Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2416
Lauterbach (Vogelsbergkreis)

Das Burgschloß in Lauterbach

Das den Freiherren Riedesel zu Eisenbach gehörende Burgschloß Lauterbach steht nördlich des Ortskernes und der Stadtkirche und bildet einen Komplex aus ganz unterschiedlichen Bereichen und Bauten. In Nordwest-Südost-Richtung wird das Areal durch den gewaltigen Riegel des Schlosses selbst und nördlich davon durch einen ersten Teil der Wirtschaftsbauten in zwei ungleich große Bereiche aufgeteilt. Der östliche, private Bereich ist ein mauerumschlossener Park mit einer Villa aus dem Jahr 1897 darin, die man auf einer schmalen Straße zwischen Schloß und Wirtschaftsbauten erreichen kann. Der westliche Bereich der Vorburg ist weitgehend platzartig gestaltet und öffentlich zugänglich. Er wird im Osten vom Schloß, im Norden von L-förmigen Wirtschaftsgebäuden und im Süden und Westen von Einzelbauten umgeben. Kleine Grüninseln mit Stauden, Sträuchern und Bäumen und ein Brunnen vom Anfang des 17. Jh. mit einem großen quadratischen Brunnenbecken aus Sandstein lockern den Platz auf. Das Schloß weist auf der parkseitigen Rückseite (Ostseite) einen rechteckig vorspringenden Treppenturm mit innenliegender Spindeltreppe auf. Die Fenster dieses Treppenturmes sind an allen Seiten dem Treppenverlauf entsprechend schräg geschnitten.

Der Ursprung der Anlage ist eine spätmittelalterliche Burg, die sich seit 1456 endgültig im Besitz der Freiherren Riedesel zu Eisenbach befand. Die nach Norden hin in Resten vorhandene Wehrmauer entstand um 1500, wurde aber stark erneuert. Ein quadratischer Eckturm etwa in der Flucht der Gartenseite des Herrenhauses, mit zwei niedrigen Massivgeschossen aus der Zeit um 1500 und einem späteren Fachwerkstock, sicherte einst die Nordostecke. Vermutlich gab es früher noch einen zweiten Eckturm an der Nordostecke, wo sich heute der Burggasthof befindet. Um 1600 entstand das zweigeschossige Amtshaus mit dreigeschossigen Giebeln im Bereich der Vorburg.

Um 1580 wurde das Schloß im Stil der Renaissance umgebaut. Die letzte größere Bauphase fand nach Zerstörungen aus dem Dreißigjährigen Krieg und nach einem Brand der Anlage im Jahr 1679 statt; dabei wurde das Schloß 1679-1684 im Zuge der Konsolidierung der riedeselschen Herrschaft über die Stadt Lauterbach unter Erbmarschall Johann Riedesel zu Eisenbach von dem aus Hanau stammenden Baumeister August Rumpf weitestgehend neu gebaut. Im Jahr 1684 wurde die Vogtei Lauterbach von Fulda vertraglich endgültig den 1680 in den Freiherrenstand erhobenen Riedesel als Lehen zugesprochen; und genau diese Jahreszahl ist auf dem Hauptportal des Schlosses zu lesen, koinzidiert also mit dem Abschluß der Bauarbeiten am neuen Schloß.

