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Photos schöner alter Wappen Nr. 2374
Schmalkalden (Landkreis Schmalkalden-Meiningen, Thüringen)
Das Steitzsche Haus
Das Steitzsche Haus wurde 1560-1561 erbaut und steht gegenüber dem landesherrlichen Marstallgebäude in der Hoffnung Nr. 11. Besitzer war der hennebergische Rentmeister und spätere hessische Stadtschultheiß Antonius Steitz. Der Wechsel von hennebergischen zu hessischen Diensten liegt in der besonderen Geschichte der Stadt begründet: Von 1360 bis 1583 war die Stadt ein Kondominat, gemeinsam beherrscht von den Landgrafen von Hessen-Kassel und den Grafen von Henneberg-Schleusingen. Landgraf Heinrich II. von Hessen hatte mit Elisabeth von Henneberg-Schleusingen, der Witwe des Grafen Johann I. von Henneberg-Schleusingen einen wechselseitigen Erbvertrag über das gemeinsam erworbene Schmalkalden abgeschlossen. Die Stadt wurde dabei de facto geteilt, mit dem Schmalkaldekunstgraben als Grenze. Die hennebergische Hälfte lag östlich und südlich des Grabens, auf der anderen Seite die landgräfliche Hälfte. Jede Partei hatte ihren eigenen Verwaltungssitz im jeweiligen Teil der Stadt. Erst als im Jahre 1583 Georg Ernst Graf von Henneberg ohne erbberechtigte Nachkommen verstarb, kam Schmalkalden zur Gänze an Landgraf Wilhelm IV von Hessen-Kassel und bildete eine über 600 Jahre bestehende territoriale Exklave für die Landgrafen. Das übrige Erbe der Grafen von Henneberg kam an die Ernestiner gemäß dem 1554 geschlossenen Kahlaer Vertrag mit den Hennebergern.
Besagter Antonius Steitz war wie schon sein Vater zuvor Besitzer eines Bergbau- und Stahl-Imperiums und dadurch wohlhabend. Sein dreistöckiges Haus ist auf einem Sockel aus Stein und mit zwei reichdurchfensterten Fachwerkobergeschossen erbaut worden. Im ersten Obergeschoß befindet sich eine Stuckdecke mit farbigem Blumendekor aus der Zeit von 1682-1684. Das restaurierte Haus wurde 2002 Sieger im Wettbewerb "Gelungene Fassaden" der Stadt Schmalkalden.
Antonius Steitz (-13.3.1592) war der Sohn von Johann Steitz (auch Hans Steitz d. Ä., ca. 1510-28.11.1574), hennebergischer Rat und 1544 Landrentmeister, später Amtmann in Schmalkalden und Stiftskollektor, und Anna Spielmann (vor 1508 - ca. 1558).
Sein Vater stammte aus Fulda, kam aber schon in jungen Jahren nach Schmalkalden. Für den Vater Johann Steitz war er ein Kind aus erster Ehe, denn er heiratete später in zweiter Ehe Ursula Volkamer von Neustadt, wobei diese zweite Ehe aber kinderlos blieb. Bereits der Vater hatte sich wirtschaftlich im Berg- und Hüttenwesen engagiert: Am 2.10.1536 bekam er von Graf Wilhelm von Henneberg die Genehmigung, unter der Todenwarth ein Hammerwerk errichten zu dürfen. 1549 wurde er mit dem Kupferhammer oberhalb des Klosters Zella belehnt, zusammen mit Hans Hartung und Valtin Hepp. Er kaufte Teile der Bergwerke in Ilmenau und in der Wüstung Atzerode. Im Jahre 1554 wurde er von Graf Wilhelm IV. unter Nichtbeachtung der Zunftschranken mit drei Teilen der ergiebigen Eisenlagerstätten in Atzerode am Stahlberg belehnt, was Streß mit anderen Stahlhammerbesitzern gab, aber der Landesherr war wohl der Auffassung, daß die Zunft die Gruben vernachlässigt hatte. Lagen seine ersten Wirtschaftsunternehmen noch am Rand oder außerhalb des Amtes Schmalkalden, war diese Übernahme ein Eintritt ins wirtschaftliche Herz Schmalkaldens, gegründet auf seiner einflußreichen Stellung am hennebergischen Hof. Daraus entstand ein Wirtschaftskrieg mit anderen ortsansässigen Hüttenbesitzern, weil diese ihm vorwarfen, außerhalb der Zunftgrenzen den Markt mit schlechter Qualität zu überschwemmen. Im Jahr 1557 besaß er 18 Anteile am Bergwerk St. Jacob in Goldlauter. 1564 baute er auf der Hüttenwiese in Asbach eine Schmelzhütte und vier Stahlhämmer. Daß ihm der Landesherr ein Bergrecht und Privileg nach dem anderen gab, war der Lohn dafür, daß er einer der tüchtigsten und tatkräftigsten Beamten in der Grafschaft und Stadt war und das volle Vertrauen der Grafen verdiente und besaß.
