildhauerarbeiten, profilierten Rundbogenportalen, Voluten, Obelisken, Masken, Kugeln und Halbsäulen. Das eigentlich Verwunderliche ist, daß diese Kirche von Anfang an protestantisch war, aber überhaupt gar nichts von der späteren Schlichtheit protestantischer Andachtsräume an sich hat.
Abb. Mitte: Schloßkirche. Beide Abb. außen: Hermenpilaster aus der untersten Giebelzone.
Die Kapelle ist eines der wenigen noch erhaltenen Gebäude der württembergischen Renaissance. Sie ist eine der aufwendigsten Schloßkapellen und hatte seinerzeit vermutlich die Stuttgarter Schloßkirche zum Vorbild. Wegen der außerordentlichen Qualität und der kunsthistorischen Bedeutung ist nachfolgend die Photo-Dokumentation etwas ausführlicher. Die Kapelle selbst besitzt einen fast quadratischen Grundriß. Im Osten ist ein achteckiger Chorturm angebaut, der nach Westen zum Innenraum hin offen ist. Begonnen wurde die Schloßkapelle bereits unter Bernhard von Liebenstein (-1596), Obervogt in Lauffen. Der Schlußstein des Turmgewölbes trägt die Datierung auf das Jahr 1599, außerdem nennt er rings um das farbig gefaßte Vollwappen der Familie (ohne Abb.) die vier Bauherren: Albrecht von Liebenstein (-1608) vom Oberen Schloß, Sohn Bernhards und ebenfalls Obervogt in Lauffen, sowie die drei Brüder Johann Philipp, Raban und Konrad von Liebenstein vom Unteren Schloß. An der Westseite ist ein runder Treppenturm angebaut. Die beiden Türme trugen ursprünglich jeweils eine welsche Haube; die derzeitigen Dächer sind nicht original und passen nicht zum Gesamtstil.
Abb.: Giebel der Schloßkirche. Links Treppenturm, rechts Chorturm.
Die im unteren Giebelgeschoß angebrachten Schmucksäulen der Fassade tragen oben phantasievolle Kapitelle und unten Basen mit grotesken und menschlichen Gesichtern sowie Löwenmasken; der Schaft ist mit zartem Beschlagwerk geschmückt. Sich nach oben verbreiternde Hermenpilaster sind mit Löwenmasken und Fruchtgirlanden auf dem Schaft belegt, ehe sich das Brustbild über Rollwerk erhebt. In den Flächen dazwischen befinden sich zwei äußerst plastische Reliefs mit Brustbilddarstellungen von für das Christentum bedeutenden geschichtlichen Persönlichkeiten, von Rollwerkrahmen eingefaßt. Man sieht rechts "CAROLVS MAGNVS" (Karl der Große) mit Schwertgriff und Krone, und links "DAVID REX" (König David) mit der Harfe und einer Heidenkrone. Die Fläche um die eingesetzten Reliefs war noch mit Ornamentik bemalt, was noch teilweise zu erkennen ist. In der Mitte dieser ersten Zone ist ein doppeltes Kielbogenfenster angebracht, seitlich von Halbsäulen gerahmt und in der Mitte durch einen Hermenpilaster voneinander getrennt. In der zweiten Giebelzone tragen vier mit Löwenmasken geschmückte Konsolen ein Zwischengesims unterhalb der beiden weiter auseinander stehenden Kielbogenfenster, mit zwei großen Pilastern seitlich und zwei kleinen Pilastern darüber beiderseits der Uhr.
Abb.: Giebel der Schloßkirche, zweite Zone
Abb.: Giebel der Schloßkirche, Ziffernblatt von vier Liebenstein-Wappenschilden umgeben.
Das Ziffernblatt wird von insgesamt vier Liebenstein-Wappenschilden in den Zwickeln umgeben, entsprechend den vier Bauherren dieser Schloßkirche. Die dritte Giebelzone besitzt ein Rundfenster zwischen zwei Karyatiden, die unten in Löwenpranken auslaufen. Der gesamte Giebel trägt sechs Obelisken auf Diamantbossensockeln und hat seitlich vier nach oben gebogene "Hörner" und insgesamt 16 Voluten, in verschiedenen Drehrichtungen. 34 Löwenmasken, menschliche und groteske Gesichter zählt man allein im Giebel, dazu kommt die den Giebel bekrönende Christus-Standfigur, und mit den ganzen Obstgebinden würde es für mehrere Marktstände reichen.
Abb.: Giebel der Schloßkirche, Reliefs aus der untersten Giebelzone, links König David, rechts Karl der Große.
