Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 2485
Sankt Martin (Pfalz, Landkreis Südliche Weinstraße)
Katholische Pfarrkirche St. Martin: Dalberg-Epitaph
In der katholischen Pfarrkirche St. Martin befindet sich an der Langhausnordwand, kurz vor der Seitenkapelle zu Ehren der Himmelskönigin Maria, eines der schönsten und bedeutendsten Epitaphien der Region, das spätgotische Doppelepitaph für Hanns (Johann) Kämmerer von Worms genannt von Dalberg (-22.10.1531) und seine Ehefrau, Katharina von Cronberg (-1510). Es ist über 2 m hoch und aufrecht in die Wand eingelassen. Es besticht vor allem durch die hohe Plastizität der in einer flachen Nische stehenden, fast vollständig dreidimensional herausgearbeiteten, lebensgroßen Ganzkörperfiguren. Der Hintergrund ist schlicht und glatt; nichts lenkt von der hohen künstlerischen Qualität der beiden Figuren ab. Der Ehemann wird in voller Rüstung dargestellt, mit hochgeklapptem Visier des Helmes, und mit vor der Brust zum Gebet zusammengelegten Händen. Um den rechten Panzerhandschuh ist ein goldener Perlenkranz mit abhängender Troddel geschlungen. Die Rüstung ist schlicht, aber funktional und darstellerisch detail- und kenntnisreich umgesetzt. An den Panzerschuhen sind Radsporen zu sehen. Um die Hüfte läuft schräg ein Riemen, doch Waffen sucht man vergebens. Die Ehefrau trägt ein grünes Unter- und ein rotes Übergewand, beide faltenreich und bis zum Boden reichend, und hat ebenfalls die Hände vor der Brust zum Gebet zusammengelegt. Auf dem Kopf trägt sie eine cremefarbene Haube mit vor den Mund geschlagener Binde. Der große, bis zum Schulteransatz reichende, runde und golden paspelierte Halsausschnitt legt eine goldene Gliederkette frei. Nur der rechte Schuh ragt ein wenig unter dem Kleid hervor, was der Figur eine gewisse Dynamik verleiht, ebenso wie die leicht verschiedene Fußstellung bei ihrem Ehemann und dessen leicht abgesenkte linke Hüfte, um dem Spielbein seine Stellung zu ermöglichen. Beide Blickrichtungen sind nur wenige Grad nach innen gerichtet, so daß sie trotz intensiven Bezuges auf den Betrachter ganz leicht einander zugewandt sind.
Die Figuren sind von so atemberaubender Qualität und in ihrer stillen Schönheit so einnehmend, daß man die umlaufende Inschrift erst auf den zweiten Blick bemerkt. Tatsächlich ist dort, rechts oben beginnend, zu lesen: "ANNO 1510 (A)VF S(ANCTA) MARIA MAGTALEN(A)E / STARB DIE E(H)RSAM(E) FRAV CAT(H)ERINE VON CRONBERG HANS K(A)EM(M)ERERS VON WORMS G(E)NAN(N)T VON DALB/E(R)GS HAVSFRAV DER(EN) SE(E)L(E) GOT(T) GNAD(E) / AN(N)O 1531 IST G(E)STORBE(N) (A)VFF / DE(N) 22. TAG OCTOBER DER E(H)RNVEST HANNS K(A)EM(M)ERER VO(N) WORMS G(ENAN)NT VO(N) DALBERG DER SE(E)LE GOT(T) / GE(N)ADE". Beide Inschriftenhälften unterscheiden sich stark in ihrer Schreibweise, was daran liegt, daß 21 Jahre zwischen den beiden Begräbnissen lagen. Der erste Teil, von oben rechts im Uhrzeigerinn bis unten zur Mitte laufend, ist sehr schwer lesbar; die Buchstaben sind teilweise unterschiedlich geschrieben und ineinander gesetzt (Enklaven, z. B. ein T mitten im Kreis des O, ein o im Winkel eines V, E im L-Winkel etc.); Partien anderer Buchstaben werden zudem mitbenutzt (Ligaturen, z. B. N an A, G und T, N und E), Buchstaben "N" sind seitenverkehrt etc., was die Lesbarkeit erschwert.
