Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2523
Wasungen (Landkreis Schmalkalden-Meiningen, Thüringen)

Das Damenstift in Wasungen (Untertor 1)

Das markante historische Gebäude am Untertor 1 befindet sich in einem Bereich der Nord-West-Ecke der Stadtmauer, wo sich früher als Vorgängerbau ein befestigter Adelssitz der Marschalk von Ostheim befand, der aus Wehranlagen und einer Kemenate bestand. Von der Stadtmauer haben sich Reste an der Südwestecke erhalten. Die Reste des Vorgängerbaus wurden beim Neubau des Stifts mitverwendet; man kann sie im Erdgeschoß sehen. Weiterhin kann man im Inneren noch die historischen Stuckdecken sehen. Früher war das Gebäude mit einer hohen Mauer umgeben, diese wurde im 19. Jh. auf "normales" Maß abgesenkt.

Das ehemalige Damenstift besitzt ein massiv gebautes Erdgeschoß und über dem Gurtgesims ein Fachwerkobergeschoß. An der Giebelseite sieht man kräftiges diagonales Strebenwerk in symmetrischer Anordnung, in der Höhe jeweils versetzt. Die Traufseite besitzt in den Brüstungsfeldern geschweifte Schragenkreuze mit "gotischen Nasen", die in die Brüstungsfelder hineinragen. Das Fachwerk ist sehr kunstvoll ausgeführt; die Eckständer tragen als Schnitzornamente Säulen mit Doppelspirale, und Rähm, Saumschwelle und Füllhölzer sind mit Zahnfries, Rundstab und Taustab dekoriert. Das Tor ist nicht bauzeitlich, sondern entstand zwei Jahrhunderte später, nämlich 1787.

Bernhard Marschalk von Ostheim, der einzige je existierende Statthalter der gefürsteten Grafschaft Henneberg, ließ das Gebäude 1596 errichten. Wasungen gehörte seit 1274 der Grafenlinie Henneberg-Schleusingen, die bis 1583 Hoheit über die von ihnen zur Stadt erhobenen Siedlung innehatten. Ab 1583 (Erlöschen des Grafenhauses) wurde Wasungen genau wie der Rest der Grafschaft von den ernestinischen und albertinischen Sachsenherzögen gemeinsam verwaltet, und bei der 1660 erfolgten Realteilung der gefürsteten Grafschaft Henneberg kam Wasungen zu Sachsen-Gotha, 1680 an Sachsen-Meiningen. Bernhard Marschalk von Ostheim stand also zum Zeitpunkt der Gründung der Stiftung genaugenommen in Diensten der gemeinsamen Verwaltung durch die Sachsenherzöge innerhalb der noch ungeteilten Grafschaft Henneberg, deren namengebende Grafen 13 Jahre zuvor erloschen sind. Weil das Reichsterritorium zu dem Zeitpunkt aber noch eigenständig war, war er auch weiterhin Statthalter dieser Grafschaft.

Bernhard Marschalk von Ostheim (5.6.1532-7.10.1604), Sohn von Hieronymus Marschalk von Ostheim, Würzburger Rat und Amtmann von Maßfeld und Meiningen, und Brigitta von Leonrod, verwitwete Truchseß, hatte zwar 1559 Christine Brigitte von Buchenau geheiratet, aber keine Kinder. Deshalb wandelte er seinen Besitz in zahlreiche Stiftungen für Bedürftige um. Auch das Walldorfer Hospital gehört zu seinen Stiftungen. Am alten Familiensitz in der Stadt baute er dieses neue Damenstift, ausgestattet mit 8000 fl. Stiftungskapital. Bernhard Marschalk von Ostheim liegt in der Kirchenburg Walldorf an der Werra begraben. Die Zielgruppe seiner Stiftung waren verarmte und bedürftige unvermählte adelige Damen. Die Kapitalerträge reichten anfangs zur Unterbringung und Versorgung von vier Sozialfällen aus. Die erste Stiftsdame, die 1601 das Gebäude bezog, war Anna Maria von Trott zu Solz. Erst die spätere Aufstockung des Stiftungskapitals durch andere Wohltäter besserte die Versorgungslage und ermöglichte die Unterstützung einer größeren Anzahl von Sozialfällen. Eine wichtige Gönnerin war Herzogin Louise Eleonore von Sachsen-Meiningen, die 1817 so viel spendete, daß der Name geändert wurde in "Herzoglich-Sächsisches Louisen-, Freiherrlich Marschalk&rsquosches Damenstift Wasungen".