Auf der Südseite befinden sich insgesamt drei Portale. Das mittlere und größte führt in das Kirchenschiff; über dem Portal sieht man das Vollwappen der Herren von Liebenstein, eingepaßt in einen kreisrunden Rollwerkrahmen. Zu beiden Seiten sieht man Löwenmasken, Fruchtgebinde und menschliche Köpfe, unter dem schmalen Gesims geflügelte Putten, die das leere Inschriftenfeld seitlich halten. Das unter dem Gebälk befindliche Rundbogenportal mit üppig gestalteten Profilen besitzt einen besonders schönen Schlußstein mit oben nach hinten und unten nach vorne eingerolltem Abschluß und einem geflügelten Engelskopf auf der Stirnfläche. Der eigentliche Kämpfer mit Diamantbossenverzierung auf der Vorderseite scheint darüber zu schweben. Auch die beiden seitlichen Kämpfer über den Säulen tragen diese Diamantbossenverzierung. Die Zwickel des Portals tragen jeweils ein von Beschlagwerk umgebenes ovales Medaillon, das über den äußeren Bogenrand hinausragt und vor den Profilen des Bogens übersteht, nicht aber über den inneren Bogen hinausreicht. Die Säulen rechts und links des Portals sind auf dem Schaft kanneliert und besitzten unten Abschnitte mit je drei in Beschlagwerk eingebetteten Masken; und ganz unten laufen diese Abschnitte in einen Löwenfuß mit Zehen und Krallen aus, ehe sie sich zum letzten breiteren Ring weiten, der auf dem viereckigen Basispodest aufliegt, das mit weiteren drei Masken verziert ist. 27 Löwenmasken, menschliche und groteske Gesichter zählt man an diesem Portal. Im Innern des Kirchenraumes findet man korinthische Säulen und Kämpfer des Deckengewölbes, die prächtig mit Reliefdarstellungen und Engelsköpfen geschmückt sind. Einst gab es wegen der Teilung des Schloßbereiches in Oberes und Unteres Schloß zwei Herrschaftsemporen, aber nur die südliche ist noch erhalten geblieben.
Schloßkirche, mittleres Hauptportal. Abb. links: Gesamtansicht. Abb. rechts: unterer Abschnitt der rechten Halbsäule.
Schloßkirche. Abb. links: mittleres Hauptportal, Detail vom Aufsatz. Abb. Mitte: mittleres Hauptportal, Detail der Halbsäule. Abb. rechts: linkes Nebenportal, Hermenpilaster.
Die Meisterschaft dieses Portals erkennt man an so waghalsigen Details wie vollplastisch in den Raum vor die kannelierten Säulen gesetzten Schneckenornamenten mit durchgehenden Öffnungen zwischen den einzelnen Teilen und einer weiteren Maske auf der dünnen freitragenden konvexen Außenseite.
Abb.: Schloßkirche, mittleres Hauptportal, Wappenzone mit dem Liebenstein-Vollwappen, dreimal silbern-schwarz geteilt, auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein dreimal silbern-schwarz geteiltes Paar Büffelhörner.
Detailvergrößerung des Liebenstein-Wappens.
Abb.: Schloßkirche, mittleres Hauptportal, Bogenzone mit Schlußstein und Zwickelmedaillons.
Abb.: Schloßkirche, mittleres Hauptportal, Zwickelmedaillons.
Schloßkirche, mittleres Hauptportal. Abb. links: Schlußstein des Rundbogens, Abb. rechts: die Halbsäule endet unten in einer Löwenpranke.
Abb.: Schloßkirche, mittleres Hauptportal, Detail einer Halbsäule.
Schloßkirche, mittleres Hauptportal. Abb. links: unterer Abschluß des Bogenprofils. Abb. rechts: Sockel einer Halbsäule.
Beide Abb.: mittleres Hauptportal, Details der beiden flankierenden Halbsäulen.