Ganz anders einheitlich und übersichtlich ist trotz noch einiger Ligaturen und Auslassungen der jüngere Teil der Inschrift. Besonders augenfällig ist das bei dem in situ auf dem Kopf stehenden, unteren Textbalken, wo beide Schriftformen aneinanderstoßen und der Übergang von der an gotische Majuskelschriften erinnernden Schrift zur Renaissance-Kapitalis besonders ins Auge springt. Der Unterschied in den Epochen wird auch durch die unterschiedliche Zeitangabe deutlich: Für die Ehefrau wird noch ein Datum nach dem Kirchenjahr angegeben (am Gedenktag der Maria Magdalena), beim Ehemann nach dem weltlichen Kalender (auf den 22. Tag Oktober). Den Bildhauer bezeichnet man als "Meister von Oppenheim", weil er in der Oppenheimer Katharinenkirche das wenige Jahre später entstandene Doppelgrabmal des Wolff von Dalberg (-1522) und seiner Gemahlin, Agnes von Sickingen (-1517), geschaffen hat.
Feine helle Linien teilen die Nische in vier Felder, wobei die horizontale Trennlinie in etwa 2/3 der Vertikalen verläuft. Die beiden oberen Felder sind den Wappendarstellungen zugewiesen, wobei beide Ehepartner unterschiedlich behandelt werden. Der Ehemann bekommt ein Vollwappen mit Helm, Kleinod und Helmdecken. Die Ehefrau hingegen bekommt nur einen Wappenschild, der aber von einem sich dahinter erhebenden Engel gehalten wird, so daß sich in summa wieder eine gestalterische Harmonie ergibt, denn die Schilde können größengleich sein, während der Platz der Helmzier vom Engel eingenommen wird. Nur das Fehlen der Helmdecke wird als gestalterische Lücke empfunden, und eine weitere Asymmetrie entsteht dadurch, daß die Helmzier des Ehemannes auf den Rahmen übergreift und darüber hinaus ragt.
Das Wappen der Kämmerer von Worms, genannt von Dalberg zeigt unter einem mit drei Spitzen abgeteilten goldenen Schildhaupt in Blau 6 (3:2:1) silberne Lilien (Kämmerer von Worms). Helmzier: Ein wie der Schild bez. Flug. Helmdecken blau-golden. Hier besteht der Flug aus einem Korpus, in den oben Federn gesteckt sind, und das Schildbild ist auf diese Halterung gemalt, während die Federn sich motivfrei darüber erheben. Genauso findet man es auch am Epitaph in Oppenheim für Johann von Dalberg und seine Frau Anna von Bickenbach. Nachweise: Siebmacher Band: Bad Seite: 47 Tafel: 28, Band: Bay Seite: 30 Tafel: 27, Band: Bö Seite: 56 Tafel: 40, Band: FstC Seite: 78 Tafel: 118-119, Band: He Seite: 7 Tafel: 6, Band: Mä Seite: 22 Tafel: 15, Band: NÖ1 Seite: 62 Tafel: 32, Band: Pr Seite: 39 Tafel: 47, Band: Na Seite: 5 Tafel: 6, Scheiblersches Wappenbuch (Bayerische Staatsbibliothek Cod.icon. 312 c), Folio 354, Zobel Tafel 70, Held S. 105. |
Hanns (Johann) Kämmerer von Worms genannt von Dalberg (-22.10.1531) war der Sohn von Philipp von Dalberg (28.8.1428-3.5.1492) und Barbara von Flersheim (-13.12.1483). Seine Großeltern väterlicherseits waren Johann Kämmerer von Worms genannt von Dalberg (-2.7.1431, der erste, der sich von Dalberg nannte, gefallen in der Schlacht von Bulgnéville), und Anna von Helmstatt (-10.4.1466), die Tochter von Hans von Helmstatt und Gürge (Guta, Gudechin) Knebel von Katzenelnbogen. Mütterlicherseits waren die Großeltern Friedrich von Flersheim (1383-1473) und Margarethe von Randeck (-9.7.1489).
