Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 2198
Innsbruck (Österreich, Bundesland Tirol)
Das Wolkensteinsche Damenstift
Im Osten der Innsbrucker Altstadt befindet sich in der Universitätsstraße 23 ein vierstöckiges Gebäude mit Wappenschmuck über dem mittig in der siebenachsigen Fassade angebrachten Portal. Es handelt sich um das Wolkensteinsche Damenstift, und das Wappen der Grafen von Wolkenstein wird hier dargestellt. Doch die Familie kam erst spät in Beziehung zu diesem Anwesen, das im späten 18. Jh. Christof Marx Reifer und Maria Anna Genal Schifferer gehörte, dann in der ersten Hälfte des 19. Jh. der Bierschankwirtin Gertraud Luchner. Die nächste Besitzerin war Notburga Kruckenhauser geborene Hosp (5.6.1775-13.9.1864), zuvor Rattenberger Platzbäuerin, die im gleichen Metier tätig war wie die Vorbesitzerin. Notburga, verheiratet mit Johann Georg Kruckenhauser (1777-1841), hatte ihr eigenes Bräu in Rattenberg ihrem Sohn Georg Johann Kruckenhauser überlassen und kaufte das Innsbrucker Anwesen von Gertraud Lurchner. Am 11.2.1859 wurde das Haus für das Wolkensteinsche Damenstift gekauft. Nach der Adelsaufhebung in Österreich wurde die Stiftung in die allgemeine Fürsorgestiftung Maria Theresianisches Damenstift in Innsbruck umgewandelt.
Die Stiftung selbst war beim Erwerb dieses Hauses bereits 26 Jahre alt, denn schon am 20.8.1832 richtete Gräfin Maria Theresia von Wolkenstein-Rodenegg, geborene von Turteltaub-Thurnau (23.6.1779-21.3.1848), das Adelige Damenstift ein, das nach ihr benannt wurde. Die kinderlose Stifterin war die Witwe des in Ungarn gestorbenen Majors Wenzel Graf von Wolkenstein (24.6.1780-), dem Sohn von Graf Theodor von Wolkenstein-Rodenegg (-29.10.1795), kaiserlicher Generalmajor und Landoberst von Tirol, und dessen Ehefrau Maria Anna von Clary und Aldringen (25.8.1746-). Die Verzögerungen kamen dadurch zustande, daß das Statut der Stiftung erst mehr als ein Jahrzehnt nach dem Tod der Gräfin genehmigt wurde, und so konnten erst am 11.2.1859 Gelder der Stiftung zum Ankauf eines passenden Gebäudes fließen.
Insgesamt gab es sechs Plätze (Präbenden) im Stift. Zur Aufnahme war es nötig, weiblich, katholisch, ledig, von Adel, arm und von sittlichem Lebenswandel zu sein. Es gab pro Platz 630 fl., und davon mußte das für ein standesgemäßes Leben unumgängliche Dienstmädchen noch bezahlt werden. Eine Altersgrenze gab es weder nach unten noch nach oben.
Die Begünstigten hatten die Pflicht, im Stift Wohnung zu nehmen und eine Stiftsgemeinschaft zu bilden. Übernachtungen außerhalb waren untersagt, aber tagsüber konnten sich die Stiftsdamen frei bewegen. Es gab natürlich die Möglichkeit der Beurlaubung, diese Zeiten der berechtigten Abwesenheit waren auf 4 Monate im Jahr beschränkt, für die restlichen 8 Monate bestand Präsenzpflicht. Eine Art "Sabbatical" war möglich: Wer drei Jahre durchgehend keinen Urlaub nahm, konnte dafür ein ganzes Jahr fernbleiben. Am Geburtstag der Stifterin und an Allerseelen jedoch gab es nur in absoluten Ausnahmefällen Urlaub.
Wer seine Abwesenheit zwei Wochen überzog, bekam einen Monat lang seine Präbende gestrichen. Wer einen Monat oder mehr überzog, verlor die "Stütze" für die gesamte illegale Abwesenheit. Und wer gar sechs Monate oder länger überzog, verlor seinen Stiftsplatz ganz und wurde dem Kaiserhaus gemeldet. Die Stiftsdamen konnten jederzeit wieder auf eigenen Wunsch aus dem Stift austreten und sich verheiraten, es wurden keinerlei Gelübde abgelegt. Es war ausdrücklich im Sinne des Stifts, daß die bedürftige adelige Jugend weiblichen Geschlechts bis zur Heirat oder Findung eines anderen standesgemäßen Unterkommens versorgt werden sollte.
Es gab für die Stiftdamen auch eine besondere Verpflichtung: Jede mußte jährlich unentgeltlich ein armes Mädchen ihrer eigenen Wahl (mit Billigung der Oberin allerdings) entweder in Handarbeiten oder in Sprachen oder in Musik selbst unterrichten oder, sollte sie dazu nicht in der Lage sein, auf ihre Kosten unterrichten lassen. Die sonstigen Pflichten umfassen die Pflege der Grabstätte der Stifterin und das Gedächtnis an ihrem Geburtstag, Seelengottesdienste etc. Die Oberin des Stifts wurde vom Kaiserhaus ernannt.
