Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 2403
Schlitz (Vogelsbergkreis)
Die Hinterburg in Schlitz
Der Adelssitz mit der geringsten heraldischen Ausbeute ist die Hinterburg, die die Südwestecke der Schlitzer Altstadt einnimmt. Der 36 m hohe Bergfried (Hinterturm) aus dem 14. Jh. ist das älteste Element; erst 1907 wurde eine Steinhaube anstelle der ursprünglich vorhandenen Schieferhaube aufgesetzt. In luftigen 10 m Höhe besitzt er seinen Eingang. Zusammen mit dem Bergfried der Vorderburg und dem Kirchturm prägt er die Silhouette der Schlitzer Altstadt. Neben dem Bergfried befindet sich ein östliches Wohngebäude, das in Nord-Süd-Richtung steht (Abb. unten); schräg nach Norden versetzt und etwas gedreht steht im Westen das Haupthaus. Das rückseitig der Stadtmauer aufsitzende, massive, dreigeschossige Haupthaus wurde 1493 erstmals erwähnt; die heutige Bausubstanz mit Eckquaderung aus gespitzten Quadern mit Randschlag stammt von ca. 1561-1575 und ist stilistisch der Renaissancezeit verhaftet. Ein weiterer Umbau erfolgte 1647, wie man auf dem Türsturz eines rechteckigen Portals mit gesondertem Oberlicht lesen kann. Einige Fenster wurden auch bei diesem Umbau neu eingebaut. Zum Hof hin befindet sich rechts dieses Portals ein polygonaler Treppenturm mit Fachwerkaufsatz in Dachhöhe. An der talseitigen Außenmauer besitzt das Hauptgebäude einen Standerker, der über die mitverwendete Stadtmauer hinausragt, sowie einen aus Quadern gefügten Aborterker.
Das östliche Wohngebäude ist das jüngste Gebäude des Ensembles und stammt aus dem Jahr 1553 (Datierung am Portal zwischen Halle und Treppenturm). Die südliche Schmalseite hat einen Rest der Stadtmauer integriert, deren Mauer durch eine klare Fuge vom neueren Mauerwerk abgesetzt ist. Von diesem Gebäude geht eine holzverkleidete Brücke zum Bergfried, der früher in seinem unteren Bereich Räume besaß, auch unten sehr wenig komfortable wie Verliese, aber ausgekernt wurde, um einen Fahrstuhl zur Aussichtsebene zu installieren. Die Brücke endet vor dem alten Hocheinstieg. Dieses zweite Wohngebäude ist dreigeschossig, in seinen beiden unteren Geschossen massiv aus Bruchstein mit Eckquadern, im zweiten Obergeschoß aber aus drei Gefache hohem Fachwerk mit einfachen Streben erbaut worden. Das Fachwerkgeschoß entstand erst 1653; eine solche Datierung befindet sich am Eckständer. Hier ist der fast völlig freistehende runde Treppenturm, der bis zum ersten Dachgeschoß reicht, nicht hofseitig angeordnet, sondern auf der Rückseite des Gebäudes, zur Schachtenburg hin gerichtet. Daneben ist ein Aborterker zu sehen. Die Hinterburg gehört der Graf Görtzschen Stiftung und beherbergte seit 1950 ein Altenheim. Seit dessen Schließung 2015 entstand bis 2017 eine Mehrgenerationen-Wohnanlage (14 Wohnungen, davon 13 barrierefrei, 8 in Haus 1, 6 in Haus 2 = oben im Bild); aufgeteilt in 11 Mietwohnungen und 3 Ferienwohnungen, dazu gibt es hier 5 Büroräume, einen Saal und zukünftig ein Café.
Von heraldischem Interesse ist lediglich das spitzbogige Portal mit Kehle und Rundstab in der Mitte der Hoffront des östlichen Wohngebäudes. Auf dem Schlußstein ist ein Allianzwappen aus zwei Schilden angebracht (Abb. oben), das aber noch 2016 völlig von Wildem Wein überwuchert war, dessen Haftnäpfe den oberflächlich angegriffenen Sandstein überzogen. Das Relief dieser beiden Wappensteine war durch den Bewuchs bedroht, hier bestand Handlungsbedarf wie übrigens an der gesamten Hinterburg.
Update: Hier wurde gehandelt, großes Lob! Mittlerweile (Mai 2018) ist der Wilde Wein sorgfältig entfernt, und das Wappenrelief liegt wieder frei (der Schatten in der Abb. stammt von der Laterne). Man erkennt heraldisch rechts das Wappen der von Elkershausen gen. Klüppel, in Rot drei (2:1) aufrechte silberne Beile mit schwarzem Stiel, und heraldisch links das Wappen der der von Schlitz genannt Görtz, in Silber zwei schwarze, schrägrechte, oben dreimal gezinnte Balken (Zinnenschrägbalken). Eigentlich müßten die beiden Wappen genau andersherum angeordnet sein, um der Ehe zwischen Ludwig von Schlitz gen. Görtz und Gutha von Elkershausen gen. Klüppel zu entsprechen.
Besser zu sehen war vor der Entfernung des Bewuchses das tiefer seitlich befindliche Einzelwappen am Gewände seitlich links: Hier ist der Wappenschild der von Boineburg angebracht, silbern-schwarz geviert. Die hier nicht dargestellte Helmzier wäre zu schwarz-silbernen Decken ein silbern-schwarz übereck geteiltes Paar Büffelhörner (Siebmacher Band: He Seite: 4 Tafel: 3, Band: Sa Seite: 8 Tafel: 7, Aschaffenburger Wappenbuch Tafel 20 Seite 114, 102, Münchener Kalender 1931).
Literatur,
Links und Quellen:
Geschichte von Schlitz und
Stadtrundgang: http://www.schlitz.de/index.php4?page=53&nav=42&ref=www.schlitz.de&sm=https%3A&sb=
Siebmachers Wappenbücher wie angegeben
Historischer Stadtrundgang Schlitz http://www.schlitz.de/Historischer-Stadtrundgang-Deutsch---Englisch,__p53.php4
Hans und Doris Maresch: Hessens Schlösser und Burgen, Husum
Verlag 2005, ISBN 3-89876-158-4, S. 225-226
Ulrich G. Großmann: Renaissanceschlösser in Hessen: Hinterburg
Schlitz: http://schloesser.gnm.de/wiki/Schlitz,_Hinterburg
Burgen von Schlitz: http://www.burgenwelt.org/deutschland/schlitz/schlitz.htm und http://burgenarchiv.de/Burgen/Burg_Schlitz_in_Hessen
Ulrich G. Großmann: Renaissanceschlösser in Hessen -
Architektur zwischen Reformation und Dreißigjährigem Krieg,
Verlag Schnell & Steiner, 296 S, 2010, ISBN
978-3-7954-2168-7.
Wohnanlage Hinterburg: http://hinterburg.de/ - https://hinterburg-schlitz.de/
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