Johann Steitz wurde so wohlhabend, daß er dem Grafen Georg Ernst von Henneberg 1567 nach einem Pestjahr 500 Gulden zum Erwerb von Korn leihen konnte. Damit sind wir auch schon bei der notorischen Geldnot der Grafschaft: Die Henneberger lebten über ihre Verhältnisse. Bereits 1547 wurde es überdeutlich, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse auf eine Katastrophe hinsteuerten. Johann Steitz war ein guter Wirtschafter und ein mutiger Mann, der den Grafen auf die Konsequenzen seines Wirtschaftsverhaltens mehrfach und deutlich hinwies. Als erste Konsequenz wurde der Herrschaftssitz am 22.2.1548 von Schleusingen nach Maßfeld verlegt, und die Hofhaltung wurde verkleinert. Zur weiteren Sanierung wurde der eingangs erwähnte Kahlaer Erbvertrag am 1.9.1554 geschlossen.
Das ganze Vermögen aus dem Berg- und Hüttenwesen ermöglichte ihm den Ankauf etlicher Immobilien in Schmalkalden, wo ihm schließlich 11 Häuser gehörten, darunter ein Freihaus am Schloßberg und auch dieses Haus in der Hoffnung (= Straßenname!), in das sein Sohn Antonius zog, der auch in die Geschäfte des Vaters einstieg. Außerdem gehörten ihm mehrere Höfe und eine Mühle. Und bei seinem Tod hinterließ er seinen Kindern "eine Tonne Goldes".
Antonius Steitz studierte in Wittenberg, wo er 1546 immatrikuliert war, und in Marburg, wo er 1550 immatrikuliert war. 1557 wurde er hennebergischer Rentmeister zu Schmalkalden. 1568 wurde er hennebergischer Schultheiß. Am 19.9.1584 wurde er hessischer Stadtschultheiß und Forstmeister zu Schmalkalden. Er war zweimal verheiratet, in erster, vor 1556 geschlossener Ehe mit Anna Warnberger (vor 1540-5.10.1574, Tochter seines Amtsvorgängers, Stadtschultheiß Hans Warnberger) und in zweiter Ehe am 4.7.1575 in Schmalkalden mit Anna Zielfelder (Tochter des Bürgermeisters Georg Zielfelder). Aus erster Ehe stammen die Söhne Andreas Steitz, der Kammerschreiber und danach Sekretär des Grafen Georg Ernst von Henneberg wurde und am 3.5.1585 Maria Schmalcalder heiratete, die Tochter des Bartholomäus Schmalcalder, Präfekt zu Eisenach, und Johann Steitz, der am 13.11.1594 in Meiningen Maria Musäus heiratete, und drei Töchter, darunter Barbara Steitz und Maria Steitz, die am 15.10.1582 in Eußenhausen den Schulmeister Jacob Simon heiratete. Aus zweiter Ehe stammt der Sohn Heinrich Steitz, der Stadtschreiber in Speyer wurde und den Stamm mit seinem Sohn Johann Heinrich Steitz fortführte, dessen Sohn Ludwig Friedrich Steitz Spezereihändler in Frankfurt/Main wurde. Ein zweiter Sohn des Bauherrn dieses Hauses aus dessen zweiter Ehe, der gleichnamige Antonius Steitz, verstarb als Kleinkind. Aus zweiter Ehe stammen ferner die Töchter Rebecca Steitz, die am 7.11.1597 Heinrich Erhardis (Heintz Ehrhard) heiratete, sowie Anna Steitz, die am 19.6.1609 Hans Clemen heiratete. Nach 1640 verschwindet der Name Steitz aus Schmalkalden.
Antonius Steitz hatte wirtschaftlich schlechtere Rahmenbedingungen als sein Vater. Während jener zeitlebens nur expandierte, wurde der Sohn Antonius vom auf Druck der hessischen Landgrafen 1575 zustande gekommenen Stahlschmiederezeß getroffen: Ganz im Sinne der Zünfte wurde angesichts der Überproduktion und des Raubbaus an den Wäldern die Menge des zu schmiedenden Stahls auf einem niedrigeren Level begrenzt. Die Steitzschen Hämmer außerhalb des Amtes Schmalkalden (Benshausen, Trusetal und Schleusingen) wurden abgebaut.
