Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1719
Brügge (Belgien, Provinz Westflandern)

Brügge, Belfried

An der Südseite des trapezoiden Brügger Marktplatzes befindet sich der Bau der Tuchhallen (Markt 7), rechteckig mit vier Flügeln um einen langen und schmalen Innenhof errichtet, die Südseite leicht schräg, den Grundriß zum Trapez verzerrend. Die beiden Schmalseiten des Innenhofes der Tuchhallen waren mit Galerien im Stil der Renaissance versehen. Auf der nördlichen Schauseite zum Marktplatz hin erhebt sich aus der Mitte der Fassade der 83 m hohe Belfried (Belfort), eines der Brügger Wahrzeichen. Insgesamt 366 Stufen führen über fünf Stockwerke zu einer großartigen Aussicht über die Altstadt. Der Belfried, ungefähr doppelt so hoch wie die Fassadenbreite (43,5 m) und annähernd so hoch wie die Tuchhallen lang sind (84 m), ist weithin sichtbares, steingewordenes Symbol der Macht und Wirtschaftkraft der Brügger Kaufleute und Tuchherren, und dem Touristen dient er wie ein Kompaß zur Orientierung, wo auch immer er sich in der Stadt befindet. Der Belfried in Brügge, seit 1999 mit 23 anderen Belfrieden Weltkulturerbe der UNESCO, ist einer der schönsten und höchsten dieses typisch flämischen Architekturtyps. Belfriede sind profane Glockentürme (der Belfried von Brügge hat seit 1741 ein Glockenspiel von insgesamt 47 Glocken, die zusammen stolze 27,5 Tonnen auf die Waage bringen), die typischerweise in der Gotik von den Stadtbehörden oder Gilden errichtet wurden, deshalb sind sie meist eng verbunden mit Rathäusern oder Gemeinschaftseinrichtungen der Gilden, wie hier mit den Tuchhallen.

Die Bauzeit reicht vom frühen 13. Jh. für den massiven Unterbau bis zur Vollendung des achteckigen Aufsatzes in spätgotischem Stil Ende des 15. Jh. (1483-1487). Anfang des 13. Jh. entstand die erste Etage, und auch die Tuchhallen entstanden im 13. Jh. Immer wieder wurde der Belfried Opfer von Bränden, die den Bau unter Zerstörung des Bisherigen zugleich zurückwarfen und danach vorantrieben, so wurde nach dem Brand von 1280 ein 1240 errichteter hölzerner Vorgängerbau 1291-1296 durch einen steinernen Turmaufsatz ersetzt, der dem zweiten viereckigen Obergeschoß aus Stein entspricht (von insgesamt 5 Stockwerken), nach einem Brand 1493 gab es die dritte Turmspitze, und nach einem weiteren Brand 1741 erfolgte die Wiederherstellung 1753. Im Jahre 1822 entstand die heutige neugotische Bekrönung mit der Balustrade anstelle einer Spitze. Der Belfried ist nicht ganz gerade, er neigt sich um ca. 1% seiner Höhe nach Südosten.

An der Nordwestseite zum Markt hin befindet sich oberhalb des ersten Absatzes, der mit einer Zwerchgalerie aus auf jeder Seite fünf Doppelbögen mit vier runden Eckschalentürmchen abschließt, auf einer Wandvorlage ein belgisches Staatswappen innerhalb einer kreisrunden Einfassung. Dieses Wappen ist nach 1830 (Unabhängigkeit und Gründung des Königreichs Belgien) bzw. nach 1832 (Gründung des Leopold-Ordens) entstanden.

Das Mittlere belgische Staatswappen zeigt im Schild in Schwarz einen goldenen, rotbewehrten und ebenso gezungten Löwen (das ist der Löwe des ehemaligen Herzogtums Brabant, frz.: de sable, au lion d'or, armé et lampassé de gueules), auf dem Helm die belgische Königskrone. Das Wappen hat zwei goldene, hersehende Löwen als Schildhalter (supporteurs: deux lions léopardés d'or), die allerdings nicht den Schild, sondern jeweils eine mit goldenen Fransen gesäumte schwarz-golden-rot zweimal gespaltene belgische Fahne halten (tenant chacun une bannière d'or, frangée de même, tiercée en pal de sable, d'or et de gueules). Diese Fahne gab es auch noch nicht vor 1831, bis 1786 wurde eine rot-silbern-golden gestreifte Fahne verwendet, zeitweise noch mit dem alten roten Burgunderkreuz; ab 1786 durfte nur noch eine rot-silbern-rote Flagge der Habsburgermonarchie verwendet werden. Dann kam Frankreich mit seiner Trikolore 1795-1815, dann die Vereinigten Niederlande 1815-1830 mit der niederländischen Flagge, und erst 1830 setzte sich für das junge Königreich die Kombination schwarz, gold und rot durch, erst horizontal rot-golden-schwarz gestreift, seit 1831 vertikal rot-golden-schwarz, und noch im selben Jahr wechselte man zu vertikal schwarz-golden-rot, also in umgekehrter Reihenfolge mit der Farbe Schwarz an der Fahnenstange.

