Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2284
Göllersdorf (Bezirk Hollabrunn, Niederösterreich)

Schloß Schönborn

Schloß Schönborn liegt im Weinviertel, ca. 11 km nordwestlich von Stockerau, in der Mitte zwischen den Ortschaften Göllersdorf und Obermallebarn. Die beiden Verbindungsstraßen zwischen beiden Ortschaften weichen im Bogen jeweils nach Südwesten und Nordosten aus, um einem großzügigen Parkgelände breitrechteckigen Zuschnitts Platz zu geben, in dessen Mitte sich das Schloß befindet. Eine dritte Verbindungsstraße führt gerade durch dieses Gelände hindurch und westlich des Schlosses vorbei, während parallel der Göllersbach an der anderen Seite des Schlosses verläuft. Zwischen diesen beiden Achsen sind die wesentlichen Elemente des Schloßensembles von Nordwesten nach Südosten aufgereiht: Zufahrt - Ehrenhof - Schloß - Parkzentrum - Orangerie und Landwirtschaft. Das gesamte Gelände zuzüglich eines nordwestlich angesetzten Rechtecks wird heute von einem Golfplatz eingenommen.

Das Schloß selbst besitzt einen äußerst kunstvoll gestaffelten Ehrenhof: Dem breitgelagerten Hauptbau, dessen rückwärtige Fassade mit dem Altanvorbau die Ansicht von der Gartenseite bestimmt, ist rückwärtig mit zwei Seitenflügeln versehen, an die zwei L-förmige Pavillons angesetzt sind mit Treppentürmen in den Winkeln. Dies ist die erste Weitung des Ehrenhofs. An die L-förmigen Bauten sind jeweils Seitenflügel angesetzt, die man nur parkseitig wahrnimmt, während sie von der Hauptzufahrt kommend von den vorgebauten Elementen verdeckt sind. Parkseitig tragen sie oben steinerne Balustraden mit barocken Statuen. Nach Nordwesten sind an jeden dieser Seitenflügel zwei parallele Trakte angebaut. Da diese einen Winkel mit den vorgenannten L-förmigen Bauten bilden, entspricht das der zweiten Weitung. Diese inneren Verlängerungen knicken noch weiter vorne rechtwinklig ab und schwingen im Viertelkreis wieder nach vorne, was einer dritten Weitung entspricht. So ist der ganze Zufahrtsweg dreimal gestaffelt, bis man in den eigentlichen Ehrenhof kommt, und mit jeder Staffelung schiebt sich eine weitere Fassade wie eine Theaterkulisse wegverengend vor, bis man in den tiefen, letzten, eigentlichen Ehrenhof und vor das Hauptgebäude gelangt, dessen drei Hauptflügel die eigentlichen Wohnbauten waren. Die Staffelung erfolgte auch hinsichtlich der Funktion; so passierte man erst die Ställe und Wirtschaftsbauten, dann die Verwaltungsbauten, sieht seitlich das Türmchen der Schloßkapelle, um schließlich zum Wohn- und Repräsentationsbereich zu gelangen.

Um den Weg noch spannungsgeladener zu gestalten, ist in direkter Flucht ein ovaler See, der auch als Pferdeschwemme diente, zwischen den äußersten, am weitesten sich öffnenden Trakten angelegt, so daß der Besucher sich dem Ehrenhof in einer Kurve nähert, was das sich mit dem Näherkommen bietende Architekturtheater noch komplexer gestaltet, weil er zwischenzeitlich nicht mehr in die Tiefe des letzten Ehrenhofes blicken kann, bis der Blick nach der Vereinigung der beiden Wege rechts und links des Sees wieder bis zum Hauptgebäude frei ist.

Zurück zu den viertelkreisförmig zurückschwingenden Seitentrakten: Durch diesen Viertelkreis liegen die wieder nach Nordwesten (der Hauptrichtung) weisenden Abschlußbauten in einer Flucht mit den äußeren der parallelen Vorflügel, so daß beide einen annähernd trapezförmigen, an der Schrägseite konkav eingezogenen Innenhof auf jeder Seite des Ensembles bilden. Die Trichterwirkung des Zufahrtsweges wird bereits ganz am Anfang desselben inszeniert, weil sich dort die das Gelände umschließende Mauer beiderseits in weitem Bogen entlang der Straße nach innen zieht, ehe die beiden Torpfosten mit dem heute meist verschlossenen Tor kommen, was ebenso einen optischen Sog erzeugt, freilich in kleinerem, vorbereitenden Maßstab im Vergleich zur Schloßanlage. Einst stand hier noch ein barocker Torturm, der aber nicht mehr erhalten ist.