Seine interessanten Verwandten und die
Querverbindungen zu anderen Epitaphien:
- der Urgroßvater väterlicherseits war Johann Kämmerer von
Worms genannt von Dalberg (-9.10.1415), Schultheiß und
Burgamtmann in Oppenheim, kurpfälzischer Hofmeister, Epitaph in
der Katharinenkirche Oppenheim; er hatte in zweiter Ehe Anna von
Bickenbach (-22.5.1415) geheiratet
- seine Großtante, Schwester seines Großvaters Johann, war Anna
Kämmerer von Worms genannt von Dalberg (-30.10.1410), Epitaph in
der Katharinenkirche Oppenheim
- seine zweite Großtante, Schwester seines Großvaters Johann
und vorgenannter Anna, war Ida Kämmerer von Worms genannt von
Dalberg (-1411), Grabplatte in der Katharinenkirche Oppenheim
- sein Onkel väterlicherseits war Wolf II. Kämmerer von Worms
genannt von Dalberg (4.9.1426-20.9.1476), Bürgermeister von
Oppenheim und kurpfälzischer Hofmarschall unter Friedrich I. von
der Pfalz. Dessen Epitaph steht in der Katharinenkirche
Oppenheim.
- sein Cousin war Johann Kämmerer von Worms genannt von Dalberg
(14.8.1455-27.7.1503), 1480-1482 Kanzler der Universität
Heidelberg und 1482-1503 Fürstbischof von Worms.
- ein nächster Cousin war Friedrich Kämmerer von Worms genannt
von Dalberg (10.2.1459-12.11.1506), Bürgermeister von Oppenheim,
Epitaph in der Katharinenkirche Oppenheim
- ein dritter Cousin war Wolfgang Kämmerer von Worms genannt von
Dalberg (1473-25.1.1522), kurpfälzischer Amtmann und Burgmann in
Oppenheim, Epitaph in der Katharinenkirche Oppenheim
- ein Cousin mütterlicherseits, der Neffe seiner Mutter, war
Philipp von Flersheim (1481-14.8.1552), 1529-1552 Fürstbischof
von Speyer und 1546-1552 Fürstpropst von Weißenburg. Reste
seines Epitaphs sind als Wappenpilaster im Speyerer Dom erhalten.
Das Wappen der Herren von Cronberg ist in der Variante des Flügelstammes geviert, Feld 1 und 4: silbern-blauer Eisenhutfeh, meist in Silber vier (2:2) blaue Eisenhütlein, im vorliegenden Fall aufgrund der gewählten Schildform mehr, Feld 2 und 3: ledig und rot. Die hier nicht dargestellte Helmzier wäre zu rot-silbernen Decken ein insgesamt wie der Schild bez. Flug. Nachweise: Aschaffenburger Wappenbuch, Tafel 20 Seite 39, 43, 71, 87, 117-117, 123, 124, Siebmacher Band: NaA Seite: 4 Tafel: 4, Band: GfA Seite: 6 Tafel: 6, Scheiblersches Wappenbuch Folio 409. |
Seine Ehefrau Katharina von Cronberg (-1510) war die Tochter von Johann VI. von Cronberg (1426-1488), Amtmann zu Oppenheim, der dreimal verheiratet war, in erster Ehe 1441 mit Margarete von Erlenbach-Wilbach, in zweiter Ehe 1447 mit Klara von Langenau und in dritter Ehe 1467 mit Katharina von Reiffenberg (-14.9.1479). Ein Epitaph für ihn und seine dritte Ehefrau steht in der Stadtkirche Kronberg im Taunus. Die Großeltern von Katharina von Cronberg waren väterlicherseits Philipp IV. von Cronberg (22.3.1397-25.12.1477), Amtmann zu Butzbach, und dessen Frau, Anna von Handschuhsheim (Denkmal in der Stadtkirche Kronberg). Mütterlicherseits waren ihre Großeltern Walter von Reiffenberg und Margareth von Crüfftel (Grabstein in der Stadtkirche Kronberg).
Auch bei der Ehefrau gibt es viele interessante Querverbindungen zu anderen Personen und Epitaphien: Katharina von Cronberg hatte einen sehr berühmten Bruder, Walter von Cronberg (1477-4.4.1543), der Hochmeister des Deutschen Ordens wurde. Deshalb ist sein Wappen an sehr vielen Deutschordensbauten zu finden; ein Epitaph für ihn befindet sich in der Marienkirche in Bad Mergentheim. Ihr zweiter Bruder, Johann von Cronberg (1487-26.3.1505), schlug eine geistliche Laufbahn ein und wurde Domherr in Mainz. Ihr dritter Bruder, Philipp VI. von Cronberg (1485-1521), kurpfälzischer, dann kurmainzischer Marschall, Amtmann zu Oppenheim, setzte den Stamm fort; er war seit 1502 verheiratet mit Katharina von Bach-Bintzburg. Ihrer beider Epitaph befindet sich in der Stadtkirche von Kronberg.
