Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 2516
Kochendorf (zu Bad Friedrichshall, Landkreis Heilbronn)
historisches Rathaus in Kochendorf
Kochendorf besitzt eines der schönsten Fachwerk-Rathäuser Baden-Württembergs. Es steht an der Kreuzung der abknickenden Hauptstraße und der Neuendorfer Straße, südlich der Meierei von Schloß Lehen. Besonders malerisch ist der seitliche überdachte hölzerne Treppenaufgang des 1597 errichteten Gebäudes, der auf der Südseite in den ersten Stock führt. Auf dem hohen steilen Dach trägt ein Dachreiter die Glocke. Am südöstlichen Eckpfosten waren früher das Eisen- und das Stehbrett des Prangers angebracht. Darüber sind ein Neidkopf und die Jahreszahl 1597 zu sehen. In den unteren Räumen befanden sich früher eine Arrestzelle und eine Polizeistube.
Das Wappen über der zweiten Toreinfahrt auf der Giebelseite zeigt auf einem nicht signifikanten silbernen Rückschild mit Rollwerk den von zwei grünen Lorbeerzweigen eingerahmten blauen Schild mit einem silbernen, aufspringenden Pferd vor drei grünen Bäumen, die in der linken Schildhälfte aus braunem Schildfuß hervorwachsen. Die Besonderheit dieses Wappens ist, daß es sich hier weder um ein Familienwappen noch um ein kommunales Wappen handelt, sondern um das eines Ritterkantons, nämlich des Ritterkantons Odenwald. Es ist eine große Besonderheit, daß sich hier am ehemaligen "Regierungssitz" des Ritterkantons Odenwald das Wappen bis heute erhalten hat. Die unheraldischen Farben und die malerische Komposition insgesamt sind vor dem Hintergrund der Entstehung dieser Wappen in der Barockzeit zu sehen.
Zuerst hatte der Ritterkanton seinen Kanzleisitz in Mergentheim. Danach verlegte man um 1720 mit Erlaubnis des Rates seine Kanzlei und sein Archiv in die Reichsstadt Heilbronn. Der Grund für die Verlegung war, daß man konfessionell nicht katholisches Gebiet für seinen Sitz haben wollte, denn die Mehrheit der tonangebenden Ritterfamilien war protestantisch, es gab nur eine wichtige katholische Familie in der Odenwälder Ritterschaft, die Echter von Mespelbrunn. In Heilbronn war man in guter Gesellschaft der Ritterschaft des Kraichgaus, die ebenfalls ihren Sitz in der Stadt hatte. Konfliktfrei war das Verhältnis zur Stadt allerdings nicht, vor allem war für die freien Reichsritter schwer verdaulich, daß die Stadt von den ritterschaftlichen Bediensteten Schutzgeld erhob. 1762 konnte der Ritterkanton Odenwald Besitz in Kochendorf erwerben und verlegte 1764 seinen Sitz dorthin.
Der Letzte der Greck von Kochendorf im Mannesstamm war der kurbayerische Oberst Wolf Conrad V. (1672-1749), 1732 vermählt mit Isabella Elisabeth Teuffel von Birkensee (1709-1781). Er hatte eine Tochter, Juliana Isabella Charlotte Greck von Kochendorf (1740-1786), die 1760 Christoph Wilhelm von Massenbach heiratete. Nach seinem Tod fiel das Reichslehen mit dem Lehenschloß an den Kaiser zurück und wurde von diesem am 9.12.1749 an Reinhard von Gemmingen-Hornberg (-11.1.1750) neu vergeben, der seit 1717 Ritterhauptmann des Ritterkantons Odenwald war. Das Reichslehen wurde ihm und seiner Familie privat, nicht dem Kanton verlehnt. Anders verlief das mit dem Eigenbesitz der Greck von Kochendorf: Für die ihnen gehörenden zwei Drittel der Herrschaft über Kochendorf wurde von einer kaiserlichen Sequestrationskommission Juliana Isabella Charlotte Greck von Kochendorf als alleinige Erbin des letzten Greck eingesetzt. Sie verkaufte am 28.6.1762 das Greckenschloß an den Ritterkanton Odenwald mitsamt den ererbten zwei Dritteln von Kochendorf für 100 000 fl. Bereits 1761 hatte der Ritterkanton das St. Andrésche Drittel erworben, das von den Greck 1672 an die von St. André verkauft worden war. Die Kantonskanzlei nahm ihren Sitz im Greckenschloß und machte den Ort Kochendorf zum Verwaltungsmittelpunkt des Kantons. Diskussionen gab es, weil der Ritterkanton gerne auch die Blutgerichtsbarkeit gehabt hätte, doch die war mit dem Reichslehen verbunden und in der Hand der Freiherren von Gemmingen. Erst 1784 wurde dem Kanton der alleinige Blutbann über Kochendorf zugesprochen. Dafür wurde das Schloßlehen auf niedere Gerichtsbarkeit herabgestuft. Das war für die von Gemmingen aber nicht schlimm, weil die Familie die beiden letzten Ritterhauptleute vor der Auflösung der Ritterschaft stellte. 1805/1806 gelangte das ritterschaftliche Kondominat der von Gemmingen und des Ritterkantons Odenwald im Zuge der Mediatisierung an Württemberg. Am 18.3.1806 wurde Kochendorf dem neu geschaffenen Oberamt Neckarsulm zugewiesen.