Die Gartenfront des Hauptschlosses besitzt dreizehn Achsen. Drei entfallen auf den vorspringenden Mittelrisalit mit einer Sala terrena im Erdgeschoß und einem Festsaal darüber. Dieser Mittelrisalit wird nicht nur durch das Vorspringen der Fassade, dem allerdings erst in der Mitte des 19. Jh. angebauten Altan mit schmiedeeiserner Brüstung und die wesentlich größeren Rundbogenfenster im Obergeschoß betont, sondern auch noch von einem Ziergiebel geschmückt, in dem eine prunkvolle Wappenkartusche von zwei Löwen gehalten wird. Die beiden seitlichen Achsen bilden eine Einheit für sich, sind deutlich vom Mittelbau abgesetzt und tragen steinerne Attikabalustraden mit Figuren, ebenso wie der Ziergiebel in der Mitte.

Der Park mit seinen Parterres und den Wasserspielen wurde von Johann Lucas von Hildebrandt und von Maximilian von Welsch angelegt. Eugen Franz Graf Schönborn-Buchheim ließ zwischen 1790 und 1800 im nördlichen Bereich einen Englischen Garten mit einem großen Teich mit einem Chinesischen Pavillon auf einer künstlichen Insel anlegen. Spannungsgeladen ist auch das Konzept des südöstlichen Abschlusses der Gesamtanlage: Hier befindet sich jenseits der zentralen, zwischen Straße und Göllersbach gelegenen Parkeinheit mit einer großen, den Blick leitenden Rasenfläche eine Baugruppe aus Orangerie und Landwirtschaft (heute Pferdewirtschaft), die einerseits das optische Pendant zum Schloß darstellt, andererseits der zentralen Achse vollkommen untergeordnet ist, denn die Mitte aller drei Gebäuderiegel ist frei, so daß die Blickachse gerade durch sie hindurch geht. Und doch ist sie genau wie das Schloß gestaffelt in Szene gesetzt, diese Blickachse: Rechts und links eines Rasenovals - früher Wasserspiele, Entsprechung zum See vor dem Schloß und optischer Abschluß der Hauptachse - liegen dreiflügelige, eingeschossige Gebäudegruppen, die sich hufeisenförmig zum Rasenoval hin öffnen und zwei weitere, sorgfältig abgegrenzte Rasenflächen umschließen. An die rückwärtigen Gebäude, die den zweiten, in der Mitte offenen Querriegel bilden, ist die Orangerie in zwei viertelkreisförmigen Teilen angebaut. Ihr Rückschwung entspricht der Biegung des Rasenovals und korrespondiert wiederum variierend mit den viertelkreisförmigen Flügeln vor dem Schloß, nur wird hier das Element nicht öffnend, sondern schließend verwendet, sodaß der Blick trotz ebenfalls freigelassener Mitte gegenüber dem ersten Querriegel verengt wird. Die Orangerie wurde 1716/18 errichtet.

Genau genommen wird der Raum sogar zweimal verengt, weil die Viertelkreisflügel nach hinten versetzt angebaut sind, so daß sich hintereinander eine kleine und dann eine große Verengung ergeben. Gleichzeitig findet eine qualitative Staffelung der Architektur statt, denn diese gebogenen Orangerieflügel schließen im Gegensatz zu den vorgenannten Gebäuden flach ab und werden oben von einer steinernen Balustrade mit Figurenschmuck gesäumt. Dahinter liegt der rundum von weiteren Trakten und Nebengebäuden der ehemaligen Meierei umschlossene Hof, dessen Südostseite jedoch eine Lücke besitzt, die etwas breiter als der Durchlaß zwischen den Viertelkreisflügeln ist, so daß man vom Schloß aus die Existenz dieser Gebäudegruppe gar nicht wahrnimmt, sondern den Blick durch die Orangerielücke hindurch in die freie Landschaft laufen lassen kann, um den Übergang von der kultivierten Parklandschaft in die unkultivierte Natur bis in die Unendlichkeit erleben zu können. Hinter der Orangerie stieg einst eine riesige Fontäne als weithin sichtbarer Abschluß des Parks empor; diese ist jedoch nicht mehr vorhanden, genausowenig wie die Springbrunnen und Kaskaden vor der Gartenfassade des Schlosses. Statt dessen ist hier ein Rasenoval. Auch dieser Abschluß des Parks ist eine großartige Inszenierung unter Verwendung der Baugruppen als sich in den Blick des Betrachters schiebende Theaterkulissen, wobei der sorgfältig geplante Effekt ganz natürlich wirken soll.