Der Neubau wurde ein einzelner dreigeschossiger und an den Seiten durch ein voll ausgebautes, teilverschiefertes Dachgeschoß vierstöckiger Flügelbau, der mit der Traufe zum Hof ausgerichtet ist. Von der Größe her ist das Schloß durchaus als repräsentativ zu bezeichnen, vom spärlich vorhandenen Bauschmuck her aber auch als eine Sparvariante. Der vorherige Renaissancebau ist im Mittelteil eingebaut, wie an der in der Hoffassade erhaltenen südlichen Eckquaderung nachzuvollziehen ist. Die Fassade ist im Detail asymmetrisch und mit unregelmäßig angeordneten Fenstern versehen, die zwei verschiedene Typen darstellen, wobei die neueren um 1680 mit Fase und Falz gestaltet sind. Etwa in der Mitte befindet sich eine dreigeschossige, reich durchfensterte Auslucht mit sichtbarer Geschoßgliederung durch Horizontalgesimse zwischen den gekehlten Fensterpaaren, die aufgrund des älteren Fenstertyps auch vom Renaissance-Vorgängerbau stammt. Aufgrund dieses Befundes muß man sich den Renaissancebau so vorstellen: Es handelte sich um ein zweigeschossiges Burghaus aus Stein, mit einem dritten Fachwerkgeschoß und mit einer ganz aus Stein ausgeführten Auslucht, die vielleicht auch nur ein Erker war, insgesamt viel weniger breit als das heutige Schloß, das den Altbestand zu beiden Seiten in ungleichem Maße verlängerte. Links neben der Auslucht sitzt ein zweigeschossiger, verschieferter Fachwerk-Zwerchgiebel der langgestreckten Hoffassade auf. Links davon ist das Hauptportal über breiter Freitreppe zu sehen, rechts neben der Auslucht ein kleineres Nebenportal.

Die nordwestlichen Wirtschaftsgebäude entstanden im letzten Viertel des 17. Jh.; so ist an einem nicht in situ befindlichen Fenstersturz die Jahreszahl 1690 zu lesen. Der Burghof wurde im frühen 19. Jh. unter Wegfall von Befestigungsanlagen zur Stadt hin erweitert. In diesem südlichen Teil des Burghofes befinden sich ehemalige Brauereigebäude; seit 1640 wurde in der Burg eine Brauerei betrieben, aber erst 1843 wurden mehrere Brauereien der von Riedesel vereinigt und in der Burg zusammengelegt. Neben dem im Nordwesten gelegenen Außentor zur Cent hin entstand ab 1804 die heutige Burgschänke und ersetzte einen Vorgängerbau mit gleicher Funktion aus dem Jahr 1612. Das Schloß selbst war zeitweise von Abriß bedroht, nach den Beschädigungen durch die Revolution 1848, die aber gegen Ende des 19. Jh. behoben wurden. Auch das sog. Gerichtstürmchen aus der zweiten Hälfte des 17. Jh. über einem Kellerhals in der Mitte der nördlichen Wirtschaftsgebäude wurde 1859 durch Hugo von Ritgen erneuert. Heute befinden sich in dem Burgschloß die Verwaltung der Freiherren Riedesel zu Eisenbach und das riedeselsche Archiv.

Seitlich am Hauptbau ist auf der nördlichen Schmalseite ein auf das Jahr 1679 datierter Wappenstein (Abb. oben) mit dem Wappenschild der Riedesel von Eisenbach angebracht, in Gold ein schwarzer Eselskopf mit einem dreiblättrigen grünen Riedgras im Maule. Die Initialen "I.R.Z.E" verweisen auf den Erbauer, Johann XIV. Riedesel von Eisenbach. Der Stein wurde erneuert.

Am von zwei toskanischen Säulen auf diamantierten Postamenten gerahmten Hauptportal des Schlosses, das über der Tür einen kräftig profilierten, gesprengten Giebel besitzt, ist ein im Giebelfeld hinter dem Efeu auf das Jahr 1684 datierter Wappenstein angebracht (Abb. unten), auf dem drei Wappenschilde nebeneinander zu sehen sind, jeweils mit Helm und Helmdecken, aber ohne Kleinode, weil eine überdimensionierte Krone den gesamten oberen Teil des Steines einnimmt und die Darstellung von Kleinoden verunmöglicht. Schlüsselfigur dieser Dreierkombination ist Johann XIV. Riedesel von Eisenbach (9.8.1624-12.11.1691). Er war der Sohn von Johann XI. Riedesel von Eisenbach (4.12.1588-29.12.1632) und dessen am 17.10.1616 geehelichten Frau Anna Sidonie von Wersabe (8.12.1598-18.1.1649), Tochter des Hermann von Wersabe zu Herleshausen (20.6.1564-14.6.1641) und der Anna von Berlepsch (ca. 1579-4.9.1600). Damit ergeben sich Querverbindungen zu anderen heraldischen Darstellungen: In der Stadtkirche Lauterbach befindet sich die Grabplatte für seinen Bruder, Hermann XII. Riedesel von Eisenbach (2.10.1617-15.8.1632), im Chor. Ein Epitaph für seine Schwester Anna Riedesel von Eisenbach (29.9.1626-26.2.1681) und deren Ehemann Johann Volpert von Schlitz genannt von Görtz befindet sich in der Stadtkirche Schlitz im südlich angebauten Nebenraum.