An der Fassade ist das Wappen der Familie Steitz von 1563 angebracht. Bis 1547 führte die Familie ein einfaches Hausmarkenwappen, mit welchem Johann Steitz auch siegelte. Es handelte sich um zwei schräggekreuzte Schäfte, wobei jeder freie Schenkel eine Halbsprosse trägt, am rechten oberen Schenkel schräglinks nach unten, am linken oberen Schenkel schrägrechts nach unten, am rechten unteren Schenkel schrägrechts nach oben und am linken unteren Schenkel schräglinks nach oben.
Johann Steitz (ca. 1510-28.11.1574) erhielt am 11.10.1547 einen kaiserlichen Wappenbrief, der ihm ein neues, nicht hausmarkenbasiertes Wappen verleiht: Der Schild ist gespalten, rechts in Gold ein rotes Burgunderkreuz (ein schwebender roter Astschragen mit gestümmelten Seitenästen), bewinkelt von vier grünen, gestielten Kleeblättern, links in Rot ein aufspringendes, silbernes, golden bewehrtes Einhorn, auf dem Helm mit rechts rot-silbernen, links rot-goldenen Decken ein wachsendes silbernes, golden bewehrtes Einhorn, davor ein rotes Burgunderkreuz (ein schwebender roter Astschragen mit gestümmelten Seitenästen). Das sog. Burgunderkreuz ist eine gegenständliche Umsetzung der zuvor verwendeten Hausmarke, die die wesentlichen Elemente wie die Schragenform und die seitlichen Halbsprossen aufgreift.
Der Wortlaut des Konzeptes im Adelsarchiv des K. K. Ministeriums des Innern zu Wien lautet im Detail etwas anders: "...ainen schilt nach lenngs gleich abgetailt, das vorder tail gelb oder goltfarb, darinnen aufrechts ein rots Burgundisch Kreutz mit abgestimelten essten, darzwischen undten und oben, desgleichen in der mitte zu baiden tailen vornen und hindtern yeglichs orts ein grüens kleeplat die slengel abwerts gekert, und das hinder tail des schilts rot, darin für sich aufrechts ein weiss oder silberfarbs ainhurn, den spitz gegen den vordern obern eck kerend, mit aussgereckten füessenu zum sprung geschickt. Auf dem schilt ein stechhelmb mit gelber und roter helmbdecken und derselben farben gewundnen pausch, daraus entspringendt ain Burgundisch creutz, nach des schilts farben abgesetzt, nemblich der voder stamb gelb und hindter ast des creutz rot, baide mit abgestumbten esten, darzwischen ain vordertail aines weissen ainhurn den spitz für sich kerend mit aussgereckten Füessen."
Aus dem Jahr 1560 hat sich ein der Beschreibung entsprechender Siegelabdruck des Johann Steitz im Archiv Meiningen erhalten, aus dem Jahr 1584 ein weiteres Siegel der Familie im Marburger Staatsarchiv. Am 5.4.1566 erwirkte sich Johann Steitz von Kaiser Maximilian noch einen Schutzbrief für seine Person und all seine Habe.
Zur Vollständigkeit werden hier noch die Wappen beider Ehepartner des Bauherrn angegeben: Seine erste Frau, Anna Warnberger (vor 1540-5.10.1574) führte eine auf einem Dreiberg sitzende, hersehende Eule, was ein redendes Wappen ist: Die Eule sitzt als warnender Vogel auf einem Berg. Seine zweite Frau, Anna Zielfelder, führte im Schild und als Helmzier den Fuß eines Adlers, die Fänge nach oben gerichtet.
Literatur,
Links und Quellen:
Hinweistafeln am Objekt
Genealogie der Familie Steitz: http://www.woydt.be/genealogie/g15/g151/1510stjo01.htm - http://www.woydt.be/genealogie/g15/g15x/15xxstan02.htm - http://www.woydt.be/genealogie/g16/g160/1600sthe01.htm
Johann Steitz der Ältere,
Hennebergischer Amtmann, in: Carl Knetsch: Zur Schmalkalder
Häuser- und Familiengeschichte, in: Zeitschrift des Vereins für
Hennebergische Geschichte und Landeskunde in Schmalkalden, Heft
XV, 1910
Peter Handy: Hoffnung 11 - ein Haus mit
einflußreichem Erbauer, Meininger Heimatklänge (2001) 10.
Carl Knetsch: Die Schmalkalder
Stahlschmiede im 16.Jahrhundert, in: Zeitschrift des Vereins für
hennebergische Geschichte und Landeskunde in Schmalkalden, Heft
XVI, Schmalkalden 1911, inkl. Stammbäume Merckel, Clemens und
Steitz.
Carl Knetsch: Die Familie Steitz zu Schmalkalden, Wellers Archiv
für Stamm- und Wappenkunde, 1902, S. 73-76
Ortsregister - Namensregister - Regional-Index
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