Bis 1931 wurde das Gebäude in dieser Funktion als freiweltliches evangelisches Frauenstift genutzt. Die letzte Bewohnerin war Emilie Karoline Ida von Stein-Liebenstein. Ein Problem war das gleichbleibende Stiftungskapital, weil weitere Zustiftungen nicht mehr stattfanden. Die Teuerung reduzierte die Anzahl der finanzierbaren Sozialfälle, so daß das Stift nach dem Tod der letzten Bewohnerin aufgelöst wurde. Das Stift wurde von der Stadt übernommen, die in dem Gebäude Wohnungen einrichtete. 1995-1996 wurde das Damenstift restauriert. Heute dient das Gebäude als Tourist-Information der Stadt Wasungen und als Stadtmuseum (1. Obergeschoß); weiterhin sind hier das Stadtarchiv und das Thüringische Karnevalsmuseum untergebracht. Im Keller befindet sich ein Lapidarium.

Am im Osten vorgebauten, vierstöckigen Treppenturm, der auf achteckigem Grundriß errichtet wurde und eine geschweifte verschieferte Haube besitzt, ist über dem Renaissance-Portal das Wappen des Erbauers Bernhard Marschalk von Ostheim angebracht, in Silber ein schwarzes Tischgestell (Tischfuß) in altmodischer Form, auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken wachsend ein schwarzer Brackenrumpf, der einen silbernen, oben mit drei schwarzen Hahnenfedern besteckten Rundhut trägt. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: Pr Seite: 288 Tafel: 341, im Rahrbach S. 159-161 und im Schöler, Familienwappen S. 73 Tafel 134. Die Familie ist 1903 im Mannesstamm erloschen. Elemente aus dem Wappen sind in einigen Ortswappen zu sehen (z. B.: Saal an der Saale im Landkreis Rhön-Grabfeld, Lisberg im Landkreis Bamberg).

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@50.6652049,10.3665695,18.95z - https://www.google.de/maps/@50.6651715,10.3665279,141m/data=!3m1!1e3
Hinweistafel am Gebäude
Wasungen:
https://www.thueringen.info/wasungen.html
Wasungen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wasungen - Geschichte: https://de.wikipedia.org/wiki/Wasungen#Geschichte - Damenstift: https://de.wikipedia.org/wiki/Wasungen#Damenstift_Wasungen
Maria Kästner, Birgit Jünger: Ehemaliges Damenstift Wasungen, Stadtmuseum, Schnell Kunstführer Nr. 2269, Regensburg 1996
Bernhard Marschalk von Ostheim:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_Marschalk_von_Ostheim
Marschalk von Ostheim:
https://de.wikipedia.org/wiki/Marschalk_von_Ostheim
Stadtmuseum Wasungen:
http://www.stadtgeschichte-wasungen.de/index.php/stadtmuseum
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag Degener / Bauer Raspe, Neustadt an der Aisch, 3. Aufl. 1999, Nachdruck 2002, ISBN 3-87947-112-6
Anton P. Rahrbach, Reichsritter in Mainfranken. Zu Wappen und Geschichte fränkischer Adelsfamilien. Bauer & Raspe Verlag - Die Siebmacherschen Wappenbücher, die Familienwappen deutscher Landschaften und Regionen, Band 2, 2003, ISBN 3-87947-113-4

Ortsregister - Namensregister - Regional-Index
Zurück zur Übersicht Heraldik

Home

© Copyright / Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2018
Impressum