Johann XIV. Riedesel von Eisenbach (9.8.1624-12.11.1691), der 15. Erbmarschall, hessischer Kammerherr und Obervorsteher der ritterschaftlichen Stifter, wurde 1680 in den Reichsfreiherrenstand erhoben. Wir sehen hier eine Dreierkombination von Wappenschilden, wobei der Schild in der Mitte dem Ehemann zuzurechnen ist, der heraldisch rechte der ersten Ehefrau und der heraldisch linke der zweiten Ehefrau. Johann XIV. Riedesel von Eisenbach hatte am 18.11.1651 in erster Ehe Catharine Riedesel von Eisenbach (26.7.1628-14.5.1657) geheiratet, die Tochter von Georg VIII. Riedesel von Eisenbach (17.3.1588-8.1.1640), 12. Erbmarschall, hessischer Geheimer Rat, Statthalter zu Marburg, und dessen Frau Sophie Eleonore von Krosigk (1608-13.2.1673). In zweiter Ehe hatte er am 21.4.1667 zu Ziegenberg Anna Metta Diede zum Fürstenstein (1621-28.5.1688) geheiratet, die Tochter von Georg Christoph Diede zum Fürstenstein und Susanna Catharine von Bodenhausen.

Die gleiche Wappenkombination sehen wir am äußeren, unprofilierten Torbogen neben der Burgschänke, wobei dieser Stein im Scheitel auf das Jahr 1680 datiert ist. Die Schilde sind stärker verwittert als an dem am Schloß selbst befindlichen Wappenstein, aber bei diesem Wappenstein am Torbogen sind alle drei Kleinode zu erkennen. Das Wappen in der Mitte und heraldisch rechts ist identisch und dasjenige der Riedesel von Eisenbach, in Gold ein schwarzer Eselskopf mit einem dreiblättrigen grünen Riedgras im Maule, auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ein Flug, beiderseits mit einem goldenen Schildchen mit dem schwarzen Eselskopf und den grünen Riedgrasblättern belegt (Siebmacher Band: He Seite: 22 Tafel: 24, Band: NaA Seite: 34 Tafel: 56, Westfälisches Wappenbuch, Münchener Kalender 1917).

Das Wappen heraldisch links ist das der Diede zum Fürstenstein, ein von Schwarz und Silber gevierter Schild, auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein schwarzer hoher Hut mit silbernem Stulp, oben mit einem silbernen Knopf besteckt, der mit schwarzen Hahnenfedern besteckt ist (Siebmacher Band: NaA Seite: 43 Tafel: 72). Die Diede zum Fürstenstein gehörten zur althessischen Ritterschaft. Zu ihren Gütern gehörten Madelungen und Dankwarshausen. Von Fulda hatten sie ein Burglehen in Gerstungen und Güter in Aldendorf zu Lehen. 1807 starb die Familie in Madelungen aus. Das berühmteste und letzte Mitglied der Familie ist der königlich-dänische Staatsminister Wilhelm Christoph von Diede zum Fürstenstein (gest. 1807). Nur wenig später wurde das Wappen der Familie geklaut für die Grafen von Fürstenstein, die ihre Existenz unter diesem Namen begannen, als Peter Alexander le Camus, ein französischer Adliger und königlich westfälischer Staatsrat und Minister von König Hieronymus Napoléon (eigentlich Jérôme Bonaparte) von Westfalen im Jahre 1807 am 24.12. die Grafenwürde bekam. Eine Bestätigung des Titels und Wappens gab es von Kaiser Napoléon am 17.4.1812. Das Diplom des Erhobenen wurde erst am 12.7.1813 ausgefertigt, also quasi fünf vor zwölf. Das kurzlebige Königreich verging, der Titel des Erhobenen blieb, denn das Prädikat "Graf von Fürstenstein" wurde von Preußen anerkannt, trotz der unverfrorenen und offensichtlichen Usurpation des Wappens einer Familie, die sich nicht mehr dagegen wehren konnte.