Hanns (Johann) Kämmerer von Worms
genannt von Dalberg (-22.10.1531) und Katharina
von Cronberg hatten mehrere Kinder:
- Balthasar Kämmerer von Worms genannt von Dalberg (-1528),
zuerst Domherr, resignierte nach dem Tod seines einzigen
nichtgeistlichen Bruders und heiratete Maria Jakobe von
Neuhausen; ihre gemeinsame Tochter Margret heiratete 1538
Wolfgang von Hattstein.
- Elisabeth Kämmerer von Worms genannt von Dalberg wurde
Dominikanerinnen-Nonne in Maria Himmelskron zu Hochheim bei Worms
- Philipp Kämmerer von Worms genannt von Dalberg wurde
Deutschordensritter
- Jochen (Iochem, Joachim) Kämmerer von Worms genannt von
Dalberg (-13.7.1532) wurde Domherr in Worms und Speyer.
- Anna Kämmerer von Worms genannt von Dalberg heiratete 1507
Dietrich Landschad von Steinach
- Hans (Johann) Kämmerer von Worms genannt von Dalberg starb
jung
katholische Pfarrkirche St. Martin: weitere Dalberg-Grabdenkmäler
Diese Platte ist für Dieter Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (-3.10.1414?). Die Umschrift in gotischen Minuskeln lautet: "Anno domini M cccc (?) xiiii vf den dritten dag de(s) (m)onats octobris Starbe der erenvest diether kemmerer von wormbs genant von dalb(e)rg ist dieser zweier san gewest den selen got genedig (sey)".
Diese Platte mit nicht mehr lesbarer Inschrift zeigt ein von einem Engel gehaltenes Wappenpaar, heraldisch rechts Kämmerer von Worms genannt Dalberg, links von Cronberg, Inhalte wie oben beschrieben.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf google maps:
https://www.google.de/maps/@49.3009014,8.1023734,17.54z - https://www.google.de/maps/@49.3004266,8.1024823,127m/data=!3m1!1e3
Geschichte der Pfarrkirche: https://sankt-martin-pfalz.de/heimatmuseum_extras/pfarrkirche/sankt_martin_pfalz_pfarrkirche.shtml
Hanns von Dalberg: https://de.wikipedia.org/wiki/Hanns_von_Dalberg
von Dalberg: https://de.wikipedia.org/wiki/Dalberg_(Adelsgeschlecht)
von Cronberg: https://de.wikipedia.org/wiki/Kronberg_(Adelsgeschlecht)
Kropsburg: https://de.wikipedia.org/wiki/Kropsburg - http://www.ms-visucom.de/cgi-bin/ebidat.pl?id=97 - http://www.kropsburg.de/Geschichte1.html
Genealogien nach Humbracht
Veröffentlichung der Innenaufnahmen mit freundlicher Erlaubnis
von Herrn Pfarrer Matthias Pfeiffer vom 10.5.2018, wofür ihm an
dieser Stelle herzlich gedankt sei
M. Müller-Hillebrand: Cronberg, Geschichte eines
Rittergeschlechtes und seiner Burg, Verlag Waldemar Kramer
Frankfurt 1950, 3. Auflage 1984, ISBN 3-7829-0084-7
Jutta und Wolfgang Ronner: Die Herren von Kronberg an Nahe,
Neckar, Rhein und Main, Selbstverlag Wolfgang Ronner 1980, ISBN
3-9800322-0-5
Wolfgang Ronner, Stammtafel der Ritter, Herren und Grafen von
Kronberg, Selbstverlag Wolfgang Ronner 1981, ISBN 3-9800322-1-3
Sofie Bauer, Die Johanniskirche in Kronberg im Taunus, eine
spätgotische Saalkirche und ihre Kunstdenkmäler, hrsg. v. d.
Evangelischen Gemeinde St. Johann in Kronberg, 1997
Pfarrei Edenkoben: http://www.pfarrei-edenkoben.de/ - kath. Pfarrgemeinde St. Martin: http://www.pfarrei-edenkoben.de/martin.html
Sankt Martin: https://sankt-martin.de/ - http://www.sankt-martin-pfalz.de/
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