Wenn man die Göllersdorfer Kulturlandschaft noch weiträumiger betrachtet, ergibt sich eine noch längere Achse, auch wenn sie nicht gerade verläuft, sondern Rücksicht auf die historische Ortsbebauung von Göllersdorf nimmt. Dennoch handelt es sich um eine lineare Abfolge markanter architektonischer Objekte, die einen weiträumigen Zusammenhang aufspannen und das großräumige Göllersdorfer Hildebrandt-Ensemble bilden: Vom Schloß aus erreicht man am alten Ortseingang von Göllersdorf die katholische Pfarrkirche, dahinter den Marktplatz (Hauptplatz) mit der Mariensäule bzw. Pestsäule aus dem Jahr 1733 in seiner Mitte, und von da zieht sich die Linie weiter bis zur Loretokapelle (Grabkapelle) am anderen Ortsende. Zwischen beiden Kirchen fanden einst Prozessionen und Festzüge statt und vollzogen so die optische Achse des Ortes nach. Zwar nicht genau in der Flucht, aber in der gleichen Nordwest-Südost-Ausrichtung verläuft die Hauptachse des Schloßensembles außerhalb der Ortschaft und knüpft damit an die Achse des Ortes Göllersdorf an und baut ein Spannungsfeld zwischen beiden Achsen auf, das Bezüge im Sinne einer barocken "Adelslandschaft" schafft. Zugleich entsteht eine Bezugslinie zwischen dem Schloß als Ort prunkvollen Lebensgenusses einerseits und der Gruftkirche als Memento mori andererseits, genau wie in Würzburg eine solche Beziehung zwischen der Residenz einerseits und der an den Dom angebauten Schönbornkapelle andererseits aufgebaut wird. Und wenn man noch großräumiger denkt, kommt der alte, durch Göllersdorf laufende Verkehrsweg ins Blickfeld, der die Donau mit der Elbe verband, eine alte Poststraße mit den Stationen Stockerau - Göllersdorf - Hollabrunn - Pulkau - Znaim und seit dem Ausbau in der ersten Hälfte des 18. Jh. unter Kaiser Karl VI. Kaiser- oder Reichsstraße genannt wurde.

Zurück zum reichsgräflichen Schönborn-Wappen im Giebel der Gartenfassade des Hauptschlosses: Dieses ab 1717 geführte Wappen belegt die Übernahme der Buchheim-Elemente nach dem Erwerb der Herrschaft 1710: Der Hauptschild ist zweimal gespalten und zweimal geteilt, Feld 1: in Rot drei (2:1) silberne Schildchen, reichsständische Herrschaft Reichelsberg, Feld 2: als Medaillon aufgelegt in Gold der kaiserliche, golden nimbierte, schwarze Doppeladler, im rechten Fang das Schwert, im linken Fang das Zepter haltend, Feld 3: in Blau ein silberner Balken, begleitet von 3 (2:1) silbernen Rauten, Herrschaft Heppenheim, Feld 4: in Schwarz 3 (2:1) goldene aufrechte Getreidegarben, von Buchheim (Puchheim), Feld 6: in Gold ein schwarzer Wolf, von Wolfsthal, Feld 7: in Hermelin auf einem roten und mit goldenen Quasten verzierten Kissen ein goldener Reichsapfel mit goldenem Kreuz, Erbtruchsessenamt in den österreichischen Landen ob und unter der Enns, von den von Puchheim übernommen, Feld 8: unter dem Erzherzogshut mit Wappenmantel ein roter Schild mit silbernem Balken, Erzherzogtum Österreich, Gnadenzeichen, das zusammen mit dem Titel der von Buchheim übernommen wurde, Feld 9: in Silber ein blauer Löwe, belegt mit zwei roten Balken, Truchsessen von Pommersfelden. Der gräflich gekrönte Herzschild zeigt in Rot auf drei silbernen Spitzen einen schreitenden goldenen Löwen mit eigentlich blauer, hier goldener Krone, das Stammwappen der Grafen von Schönborn.