Aus der ersten Ehe Johanns XIV. entsprossen vier Kinder, der jung verstorbene Johann, der am 14.8.1654 geborene Hermann, der zum Militär ging und 1677 bei Straßburg fiel, die nur 24 Jahre alt gewordene Anna (14.2.1656-3.4.1680) und endlich der Sohn, der den Stamm fortsetzte, Georg XIV. Riedesel von Eisenbach (-30.3.1724) auf Stockhausen, der 18. Erbmarschall, kurpfälzischer Kammerherr, Geheimer Rat der Landgrafen von Hessen-Darmstadt, welcher am 26.2.1686 zu Ziegenberg Johannette Amalie Diede zum Fürstenstein (1662-21.2.1720) heiratete, die Tochter von Hans Eitel Diede zum Fürstenstein (16.10.1624-12.2.1685), seit 1653 Burgmann der Burg Friedberg, 1671 Oberamtmann der Grafschaft Nidda, 1672 Burggraf in Friedberg (Wappen dort am St. Georgs-Brunnen auf dem zentralen Platz vor dem Burggrafiat) und Anna Clara von Buttlar-Elberberg. Vater und Sohn heirateten also in die gleiche Familie ein, wenn auch der Vater erst im zweiten Anlauf. Johanns zweite Ehe blieb kinderlos, die seines Sohnes Georg hatte Nachkommen.

Literatur, Links und Quellen:
von Riedesel: https://de.wikipedia.org/wiki/Riedesel - http://www.riedesel.org/
Rudolf Buttlar-Elberberg: Stammbuch der Althessischen Ritterschaft, Kassel 1888:
http://gdz.sub.uni-goettingen.de/dms/load/img/?PID=PPN513401067 - http://gdz.sub.uni-goettingen.de/download/PPN513401067/PPN513401067___LOG_0001.pdf
Dehio, Hessen, 1982, S. 539 f.
Historisches Ortslexikon:
http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ol/id/9837
Schloß Lauterbach:
http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/65957
Schloß Lauterbach:
http://www.lauterbach-hessen.de/tourismus/sehenswuerdigkeiten/burg.html
Wirtschaftsgebäude im Nordwesten:
http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/65958
Burgwirtschaft mit Tor
http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/65960
Ehem. Pächterhaus
http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/65962
Burg 5
http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/65964
Burggarten und Burgvilla
http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/65966
Burgbrunnen und Plastiken
http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/65955
Schloß Lauterbach:
http://schloesser.gnm.de/wiki/Lauterbach,_Schloss
Schloß Lauterbach:
https://de.wikipedia.org/wiki/Burg_Lauterbach_(Lauterbach)
Diede zum Fürstenstein:
https://de.wikipedia.org/wiki/Diede_zum_Fürstenstein
Hans Eitel Diede zum Fürstenstein:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Eitel_Diede_zum_Fürstenstein
Diede zum Fürstenstein, Hans Eitel, in: Hessische Biographien
http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/bio/id/1052

Ortsregister - Namensregister - Regional-Index
Zurück zur Übersicht Heraldik

Home

© Copyright / Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2017
Impressum