Liste der Ritterhauptleute im
Kanton Odenwald seit 1542:
Graf Philipp von Rieneck, amtierte 1542
Sebastian Rüdt von Bödigheim, amtierte vor 1559
Albrecht von Rosenberg (-1572), amtierte 1560-1572
Sebastian von Crailsheim zu Morstein, amtierte 1574-1585
Bernhard von Hutten (-1613, abwechselnd mit Konrad von Vellberg
und Hans Georg von Berlichingen), amtierte 1584-1613
Albrecht Christoph von Rosenberg (-1619), amtierte 1613-1618
Hans Philipp von Crailsheim, amtierte 1622-1628
Wolf von Crailsheim, amtierte 1628-1629
Albrecht Christoph von Rosenberg (-1632), amtierte 1629-1632
Valentin Heinrich Rüdt von Bödigheim und Collenberg, amtierte
1632-1633
Johann Kaspar von Herda zu Domeneck und Züttlingen, amtierte 1640-1651
Weiprecht von Gemmingen zu Hornberg (21.10.1608-21.3.1680,
amtierte 1652-1680
Hans Christoph von Adelsheim, amtierte 1678-1686
Hans Christoph Wolfskeel, amtierte 1686-1694
Albrecht Ludwig von Eyb (1639-1715), amtierte 1694-1715
Reinhard von Gemmingen zu Hornberg (5.11.1677-11.1.1750),
amtierte 1717-1750
Meinhard Friedrich Franz Rüdt von Collenberg (1720-1789),
amtierte 1750-1777, stürzte den Kanton durch finanzielle
Machenschaften in eine tiefe Krise, trat zurück
Philipp von Gemmingen zu Guttenberg (22.7.1702-20.2.1785),
amtierte 1777-1785
Karl Friedrich Reinhard von Gemmingen zu Bonfeld-Oberschloß
(21.2.1739-3.6.1822, amtierte 1786-1806
In den einschlägigen Wappenwerken (Siebmacher, Rietstap etc.) wird diese Wappengattung völlig ausgespart. Den frühesten Literaturbeleg, daß die reichsritterschaftlichen Kantone überhaupt Wappen führten, ist in einem Werk von Johann Stephan Burgermeister zu finden (Corpus Juris, 1707) zu finden, aber ohne Abbildung. Im Codex diplomaticus equestris cum continuatione vom gleichen Autor hingegen werden im Jahre 1721 die Wappen der Kantone abgebildet, in einer Illustration von Elias Daniel Süssen. Der Kanton Odenwald ist mit dem Pferd vor Bäumen vertreten. Der Kanton Gebürg besitzt ein geviertes Wappen, Feld 1 und 4: Drachentöter zu Pferde, Feld 2 und 3: bedachter Turm mit zwei Fenstern und einer Tür auf einem Dreiberg. Der Kanton Rhön-Werra hat in Blau einen auf Wolken am linken Schildrand hervorkommenden Arm, der ein Bündel Pfeile hält. Der Kanton Steigerwald führt ein Einhorn auf einem Boden vor Bäumen. Der Kanton Altmühl hat einen Drachentöter zu Pferde. Das Bild des Ritters zu Pferde, der einen am Boden sich windenden Drachen oder Lindwurm mit der Lanze erlegt, findet sich sehr oft, so auch für den Ritterkanton Baunach als Herzschild über einem schrägrechten Wellenbalken und für den Ritterkanton Niederrhein als Brustschild auf dem Doppeladler des Reichs, ebenso für den Kanton Oberrhein. Die Ritterschaft des Mittelrheins und der Wetterau führt einen gevierten Schild, Feld 1: schwarzer Doppeladler des Reichs, Feld 2: der heilige Georg, Feld 3: ein Burgtor mit zwei Türmen, Feld 4: ein Löwe, von einem Schrägbalken überdeckt. Ganz ähnlich sieht übrigens das Wappen der Burg Friedberg aus. Da sich die Ritterkantone aus den vorangehenden Rittergesellschaften entwickelten, wurden manchmal die Wappen derselben für den jeweiligen Kanton übernommen, so ging z. B. das Wappen der "Gesellschaft mit dem Falken" bzw. "Gesellschaft mit dem