Der Architekt des Schloßensembles war Johann Lucas von Hildebrandt (1668-1745). Der aus Genua stammende Baumeister war ursprünglich Festungsingenieur und stand in Diensten von Prinz Eugen von Savoyen während dessen drei Feldzügen im Piemont. Als Hildebrandt 1696 nach Wien kam, änderte sich sein Aufgabenbereich. Seit er 1697 ein Gartenpalais für den Fürsten Mansfeld Fondi erbaute, wurde er zum gefeierten höfischen Stararchitekten neben Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656-1723) und gleich diesem als kaiserlicher Hofarchitekt zu einer bestimmenden Architektenpersönlichkeit der Wiener Gesellschaft, deren Zeitgeschmack er mit seinen Entwürfen traf. Hildebrandt erbaute das Schloß Ráckeve bei Budapest für den Hofkriegsratspräsidenten Prinz Eugen von Savoyen, ebenso das Untere und das Oberen Belvedere in Wien für den gleichen Auftraggeber. Die Anerkennung als angesagter Architekt gipfelte in der Erhebung in den Adelsstand am 1.5.1720 durch Kaiser Karl VI. Als 1711-1718 Schloß Schönborn entstand, war Hildebrandt bereits kaiserlicher Hofarchitekt und eine weithin anerkannte Größe seines Faches. Der ambitionierte und leidenschaftliche Bauherr von Schloß Schönborn - er selbst prägte das Wort vom "teufelsbauwurmb", den er genau wie sein Onkel im Blut gehabt habe und der ihn "weit tiefer heineingefüret, als ich niemalen geglaubt gehabt", - hatte in ihm einen kongenialen Partner gefunden, zumal ein Schönborn nicht einfach nur baute, um Gebäude hinzustellen, sondern an echter Teilnahme an der Kunst interessiert war. Der Kreis schließt sich noch enger, wenn man in Betracht zieht, daß der Bauherr Friedrich Carl von Schönborn mit dem vorerwähnten Prinz Eugen bestens befreundet war. Und unter besten Freunden, die beide die Vorliebe für Baukunst, Bücher und Gärten besaßen und miteinander teilten, wurden über das Bindeglied Hildebrandt Entwurfsideen geteilt und Künstler und Baumeister vermittelt.

Bevor die Herrschaft Göllersdorf an Friedrich Carl von Schönborn kam, gehörte sie den Grafen Buchheim (Puchheim), die eine der ältesten und einst wichtigsten Familien waren, aber 1718 erloschen. Die von Puchheim stammten ursprünglich aus Puchheim bei Attnang in Oberösterreich und erbten in der zweiten Hälfte des 13. Jh. Güter im Viertel unter dem Manhartsberg, darunter auch die Herrschaft Göllersdorf. Die von Puchheim erbauten im Ort ein im 15. Jh. durch Oswald und Stephan Eiczinger unter Georg Podiebrad zerstörtes Schloß, das im 16. Jh. durch Veit Albrecht und Hans Christoph von Puchheim durch einen Neubau ersetzt wurde (einer der wenigen "Nicht-Hildebrandt-Bauten" in Göllersdorf), der seit 1874 bis heute mit entsprechenden Um- und Anbauten als Gefängnis genutzt wird. Im Jahr 1613 erlangte die Familie den Grafenstand. Der letzte der Familie war Franz Anton Augustin Graf von Puchheim (1663-13.10.1718), Sohn des kaiserlichen Feldmarschalls Adolf Ehrenreich Graf von Puchheim (-1664) und dessen Frau, Maria Theresia von Losenstein (-1703). Er hatte einen bewegten Lebenslauf, wurde nach seinem Studium in Italien Domherr und Kanonikus in Passau, resignierte wegen der personellen Schwierigkeiten der Familie, die vom Aussterben bedroht war, und heiratete Maximiliane Judith Hersau (Herson) von Harras (-1694). Das Paar hatte aber keine Kinder, so daß das Opfer der Resignation umsonst gewesen war. Der letzte Graf Puchheim, Freiherr zu Raabs, Herr auf Göllersdorf, Oberst-Erbtruchseß und Kämmerer, entschloß sich nach dem Tod seiner Frau, die im Alter von nur dreißig Jahren verstarb, seine klerikale Laufbahn fortzusetzen und wurde 1695 Bischof von Wiener-Neustadt. Da er sein Leben Gott geweiht hatte und keine Leibeserben in Sicht waren, verkaufte er am 8.6.1710 die Herrschaft Göllersdorf mit dem Erbtruchsessenamt an den Reichsvizekanzler Friedrich Carl von Schönborn.