Die Helmdecken sollten eigentlich schwarz-golden sein, nicht grau. Um den Schild gelegt ist die Kette mit dem Großkreuz des Leopold-Ordens (achtspitziges, kugelendiges, weißes Kreuz mit grünen Blättern in den Winkeln, an der belgischen Königskrone hängend, Kette aus Kronen, Löwen und verschlungenen Initialen LR für Leopoldus Rex, 1832 gestiftet). Hinter dem Schild befinden sich zwei schräggekreuzte goldene Zepter, das rechte oben mit der Hand der Gerechtigkeit (à la main de justice), das linke oben mit einem goldenen Löwen wie im Schild des Staatswappens besteckt (à senestre au lion de l'écu) als Symbole für Gerichtsbarkeit und Herrschaft. Unter dem Staatswappen befindet sich die Devise "EENDRACHT MAAKT MACHT" - deutsch: Einigkeit macht stark oder auch frz. L'union fait la force. Um das Ganze ist ein aus einer Königskrone herabfallendes, zweimal mit goldener Schnur gerafftes, goldenbefranstes, rotes, hermelingefüttertes Wappenzelt zu sehen (un pavillon de gueules herminé, bordé, frangé, houppé et cordonné d'or avec la couronne royale).

In dieser Form entspricht die Darstellung dem mittleren Staatswappen; das Große Staatswappen hätte noch zusätzlich mehrere Banner oben hinter dem Wappenmantel hervorkommend, in der Mitte an einer Querstange ein Banner in den Landesfarben, mit dem Brabanter Löwenschild belegt. Rechts sind beim Großen Staatswappen die Banner der Provinzen Liège, Ostflandern, Westflandern und Antwerpen, links die der Provinzen Hainaut, Limburg, Luxemburg und Namur. Die beiden Schildhalter werden beim Großen Staatswappen zudem auf ein Postament gestellt. Beim Kleinen Staatswappen wird nur der Schild verwendet mit Krone, mit Leopoldsorden und mit den beiden Zeptern sowie der Devise.

Literatur, Quellen und Links:
Detlev Arens, DuMont Kunst Reiseführer Flandern, DuMont Reiseverlag, Ostfildern, 2009, ISBN-10: 3770130057, ISBN-13: 978-3770130054
Belfriede in Flandern und angrenzenden Gebieten:
http://de.wikipedia.org/wiki/Belfried - http://nl.wikipedia.org/wiki/Belforten_in_Belgi%C3%AB_en_Frankrijk - http://beffrois.blogg.org/ - http://www.world-heritage-tour.org/europe/benelux/belgium/belfries/map.html
Der Belfried von Brügge:
http://www.blogg.org/blog-54632-billet-1048941.html - http://nl.wikipedia.org/wiki/Belfort_van_Brugge - http://www.beiaard.org/steden_brugge.html
Glockenspiel des Belfrieds:
http://www.carillon-brugge.be/index.htm
Flämische Belfriede, Weltkulturerbe:
http://whc.unesco.org/archive/advisory_body_evaluation/943bis.pdf - http://whc.unesco.org/en/list/943
Belgisches Staatswappen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Wappen_Belgiens - http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Greater_Coat_of_Arms_of_Belgium.svg&filetimestamp=20110729192149
Leopoldsorden:
http://de.wikipedia.org/wiki/Leopoldsorden_%28Belgien%29 - http://www.orderofleopold.be/
Flagge Belgiens:
http://www.flaggenlexikon.de/fbelg.htm - http://www.nationalflaggen.de/flagge-belgien.html
Geschichte der Monarchie in Belgien:
http://www.monarchie.be/de/geschichte

Ortsregister - Namensregister
Zurück zur Übersicht Heraldik

Home

© Copyright / Urheberrecht Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2012
Impressum