Fisch und Falken" in den schwäbischen Kanton Hegau, Allgäu und Bodensee ein, bereichert um Schwert und Zepter schräggekreuzt in der Mitte, überhöht von einem roten Schildchen mit silbernem Tatzenkreuz. Ähnlich ist das Wappen des Kantons Donau aufgebaut, Zepter und Schwert schräggekreuzt, oben begleitet von einer Laubkrone, unten von einem roten Schildchen mit silbernem Tatzenkreuz. Der Ritterkanton Kraichgau übernahm den Esel von der früheren "Gesellschaft mit dem Esel", ggf. auch als Brustschild auf den Reichsadler gelegt. Der Kanton Kocher führt eine schreitende Bracke, der Kanton Neckar, Schwarzwald und Ortenau einen Mann mit Lanze in der Rechten, mit der anderen Hand eine Bracke an der Leine führend. Im Jahre 1720 werden die Kantonswappen Odenwald, Gebürg, Rhön-Werra, Steigerwald, Altmühl und Baunach im Werk "Des heiligen Römischen Reichs ohnmittelbahr Freyer Ritterschafft Der Sechs Ort in Francken / erneuert vermehrt und confirmirte Ordnungen" abgebildet. Weitere Quellen für Wappendarstellungen der Kantone sind die seit der Barockzeit verbreiteten Kantonskalender.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf google maps:
https://www.google.de/maps/@49.2248916,9.2179241,19.25z - https://www.google.de/maps/@49.2248901,9.2177904,70m/data=!3m1!1e3
Ortslexikon: https://www.leo-bw.de/web/guest/detail-gis/-/Detail/details/ORT/labw_ortslexikon/1800/Kochendorf+-+Altgemeinde~Teilort
Geschichte der Greck von Kochendorf, insbesondere in Bezug auf
das Greckenschloß: https://stadtarchiv.heilbronn.de/fileadmin/daten/stadtarchiv/online-publikationen/heilbronnica6/online-publikationen-31-qf22-04-haag-greckenschloss.pdf
Karl Hugo Popp, Hans Riexinger: Zur Geschichte des Reichslehens
Kochendorf und seiner Inhaber nach dem Abgang des Greckschen
Mannesstamms, in: Bad Friedrichshall 1933-1983. hrsg. von der
Stadt Bad Friedrichshall, Bad Friedrichshall 1983
Wolfgang Willig, Landadel-Schlösser in Baden-Württemberg, eine
kulturhistorische Spurensuche, 1. Auflage 2010, ISBN
978-3-9813887-0-1, S. 155-156
Ein herzliches Dankeschön für wertvolle Hinweise zu den
Kantonswappen an Dr. Egon v. Ellrichshausen-Rothenburg
Wappen der Ritterkantone 1721: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Reichsritter1721.jpg - https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/images/f/f9/Artikel_45405_bilder_value_1_reichsritterschaft1.jpg
Ritterkanton Odenwald: https://de.wikipedia.org/wiki/Ritterkanton_Odenwald
Ritterkanton Odenwald: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Reichsritterschaft,_Kanton_Odenwald
Wappen der Ritterkantone 1720: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:HEILIGENR%C3%96MISCHENREICHS1720.jpg - https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/images/7/7d/Artikel_45407_bilder_value_2_baunach2.jpg und https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/images/6/68/Artikel_45407_bilder_value_3_baunach3.jpg
Wappen der Ritterkantone: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/images/a/a7/Artikel_45405_bilder_value_2_reichsritterschaft2.jpg
altes Rathaus: http://www.bad-friedrichshall.de/content1.asp?area=hauptmenue&site=bfhwirtschafteinrichtungen&cls=01&fid=1325
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