Das Wappen der von Wolkenstein ist geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: silbern-rot im Wolkenschnitt schräggeteilt (modifiziert Maulrapp, für die Herrschaft Wolkenstein in Gröden, späteres wolkensteinsches Wappen), Feld 2 und 3: über rotem Schildfuß in Blau drei silberne Spitzen (von Pradell auf Villanders, Stammwappen), Herzschild: in Blau ein silberner Sparren (von Rodank, für die Herrschaft Rodenegg). Die hier nicht dargestellten Kleinode des gräflichen Wappens der Rodenecker Linie wären zwei: Helm 1 (rechts): auf dem Helm mit rot-silbernen Decken zwischen zwei mit silbernen Kämmen und Pfauenspiegeln besteckten roten Büffelhörnern ein goldener Schanzkorb, dieser mit drei Federn besteckt, einer roten zwischen zwei silbernen (Maulrapp, späteres wolkensteinsches Kleinod), Helm 2 (links): auf dem Helm mit blau-silbernen Decken ein silbern gestulpter, oben mit schwarzen Federn besteckter, blauer Hut zwischen zwei silbernen Hirschstangen (von Pradell auf Villanders, Stammkleinod). Ein dem Herzschild entsprechender Helm wird nicht geführt.
Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: Tir Seite: 19 Tafel: 23, Band: GfA Seite: 68 Tafel: 70, Band: OÖ Seite: 662 Tafel: 133 und im Band: Bö Seite: 271 Tafel: 127, ferner im Münchener Kalender 1909. Im Scheiblerschen Wappenbuch ist das Stammwappen auf Folio 137 abgebildet. Weitere Erläuterungen zu Familie und Wappen beim Zeughaus, dort ist das Wappen allerdings das der anderen Linie zu Trostburg, das sich von diesem durch das Fehlen des Herzschildes unterscheidet.
Das Stift war nicht nur durch den gleich im ersten Paragraph der Statuten als immerwährend festgelegten Namen und das Wappen über dem Portal eng mit der Stifterfamilie verbunden. Die Stiftsdamen, die übrigens keine Ahnenproben nachweisen mußten, sind zum Tragen eines Medaillons mit dem Wolkensteinschen Wappen darauf als Stiftszeichen verpflichtet. Dieses Medaillon, das bei festlichen Anlässen an einem weiß-roten Band (= Wolkenstein-Hausfarben) auf der linken Körperseite getragen wurde, war aus silbern-emailliertem Material und trug auf der Rückseite die Aufschrift: "Zur Erinnerung an die Stifterin Therese Gräfin von Wolkenstein-Rodenegg geb. v. Thurnau". Und die Stiftsdamen waren laut Satzung dazu verpflichtet, täglich für die Stifterin und ihre Anverwandten zu beten und in Dankbarkeit ihrer zu gedenken. Außerdem sehen wir bis in die Neuzeit Familienmitglieder im Stift, so z. B. Margarete Gräfin Wolkenstein-Rodenegg (16.7.1893- 28.10.1957). Gemäß Testament der Stifterin haben die Mitglieder der beiden Familien von Wolkenstein und von Thurnau im Falle der Bedürftigkeit Vorrang bei der Aufnahme.
Literatur,
Links und Quellen:
Siebmacher Wappenbücher wie
angegeben
Wappen Wolkenstein: http://members.yline.com/~viktoria.auer/familien/wolkenstein.htm
Wolkenstein: http://de.wikipedia.org/wiki/Wolkenstein-Trostburg_(Adelsgeschlecht) und http://de.wikipedia.org/wiki/Wolkenstein-Rodenegg_(Adelsgeschlecht)
Wolkenstein: Scheiblersches Wappenbuch (Bayerische
Staatsbibliothek Cod.icon. 312 c), Folio 137
Wolkenstein: Otto Hupp, Münchener Kalender 1909
Ludwig Hohenbühel genannt Heufler zu Rasen: Beiträge zur
Geschichte des Tiroler Adels, Jahrbuch Adler 1891, S. 52-54,
online: http://www.austroaristo.com/themen/genealogie/62-gen-chroniken/hohenbuehel/3325-heuf-wolkenstein.html
Rudolf von Granichstaedten-Czerva: Alt-Innsbrucker Stadthäuser
und ihre Besitzer, Band 1-4, Sensen-Verlag, Wien 1962-1966.
Dieses Haus betreffender Auszug: http://www.austroaristo.com/themen/genealogie/59-gen-chroniken/gra-innsbruckhaus/2672-gra-wolkensteindamenstift.html
Statuten für das Wolkensteinsche adelige Damenstift in
Innsbruck: http://digital.tessmann.it/tessmannDigital/Buch/21718//listViewMode-on.html
Liste der Sozialstiftungen: https://www.tirol.gv.at/fileadmin/themen/gesellschaft-soziales/staatsbuergerschaft/downloads/Sozialstiftungen-fonds_11.12.2013_aktuell.doc.pdf
Wenzel Graf von Wolkenstein: http://de.wikisource.org/wiki/BLKÖ:Wolkenstein-Rodenegg,_Wenzel_Graf
Denkmalgeschützte Objekte: http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_denkmalgeschützten_Objekte_in_Innsbruck-Innsbruck/L-Z
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