Der neue Eigentümer hatte kein wirkliches Interesse an dem altmodischen Puchheim-Schloß und baute draußen vor dem Ort neu, repräsentativer, größer und wohnlicher. Wo heute Schloß Schönborn steht, war früher einmal die Feste Viendorf, die erst den Sonnbergern gehörte, die sie aber 1384 an die Puchheimer verkauften. Es war ein befestigter Gutshof, der auch als Mühlburg bezeichnet wurde. Die bestehenden Gebäude bildeten den Kern des wachsenden Ensembles, und im Laufe der Bautätigkeiten wurden immer mehr Einzelbauten durch Zwischenbauten miteinander verbunden, bis alles gemeinsam die tiefengestaffelte Anlage formte, die wir heute erleben. Wegen der Berücksichtigung der alten Mauern ist der innerste Ehrenhof auch optisch zu eng geworden. Es wäre architektonisch sinnvoller gewesen, die Reste der Mühlburg ganz abzureißen, aber auch hier ging es um symbolische Kontinuität. Göllersdorf selbst wurde nach Bezug des neuen Schlosses verpachtet. Dennoch blieb das Göllersdorfer Schloß im Besitz der von Schönborn-Buchheim und wurde erst in den 70er Jahren des 20. Jh. an die Republik Österreich verkauft.

Der Bauherr von Schloß Schönborn, Friedrich Carl von Schönborn (3.3.1674-25.7.1746), war durch seine Ämter bestens in der Welt der Mächtigen vernetzt. Sein Onkel war Lothar Franz von Schönborn (1655-1729), Reichserzkanzler und zudem Fürstbischof von Mainz und Bamberg, welcher seine Neffen und Nichten zielsicher für den weiteren gesellschaftlichen Aufstieg der Familie positionierte. Das machte vor allem die Nähe zum und den Schulterschluß mit dem Haus Habsburg nötig. Klare Parteinahme von Lothar Franz von Schönborn bei der Wahl von Kaiser Karl VI. positionierte die Familie in diese Richtung. Und in die gleiche Richtung ging sein Bemühen Jahre zuvor, seinen Lieblingsneffen und Vertrauten Friedrich Carl von Schönborn mit dem Placet von Kaiser Joseph I. im Jahre 1705 als Reichsvizekanzler aufzustellen - ein genialer Schachzug, der Macht und Ansehen der Familie Schönborn beträchtlich steigerte, denn Onkel und Neffe regierten gemeinsam als Reichserzkanzler, immerhin die Position im Reich direkt nach dem Kaiser, und als dessen Stellvertreter.

Friedrich Carl von Schönborn war zwar Reichsvizekanzler, aber bis dato ein Zugezogener, ein Nichtösterreicher. Durch den Kauf der Herrschaft wurde er Mitglied des landsässigen österreichischen Adels und etablierte die bislang im Rheinland und in Franken verwurzelte Familie in den österreichischen Erblanden. Beabsichtigt war aber vor allem das Eintreten in die bisher von den Grafen von Puchheim bekleidete gesellschaftliche Position und ihre Ämter. Durch den Kauf der Herrschaft und vor allem durch den Bau des neuen Schlosses schuf er Tatsachen: Das neue Schloß wurde ein steinernes Symbol für die Ambitionen im Habsburgerreich, und entsprechend den Dimensionen der repräsentativen Anlage waren das gewaltige, so wie der Kauf der Herrschaft die Legitimation derselben markierte.