Über dem linken, westlichen Eingang sieht man eine Reliefdarstellung des bärtigen heiligen Jakobus ("SANCT IACOBVS"), zu erkennen an Pilgerstab mit Pilgerflasche über der linken Schulter und Jakobsmuschel über der rechten Schulter. An einem über die rechte Schulter laufenden Schnallenriemen hängt an der linken Hüfte die Pilgertasche vor dem faltenreichen Gewand. Mit der Rechten hält er ein aufgeschlagenes Buch, aber er blickt nicht ins Buch, sondern den Betrachter gerade an. Vielleicht ist das eine Erinnerung an ein berühmtes Familienmitglied, Jakob von Liebenstein, der vier Jahre lang auf dem erzbischöflichen Stuhl von Mainz saß. Über der kreisrunden Rollwerkeinrahmung ist ein geflügelter Engelskopf zu sehen. Seitlich füllen Fruchtgebinde (mit besonderer Hingabe sind die Details aufgeplatzter Früchte mit ihrem Inhalt herausgearbeitet) die Zwickel zum auf den Kreuzungspunkten mit Rosen belegten Beschlagwerk. Der letzte Schnörkel außen schließt jeweils eine weitere phantasievolle groteske Maske ein. Das Portal wird flankiert von zwei Hermenpilastern auf Basispodesten, deren Stirnseite jeweils eine Löwenmaske mit Ring in der Schnauze ziert. Die Vorderseite der Pilaster ist mit Fruchtgebinden und grotesken Masken verziert, man sieht einen bärtigen Satyr mit Büffelhörnern an der Stelle, wo sich das Beschlagwerk zu zwei seitlichen Voluten teilt. Die Zwickel des Portals tragen Beschlagwerkmedaillons mit plastischen Köpfen im Zentrum; zwischen die Elemente des Beschlagwerks sind Girlanden und Fruchtgebinde gehängt. 14 Löwenmasken, menschliche und groteske Gesichter zählt man an diesem Portal. Dieser linke Eingang führt in einen in das Gebäude integrierten Treppenturm, von dessen Schneckenspindel aus man in die beiden Herrschaftslogen (nur noch eine vorhanden) und in das Dach kommt.
Beide Abb.: linkes Nebenportal der Schloßkirche, links Gesamtansicht, rechts Detail.
Abb.: linkes Nebenportal der Schloßkirche, Aufsatz mit Medaillon des hl. Jacobus.
Abb.: linkes Nebenportal der Schloßkirche, Aufsatz, Detail.
Abb.: linkes Nebenportal der Schloßkirche, Detail des hl. Jacobus mit Pilgerflasche und Pilgermuschel.
Abb.: linkes Nebenportal der Schloßkirche, linker Zwickel.
Abb.: linkes Nebenportal der Schloßkirche, rechter Zwickel.
Ein drittes Rundbogenportal befindet sich auf der rechten Seite, es ist das schlichteste von allen drei und weist dennoch ebenfalls schöne Schmuckelemente auf wie den mit einem Gesicht verzierten und schneckenförmig eingerollten Schlußstein und die beiden seitlichen, sich nach oben verbreiternden Pilaster auf Sockeln mit Löwenmasken. Die Rollwerkeinfassung über dem Gebälk ist jedoch leer. Vergleichsweise wenig, nur 5 Löwenmasken, menschliche und groteske Gesichter zählt man an diesem Portal.
Abb. links: rechtes Nebenportal der Schloßkirche, Gesamtansicht. Abb. Mitte: dito, Detail. Abb. rechts: linkes Nebenportal, Detail.
Die Kapelle war im 19. Jh. stark verfallen und wäre beinahe auf Abbruch verkauft worden, es scheiterte allein am mangelnden Kaufinteresse. Im 20. Jh. wurde die Kirche mehrfach renoviert, zuletzt umfassend 1972-1976 und dann noch einmal um 2013. In der Schloßkirche befindet sich aber nicht die Grablege der Herren von Liebenstein, die ist bis 1666 im Dominikanerinnenkloster, das Albert (Albrecht I.) von Liebenstein mit Einwilligung seines Sohnes Albrecht II. 1261 im Itzinger Hof gestiftet hatte. Ein in der Schloßkapelle aufgestelltes Steinbild Konrads von Liebenstein (-4.3.1620) stammt vom früheren Kirchhof des Klosters im Itzinger Hof.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google maps:
https://www.google.de/maps/@49.0365004,9.1940971,17z - https://www.google.de/maps/@49.0366119,9.1938728,162m/data=!3m1!1e3
Schloß Liebenstein auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Liebenstein
Adelsgeschlecht von Liebenstein auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Liebenstein_(Adelsgeschlecht)
Schloß Liebenstein auf den Seiten von Neckarwestheim: https://www.neckarwestheim.de/index.php?id=96
auf dem Schloßgelände angebrachte Hinweistafeln
Hotel und Restaurant Schloß Liebenstein: https://schloss-liebenstein.de/ - https://schloss-liebenstein.de/hotel-restaurant.html - Geschichte: https://schloss-liebenstein.de/das-schloss/zeitreise.html
Wolfgang Willig, Landadel-Schlösser in Baden-Württemberg, eine
kulturhistorische Spurensuche, 1. Auflage 2010, ISBN
978-3-9813887-0-1, S. 351
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