Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2375
Schmalkalden (Landkreis Schmalkalden-Meiningen, Thüringen)

Das Rathaus am Altmarkt

Schmalkalden erhielt 1335 das Stadtrecht. Das Rathaus von Schmalkalden ist ein aus mehreren Gebäuden bestehender Komplex auf der Westseite des wahrscheinlich bereits im 12. Jh. angelegten Altmarktes. Platzseitig stehen drei Gebäude nebeneinander, die alle zum Rathaus gehören: Ganz im Norden befindet sich der älteste Bau (im Bild rechts angeschnitten), der Gasthof zum Adler, der aufgrund der Stärke der Mauern und den im Innern vorhandenen halbrunden Türöffnungen im Kern mittelalterlich ist, aber in der Renaissance umgebaut wurde. In der Mitte der Platzseite steht das gotische Rathaus (Ratskeller), dessen Satteldach seitlich von zwei als Brandschutzmauern dienenden Treppengiebeln begrenzt wird. Dieser Bau ist von historischer Bedeutung, weil hier im Jahr 1419 zum ersten Mal der Stadtrat getagt hatte. Der südlichste Bau der Reihe (links im Bild angeschnitten) ist neueren Datums und wurde 1903-1905 von dem Dresdener Architekten Aurich errichtet. Hier stand früher einmal ein Bürgerhaus. Die Stadt kaufte es 1537 und baute es zum städtischen Waage- und Kaufhaus um. Da das Obergeschoß mit dem ehemaligen Tanzsaal aus Fachwerk war, brannte es beim Stadtbrand 1901 ab. Rückwärtig gehören noch einige weitere alte Bauten zum Rathausensemble. Der Stadtbrand von 1901 hatte glücklicherweise das gotische Rathaus, den mittleren Bau zum Platz, nicht erfaßt. Es ist freilich im Vergleich zum gotischen Urzustand, für den wir eine offene Erdgeschoßhalle und einen großen Saal im ersten Obergeschoß annehmen dürfen, durch Umbauten verändert worden. Zum Markt hin sind heute nur noch zwei Bogenöffnungen erhalten, nach hinten eine einzige. 1472 wurde im ersten Obergeschoß, das bisher ungeteilt war, eine große Ratsstube eingerichtet, die sich zum Markt hin mit dem markanten, zehnteiligen, flachbogigen Fenster öffnet, welches die zuvor vorhandene Symmetrie der Fassade durch einen markanten architektonischen Akzent ersetzte. 1473 wurde noch eine kleine Ratsstube eingerichtet. 1542 bekam das alte Rathaus drei kleine Ziergiebel im Stile der Renaissance auf die Platzfassade aufgesetzt, die aber 1706 wieder abgerissen wurden, als das Rathaus renoviert und erneut umgeändert wurde.

Das Rathaus war 1530-1544 eine der Tagungsstätten des Schmalkaldischen Bundes, der sich aus Konsequenz aus der Ablehnung der Confessio Augustana durch Kaiser Karl V. auf dem Augsburger Reichstag von 1530 formierte. Der kursächsische Kanzler Brück eröffnete hier am 10.2.1537 die damalige Bundestagung zur Vorbereitung eines eventuellen Konzils in der großen Ratsstube mit seiner Rede, in der er nicht Luthers Artikel, sondern die Confessio Augustana und die Apologie als gemeinsame Grundlage der Beratungen herausstellte. Anwesend waren Delegierte aus 18 Territorien und Städten, Melanchthon, Johannes Bugenhagen und Luther, die Bundeshauptleute Johann Friedrich von Sachsen und Philipp von Hessen sowie ca. 30 Theologen. Und dennoch wurde es nicht nur ein politisches, sondern auch ein religiöses Treffen, in dem auch über Glaubensartikel disputiert wurde; Luthers Schmalkaldische Artikel standen als Verschärfung gegen die bisherige gemeinsame Basis, die Confessio Augustana. Sie standen jedoch nicht im Vordergrund der Beratungen und wurden auch nicht als Bundesbekenntnis allgemein gutgeheißen; insbesondere die südwestdeutschen Vertreter lehnten die Artikel ab, und die dem Bund angeschlossenen Städte wollten auch gar keine neuen Glaubensartikel behandeln. Im Endeffekt wurde eine Ablehnung der Konzilsteilnahme beschlossen und statt dessen die Akzeptanz der Confessio Augustana gefordert.

Das Stadtwappen von Schmalkalden ist über dem linken Rundbogen des Erdgeschosses angebracht und zeigt in Rot eine zweitürmige silberne Burg mit blauem Dach und vier goldenen Turmknäufen, im offenen Tor einen gespaltenen Schild, darin rechts in Gold eine schwarze Henne mit rotem Kamm und roten Lappen auf einem grünen Berg, links in Blau ein neunmal von Silber und Rot geteilter, golden gekrönter und bewehrter Löwe.

Während der Hauptschild allgemeine Stadtsymbolik enthält, geht der Schild an der Nabelstelle auf die Stadtgeschichte ein: Von 1360 bis 1583 war die Stadt ein Kondominat, gemeinsam beherrscht von den Landgrafen von Hessen-Kassel und den Grafen von Henneberg-Schleusingen. Landgraf Heinrich II. von Hessen hatte mit Elisabeth von Henneberg-Schleusingen, der Witwe des Grafen Johann I. von Henneberg-Schleusingen einen wechselseitigen Erbvertrag über das gemeinsam erworbene Schmalkalden abgeschlossen. Die Stadt wurde dabei de facto geteilt, mit dem Schmalkaldekunstgraben als Grenze. Die hennebergische Hälfte lag östlich und südlich des Grabens, auf der anderen Seite die landgräfliche Hälfte. Jede Partei hatte ihren eigenen Verwaltungssitz im jeweiligen Teil der Stadt. Erst als im Jahre 1583 Georg Ernst Graf von Henneberg ohne erbberechtigte Nachkommen verstarb, kam Schmalkalden zur Gänze an Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel und bildete eine über 600 Jahre bestehende territoriale Exklave für die Landgrafen. Das übrige Erbe der Grafen von Henneberg kam an die Ernestiner gemäß dem 1554 geschlossenen Kahlaer Vertrag mit den Hennebergern. In der wiedergegebenen Form wurde das Stadtwappen 1993 angenommen. Davor, 1583-1993, führte die Stadt auf der stilisierten Stadtdarstellung zwar auch einen Nabelschild, dieser enthielt aber allein den hessischen Löwen.

Literatur, Links und Quellen:
Hinweistafeln am Objekt
Schmalkalden: Hauptsatzung. 2, Abs.1
http://www.stadt.schmalkalden.de/rathaus-und-politik/wahlunterlagen-2009/doc_download/4-hauptsatzung.html
Schmalkalden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schmalkalden#Wappen
Herrschaft Schmalkalden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Herrschaft_Schmalkalden
Schmalkalden:
http://www.ngw.nl/heraldrywiki/index.php?title=Schmalkalden
Stadtrundgang:
http://www.peterheckert.org/index.php?option=com_content&view=article&id=103&Itemid=109
Paul Weber (Hrsg.): Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 5): Kreis Herrschaft Schmalkalden: Textband, Marburg, 1913, S. 200
http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bkrcbd5text/0220
Luthers Schmalkaldische Artikel
https://kulturerbethueringen.wordpress.com/2011/11/02/luthers-schmalkaldische-artikel/
Konvent in Schmalkalden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Konvent_in_Schmalkalden
Schmalkaldischer Bund:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schmalkaldischer_Bund

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