Bauen war eine barocke Herrschaftstugend allgemein und eine Schönborn-Tugend im besonderen. Bauen diente einerseits dem öffentlichen Wohl und andererseits der Festigung und Zurschaustellung der eigenen Position als Herr. Doch das Bauprojekt Göllersdorf war noch mehr als das: Für Friedrich Carl von Schönborn war dieser Erwerb von Göllersdorf so wichtig, daß er neben dem Besitz auch Namen, Amt und Wappen der Grafen von Puchheim übernahm. Fortan war ein Feld für Puchheim (Buchheim) reserviert, ein anderes für das Erbtruchsessenamt. Die Voraussetzung für diese Übernahme war ein dem letzten Grafen von Puchheim zugesichertes Privileg, als letzter seines Namens und Stammes sowohl mit dem Obersttruchsessenamt als auch mit den landesfürstlichen Lehen und Allodialgütern frei disponieren und in casu mortis testieren zu können, ein Privileg, das ihm Kaiser Leopold I. am 10.10.1696 erteilte, am 7.12.1705 Kaiser Joseph I. bestätigte und nun 1710 zum Tragen kam. Für Friedrich Carl von Schönborn war damit das Bauprojekt in Göllersdorf die steingewordene Legitimation als Territorialherr. In einer bestimmten Hinsicht bestand ein wichtiger Unterschied zwischen der Herrschaft Göllersdorf und seinen späteren Fürstbistümern, auch wenn uns letztere viel bedeutender erscheinen: In den Fürstbistümern war er Landesherr in Ausübung seines Amtes, in Wahrnehmung der Leitung eines Hochstiftes, aber in Göllersdorf war er selbst durch seine eigene Person Territorialherr. Göllersdorf unterstand dem Erzherzogtum Österreich bis 1770 nur landesrechtlich. Aber, um auf den ersten Gedanken zurückzukommen, auch diese Position beinhaltete beide Elemente und verpflichtete zu beidem, zur Repräsentation und zum öffentlichen Wohl, vertreten durch die beiden Baukomplexe außerhalb und innerhalb des Ortes Göllersdorf; und zusätzlich diente dem öffentlichen Wohl die Errichtung etlicher kleinerer Patronatskirchen im "Königreich Schönborn", wie es Baumeister Hildebrandt nannte und damit das Prinzip der Herrschaftslegitimation durch Bautätigkeit auf den Punkt brachte. So wurde Göllersdorf zu einem wichtigen Zentrum des niederösterreichischen Barocks.

Wir kennen hierzulande Friedrich Carl von Schönborn, Sohn von Melchior Friedrich Graf von Schönborn (16.3.1644-19.5.1717) und Maria Anna Sophia Johanna Freiin von Boineburg und Lengsfeld (16.10.1652-11.4.1726), vor allem in seiner Funktion als späterer Fürstbischof von Bamberg und Würzburg, als Erbauer der Würzburger Residenz, des Schlosses Werneck und unzähliger fränkischer Barockkirchen. Doch das ist ein Vorgriff auf sein späteres Leben ab 1729 - für Göllersdorf und Schloß Schönborn ist die Zeit zwischen 1705 und 1731 prägend, während der er in Wien als Reichsvizekanzler für zwei Kaiser, Joseph I. und Karl VI., mit der Reichshofkanzlei die oberste Behörde des Heiligen Römischen Reiches leitete. Eine seine wichtigsten Aufgaben war die Vermittlung zwischen Papst und Kaiser im Spanischen Erbfolgekrieg. Innenpolitisch hingegen war seine größte Leistung die finanzielle Sanierung der kaiserlichen Hofkanzlei. Und bevor noch in Göllersdorf der erste Stein bewegt wurde, baute Friedrich Carl von Schönborn 1706 in Wien: Beim Bau des Gartenpalais in der Alvervorstadt bewährte sich bereits die Zusammenarbeit mit Johann Lucas von Hildebrandt. Ein Stadtpalais brauchte er nicht, da er eine Dienstwohnung in der Reichskanzlei bezogen hatte. Sein zweites Leben als Kirchenfürst begann später als erhofft, denn er mußte lange warten, bis sich seine Ambitionen erfüllten. 1724 fand der erste Versuch statt, als sein Bruder Johann Philipp Franz als Fürstbischof von Würzburg starb - die Idee der Nachfolge war erfolglos; Christoph Franz von Hutten wurde ihm vorgezogen. 1727 übernahm Friedrich Carl die ungarischen Besitzungen mit einer Gesamtfläche von 2400 km² von seinem Onkel Lothar Franz. 1729 bot sich die nächste Gelegenheit, einen Bischofsstuhl zu ergattern, als sein Onkel Lothar Franz verstarb und die Sitze in Mainz und Bamberg vakant waren, außerdem verstarb im selben Jahr auch noch der "Interimsfürstbischof" Christoph Franz von Hutten, so daß auch Würzburg kurze Zeit später wieder im Spiel war. Mainz klappte nicht, dort wurde es Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg, aber in Bamberg, wo er als Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge seit 1710 fester im Sattel saß, war Friedrich Carl von Schönborn erfolgreicher, und ein halbes Jahr später klappte es auch mit Würzburg. Eine wichtige Voraussetzung zur Ämterhäufung war ein entsprechendes päpstliches Wählbarkeitsbreve für alle deutschen Bistümer, welches er 1728 erhalten hatte. Mit dem Umzug ließ er sich Zeit, zu verwurzelt war er in Wien, um nicht erst einmal von dort aus alles noch für ein paar Jahre zu regeln. Selbst der Baumeister der Würzburger Residenz, Balthasar Neumann, mußte mehrmals zur Baubesprechung nach Wien reisen, wo man auch Hildebrandt hinzuziehen konnte. Die nächste Gelegenheit in Mainz, welches die Krönung seiner Laufbahn bedeutet hätte, kam 1732, aber auch hier scheiterte er gegen Philipp Karl von Eltz. Doch auch in Würzburg und Bamberg konnte er das Leben als Landes- und Bauherr in vollen Zügen genießen, so daß sich das Mitleid wegen seiner gescheiterten Bewerbungen in engen Grenzen hält.

 

Das gesamte Areal ist vollständig von einer Gartenmauer umschlossen. An der Südwestseite wird nahe der dort verlaufenden Bundesstraße der dortige ehemalige Eingang zum Park von zwei monumentalen Löwenfiguren auf wappengeschmückten, klassizistischen Sockeln bewacht. Das Schönborn-Wappen zeigt die gleichen Inhalte wie zuvor beschrieben, aber in etwas anderer Anordnung in einem schräggevierten Schild, dessen beide seitlichen Hauptfelder einmal geteilt sind und dessen unteres Feld drei Elemente enthält, wobei aber hier auf die beiden vertikalen Trennlinien verzichtet wurde, was heraldisch nicht ganz korrekt ist. Dadurch kommt es zu einer sehr starken Betonung des kaiserlichen Gnadenzeichens im obersten Platz, das aber etwas anders aussieht als an der Gartenfassade: Der Adler trägt Schwert und Zepter im rechten Fang, im linken aber den Reichsapfel, was der späteren Entstehungszeit Rechnung trägt. Die Kartusche wird von einem aus einem Ranghut herabfallenden, beiderseits hochgerafften Wappenmantel eingefaßt.

 

Das weiterhin in Familienbesitz befindliche Schloß wurde noch bis zum Ersten Weltkrieg von der Familie bewohnt. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam der Niedergang des bis dahin bestens erhaltenen und vollständig eingerichteten Schlosses, als die russischen Besatzungssoldaten zwischen 1945 und 1955 die Innenräume verwüsteten und die Einrichtung plünderten. Die Familie wohnte in St. Gallenkirch im Montafon. Alles verschwand, wurde zerstört oder geraubt, wie bei so vielen niederösterreichischen Schlössern, die Gemäldesammlung, die Porzellansammlung, die einst riesige Bibliothek - alles weg. Die meisten Statuen, die einst Balustraden, Sockel etc. schmückten, sind zerstört oder geklaut worden. Die Gartenarchitektur ist vernichtet worden. Nur einige monumentale Steinvasen sind übriggeblieben. Für die Wiederherstellung fehlten auch lange nach dem Abzug der Truppen die Ressourcen. 1988 wurden Schloß und Park an den Golfclub verpachtet, und seitdem ging es wieder aufwärts: Das Hauptschloß ist vorzüglich restauriert und beherbergt heute das Clubhaus und ein Restaurant. Der 104 Hektar große Park ist größtenteils in einen 27-Loch-Golfplatz umgewandelt worden, der 1989 eröffnet wurde. Die Nebengebäude, in denen auch die Gutsverwaltung Schönborn-Buchheim untergebracht ist, folgen sukzessive mit der Renovierung. Die mit spielenden Putten bekrönten barocken Gartenportale sind restauriert worden (Abb. unten). Nur durch den neuen Verwendungszweck war die Rettung des Ensembles möglich. Wegen der Gefahr durch fliegende Golfbälle ist das Schloß nicht öffentlich zu besichtigen, und auch der Park ist Clubmitgliedern vorbehalten. Das Restaurant ist frei zugänglich.

 

Literatur, Quellen und Links:
Schloß Schönborn auf Burgen-Austria: http://www.burgen-austria.com/archive.php?id=902
Schloß Schönborn:
http://geschichte.landesmuseum.net/index.asp?contenturl=http://geschichte.landesmuseum.net/kunst/kunstdetail.asp___ID=-1829610252
Schloß Schönborn:
http://www.kulturatlas.at/aut_no/page/00004007.htm
Schloß Schönborn:
http://austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/Burgen_und_Schlösser/Niederösterreich/Schönborn
Schloß Schönborn:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Schönborn_(Göllersdorf)
Golfclub:
http://www.gcschoenborn.com/
Georg Clam Martinic: Burgen und Schlösser in Österreich, Edition Zeitgeschichte, Landesverlag im Veritas Verlag, Linz 1991, Topsa-Verlag, Wien 1998, ISBN 3-85001-679-1, S. 185-186
Siebmachers Wappenbücher wie angegeben
Schloß Göllersdorf auf Burgen-Austria:
http://www.burgen-austria.com/archive.php?id=154
Dehio-Handbuch, Die Kunstdenkmäler Österreichs. Niederösterreich nördlich der Donau, bearb. von Evelyn Benesch, Bernd Euler-Rolle, Claudia Haas, Renate Holzschuh-Hofer, Wolfgang Huber, Katharina Packpfeifer, Wien 1990. Seite 1047 ff.
Maria Antonia Mayrhofer: Loreto- und Gruftkirche der Famile Schönborn in Göllersdorf in Niederösterreich, Diplomarbeit, Universität Wien, 2008:
http://othes.univie.ac.at/1003/ - http://othes.univie.ac.at/1003/1/2008-08-12_6501418.pdf
Helmut-Eberhard Paulus: Die Schönbornschlösser in Göllersdorf und Werneck. Ein Beitrag zur süddeutschen Schloß- u. Gartenarchitektur des 18. Jahrhunderts, Hans Carl Verlag 1982, 232 S. ISBN: 341800069X bzw. 978-3418000695
Bruno Grimschitz: Johann Lucas von Hildebrandt, Herold Verlag Wien, 1959, 252 S., ASIN: B000UMFTJK
Hellmut Lorenz: Göllersdorf (NÖ.), Schloß Schönborn; in: Hellmut Lorenz (Hrsg.): Geschichte der Bildenden Kunst in Österreich, Band IV, Barock, München, London, New York 1999. S. 274 f.
Hartmut Platte: Das Haus Schönborn, Grafen, Fürstbischöfe und Mäzene, Börde-Verlag Werl, 2006, Reihe Deutsche Fürstenhäuser Heft 13, ISBN 3-980 9107-3-3
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Ausstellungskatalog "Die Grafen von Schönborn. Kirchenfürsten, Sammler, Mäzene", Verlag des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 1989
Das Haus Schönborn:
http://www.schoenborn.de/
Friedrich Carl von Schönborn:
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Karl_von_Schönborn-Buchheim
Theodor Henner: Friedrich Karl Graf v. Schönborn, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 32, Duncker & Humblot, Leipzig 1891, S. 268-274.
https://de.wikisource.org/wiki/ADB:Friedrich_Karl_(Bischof_von_Bamberg_und_Würzburg)
Alfred Wendehorst: Friedrich Carl Graf von Schönborn, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 5, Duncker & Humblot, Berlin 1961, ISBN 3-428-00186-9, S. 492 f.
http://www.deutsche-biographie.de/pnd118610058.html - http://daten.digitale-sammlungen.de/0001/bsb00016321/images/index.html?seite=508
Constantin von Wurzbach: Friedrich Karl Graf von Schönborn, in: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 31. Teil, Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1876, S. 135 f.
https://de.wikisource.org/wiki/BLKÖ:Schönborn,_Friedrich_Karl_Graf - http://www.literature.at/viewer.alo?objid=12540&page=155&scale=3.33&viewmode=fullscreen

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